Jacob Lotich. Die Stadt Fürstenwalde. Ein Ruhm-Gedicht von 1679. Herausgegeben und mit einer Studie von Stefan Wirth. 2018

 

Die Gärte stracks am Thor; am Acker das Gepüsche/

Da Lufft= und Erd=wild wohnt im sanfften Laub=gezische;

Am Wasser ligt die Stadt: Ihr Bildniß und Gestalt/

Ist lustig/ lieblich/ schön: ist lauter Grün und Wald.

 

Wir sehn/ wie täglich nun von Breßlou nach Berlien/

(Ein ziemlich weiter Weg) so manche Kahnen ziehn.

Wir sehn von Hamburg ab die Waaren zu uns schiffen/

Die Waaren/ drinnen offt viel tausend seyn begriffen ...


Jacob Lotich, 1617 in Riga geboren, wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg in Fürstenwalde ansässig, wo er 1691 starb. Hervorgetreten ist der Kantorensohn nicht nur als langjähriger Bürgermeister der Spreestadt im Land Lebus. Im Ruhm-Gedicht von 1679 auf seine zweite Heimat hat der Livländer auf 64 Seiten das farbige Bild einer Stadt in der Mark unter dem Großen Kurfürsten hinterlassen. Eine Studie von Herausgeber Stefan Wirth liefert historische, wirtschaftliche und kulturelle Fakten jener Wiederaufbauzeit – mit Neuem Graben und Tabakspfeifen, noch ohne Kaffee und Hugenotten.


      Die Zahl der Bürgerey ist ungewiß zu zehlen:

Es kommen täglich mehr/ die ihnen steiff erwehlen/

Daß hier gut wohnen sey. Viel bauen gar auffs Neu/

Vnd sind zehn gantzer Jahr in allen Pflichten frey.

 

Ich schliesse mein Gedicht/ und bleibe bey den Worten/

Daß mir gefall allhier der Ort vor allen Orten;

Sag auch/ das Fürstenwald/ (diß glaube du nur frey)

Recht eine schöne Stadt von schönen Städten sey.




Jacob Lotich. Die Stadt Fürstenwalde mit allen ihren zugehörigen Stücken in gebundener Rede oder: Poetisch beschrieben.

[I]


Die Stadt

Fürstenwalde.


[II]

Stob. Serm. 37.

TIMOTHEUS Imperator, cum audisset unum ex Collegis

dicentem: An putas, ô TIMOTHEE, gratam nobis fu=

turam Patriam.˜ Modo nos, respondit, Patriæ dignas re=

ferre gratias queamus.[1]

 

Deveneror Patriam; Prolem me deveneratur:

     Perpes Amor genitum cum Genitrice ligat.

Omne Solum natale solum Forti: bona Molli

     Est veluti Patriæ Pars, ubicunque benè est.

Livona sit Genitrix mihi Nutrix Marchica Tellus;

     Unus Amor binis sit; simul unus Honor.

 

JACOBUS LOTICHIUS,

Rigâ-Livonus.

Reipubl. Fürstenvvaldens.

Consul Primar.[2]


[III]


Die Stadt

Fürstenwalde/

 

mit allen ihren zugehörigen Stücken/

 

in gebundener Rede/

 oder:

 Poetisch beschrieben

 

von

 

Jacob Lotich.

    

Cüstrin/

 

Gedruckt bey Matthäus Müllern/ 1679.



[IV]

Dem HochEdlen/ Vesten und Hochgelahrten Herrn/

Herrn Christian Menzeln/

PHIL. ET MED. D. Chur=Fürstl. Brandenb.

bestaltem Rahte/ wolverdientem/ weitberühmten Reise=

und Leib=Medico,

Vnd

Dem WolEdlen/ Vesten/ Hochweisen und hochvornehmen Herrn

Herrn Sixt Schwanen=

bergern/

Hochansehnlichen des Rathes/ und wolverdienten Cämmerherrn

der Löbl. Stadt Franckfurt an der Oder/

Wie auch

Dem Edlen/ HochEhrenvesten/ Handels=hocherfahrnen und

hochbenamten Herrn/

Herrn Peter Müllern/

aus Hamburg/ wolvornehmen Bürgern in

Berlin/ und berühmten Kauffherrn in der Hochlöbl. Chur=

und Marck Brandenburg/

Diesen meinen hochgeehreten Herren/

und Dreyen hochgeneigten Freunden/

gebe und übergebe ich zu eigen

Folgende Poetische Abbildung der Löbl.

Stadt Fürstenwalde/

JACOBUS LOTICHIUS.


[1] [Etwa:] Stobaeus [griech. Philosoph und Schriftsteller d. 5. Jh. u. Z., Verfasser einer Antho­logie], Gespräche 37: Als der Feldherr Timotheos gehört hatte, wie einer der Mitbefehlshaber sagte „Glaubst Du etwa, o Timotheos, an ein künftiges Vaterland, daß uns dankbar ist?“, ant­wortete er: „Nur wir vermögen dem Vaterland geziemenden Dank zu erweisen.“

[2] [Etwa:] Innig verehre ich mein Vaterland; mich Landeskind verehrt man innig: || Unaufhörlich verbin­det die Liebe Erzeugten und Erzeugerin. || Alles Geburtsland ist Land durch blindes Geschick: Bearbeite die Güter || Wo immer es gut ist, ist gleichsam ein Teil des Vaterlandes. || Die livländi­sche Erde sei mir Erzeugerin, Nährerin die märkische; || Eine Liebe sei beiden, gleichwie eine Ehre.

Jacob Lotich, || Livländer aus Riga. || Des Gemeinwesens Fürstenwalde || Erster Beamter.

I. Zu=Schrifft.

[V]

HochgeEhrete/ Großgönstige

Herren:

EHer könte Mich einer fragen/ War=

umb nicht/ als warumb diesen der

Stadt Fürstenwalde Poetischen

Entwurff meinen hochzuEhrenden

Herren ich zugeschrieben hätte. Sol

ich Uhrsachen sagen? Oder wil man

meine Antreibunge wissen? Dieselbe darff ich gar nicht

erdichten; Darff nicht einige aus dem Gehirne hervor

suchen/ noch aus der Lufft ergreiffen: Sie finden sich sel=

ber ein. In meinen Löblichen und hochgeEhreten Herren

allen Dreyen finde ich eine recht anreitzende Affection/

oder habende Zuneigung zu dieser Stadt. Solche ih=

re wolgemeinete Zuneigung quillet in einem jeden beson=

ders/ aus einer besonderen Liebe hervor.

     Sehe ich/ 1. auff den Chur=Fürstl. Brandenb. Raht/

Leib= und Reise=Medicum, den Herrn Doctor Menzeln/

so ist ja derselbe in dieser Stadt gebohren und erzogen. Er

hat


[VI]

hat allhier zu seiner damals künfftigen/ itzo gegenwärtigen

und der Weltbekanten Hochgelahrheit/ tieffen Erfahren=

heit/ uñ HochEdlem Ansehen/ die allerersten Stuffen

in unserer Fürstenwaldischen alt=berühmten Schulen

betreten. Die angebohrne/ und von erster Kindheit ein=

gepflantzete Liebe/ wird für sich selber Ihn erinnern/ die=

ses Fürstenwalde als seine eigene Vater= und Mutter=

Stadt zu erkennen/ zu benennen und zu beehren. Hie=

rocles spricht: Patria est velut alter quidam DEUS, & Primus

Maximusque Parens; quocirca qui Nomen ei imposuit à re ipsâ

non temerè Patriam nominavit; vocabulo quidem à Patre de-

ducto, pronunciato tamen fœmininâ terminatione, ut ex utroque

Parente mixtum esset. Atque hæc ratio insinuat, Patriam unam

(ex Æquo) veluti utrumque Parentem colendum esse, Stob. serm.

