FÜR SUCHENDE

des urreligiösen Einweihungsweges, dargestellt in der

„rituellen Verborgenen Geometrie“

„Der Fuchs und die Fledermaus“

mit dem Motiv des Wahlspruchs von Prinz Mauritz von Oranien

„TANDEM FIT SURCULUS ARBOR“

(Schließlich wird aus dem „Seitentrieb des Baumstumpfs“ ein Baum)

anspielend auf den Ratspensionär Johan de Witt (hier als Fuchs),
der den Prinzen von Oranien, Wilhelm III., von allen Ämter fern halten wollte,
diesen (hier als Fledermaus) aber nicht zu fassen bekam.

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KATALOG

ZUM BEITRAG DES AUTORS ZUR GRUPPEN-AUSSTELLUNG „FENSTER-BILDER“

der Künstlergruppe Altmark im Kunstkabinett der Volksbank Stendal eG Birkenhagen 12-14 in Stendal vom 9. 12. 2015 – 29. 1. 2016

[s. Kapitel 10, S. → ff]

mit:

Anmerkungen, Literatur-Verweise, Literatur-Verzeichnis, Einführung in die Verborgene Geometrie, Register, Verzeichnis der Buch-Erscheinungen des Autors, Biographie.

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <www.dnb.de> abrufbar.

Schriftenreihe „Geometrische Strukturen der Kunst“ Nr. 27 (2015)

(begründet von Volker Ritters 2001)

Volker Ritters:

(Buch-Titel:)

GERRIT DOU, DE KWAKZALVER / DER QUACKSALBER, GEDEUTET NACH DER VERBORGENEN GEOMETRIE.

(Unter-Titel:)

ZUR BEKRÄFTIGUNG DES ORANIER-BAUMES (1652)

IN DER ERSTEN STATTHALTERLOSEN PERIODE (1650-1672).

Umschlag vorne: Nach: Gerrit Dou „De Kwakzalver“ (Reproduktions-Stich von William French, geb. um 1815, gest. 1898)

Umschlag hinten: Nach Gerrit Dou „De Kwakzalver“ Nachzeichnung mit dem in den „Oranier-Baum“ einwirkenden „Energiestrahl Atmas“, von Volker Ritters.

Frontispiz 1 (S. →): „Fuchs und Fledermaus“ (Entwerfer und Radierer unbekannt)

Frontispiz 2 (S. →): Nach: Gerrit Dou (Reproduktions-Stich von William French)

© Volker Ritters, 2016

Alle Rechte liegen beim Autor.

Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.

Herstellung und Verlag: BoD-Books on Demand GmbH, Norderstedt.

ISBN 978-3-7412-1786-9

Gerrit Dou „De Kwakzalver“ (Reproduktions-Stich von William French, um 1815-1898).

INHALTSANGABE


  • 1. VORWORT
    • 1.1. Kontraste im Bild
    • 1.2. zum Oranierbaum
  • 2. EINFÜHRUNG
    • 2.1 zum Stadtplan von Leiden
    • 2.2. zum Ort des Geschehens
  • 3. BISHERIGE AUSSAGEN ZUM KÜNSTLER GERRIT DOU (1613-1675)
  • 4. ZUM BILD: BILDGEGENSTÄNDLICH
    • 4.1. zu einer bildgegenständlichen Beschreibung
    • 4.2. zu einer allegorischen Beschreibung
    • 4.3. zu einer freimaurerischen Beschreibung
    • 4.4. zu einer buddhistischen Sicht auf das Bild
  • 5. ZUR GEOMETRIE DES BILDES
  • 6. ZUR VERBORGENEN GEOMETRIE DES KUNSTBILDES – A –
    • 6.1. Das Rasterfeld – A –
    • 6.2. Die drei Reisen der Einzuweihenden
    • 6.3. Eine Summe – A –
  • 7. ZUR VERBORGENEN GEOMETRIE DES KUNSTBILDES – B –
    • 7.1. Das Rasterfeld – B –
    • 7.2. Eine Reise eines Unbekannten nach B/ P0 a
    • 7.3. Eine Summe – B a –
    • 7.4 Die Reise der Blicke der Marktfrau nach B/ P0 b
    • 7.5 Eine Summe – B b –
  • 8. DIE SUMME
  • 9. THE SUMMARY
  • 10. EIN AUSBLICK
    • drei Fensterbilder nach dem „Bürger von Delft“ (von Jan Steen)
  • ANHANG
    • A,1. ANMERKUNGEN
    • A,2. LITERATUR-VERWEISE
    • A,3. LITERATUR-VERZEICHNIS
    • A,4. DEFINITIONEN
    • A,5. ABKÜRZUNGEN
    • A,6. EINFÜHRUNG IN DIE VERBORGENE GEOMETRIE
    • A,7. REGISTER
    • A,8. BILDNACHWEIS
    • A,9. VERZEICHNIS DER BUCH-ERSCHEINUNGEN DES AUTORS
    • A,10. BIOGRAPHIE

1. VORWORT


1.1. Kontraste im Bild:

Der „Kwakzalver“ [Abb. 1, 2] [Anm.1] ist das größte Bild (111 mal 84 cm), das der „Leidener Feinmaler“ Gerrit Dou [Abb. 3, 4] 1652 gemalt hatte [1] Weiterhin zeichnet es sich dadurch aus, dass es auch das an lebenden Figuren reichste Bild ist. In ihm sind 16 Menschen, ein Hund, ein Affe und drei Vögel zu erkennen.

Weiterhin ist das Licht im Bildvordergrund auffällig strahlend hell und steht im Gegensatz zum dunklen Himmel über diesem Platz, wie auch der kahle und abgestorbene Holunder-Baum links im Vordergrund sich vom kräftig grünenden Kastanienbaum des Mittelgrundes abhebt.

Das Bild gewinnt durch diese auffälligen Kontraste etwas künstlich Arrangiertes, das uns anscheinend etwas Gedankliches mitteilen will, etwa die Frage, wie denn wohl die Szene des Quacksalbers mit dessen angepriesenen Lebenselixieren zu dem absterbenden Baum passen könnte, der, bei zutreffenden Anspielungen, als ein „Oranier-Baum“ gedeutet werden kann [2] [Abb. 5]

[Abb. 1] Gerrit Dou „De Kwakzalver“ (Reproduktions-Radierung, in: „Europeesch Museum“, 1842, Tafel 35).

[Abb. 2] Gerrit Dou „De Kwakzalver“ (Nachzeichnung von Volker Ritters).

[Abb. 3] Gerrit Dou „Selbstbildnis“ (Reproduktions-Radierung von Ludwig Kühn, 1859-nach 1917, Druck F.A. Brockhaus in Leipzig [vergl. Martin, S. 18]).

[Abb. 4] „GDOV Pictor, Lugd. Batav., Honoris ergo Präceptorem suum delineavit G. Schalcken.“ („G. Dou, Maler, Leiden. Zu Ehren seines Lehrers hat ihn gezeichnet G. Schalcken.“ Originale Strichätzung von Schalcken, mit zwei Sammlerstempeln).

[Abb. 5] „De Eindracht van het Land.“ (Die Eintracht des Landes, von Rembrandt um 1642) Heliogravüre (mit: der Oranierbaum über dem Reiter Prinz Friedrich Heinrich).

1.2. Zum Oranierbaum:

Wenn dann noch bedacht wird, dass zur Zeit des Malens, 1652, nach dem Tod des Statthalters Wilhelm II. (1650), als dessen Sohn Wilhelm (III.) erst zwei Jahre alt war, kein Statthalter ernannt war (der für die Landesverteidigung zuständig sein würde), kann die weitere Frage (aus der Sicht des Jahres 1652) aufkommen, wie denn die dynastische Entwicklung des Hauses von Oranien ihren Fortgang nehmen könnte (angesichts der Verdienste der oranischen Statthalter im Freiheitskampf der Vereinten Niederlande gegen Spanien 1568 bis 1648), – als nach 1650 Gefahren aus den rivalisierenden Seemachts-Ansprüchen zwischen England und Holland aufkamen, die nach einer starken Landesverteidigung „riefen“.