37.[1] Dieses nun also vorgestellet: sage mir einer/ wem

doch/ wolte oder solte ich eigentlicher die Beschreibung der

Stadt zueignen? Sol es nicht eben derselbe seyn/ und

zwar von Rechtes wegen/ welchem sie gleichsam von Na=

tur sich selber zueigen hingiebet? Patria Urbs, sag der be=

kante Author, Amore ipso se mihi dedidit; Cur ego me illi non

dedam? dedi me; dedidi: Namque Patriæ ego me debeo, ut

illa se mihi.[2] Hierbey lasse ich es auff des HochEdlen Herrn

Doctor Menzels Person beruhen.

Stelle


[VII]

     Stelle ich/ 2. den WolEdlen Herrn Schwanen=

bergern/ der löblichen Stadt Franckfuhrt wolverdiene=

ten CämmerHerrn/ Mir vor Augen/ so muß auch dersel=

be bekennen/ daß die Stadt Fürstenwalde Ihm nicht

minder bekand/ als selbst die Stadt Franckfurt Ihn ken=

net. Von grüner und blühender J[u]gend an/ ist Er

nicht anders gewohnet allhier zu seyn/ als wie dort.

Er hat/ wie Ihm selbest noch wol bewust/ ein grosses Stück

seines besten Lebens auch dieses Ortes zugebracht; wel=

che verlauffene alte schöne Zeit in seinem Gedächtniß ein=

gewurtzelt bleiben/ und bey Ihm gleichsam leben wird/

weil Er lebet. Dann/ die Gedancken der verwichenen

Dingen sind nicht nur eine Belustigung des Gemüh=

tes/ sondern auch ein glimmender Zunder der unver=

loschenen Liebe des Guten/ das verlauffen.

     So bezeuget auch Herr Schwanenberger

seine noch habende besondere Liebe und Behäglichkeit zu

dieser Stadt/ in dem Er die Franckfurtische Casta=

linnen[3] in ihren Würden und Respect gelassen/ und

seine wolgezeugete EhePflantzen in unsere weitberühmte

Schule zur Adelichen Erziehung hieher versetzet; indem

Er Dieselbe einen allhiesigen hochgelahrten Menippus[4] und

trefflichen Philetas[5] übergeben und anvertrauet hat. Was ist

dieses anders/ als eine alte nicht verrusterte Liebe zu hiesiger

Stadt


[VIII]

Stadt/ und ihren wolgeschickten Leuten? Diese Ge=

wogenheit ist eine uhrsprüngliche Vrsache/ die M[i]ch be=

wogen/ meine Fürstenwaldische Stadt=Be=

schreibung dem Herrn Schwanenbergern ab=

sonderlich eigen zumachen/ mehr noch/ weil/ daß solches

ein nicht unangenehmes Freundstück Ihm seyn würde/ ich

gäntzlich vor gewiß erachtet.

 

     3. Den Edlen Herrn Müllern belangend/ so ist

ja auch Dessen liebreiche Gewogenheit gegen der Stadt

und ihren Einwohnern nicht minder zu loben/ als seine

eigene Person und angenehme Freundschafft hoch und viel

zu rühmen. Seinen nach Berlin und Hamburg ha=

benden Handlungen; seinen in mehren Städten meh=

ren Verkehrungen/ bietet diese dienliche und bequeme

Stadt ihre stets willfährige Hand; Hierzu giebet Er de=

nen Gemühtern der Einwohner unumbgängliche Anlaß:

Reiset nicht vorbey; hält stille; kehret ein; Logimentiret

nicht nur nächtlich; Lentzet; Sommert; Herbstet; und

Wintert/ abwechßlich bey uns; ist auch denen Ge=

ringsten und Wenigsten nicht weniger bekant als beliebet;

bezeuget denen meisten am meisten sich wolthätig; Er er=

weiset vielen viel angenehmes; Thut allen alles Gutes;

und welches vor allen von vielen am meisten gerühmet

wird/


[IX]

wird/ so bewill= und bewohlfäret Er in seiner ausländischen

Abwesenheit diese Stadt offt mehr/ als mancher mit seiner

einheimischen Anwesenheit. Kurtz die Redens=Länge zu

begreiffen: Herr Müller waltet und gebahret/ als

wäre Er dorten zu Hamburg und Berlin daheim/ und all=

hier in Fürstenwalde zu Hause. Er machet diese sonst

freye und unverbundene Stadt durch mancherley Gut=

thaten Ihm fast verbunden. Ist demnach des Herrn

Müllers sein Ansehen und sein Wolverhalten würdig

und wehrt/ daß auch unter andern hohen Gönnern

Ihme diese Stadt von mir gantz/ und ihrer Wohlfahrt

ein Theil zugeschrieben werde.

 

     Mit diesen vorgethanen Erweisungen/ hochge=

Ehrte Herren/ habe ich vermeinentlich gnugsam dar=

gethan/ warumb ich nicht vorbey gekunt/ Ihnen

meine Zu=Schrifft zu vereygenen/ [u]nd als ein ewi=

ges Denckmahl gegen der Nachwelt/ ihren itzt lebendigen

Händen zu übergeben. Meine Schuldigkeit aber/

warumb ich dieses thun sollen/ geben die bewehrete

Sprüch= und Wahr=Wörter mir zu überlegen: Was

wol wird angeleget/ ist unverlohren; Freundschafft er=

hält Freundschafft; Die eine Hand wäschet die andere.

Ihre unverborgene Gunst/ und unserm Fürstenwalde ge=

B                                                            wid=


[X]

widmete Liebe lehret Tullius[6] anderweit auch zu erlernen

und zu erkennen/ woher sie eine rechte Gegen=Liebe

und Wieder=Gunst gewinnen pflege; Er saget:*

Vehementer Amor multitudinis movetur ipsâ Fama; & opinio-

ne Liberalitatis; Beneficentiæ; Fidei; Justitiæ; Omniumque

earumVirtutum, quæ pertinent ad Mansuetudinem morum ac

facilitatem: Etenim id ipsum, quod Honestum Decorumque di-

cimus, animos omnium naturâ, & specie suæ commovet. das ist:

Die Liebe wird über die massen verursachet/ und regig

gemachet durch Vielheit des selbst guten Gerüchts/ und

durch Uberlegung einer Freygebigkeit; Wohlthätigkeit;

Auffrichtigkeit; Gebührligkeit; und durch Einbildung

aller deren Tugenden/ welche zu sanfftmütigen Sitten

und Freundlichkeit gehörig seyn: Denn eben dasselbe/

was wir nennen Ehrbar seyn/ und was uns in unserem

Thun/ in unserm Wesen/ in unserm Ampte/ in unseren

Geberden/ wohl anstehet/ das beweget von Natur mit

ihrer schönen Zierligkeit/ und zierlichen Schönheit/ die

Hertzen und die Gemühter aller Menschen zur Liebe.

 

     Nun darumb/ hochgeEhrte Herren/ Ihre ob=

erzehlete welt=bekante Tugenden; Ihre voraus ge=

spürete Wolgewogenheit zu dieser Stadt haben auch mich

be=

* Marc. Tull. Cic. in Libr. de Officiis.


[XI]

bewogen/ und meine Schuldigkeit angetrieben/ daß Ihre

Schwellen ich dreiste betreten/ zu ihrer Sonnen=klaren

Gunst herein gehen/ und dieses mein Poetisches Werck

Ihnen übergeben sollen; und alles solches zu einem wahren

Zeichen meines Ihnen zugethanen und dienstfertigen Ge=

mühtes. Zwar hätte mich diesem/ was es ist/ vielen an=

deren gefällig zu seyn/ Mich bemühen können: Meiner

Thalien[7] aber gefiel es/ vor vielen nur wenigen/ und vor

allen nur allein Meinen HochzuEhrenden Herren/ als

Ihren besten Patronen/ zu gefallen/ Dieselbe mit ih=

rer und Meiner Feder zu beehren und hiermit zu bedienen.