Neben dieser politischen Betrachtung des „Oranierbaumes“ (der in die Not des Unterganges geraten war) fällt in klimatischer Hinsicht auf, dass um 1650 in Holland die „Kleine Eiszeit“ herrschte, dass also von den ärmeren Menschen Brennholz gesammelt wurde und sicherlich nicht längere Zeit am Straßenrand (herrenlos) gestanden haben wird. [Abb. 6, 7]

Die bildnerischen Hinweise im Kwakzalver akzentuieren zwar den absterbenden Oranier-Baum [3] (wenn er auch im alltäglichen Sinne schon längst verheizt gewesen sein müsste) als Allegorie der möglicherweise in der Gefahr des Absterbens befindlichen Dynastie der Oranier (hier) neben einem Bild kleinbürgerlichen Handels und Wandels, welche Bevölkerungsschicht zum Haus von Oranien positiv eingestellt war [4]. – Die bildgegenständlichen Hinweise geben aber keinen Aufschluss darüber, wer aus der Zeit um 1652 mit den im „Kwakzalver“ dargestellten Personen dargestellt war, was diese dachten und taten.

Auch sind keine gezeichneten Hinweise von Kompositions-Skizzen bekannt oder zu erwarten, zumal sie allgemein vermisst werden und nicht vorhanden sind [5]. Weil die rituellen Einweihungswege geheim gehalten wurden [6], ist mit deren Darstellung in den (erhaltenen) Kompositions-Studien (wenn sie eben nicht vernichtet wurden [7]), nicht zu rechnen. „Die meisten ihrer Bilder werden die Künstler mit präzisen Entwurfszeichnungen vorbereitet haben, wie es von Frans van Mieris überliefert ist [...].“ [8] Und da mit fortschreitendem Malen eine mögliche Vorzeichnung auf der Leinwand von der aufgetragenen Farbe abgedeckt werden würde, malte Gerrit Dou „alles mit der größten Ausdauer und Geduld nach der Natur, durch einen mit Drähten kreuzweise übersponnenen Rahmen.“ [9] Die geometrisch wichtigen Punkte der später vernichteten Vorzeichnung eines Kunstbildes mit verborgener Geometrie wurden also mit den Kreuzungspunkten der über einen Rahmen gespannten Drähte auf die Malfläche übertragen (sie wurde über den Malgrund gehalten und auf diesem bei der bildgegenständlichen Darstellung berücksichtigt), so dass sie auf dem Malgrund nicht als eingezeichnete Punkte, wenn auch als präzise gesetzte bildgegenständliche Stellen, vorhanden waren und bei heutigen Durchleuchtungen des Bildes nicht (als eingezeichnete Punkte) erscheinen können.

Und mit einer weiteren Schwierigkeit ist beim Interpretieren zu rechnen: Im „Kwakzalver“ erscheint eine auf den (über dem Fenster des Malerateliers befindlichen) Taubenschlag zufliegende (zweite) Taube, die sehr verschwommen zu erkennen ist, deren rechtes Auge einen verborgen-geometrisch wichtigen Punkt darstellt, der aber gegenwärtig kaum erkennbar ist.

Eine Untersuchung der Echtheit dieser Stelle erscheint angebracht, da im Bereich dieser Taube und des umgebenden Kastanienbaumes anscheinend stilfremde Hervorhebungen von gefingerten Kastanienblättern grell und in der Art der Primamaleret fleckigflächig gesetzt zu erkennen sind, die jeden „Finger der Kastanienblattes“ mit einem Pinselstrich (und nicht mit vielen und dazu auch noch ineinander fließend übergehenden, modulierenden Pinselstrichen) angeben. Das scheint mit der minutiös ausgeführten „Feinmalerei“ von Dou nicht überein zu stimmen. Diese Zweifel sollten am Bild genauer untersucht werden, denn z. B. dieses Auge der heran fliegenden (kaum erkennbaren) Taube ist von großer Wichtigkeit, stellt das Auge doch (hier) den in der Verborgenen Geometrie bedeutenden Wert der „Schönheit“ dar [s. die Einführung in die Verborgene Geometrie: Anhang A,1.]. Wenn auch eine Taube in einem realistischen Bild von untergeordnetem Interesse sein kann, so ist sie doch in einem realistischen Bild mit eingefügter Symbolik (hier: mit einer eingefügten Verborgenen Geometrie) von grundlegender Bedeutung, – wie es die verborgen-geometrische Interpretation noch zeigen wird: Ohne eine unzweifelhafte Wahrnehmung dieses Auges ist das besondere Problem dieses Kunstbildes (eine möglicherweise „Unmöglichkeit einer Lösung eines hier eingebauten Problems / einer Aporie“ zu entgehen) nicht zu bewältigen – wie es sich noch zeigen wird.

[Abb. 6] „Holländische Winterlandschaft“ von Isaac von Ostade (1621-1649), Reproduktions-Stich von A. H. Payne (1812-1902).

Der Künstler Dou hat nämlich die Interpretation des „Kwakzalvers“, eben dieses irreführenden Menschen, selbst (methodisch gesehen) unter die Voraussetzung einer vom Quacksalber ausgeführten Irreführung gestellt. Dou machte nicht nur einen „irreführenden Menschen“ zum Thema, sondern zudem auch noch „das Irreführen selbst“. Und dadurch könnte der Interpret auch noch seine eigene Unterlegenheit erleben, die ihm eben nur niemand ausräumt. Er könnte sein Leben lang mit dieser Verhinderung der Möglichkeit einer schlüssigen Interpretation auskommen müssen, (wie anscheinend bis jetzt geschehen). Und tatsächlich ist auch bis heute keine Hilfe (zur Bemerkung des Problems und zu dessen Lösung) in Sicht gewesen. Nun aber kann mit Hilfe der Methode der Verborgenen Geometrie selbst eine „Aporie“, eine „Unmöglichkeit einer Auflösung“ [10] aufgelöst werden.

[Abb. 7] „Die Holzsammler“ gezeichnet von François Grenir (1793-1867), Reproduktions-Stich von Albert Henry Payne (1812-1902).

Es ist also folgend eine „vielseitig aufwändige“ Untersuchung zu erwarten, die über die Aussagen des Bildes, insbesondere über die verborgen-geometrischen Aussagen des Kunst-Bildes, Auskunft geben. – Der „Kwakzalver“ wird also verborgen-geometrisch gelesen werden. Die bisher unzugängliche „Literatur“ (Schrift/ Buchstabenschrift, hier gebildet aus „geometrischen Buchstaben“, nämlich aus Punkten und geometrischen Figuren) des Kunstbildes ist nun lesbar geworden.

Das Bild „De Kwakzalver“ beinhaltet also eine Reihe von problematischen Besonderheiten:

  • Bild + Kunstbild,
  • Kontraste + Gedankenkunst,
  • Kleine Eiszeit + Oranierbaum,
  • dargestellte Personen + deren Bedeutungen,
  • Komposttionsskizze + Geheimhaltung,
  • Feinmalerei (verreibend) + Primamalerei (pastos setzend),
  • Aporie + Problemlösungen,
  • Bildgegenstand (als Objekt) + Irreführung (als Methode).

Diese Besonderheiten gilt es nun bei der verborgen-geometrischen Interpretation des „Kwakzalvers“ zu berücksichtigen. Der Weg zur Interpretation wird schwierig werden.

2. EINFÜHRUNG

2.1. Zum Stadtplan von Leyden:

Gerrit Dou hatte seine Werkstatt in Leiden [Abb. 8] in der Straße Galgewater am kanalisierten Fluss Rijn [Abb. 9]. Sein Bild „De Kwakzalver“ (Der Quacksalber) zeigt seinen Blick aus dem nach Norden gerichteten Atelierfenster über den Rijn (Galgewater) zur Brücke Blauwpoort und darüber hinaus zur Windmühle „De Valk“ (Der Falke), die heute noch dort steht. [Abb. 10, 11] Der Blick von der Brücke Blauwpoort zurück zur alten Häuserzeile am Galgewater, die mit den Giebeln zum Wasser steht, zeigt heute nicht mehr das Atelierhaus von Dou, sondern ein neueres Lager- und Kontorhaus neben einem Rest jener Häuserzeile rechts im Foto [Abb. 12]

Zwischen den Häusern und der Straße „Galgewater“ und zwischen dieser und dem Flußabschnitt „Galgewater“ ist kein Raum für sonstige Anbauten (für den im Bild gezeigten Hausflügel am rechten Bildrand), so dass leicht erkannt werden kann, dass im Bild „De Kwakzalver“ der am rechten Bildrand befindliche Hausflügel nicht der Realität entspricht. Ebenso dürften die großen Bäume zwischen der Häuserzeile und dem Fluss tatsächlich nicht den großen Raum einnehmen, den sie im Bild eingeräumt bekommen. Im Bild liegt die Ufermauer beträchtlich weiter in die Ferne gerückt als sie von der Häuserfront (und von dem Atelierfenster) entfernt ist. Dous Bild zeigt einen am oberen Rand geschwungenen Bildrahmen, der als Atelierfenster die Position der Front von Dous Atelier-Haus markiert und von dem aus bis zur Ufermauer (am originalen Ort) tatsächlich an Platz nur eine schmale Straßenbreite vorhanden ist.