Bitte demnach schließlich/ meine besagte Thalia nebst

Mir/ in unser eingebildeten Versicherung/ mit hochgön=

stiger Hand/ mit liebgeneigeten Augen/ und mit wohl=

willendem Hertzen als Eigene auff= und anzunehmen.

Dafür bin ich/ so lange ich bin Meiner HochgeEhrt. und

Hochgönst. Herren

 

Schuldigster Diener

 JACOBUS LOTICHIUS.


[1] [Etwa:] Das Vaterland ist eine andre Art von GOTT und erster wie größter Ahnherr. Wer also diesen Namen der Sache selbst beigelegt hat, nannte sie nicht zufällig Vaterland; ist jene Bezeichnung doch vom Vater abgeleitet, wird aber [im Lateinischen] mit weiblicher Endung ausgesprochen, damit sie aus beiden Elternteilen bestände. Da drängt sich unsre Überlegung auf, daß ein Vaterland (gleichermaßen) wie beide Eltern verehrt wird. Stobaeus, Gespräche 37.

[2] [Etwa:] Die Vaterstadt hat sich mir in Liebe selber hingegeben. Warum hätte ich mich ihr dann nicht hingeben sollen? Ich gab mich; hab mich hingegeben: Wahrlich bin ich der Vater­stadt verpflichtet wie sie mir.

[3] Die Musen, nach dem Musenquell Kastalia bei Delphi.

[4] Kynischer Philosoph und Satiriker d. 2. Hälfte d. 3. Jh. v. u. Z., Syrer, erst Sklave, dann Bürger von Theben.

[5] Griech. hellenistischer Dichter, von Kos, Gelehrter in Alexandria, Erzieher von Ptolemaios II. Philadelphos (308-246 v. u. Z.).

[6] Marcus Tullius Cicero (106-43 v. u. Z.), röm. Redner, Politiker und Schriftsteller, Autor von De officiis (Die Pflichten, Vom pflichtgemäßen Handeln).

[7] Muse der Komödie (griech.: die Blühende).


II. Vor=Bericht an den auffrichtig=gesinneten Leser.

(XII)

Vor=Bericht

An den auffrichtig=gesinneten Leser.

 

DEr Welt=weise und Hochgelahrte SENE-

CA[1] saget in einer Epistel: Otium sine Li-

teris Mors est, & vivi hominis Sepultura;

Omnia nobis Mala solitudo persvadet: Die

müssige Zeit ohne Kunst=Ubung/ ohne

Studiren/ ist der Tod/ und eines lebendi=

gen Menschen sein Grab, Das ledig ge=

hen/ und das alleine seyn/ überredet uns zu allem übeln. Er

verstehet allhier die nicht zugelassene/ die nicht wol angewandte

müssige Zeit/ da offt manchem Menschen die Wände und die

Gebinde des Hauses seiner Faulheit Deckel und Wächter

seyn müssen. Und/ in Warheit bin ich solcher Fau=

lentzerey und ihren Liebhabern dermassen gehässig/ als ich ein

ärgester Feind bin ihrem besten Freunde/ dem ledigen Teuffel.

Dann wie dieser böse Geist gantz ledig und geohniget ist alles Gu=

ten/ also ist er voller Geschäffte alles Böse durch Müssiggang

bey dem Menschen zu befordern. Zum wenigsten führet er bey

Müssiggang denselben zu denen gebräuchlichen Mißbrauchen der

einmal schnell=hinfliegenden und nimmer wiederkommenden

Zeit. Er reitzet manchen offt zu mancherley lustiger Unlust;

bringet


(XIII)

bringet offt eine nicht seynde Frölichkeit/ dem ohn das schon trau=

rig und melancholisch seyndem Gemühte/ listig bey; aus dem

unwarhafftigen bildet er ein warhafftiges/ dagegen aus dem

warhafftigen ein unwarhafftiges vor; Verblendet unterschie=

dene zu unterschiedenen Ubertretungen und Sünden. Es ist

von der Warheit nicht abwerts geredet: Viel Müssiggang

verursachet bey vielen viele Missethaten. Dannenhero recht

Seneca in seiner 19. Epistel schreibet. In mille facinorum furias

Mens otiosa discurrit, das ist: Ein müssiges Gemühte schwer=

met in tausenderley Lastern/ als wie dolle/thöricht und wilde

herumb. Ja der benante und bekante Tausent=Künstler

giebet dem Geschäffte=losen am meisten zu schaffen: Er

bahnet aus einem Irrwege des Gehirnes/ die andere; Er lei=

tet auff denselben die Sinnen des Ledig=Gängers/ bis er sie ver=

leitet/ und bis er/ als Begleiter und Wegweiser seinen listigen

Zweg erreichet. Solchen seinen Zweg aber zu erreichen/ machet

er den Anfang in dem Hertzen: Aus diesem fechelt er auff ei=

nen gantz verkehreten Verstand; aus dem erzwinget er arge

Gedancken; aus diesem einen gleich argen Willen/ welchen er

hinlocket zu noch ärgeren Wercken; Die dann endlich den ar=

gesten Lohn würcken/ nemlich/ (von dem zeitlichen nicht gedacht)

eine künfftige Aufferstehung des Fleisches zum Gerichte/ Joh. 5.

v. 29 Dan. 12. v. 2. Ein so gar abscheuliches Seelen=Gifft ent=

springet aus den Adern der gantz verflucheten Quellen des Teuf=

felischen Müssigganges.

 

     Derowegen sol man etwas Redliches vor sich nehmen/

und ein Jeder das jenige/ was er löbliches erlernet hat/ dem

schändlichen und schädlichen Laster des Müssigganges entgegen

setzen; Man sol die unnützliche Gedancken in nützliche Verich=

tunge verkehren; durch diese jene verstossen und vertreiben.

B3                                                            Arbeite


(XIV)

Arbeite/ heist es. Denn uns Menschen ist wol bewust/ daß wir

zu der Arbeit geboren seyn/ als wie die Fische zum Schwimmen/

und die Vögel zum Fliegen. Und wie das gantze Leben mit al=

len seinen Wercken und Wirckungen von der Speise herrüh=

ret/ also rühret von der guten Arbeit auch alles/ was in allen

Dingen zum Leben gut ist.

     Diesem zur Folge/ habe ich/ als von einer schmertzlichen

Kranckheit mir etwas wenige Genesung beykam/ das Stille=

sitzen / oder die eingeschlichene ungewohnete und nicht gewolte

Faulheit in eine unabläßliche Arbeit nicht undienlicher Sachen/

verabwechselen wollen. Hierzu gaben mir Ursache die aus

meinem Vaterlande auffgehäuffte Brieffe; In denenselben

war vielerley Anhalt/ doch einerley Inhalt/ und/ mehr nichtes

als nur meine Anheim=Erwartung/ zu verlesen. Vorher zwar

sahe ich etzlichen Spiel=beliebenden etzliche Stunden zu; jedoch

nicht ohne empfindlichen Verdruß/ daß sie die Edele Zeit mit

unedelen Geschäfften gleichsam verschwendeten; aber die mit

Golde und Gelde nicht erkauffliche Zeit fruchtbarlicher zu ge=

brauchen/ kam ich auff andere Gedancken: Es hatten mich ein=

genommen des hocherfahrnen Zeno[2] seine kluge und warhafftige

Rede: Hominibus nihil magis deesse quam Tempus, daß uns

Menschen nichts mehr mangele oder gebreche/ als eben die Zeit.

Ach! gedachte ich/ wie weit ist der weise Heyde von diesen un=

weisen Christen abgesinnet/ die ein gutes Theil ihres Lebens ver=

lieren/ durch ledig=gehen/ Sauffen/ Schwätzen/ oder auch durch

unnütze Spiel=Wercke. Darumb nun/ nahm ich an stat der

beschmutzeten/ garstigen Würffeln/ die saubere/ reine Feder der

allezeit grünenden/ und mit Blumen geschmücketen Thalien

zur Hand; an stat der dicken und besudelten/ schwartzen Kar=

ten/ und darbey lermenden unruhigen Gesellschafft/ gefiel mir

das


(XV)

das dünne und Schnee=weisse Papier der in aller Stille sitzen=

den/ und Pindarisirenden[3] Pierinnen/ der Euterpen. An stat

des Streit=erregenden groben Holtzes/ der klappernden Kegeln

ergriff ich mir das subtile Dintfäßlein meiner Edlen und in ge=

wünscheter Zufriedenheit belobeten/ beliebeten/ ja nie zu verges=

senden Clio; In Summa; an stat des Poltergerausches und

dem Gehöre beschwerlichen Geplarrens/ oder vergeblichen Lufft=

schalles/ erwehlete ich mir den woleingestimmeten und Kunst=

Harmonischen Thon derer hochangenehmen sehr lieblichen Ca=

mænen.[4] Sätzete mich also mit lustigem Nutzen/ [und] nütz=

licher Belüstigung unter denen niemals müssigen Musen dar=

nieder; Vollführete mit denselben die Ihnen und mir gefällige

Beschreibung der schönen Stadt Fürstenwalde; brachte

alles/ was die Stadt binnen und ausser den Mauren zu eigen

hat/ in zwar schleunige/ doch bey der künfftigen Welt verblei=

bende Poetische Reimen/ so wie sie in folgenden Blättern zu

verlesen.

     Hier nun/ muß ich berichten und selbst bekennen/ daß

solche Beschreibung nicht allerdinges für den ungelahrten Sin=

nen des gemeinen Pöbels ausgesinnet sey. Es ist dieses Werck

mehrentheils (von Gantzen rede ich nicht) für die Liebhabere

der Teutschen Poeterey auffgeführet; Für die jenige/ welche

selbst auch nur etzlicher massen der Dichter=Kunst kündig seyn;

Die denen gebundenen oder Poetischen Reden eine Nachden=

ckung geben können; und die da einige Scharff=sinnung denen

Sachen selber beyzufügen wissen. Offt bestehet in einem un=

bekandten Namen eine gantze bekante Historie: Wer aber

solcher Historien nicht kündig ist/ dem können auch die frembde

Namen nicht kentlich seyn. Ein gleiches ist/ von der Tropischen[5]/

insonderheit Metaphorischen Z[u]ngen/ zu schliessen.

Dannen=


(XVI)

     Dannenher kan ich mir leicht die Rechnung machen/ daß

den wenigsten solche nicht gemeine Sachen angenehm seyn wer=

den/ weil die meisten dergleichen rechte Poetische Rede=Arten

nicht recht begreiffen.

     Magnum tamen Solatium est, schreibet ein gelahrter Mañ/

displicere non Catonibus, Læliis, Scipionibus; non Maronibus, non

asonibus, sed imperitis & bene loqui nesciis:[6] Es ist dennoch auch

ein grosser Trost/ mißzugefallen/ nicht denen hohen und vor-

trefflichen Catonen, Lælien, Scipionen; Nicht des Virgilius

oder des Ovidius Nachfolgern/ sondern nur denen Unerfahre=

nen/ und welche die Art oder Kunst wol zu reden nicht wissen.

     Hiernebst aber ruhet bey mir annoch im frischen An=

dencken/ welcher gestalt einigen Meiner und der hiesigen Stadt

guten Gönnern ich neulichst eine Fürstenwaldische Chronick

versprochen habe. Diese Versprechung (Gott Lob) fleust itzo

unter der nassen Feder/ und ist bis zu einer herannahenden Fer=

tigkeit schier gedien. Solch in ungebundener Rede verfassetes

Werck wird so wol Gelahrten als Ungelahrten ohn zweiffel be=

liebig und angenehm seyn; Es wird von jedermann deutlich

mit Lust und Nutzen gelesen werden können. Nur warte ich/

ob bis zur Herausgebung des Buchs/ die Gnade Gottes mir

das krancke Leben zur Beständigen Verbesserung fristen/ dar=

beneben einen vermögenden Verleger zum offentlichen Drucke

erwecken wolte. Unterdessen befehle den a[u]ffrichtig=geson=

nenen Leser/ mit diesem/ der unabweichlichen Beschirmung

Gottes; mich seiner versicherten Gunst.

 

Fürstenwalde/ in Eyle/

den 12. Maji/

Anno 1679.

JACOBUS LOTICHIUS.




[1] Seneca d. J. (um 4 v. u. Z.-65), röm. Staatsmann, Philosoph der jüngeren Stoa, Schrift­steller und Erzieher des Nero, der ihn zum Selbstmord zwang.

[2] Wohl Zenon von Kition (um 335-um 262 v. u. Z.), griech. Philosoph und Begründer der Stoa, soll nach einem Schiffbruch zur Philosophie gekommen sein. Sonst Zenon von Elea (um 490-430 v. u. Z.), der Philosoph der Paradoxa.

[3] Dichten in feierlich-hohem Ton, nach Pindar (522 o. 518-446 o. später v. u. Z.), griech. Chorlyriker aus altem Adelsgeschlecht.

[4] Pieros – Musenberg. Euterpe (griech.: die Ergötzende) und Klio – Musen der Musik und der Geschichte. Kamänen – altital. Musen.

[5] Tropen – alle sprachlichen Wendungen von übertragener Bedeutung.

[6] Marcus Porcius Cato d. Ä. (234-149 v. u. Z.), konservativer röm. Staatsmann und Begründer der latein. Prosaliteratur. Scipio hier Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus minor (185-129 v. u. Z.), röm. Staatsmann, Freund und Förderer der griech. Literatur und Philosophie. Laelius hier Gaius Laelius, röm. Staatsmann und Freund von Scipio Aemilianus. Publius Vergilius Maro (70-19 v. u. Z.), bedeutendster röm. Epiker. Publius Ovidius Naso (43 v. u. Z.-um 18), mit Vergil und Horaz wirkmächtiger röm. Dichter.


III. [Die Stücke ausserhalb den Mauren.]

<-1->

Der Dichter an sein Vaterland.

NImm hin von treuer Faust/ mein liebes Vaterland/

Nimm Fürstenwalde hin/ die dir ist unbekant;

Ließ hier die schöne Stadt/ die ich noch nie beschrie=

ben/

Seit du bey deinem Wahn empfindlich bist verblieben/

Der einem Traum ist gleich/ und bleibest noch darbey/

Daß der Ort/ wor ich bin/ ein schlechter Ort nur sey.

     Es komt noch immer offt die offtgekomne Frage:

Warumb doch Londen/ Delfft/ Parieß/ Wien oder Prage/

Vnd sonst in weiter Welt ein hochberühmte Stadt

Zur Wohnung mir mein Sinn nicht ausgesinnet hat?

Ich habe/ wirffst du vor/ manchs Königreich berühret;

Mich habe weit genung das Glück herumb geführet;

Ja/ offt gezogen gar durch diß und jenes Land;

Mir seyn Ost/ Süden/ West/ und Norden fast bekant?

Wie kan denn dieser Ort mir nun allein gefallen/

Vnd diese ringe[1] Stadt/ daß ich sie mir vor allen

Zum Leben auserkiest? Ist in der grossen Welt

Der Winckel eben/ der von dir mich abehält?

 

An die Stadt Riga in Lieffland.

Hör/ Edle Mutter=Stadt/ die dorten mich gebohren;

Ich hab ohn deinen Schimpff mir Fürstenwald erkohren;

Pronæa,* die/ die hat (drumb must es so geschehn)

Vor andern Städten mir nur diese Stadt ersehn.

C                                                            Als

*Pronæa, oder die Göttliche Versehung.


<-2->

Als die Versehung eins/ des Höchsten scharffes Auge/

Mein Thun genau sah an/ wieß sie mir daß nicht tauge

Das Reisen hin und her: Mein/ sprach sie/ such dir Ruh;

Wilt du dein Leben gantz mit Wandern bringen zu?