2.2. Zum Ort des Geschehens:

Damit sind schon die beiden auffälligsten Abweichungen des Bildes von der örtlichen Realität genannt (der nicht vorhandene Atelier-Flügel und das nicht vorhandene großzügig-weiträumige Vorland der Häuserzeile). Es muss also davon ausgegangen werden, dass Dou seine Bildkomposition aus einigen tatsächlich vorhandenen und aus sonstigen Versatz-Stücken (toter Baum, Hausflügel, Vorland) komponiert hat, wobei er in diese Komposition auch besondere symbolhaltige Dinge (z.B. jene 3 mal 3 Kartoffelpuffer und jenen rauen Stein auf der quadratischen Steinplatte und jenen toten Baum), sowie „Durchstiegs-Punkte zur Verborgenen Geometrie“ (z.B. das Vogel-Auge als Punkt „Sch.“ im „Raster B“) eingebaut hatte. – Die bildgegenständliche Realität und der Aufbau der verborgen-geometrischen Figuren werden noch Kommentare z.B. zum absterbenden Baum liefern.

Damit überschreitet Dou eine normale Schilderung eines real vorfindbaren alltäglichen Lebens (eines Genre-Bildes) in Richtung auf eine unrealistische Szene mit dem realistisch dargestellten annähernd toten Baum und mit dem tatsächlich nicht vorhandenen Gebäude-Seitenflügel mit einem darin befindlichen zweiten/ gegenüber liegenden Atelierfenster Dous mit der Darstellung seiner Person, so dass er sich verdoppelt hat (zum Maler in seinem Atelierhaus am Nordfenster und zum Gemalten im gegenüber liegenden Seitenflügel).

Gerade wegen der realistischen Malerei Dous mag alles Dargestellte überzeugend realistisch (eben als gegenständlich so gegeben) aufgenommen werden. Tatsächlich aber ist Vorsicht geboten gerade wegen der überzeugenden Kraft seiner realistischen Malerei.

Dass Dou seinen Darstellungen über das Abbildhafte hinaus geistige Bedeutungen gegeben hat (wie es noch in der Darstellung der Verborgenen Geometrie zu sehen sein wird), deutet der Dou-Schüler Godfried Schalcken [1] in seiner Radierung von Gerrit Dou von ca. 1665 an [2] [s. o. Abb. 4], indem er diesem eine Schriftrolle in die Hand gegeben hat, die auf „geistige Inhalte, bzw. Aussagen“ hindeutet. [Anm. 2]

Ebenso sind in gleicher Absicht in einer illustrativen Darstellung des Gerrit Dou von Vivant Beaucé, 1818 - 1876, nach der lithographierten Darstellung von Dous Porträt nach S. M, Smith, von 1829) [3] [Abb. 13] drei Bücher dargestellt.

Es ist also eine „geistreiche“ Darstellung einer Quacksalber-Szene zu erwarten, zumal der Künstler selbst im vorliegenden Bild im Rücken des Quacksalbers im baulicherseits nicht vorhandenen Hausflügel dargestellt ist, was auf einen „verborgenen Hintersinn“ hindeuten mag, der die dargestellten Gegensätzlichkeiten fest schreiben mag (toter Baum gegen Lebenselixier, Nordfenster-Atelier gegen gegenüber liegendem Atelier, der Maler gegen den Gemalten, der von oben herab redende Kwakzalver gegen die unten jene Rede entgegen Nehmenden), wodurch dialektische Gedanken-Bewegungen ausgelöst werden können, die, mit C.G. Jungs Worten ausgedrückt, sagen: „Alles Wirkende beruht auf dem Gegensatz.“ [4] „Die Befreiung von den Gegensätzen setzt eine funktionale Gleichwertigkeit derselben voraus.“ [5] „Gegensatz bedeutet energetisch ein Potential, und wo sich ein Potential findet, da ist die Möglichkeit eines Ablaufes und eines Geschehens, denn die Spannung der Gegensätze strebt nach Ausgleich.“ [6] Da die Problematik von „Tod und Leben“ (untergehen und auftauchen, vernichten und unterstützen, bezweifeln und hervorbringen) in unterschiedlichen Tiefenschichten auftritt, können deren numinose [auf das Göttliche bezogene, unerklärliche] Inhalte „nicht einfach rational integriert werden, sondern verlangen ein dialektisches Verfahren, d.h. eine eigentliche Auseinandersetzung [...]. Dieser Prozeß hat in der Regel einen dramatischen Verlauf mit vielen Peripetien [mit Wendepunkten, Umschwüngen].“ [7]