     Der Welt=Bau/ sprach Sie/ kan zwar überall ergetzen/

Doch muß man eine Stell ihm wehlen/ sich zu setzen/

Der ist ja nirgend heim/ der überall wil seyn;

Hier zeuchst du frembd hinaus/ dort wieder frembd hinein.

Vnd unterdessen laufft der Zeit=Strom deiner Jahre

Ohn Haltniß schnell dahin: Die grau gefarbten Haare/

Die Boten deiner Grufft/ die kommen allbereit/

Vnd zeigen deutlich an/ der Kirchhoff sey nicht weit.

O ein vergeblich Ding/ zu leben anzufangen/

Wann schon der meiste Theil des Lebens ist vergangen!

Der Jugend Lentz ist fort; zum Grabe wird man reiff;

Die Adern/ Bein‘ und Fleisch/ die werden kalt und steiff:

Itzt lebe/ weil du kanst/ stell ein dein vieles Reisen/

Ich wil dir Stell und Ort/ wor du solst bleiben/ weisen:

Dis war der treue Rath/ den mir Pronæa gab:

Drauff sagt ich: Nun ich wil von Reisen lassen ab.

Wor aber find ich Sitz? wor Ruh und stilles Leben?

Nach Oxfurd dacht ich mich/ nach Basel zu begeben/

Nach Leipzig wolt ich hin/ da solt es vielleicht seyn:

Nein/ Nein/ Pronæa zog mich gäntzlich hier herein.

     Hat der nun/ der die Welt regiert/ Mich her verwiesen/

Hat Er mir diesen Ort auch wollen selbst erkiesen/

War/ hier zu seyn/ sein Raht/ war so sein weiser Schluß?

O Mutter=Stadt/ sag an/ was ist denn dein Verdruß?

Was schadets Dir/ daß du bist meiner nicht genesen?

Was nimmt es mir auch ab? Ich bin an meinem Wesen

Der


<-3->

Der ich gewesen bin. An Ansehn/ Ampt und Ehr/ (a)

An Würden und an Ruhm/ an Stande bin ich mehr.

Ich hätte/ sprichst Du/ diß bey dir auch können kriegen;

Laß nur/ O Vaterland/ die späte Meynung liegen:

Dein Lotich ist vergnügt; Er hat hier/ was er sol/

Ob gleich nicht was er wil/ es geht Ihm dennoch wol.

     Mein allertreuster Freund/ (b) von allen treusten

Freunden/

Ist GOTT/ der nicht betreugt/ der offt den ärgsten Feinden

Die gröste Macht benimmt/ den kleinsten Willen läst;

Der schafft aus Bösem Guts/ aus Schlimstem offt das Best:

Auff diesen steiff ich mich; es sol/ an welchen Enden

Der Welt ich bin/ von Ihm mein Hertz sich nimmer wenden;

Er ist mein Hülff und Raht: Heist der uns arm nicht seyn/

So schneyet uns das Glück zu Thür und Fenstern ein.

Ich bin auff Erden nur was weiter fortgeschoben;

Der Himmel überall verbleibt und ist mir oben/

Dahin sich mein Gebet (wie sonst in gantzer Welt

Geschicht und muß geschehn) vor seinem GOTT gestellt.

Die Sternen/ Sonn und Mond kan ich allhier so sehen/

Als wie zu Londen/ Delfft/ und Prage kan geschehen:

Was Creutz ich leiden sol/ wär auch zu Rom mein Hauß/ (c)

Das müst ich eben dort so wol/ als hier stehn aus.

Ich sehe/ sag ich/ gleich den blau=gemahlten Himmel

Allhier/ wie anderswor/ Ich hör auch das Getümmel

Der Erden/ hier wie sonst; an Wasser/ Feur und Lufft

Gebricht mirs auch nicht hier; Noch endlich an die Grufft:

C2                                                            Die

(a) Gloriosus tibi videor Poeta? ne perperam accipe: Qualitas re=

cipit Magis & Minus.[2]

(b) Gott ist der beste Freund/ und ist überall.

(c) Glück und Vnglück sind in der gantzen Welt.


<-4->

Die Grufft/ die uns nimmt ein/ wann Clotho[3] aus dem Leben

Vns rafft und abeschafft: Denn gilt es mir auch eben (d)

Ich lieg hier oder dort; Der Himmel ist doch mir

Von dieser ErdenKlufft gleich hoch/ wie dort/ so hier:

Vnd/ wann schon/ was ich bin/ die lange Nacht muß schlaffen. (e)

Dann gnug: Dann hat mehr nichts die Welt mit mir zu schaffen.

Der Lust=Platz unterdeß/ der Ort hie/ reut mich nicht/

Weil dieser vollen Stadt/ gleich Städten/ nichts gebricht.

     Das beste Leben ist/ an solchem Orte leben/ (f)

Der uns vergnügen kan/ der uns nicht treibt zu streben

Nach dem/ was nicht seyn wil/ und manchmal nicht seyn sol:

Wer sich vergügen läst/ der lebet allzeit wol.

Ist dir die Stadt zu klein? Man sieht in grossen Städten

Auf Gassen weit und breit viel grosse Sünder treten:

Die Stadt/ in welcher nicht viel frembde Völcker seyn/

Da schleichen auch nicht viel der frembden Laster ein.

Das beste Leben ist an solchem Orte leben/

Da uns ein Leben kan des Ortes Anmuht geben; (g)

Da werden blicklich uns die Geister als verneut/

Man wird beym traurig seyn offt munter und erfreut.

     Ist dir der Ort nur schlecht? Ich muß ihn recht dir weisen,

Mein Vaterland/ du wirst ihn selbst mit mir noch preisen:

Es sol/ verhoff ich/ bald seyn gründlich abgethan

Dein ungegründter Sinn/ und falsch gefaster Wahn.

 

DIe Stadt/ die schöne Stadt/ mag bis hernacher bleiben;

Ich wil von Mühlen erst/ von Holtz und Wäldern schrei

ben:

                                                                                                                       Weil

(d) Ubicunque sepeliamur; Domini est Terra: Die Erde ist des

HERRN/ Psalm. 24 v. 1.

(e) Der Tod beschleust was Menschlich ist.

(f) Zufriedenheit ist das beste Leben.

(g) Loci amœnitas est vitæ jucunditas & animi tranquillitas.[4]


<-5->

Weil von dem Walde recht/ die Stadt den Namen führt/

Vnd ist mit Holtz umher/ mit Wäldern ausgeziert.

Was mehr ihr angehört/ was würdig einzuführen/

Vnd ausser Mauren liegt/ wil Febus[5] erst berühren/

Doch kurtz und überhin: alsdenn wirds auch geschehn/

Daß Er zur Stadt kömt ein/ und schreibt was dar zu sehn.

 

Die Mühlen.

SEynd Mühlen einer Stadt ein Kleinod zu dem Leben?

So muß ich Fürstenwald als eine Perl erheben:

Zur Loh/ zum Walcken/ und zum Maltz/ und Bier und Brod

Hat diese Wasser=Stadt am Mahlen keine Noth

Die Spree läufft dicht heran/ und treibt fünff starcke Mühlen

Mit Flügel=schnellem Strom: An Bretern und an Dihlen

Liegt Vorraht/ Bergen hoch. Es schneidt sich täglich drauff

Weil Achelous[6] rennt in seinem vollen Lauff.