Während also dem am linken Bildrand stehenden, beinahe toten Baum ein seine Gesundheits-Mittel anbietender Quacksalber gegenüber steht, schaut der aus dem am rechten Bildrand hinter dem dort befindlichen rundbogigen Atelierfenster sitzende Maler auf die Szene mit dem Quacksalber und auf dessen Publikum, wie auch direkt auf den Bildbeschauer, der (wie jeder Beschauer dieses Bildes) vor dem an seinem oberen Rand abgerundeten Bild steht, das wie ein Fenster erscheinen mag (eben hier wie ein Fenster bild), nämlich wie das Fenster im Nordlicht-Atelier von Gerrit Dou, das hier seinen (topographisch) wirklichen Platz in der Häuserzeile an dem Galgewater genannten Fluß Abschnitt des Oude Rijn einnimmt.

[Abb. 8] „Alter Stadtplan von Leyden“ (Tiefdruck).

Der Maler Dou malt also dieses Bild aus der Sicht, welche nun der Bildbetrachter einnimmt (wie es eben immer so zu sein pflegt), und dabei ist er zugleich als der gemalte Maler Dou rechts im gegenüber liegenden Fenster zu sehen, der die Szene von oben, mit des Quacksalbers Augen, sieht. Dou sieht demnach anscheinend den Gaukler zweimal, einmal von vorne und einmal von hinten, bzw. er sieht ihn in zwei Ansichten, wohl anzeigend, das der Markthändler zwei Ansichten vermittelt und nicht „eiansichtig“, hier „in einer Bedeutung“ erscheint. Er ist „zweiansichtig“ und erscheint, wie man so sagt „mal so und mal so“.

Es besteht also Aufklärungsbedarf über die Frage, wie Dou den Quacksalber einschätzt. Der Quack agiert, Dou interpretiert. Und wir Betrachter hätten gerne gewusst, welche Wirkung und welche Einschätzung der eine und der andere hier abgeben.

[Abb. 9] „Schematischer Situationsplan von Dous Atelierhaus und von Rembrandts Wohnung“ [in: Martin, 1913, S. XI].

Wäre eine hintergründige, verborgene Geometrie nicht mit im Spiel, könnte man annehmen, dass der tote Baum zur Linken (als einer Allegorie des Unterganges und des Todes) dem in dessen Nähe stehenden Quacksalber eine der Gesundheit abträgliche Wirkung zuspräche, während der am Fenster hängende Weinkrug zur Rechten (als einer Allegorie der Geselligkeit und der körperlichen Entspannung) dem nun hier aus der Gaststube heraus schauenden Maler eher eine belebende Wirkung zuspräche. – Da aber von Dou in diesem Bild eine „rituelle Verborgene Geometrie“ angelegt ist (da dieses Bild ein Kunstbild ist), kann mit einer differenzierten Antwort gerechnet werden, die allerdings erst noch vom Betrachter erarbeitet werden muss.

Soweit haben sich bereits Fragen angesammelt, die der „realistischen Feinmalerei von Gerrit Dou“ das Urteil, es handele sich hier um ein realistisches Bild nicht ohne weiteres geben können:

[Abb. 10, 11] Der Blick vom Ort von Doits Atelier zur Blauwpoort-Brücke und zur Korn-Mühle „De Valk“, Foto 2013.

[Abb. 12] Der Blick von der Blaupoort-Brücke zum Ort des Atelierhauses von Dou. Foto 2013.