Hier ist die Zierlichkeit/ das Kunst=stück sehr zu loben/

Da dieser Mühlen=Bau ist köstlicher erhoben/

An Arbeit wehrter noch/ als der vor diesen stund/ (h)

Den gar der Brandt fraß auff bis auff den harten Grund

     Der Meister dieses Wercks/ Herr Linck/ ist hoch bereichet (i)

An tieffen Sinnen: dem der beste Künstler weichet:

Sein Winckel-Eysen/ und sein Maß und Linial/

Sein Zirckel/ seine Kunst/ seyn kundbar überall/

Bey dem wird kein Verzug/ kein Mangel [n]ichts gespüret:

Zu Wasser wird die Meng an Balcken angeführet:

Der Schnitt geht fort und fort/ die Säg‘ hält ihren Gang/

Wenn gleich der Baum ist vier und zwantzig Schuhe[7] lang.

Pyracmon[8] schärffet auff/ wird was an Eysen schärtig/

Gebricht am Holtze was? Sylvan[9] steht allzeit fertig:

Die

(h) Mühlen sind abgebrant/ Anno 1659, den 25. Maji/ wieder erbauet

Anno 1661. im Monat Octobr.

(i) Der Kunst=berühmte Bau= und Müllen=Meister / Herr Johañ Lincke.


<-6->

Die Wälder.

Kaum darff man funffzig Schritt hin vor dem Tohre gehn/

So sieht man rund herumb die grossen Wälder stehn/

Der Säge=Mühlen Schatz. Die Holtzung reicht ins weite (k)

Fast drey Meil=weges hin: Diß heist die grosse Seite.

Den Laken wil ein Streit hier werden zugefügt/

Da das Gewässer doch auff unsern Boden ligt. (l)

     Das nächste Dorff bedung die Laken ihm zu mieten

Vor alters; wuste nicht vor Arglist sich zu hüten/

So wenig als die Stadt für Vnrecht und Betrug/

Es dachte/ Miete nur/ so ist es alles gnug.

Der dort Verwalter war/ hub dieses an zustraffen: (m)

Der Baur solt ohn bewust ihm nichtes Neues schaffen;

Sol Fischen lassen seyn/ und warten Hoff-dienst ab/

Man brächte sonsten ihn gewiß zum Bettelstab.

Aus Straffen kam Vergleich: Er wolt ein Bahres heben/

Vnd Jährlich gleich so viel als sie dem Rahte geben:

Diß musten Dorff und Baur ohn Willen gehen ein;

Laß dieses mir ein Fund auff frembden Grunde seyn!

Nun wil man Straffe=Geld zum Miete=Gelde machen/

Der Baur sol mieten dort/ da keiner Laken Sachen

Des Dorffes eigen seyn. Mein Freund/ thu deine Pflicht/

Treib aber auch die Stadt aus ihren Gräntzen nicht.

Der Grund ist redlich ihr. Mit was für Recht man besser

Den Ort für sich verschützt/ da laß ich das Gewässer

Vns scheiden/ und die Zeit. Ich schone das Geschlecht/

Vnd den/ der eingeführt/ das ungerechte Recht:

Er ist vorlängst schon hin! Die Todten sol man ehren/

Sonst würd er warlich noch den alten Vorwurff hören:

Komm

(k) Die grosse Seite der Höltzung.

(l) Die Laken in der grossen Höltzung.

(m) Woher der LakenStreit.


<-7->

Komm/ beiß uns/ O du Fuchs! du frist uns dennoch nicht;

Was man zur Nachricht hat/ ist wahr und kein Gedicht.

     Dis zwischen eingeredt/ von Wäldern grosser Seiten/

Vmb deren Laken man nur hat vergeblichs Streiten:

Den Wald/ die Laken/ die man pflicket und beraufft/ (n)

Hat ihr vor Alters her die Stadt mit Geld erkaufft.

     Ich laß die grosse Seit/ und komm auch auff die kleine/ (o)

Die ruht/ liegt ausser Streit/ zanckt nicht ums Mein und Deine:

Im Frieden grünt ihr Wald/ der weit auch Holtz umbgreift/

Die Spree scheidt Klein und Groß/ in dem sie zwischen läuft.

An Fichten/ Biechen und an Ellern/[10] Bircken/ Eichen/

Seynd andre Städte viel die dieser Stadt nicht gleichen:

Zum Brennen und zum Bau ist Holtzes mehr als satt/

An Bäumen aller Art/ wie man sie nötig hat.

     In solcher Wildnis/ denck/ in solchen grossen Heyden/ (p)

Was Wild und Busches Vieh sich müsse drinnen weiden/

Derr Zahl ohn Zahlen bleibt. Mit Wäldern und mit Wild

Ist jeder Rand des Strooms/ mehr als man gläubt/ erfüllt.

     Hier wohnt auch süsses Volck derr Honig=Trägerinnen/ (q)

Die bauen nach der Kunst/ sind fleissig abzusinnen

Den Blumen einen Raub/ und was sie samlen ein/

Das muß ihr Vnterhalt und unsre Nahrung seyn.

Sie führen häuffig zu/ sind emsig einzubringen/ (r)

Ihr Arbeit macht sie reich: den Reichthumb abzuzwingen

Sein

(n) Die Wälder und Laken auff grosser Seiten hat die Stadt ihr er=

kaufft von denen Böhmischen Herren/ denen Herren von Strählen.

(o) Die kleine Seite der Höltzung.

(p) Das Wild in den grossen Wäldern.

(q) Die Bienen in den Wäldern.

(r) Anno 1589. hat der Rath in den Wäldern zu geniessen gehabt in die

187. Bienen-Stöcke. Vide des seel. Herrn Johann Felbinders alten Bür=

germeisters sein Calendari[u]m von Anno 1589 auffgehoben.


<-8->

Seyn wir auf List bedacht/ wie bey zukommen sey/

Weil Lust und Nutzen gibt die süsse Dieberey.

Doch straffen sie auch offt/ wann sie die Stacheln neben

Den Wahren setzen zu/ die sie dem Nehmer geben/

Wen der nichts gibt/ nur nimmt: Von dieser süssen Schaar

War unser RahtHauß reich/ als kein Hauß reicher war.

     Das weit=erstreckte Holtz ist oben voller Bienen/ (s)

Derr Lacken unten voll: mit Honig zu bedienen/

Mit Fischereyen auch bleibt uns es stets verhafft/

Vnd unsre Lust bey ihm ist/ daß es uns was schafft.


Der Beeren=Busch.

NOch ist ein schöner Wald/ der werth ist zu beschreiben/

Liegt nach dem Morgen hin; des Name wird verbleiben

So lang ein Baum verbleibt: sein Nutzen ist bekant:

Er wird von alters her der Beerenbusch genant.

Von Bären doch gar nicht/ wie mancher unrecht meynet:

Von Beeren aber recht/ weil ja vor Augen scheinet

Daß fast der gantze Busch statt Grases Beerlein trägt/

Von Arten mancherley/ wornach das Wild sich hegt.

     Hier ist des Faunus Zelt/ Hier wohnen die Napäen/ (t)

Hier pflegen ab und zu die Wälder=Nymphen gehen/

Hier liegt das Satyr=Volck; Sylvan zeucht nimmer aus/

Vnd Pan[11] verschützt den Busch als wie sein eigen Haus.

Zu reden kurtz: der Wald ist aller Wälder Spiegel/

Ein Auszug aller Lust. Vom Holtze/ vom Geflügel/

Vom lieblichen Geruch derr Kräuter gantz erfüllt:

Nur eins beklag ich doch das vormals schöne Wild!

Hieher nimmt ihren Gang die mit dem alten Rücken

Auf schwachen Händen sich kan kaum zur Erden bücken/

Sucht

(s) Honig und Fischerey in den Wäldern machet uns eine nützliche Er=

getzung

(t) Dieser Busch ist ein Spiegel und Muster aller schönen Wälder.


<-9->

Sucht Bären=wurtz/ Camill/ Angelick/ Immenblat[12]/

Vnd was man mehr für Kraut zum Baden nöhtig hat.

Auch manche Fillis[13] eylt/ verläst daheim ihr Wesen/

Kommt hier/ die Haselnüss‘ und Beerlein einzulesen;

Acht nichts/ daß ihr die Lust mehr Seumnis schafft/ als Geld/

Weil auf der nähe hie der Busch ihr wol gefällt.

Ein Büchsen=Schuß vom Schloß: Er läst sein wol geniessen;

Hier braucht der Raht ihm auch die Freyheit/ das zu schiessen (u)

An Wildprat/ was er kriegt; Reh/ Hasen/ Endten/ Schwein‘/

Ein Hirsch nur leufft frey durch; was sonst ich treff/ ist mein.

     Von Menschen dencken her/ von gar uhralten Zeiten/

Hat diesen Busch der Rath Ihm lassen zubereiten (x)

Zu einer rechten Jagd; diß stund Ihm gäntzlich frey:

Sag an/ warumb/ und wann/ dis Recht gefallen sey?

     Noch übrig lang ists nicht/ nicht neun und sechzig Jahre/

Als selbst des Landes Haupt uns sicher/ ohn Gefahre/ (y)

Diß Recht von neuen gab: Er ließ durch einen Mann

In diesem Beeren=Busch die Jagt uns weisen an.

Der Ober=Vorstehr selbst/ Herr Anton Weber/ thate

Was Ihm befohlen ward; Ging sampt dem gantzen Rahte

Den Busch erst in die Läng‘/ hernach auch in die breit

Vnd sprach: Da ligt der Stein! bis hieher und so weit!

In diesen Gräntzen sol hinfort Euch niema[n]d hindern/

Noch Eure Freyheit euch auff einen Fußbreit mindern:

Ihr habet neue Gnad/ und bleibt bey altem Recht;

Ein Trutz sey dem gesagt/ der Hinderniß Euch brächt‘.

D                                                             O

(u) E. E. Rahtes Freyheit zu schiessen im BeerenBusche.

(x) Des Rahts in dem Beeren=Busche vor Alters gehaltene Jagt.

(y) Anno 1609. den 2. Octobr. haben Se. Churfürstl. Durchl. durch de=

ro Ober Först. Herrn Ant. Webern/ dem Rahte die JagtGräntzen auffs

neue im BeerenBusche anweisen lassen. vide Archiv. Curiæ; das alte Hauß=

buch seel. H. B. Jacobi Püschels/ der damals selber dabey gewesen.


<-10->

     O Hinderniß nun satt! Der ligt zu Nacht/ und schielet/

Ob er bey Mondes Licht kan treffen/ was er zielet!

Ein ander laurt im Strauch und läst sein Schelmstück nicht:

Was heimlich wird verübt/ kommt selten vor Gericht.

Vnd der fast stete Brauch hat auffgehört schon lange;

Geht numehr/ wie er gieng vor Alters/ nicht im schwange:

Der Brauch ist ohne Brauch/ kommt gar uns aus dem Sinn;

Ein Recht zu jagen ligt/ es fällt schier alles hin.

Sieh/ wie man Hütung auch aus einer Wild=Fahrt mache; (z)

Nicht wehrt itzt/ daß ein Schütz umb einen Hasen wache:

Er kriegt kein Thier/ kein Schwein/ kein Reh=Wild mehr zu sehn/

So kläglich ists nun gar mit unsrer Jagt geschehn!

     Diana wil den Busch nun gantz und gar verlassen; (a)

Weil Pan denselben liebt/ beginnt sie ihn zu hassen:

Aconteus findt mehr nichts. Die edle Jägerin/

Die Arethusa wirfft den Spieß sampt Netzen hin.

Der Atalanten Lust/ daß sie ein Wild=Stück tödte/

Ist gar vor Vnlust todt; Auroren göldner Röhte

Wünscht sie umbnebelt seyn/ bedanckt sich ihres Lichts:

Ihr Suchen ist umbsonst; ihr fangen ist gar nichts.

Actaeon[14] zürnt/ und spricht: So bald es fieng zu tagen/

Wann nasser Reiff noch lag/ da war mein bestes jagen/

Der neue Spur wies nach; itzt bleib ich nur zu Hauß/

Hier ists mit Jagt und Spur/ und allem Wildprat aus.

     Ein blosses Holtz=werck bleibt/ seyd alles Wild gezogen/

Vnd durch Vertreibung gleich den Vögeln fortgeflogen:

Zu manchem Bau steht noch so mancher schöner Baum/

Daß aber der auch bleib‘/ und lange/ glaub ich kaum.

Doch

(z) Die Schäfer und die Hirten mit ihrer unberechtigten Hütung ver=

treiben das Wild.

(a) Man hat in dem BeerenBusche fast keine Lust mehr zum schiessen/

geschweige zum jagen/ wegen durch die Hütung vertriebenes Wild.


<-11->

Doch steht der Hasel=Strauch in einer solchen Menge/ (b)

Man mag gehn in die quer/ mag lauffen in die länge/

Das Ende weiß man nicht: drumb sieh dich allgemach

Nach hohen Fichten umb/ da stellt man Vogeln nach.

Der Krammes=Vogel läst vor andern hier sich fangen/ (c)

Man sieht die Drosseln dort/ dort sieht man Ambseln hangen

In Donen[15]/ welche sind viel tausend auffgestellt/

Auff die das Feder=Wild gelockt mit Hauffen fällt.

Was mehr in dickem Holtz‘ als in den Lüfften schwebet/

Hat in den Büschen satt den Schleich davon es lebet:

Er sucht die Wälder durch/ nimmt an/ was ihm behagt.

Vnd nun/ bis hieher sey von Höltzung gnug gesagt.


Die Wiesen.

DIe Wälder laß ich seyn/ und komme zu den Wiesen/

Den Blicken der Natur/ dem Reichthumb aller Friesen/

Die ihre feiste Zucht/ und ihr gewünschtes Vieh

Aus solcher Weyd erziehn; so machen wirs auch hie:

Kein Mangel ist bey uns an stoltzen Wiesen=Feldern/

Die mit Vergnügung wir sehn bey und in den Wäldern/

Die Flora ist geschmückt/ daß sich Hippona letzt:

Sie sinds an deren Schmuck sich Comus[16] selbst ergetzt.

Wie Himmel/ Erd und Lufft/ und Wasser sich vermählen/

Sind Wiesen recht ein Bild: Sie können nicht verhehlen

Ihr‘ in geheimer Brunst verborgne Buhlerey:

Die Wiesen geben deß ein offnes Conterfey.

     Wann Nais und Olymp der Tellus Antlitz grüssen;

Wann die Nereiden[17] mit Huld sein sich ergiessen/

So kriegt den süssen Kuß der Erden offner Mund/

Die Liebe dringt hindurch bis auff den tieffsten Grund:

D2                                                          Drauff

(b) Die Mänge der Haselsträucher in dem Beeren=Busche.

(c) Das Gevögel und die Donen in dem Beeren=Busche.


<-12->

Drauff wird der Wiesen=Schooß beschwängert zum gebähren/

Bringt Blumen/ Graß und Schilff/ und Rohr/ wie wirs begehrē:

Der Mensch wird froh/ wenn sie des Zephyrs Hauch erhebt/

Wann Syrinx[18] pfeifft und rauscht/ und alles gleichsam lebt.

     Ein schönes Wunder sind die wunder-schönen Wiesen/

Das wollen=weiche Graß/ die keiner gnug gepriesen (d)

Noch gnugsam preisen kan/ so/ wie sie diese Stadt

Viel Meilen weit und breit vor andern Städten hat. (e)

Man sieht nicht Grasung hier/ wie sonst/ von kleinen Plätzen/

Die/ wann sie abgemeyt/ geringe Fuder setzen:

Man geht in einem Strich eilff Stunden/ länger noch/

Der Tag im gehn/ geht fort/ kein Ende findt sich doch.