  • Der tote Baum am linken Bildrand wird sich zu jener Zeit (einer „kleinen Eiszeit“), als totes Holz gesammelt wurde, dort vor dem Nordlicht-Fenster des Ateliers von Dou, direkt am Wasser Galgewater, nicht befunden haben.
  • Der Hausflügel am rechten Bildrand wird sich nicht zwischen der Zeile der mit den Giebeln zur Straße stehenden Häuser an der Straße am Galgewater und dem Wasser Galgewater [s. Abb. 9, 12] befunden haben, da zwischen der Häuserzeile und dem Wasser dafür kein Platz vorhanden war. Auch scheint der Baustil und die Bauweise mit den bearbeiteten Natursteinen nicht der noch heute erkennbaren alten Bebauung mit schmalen Giebelhäusern mit Ziegelstein-Mauerwerk entsprechen.
  • Der Sonnenschirm über dem Quacksalber (ein beliebtes Requisit bei Dou), der den Quack hervor hebt und sicherlich auch die praktische Funktion vermitteln sollte, die direkte Sonneneinstrahlung auf seine Präparate abzumildern, erfüllt diese vorgegebene Schutzfunktion anscheinend nicht. (Dieser Sonnenschirm hatte an Dous Arbeitsplatz die Funktion, den fallenden Staub aufzunehmen.)
  • Dous Sitzplatz im rechten Seitenflügel in Gegenüberlage zu seinem Atelierplatz (in seinem Nordlicht-Atelier, an dem sich nun der Bildbetrachter aufhält) würde – realistisch gesehen – Dous zweimalige, bzw. doppelte Anwesenheit an einem zusammen hängenden Ort notwendig machen: Dou sieht sich, wie er sieht. Dou sieht sich sehend und verlässt damit die reine Sachbeobachtung und Sachdarstellung.

Mit dem Thema des Sehens auf das Sehen übersteigt Dou das Bild als eine bildgegenständliche Darstellung von etwas, und er thematisiert das Sehen von etwas, die Weise des Sehens, und damit führt er das Thema der Sichtweise ein:

Dou zeigt dem Betrachter (was folgend noch demonstriert werden soll)

  1. die Sichtweise auf das Gegenständliche mit seinen gegenständlich-räumlichen Anordnungen, auch mit deren „Fehlern“ etwa bei einer Gegenüberstellung zweier Atelierfenster“ (wo es hier in der Realität doch nur eines gibt)
  2. dann die Sichtweise auf Kompositionsfiguren mit allegorischen Bedeutungs-Vermittlungen (etwa einer ansteigenden Linie für einen Anstieg zu Höherwertigem),
  3. und schließlich die Sichtweise der Verborgenen Geometrie auf verborgen-geometrisch vermittelte Symbole (so etwa auf den Winkel zwischen den Stöckern „Sonnenschirm-Stock“ und „Stock des Hasenhändlers“ (in einer Größe von 46 Grad, gleichbedeutend mit der Zahl des „Tempels“).

Gerrit Dou zeigt mehrere Geschichten in einem Bild, die alle in ihrer Ebene und Sichtweise wahr (im Sinne von „so gemeint“) sein können.

Dou vollzieht einen Positionswechsel wenn er als Maler im Nordfenster-Atelier seines Atelierhauses (wo auch alle anderen Betrachter dieses Bildes stehen) den „höher gestellten“ Betrachter aus dem gegenüber liegenden Fenster (des Haus-Seitenflügels) als seinen Standort erkennt, von dem aus er auf den Rücken des Kwakzalvers sieht, wie dieser auf die Marktteilnehmer „herab sieht“. Dou, der in gleicher Höhe mit den Marktteilnehmern aus seinem Nordfenster sieht, erkennt von seinem zweiten und höheren Standort (im Atelierhaus-Seitenflügel) das Herabsehen des Kwakzalvers auf die Marktteilnehmer. Dou sieht über seinen zweiten Standort das Sehen des Kwakzalvers in dessen Art, hier, als einen auf niedrig eingestufte Menschen Sehender. Das entspräche einer allegorischen Aussage über das Gesehene im Sinne von Höherrangigkeit und Niederrangigkeit.