     Die Spree fleust hin nach Cölln/ zur Haupt= Stadt aller Städte/

(Die Dem sein unterthan/ der seine hohe Rähte

Vnd Scepter dort läst sehn[19]) da fleust die Spree hinan/

Vnd läst unangerührt der Wiesen grünen Plan:

Läufft mitten schnell hindurch; pflegt selten zu verhindern

Der Blumen bundte Zier; den Pferden und den Rindern

Verbleibet ihre Kost. Auch wächst den Dächern Hülff‘

An dickem starckem Rohr/ und langem hohen Schilff. (f)

Ein grosser Vorrath kommt dem Vieh und seinen Ställen;

Die Scheune werden voll/ wann Graßthum dient zu fällen;

Des Heues wird/ Gott Lob/ so viel nur wird begehrt: (g)

Der Wiesen Nutzen ist viel tausend Krohnen wehrt.

Mit den muß keiner nicht/ wie ihm es gut dünckt/ walten;

Der Rath stellt Ordnung an/ wie man sich sol verhalten: (h)

Ein

(d) Schönes Graß.

(e) Die Wiesen erstrecken sich auff viel Meilen.

(f) Rohr / Schilff.

(g) Viel Heu.

(h) Das Loß oder die Kugelung auff den Wiesen/ welche man allhier

die Heu=Kagelung nennet.


<-13->

Ein jeder laufft früh aus dort hin/ da ihm bekant

Der allgemeine Ort/ der Zettel=Berg genant.

Wann nun die Bürgerey sich dort hat eingestellet/

wird umb die Grasung fort ein gleiches Loß gefället/

Die Zetteln hebt man aus (das Loß wird so beliebt)

Ein jeder kriegt das Stück/ welchs ihm sein Name giebt.

Dann jeder Zettel/ der hält seinen eignen Namen;

Das Graß ist eingetheilt mit Numern allzusammen:

Auff welchen Numer deß und dessen Name fällt/

Da ist das eigen Graß/ daß der und der behält.

     Drauff fährt der Rath nur fort bey einer Meilen weiter/ (i)

Schaut/ was der Koch geschafft/ der Küchen=zubereiter/

Bey dem vor Alters so genannten Herren Tisch/

Allda wird auffgesetzt Brodt/ Bier/ Wein/ Fleisch und Fisch. (k)

Nach Essen hat man frey/ frisch zum Confect zu greiffen/ (l)

Darbey sind vorgelegt zwar Pfeiffen/ doch nicht Pfeiffen/

Nur die/ so stat des Thons versetzen guten Rauch/

Vnd geben für den Schall den Wolcken=dicken Schmauch.

Vnd dieses Wiesen=Mahl ist wen’gen nur zu Ehren;

Doch dringen sich itzt ein/ die nicht darzu gehören:

Ihr Mißbrauch ist so weit und tieff gerissen ein/

Daß er kaum ohne Streit wird abzuschaffen seyn.

Ich lobe noch den Brauch der abgelebten Alten/

Die kunten Gasterey bey ringer Einkunfft halten:

So weit das Lösegelt nur wolt erstrecken sich/

Da wurden von tractirt/ Sie/ Dieser/ Der und Ich.


Die Buchte.

     Ein ander Ort/ die Bucht/ (man wil sie also nennen)

Ist Groß/ an Hütung reich: Die Stadt muß selbst bekennen/

Daß

(i) Der alsogenante und vor alters bekante Herren=Tisch.

(k) Die Wiesen-Mahlzeit alldar.

(l) Nach der Mahlzeit Pfeiffen und Taback.


<-14->

Daß sich das junge Vieh/ als Mast=Vieh futtert aus;

Die Ferß kommt eine Kuh/ das Stier ein Ochs zu Haus‘

Auff zwo Meil=weges hin in unsern weiten Gräntzen/

Da sieht man diß Gestad‘ in seiner Pracht wie gläntzen

Das Graß ist hoch und feist/ das Vieh ist starck und jung/

Geht tantzend hin zur Weyd‘/ hält manchen frischen Sprung.

Amyntas preist die Gunst der Futter=Geberinnen/

Der Pales[20] reiche Huld: Er wird des Nutzes innen/

Setzt Harck und Sensen an: Das gantze Wiesen=Feld

Gibt Pales ihm so gar/ das Flora nichts behält.


Die Schäfferey.

BEsuch den Zuwachs nun in unsern Schafereyen/ (m)

Den Zuwachs des Gelücks: Wir sehn in allen Dreyen

Den Nutzen und die Lust. Von diesen ingemein

wird meiner Rechnung nach des Rahts die ältste seyn:

Die war schon längst vorher/ eh als ein Ampt hier worden;

Als hier das Papstthum noch stund fest in seinen Orden;

Von Thomas Roggen kam Herr Cra[tz]ens nun zuletzt:

Drumb wird des Raths mit Recht die ältste noch geschätzt:

Sie ist die Mutter selbst der andern jüngsten Beyden/ (n)

Die nach ihr kommen sind/ und nebest ihr itzt weiden.

Das Rahtes Schäferey die war vorhin allein;

Jetzt sieht die alte/ daß zwo Neue bey ihr seyn.

     Die nicht bejahrte Heerd hat jährlich junge Lämmer/

Die ihm zur Lentzen Zeit ihr Artzt und Wollust=Hemmer/

Der Schäfer fitzelt aus: Da sieht man Kurtzweil an/

wann er das Böcklein lehrt/ nicht mehr zu seyn ein Mann. (o)

Bey

(m) Der Schäfereyen seyn drey: 1. Des Churfürstl. Ampts.

2. E. Ehrb. Rahts. 3. Des Herrn Richters/ H. Caspar Cratzens.

(n) Des Rahtes Schäferey ist die älteste von allen dreyen.

(o) Die Castrirung oder Lämmer-Leichtung.


<-15->

Bey diesem Meister hie/ da möchten gehn zur Schulen

Die in vergeilter Brunst umb keusche Jungfern buhlen:

Er kan die Kunst perfect/ der hie die Proben macht/

Daß ein verbuhlter Bock der Schäflein nichts mehr acht.

Im Scherzten diß geredt; So hat es seinen Nutzen/

Vnd ist ein Vortheil=Stück die Lämmer zu beputzen:

Gewinn ist der Verlust; Der Schaden ist Gewinn;

Der dienlich‘ Aus=Schnitt reicht zu unserm Ein=Schnitt hin. (p)

Der Böcke würden nur umbsonst zu viele bleiben;

Sie würden stets im Streit einander sich vertreiben;

Die Peltze zotteln aus; Manchs Schäflein bliebe jüst‘

Vnd würde durch Begierd ein‘ Heerde gar verwüst.

Ein Schäflein ist zwar fromm/ pflegt nimmer sich zu schlagen;

Doch/ umb die Liebe kan kein Thier sich nicht vertragen:

Das kleinste/ das da lebt/ dringt sich zur Liebsten ein;

Es liebt/ und wil wiedrumb von ihr beliebet seyn.

Ein Schäflein hat voll auff/ ist reich/ kein grosser Zehrer/

Sein Haab ist unser Gut; es nähret seinen Nährer

Mit allem/ was es hat: das Wollen=Vieh erwirbt/

Vnd läst verderben nicht/ es sey dann daß es stirbt.

     Aus Schäfereyen komt viel Fleisch/ viel Milch/ viel Wollen/

Vnd sonst viel/ was man darff; wir spüren als gequollen

Die Regung des Gemühts/ die unser Hertz empfindt/

Weil beydes Nutz und Lust zugleich beysammen sind.


Vieh=Zucht.

O wohlbegabte Stadt! Man hält dir Schaf‘ und Rinder;

Am Viehzucht mangelts nicht; an Weyde noch viel minder:

Hier sieht man tausend Schwein‘ in einer Trifft nur gehn;

Dort sieht man tausend Schaf‘ in einer Heerde stehn;

Dort suchen glatte Küh‘ im feisten Graß ihr Futter/

Vnd bringens duppelt ein an Käs‘/ an Milch/ an Butter:

Diß

(p) Die Lämmer=Hamlung ist nöhtig/ und dienlich.


<-16->