Etwas anderes ist es, wenn Dou sich nicht in das Sehen des Kwakzalvers hinein versetzte, sondern wenn er seine Struktur des Sehens betrachtete: Sein Sehen auf sein Sehen. Er erzeugt in der Struktur von „abständigem Sehen auf ein abständiges Sehen“ seinen Wandel vom „Objekt-Sehen“ zum „Sehensweise-Sehen“. Er objektiviert sein Sehen als seine Interpretation, indem er den Grund (seine theoretische Ausgangslage) seines Sehens nennt: eine Distanzierung zu seinem Sehen. Er schiebt zwischen sich und das Gesehene sein Wissen von seiner Art des Sehens. Und diese Art des Sehens kann an verschiedene Ordnungen gebunden sein, hier an das Schema der Verborgenen Geometrie, das auf das Bild angewendet, Erkenntnisse und damit Bewusstsein von einem aus der „ununterscheidbaren Mannigfaltigkeit“ heraus gelösten „Unterscheidbaren/ Konturierten/ Bestimmten“ hervor bringt. So etwa ist es mit jenem „Tempel bezogen auf die Zahl 46“. Dieser Tempel ist im Bild zu erkennen, wenn die (in einem Katalog von Figuren angebotene, klar konturierende) Sicht der Verborgenen Geometrie zugrunde gelegt wird.

[Abb. 13] „Galerie berühmter Maler und ihrer Werke: II. Gerhard Dow.“ (loses Blatt) mit; Illustration von Vivant Beaucé (1818-1876) nach S. M. Smith von 1829.

Wenn diese Sicht bei der Betrachtung des Bildes nicht zugrunde gelegt wird, ist dieser „Tempel mit 46“ im Bild nicht zu erkennen, wenn er auch aus der Sicht der Verborgenen Geometrie dort angelegt sein sollte.

Durch die Erweiterung der Sichtweisen (ob gegenstandsbezogen, ob allegorisch/ sinnbildhaft oder symbolisch/ spirituell bezogen) kann also das zu Betrachtende ein mehr oder weniger „Herauslösbares, konturiert Erkennbares, Unterscheidbares“ dem nach Erkenntnis Strebenden frei geben.

Der „Ort des Geschehens“ (das hoch liegende zweite Atelierfenster) weist also im vorliegenden Bild auf ein „Sehen auf das Sehen“, auf eine Beachtung der Weise des Beachtens hin. Es ist ein sich „rückwendendes Sehen auf das Sehen“ thematisiert, ein „Sich-sehend-Sehen“. Derart kommt zu den vielen Dingen im Bild (zu den Personen, Handlungen, Stadt- und Landschafts-Elementen) eine weitere Vielzahl von „Selbstbeobachtungen“ hinzu, die nicht nur das Sehen (seine Struktur eines abständigen und positionsabhängigen Erkennens und des an ein System gebundenen Vorgehens), sondern auch wirtschaftliche, ästhetische, klimatische, historische Interessen betreffen.

Dou hat mit diesem Bild als einem gesehenen und komponierten Blick aus seinem Atelier-Fenster am Galgewater, eine umfassende Geschichte vom Treiben in seiner Stadt Leyden geschaffen, vom politischen Hintergrund (einer möglicherweise absterbenden Dynastie) und von seinen Reflexionen über das Sehen (als eines gegenüber stehenden Beobachters, der auch auf sich selbst abständig zurück schaut) und von dem Erkennen (im Gegensatz) und vom vermittelnden Austausch (aus verschiedenen Positionshöhen): Diese Einleitung soll auf einen zu erwartenden Ansturm der mannigfaltigen „Hinsichten aus ebenso vielen Positionen“ auf den Betrachter voraus-schauend hinweisen. – Und diese chaotisch anmutende Fülle mag den nicht eigentlich greifbaren Quacksalber charakterisieren. Er treibt sein Verwirrspiel und der distanzierte Betrachter wird mit hinein gezogen. Und die Frage ist, ob am Ende aus allem etwas Plausibles hervorleuchtet.

3. BISHERIGE AUSSAGEN ZU GERRIT DOU UND ZU SEINEM WERK

Europeesch Museum, 1842 (Autor unbekannt; eine Übersetzung):

„Hier ist ein Thema, das immerzu und überall zu finden ist, von dem die Form/Gestaltung nicht verloren gehen kann. Begib dich von der Straße zum Hausboden, vom Dorf zur Stadt, bei jedem Schritt, den du gehst, kannst du dergleichen Volk antreffen. Es mangelt nicht an Malern, die sich guten Willens die Mühe machen, um aus ihrem Fenster zu schauen, darin liegen, um am Ende solche Aussichten als Ware/Ansichten/Bilder zu verkaufen. Wenn Gerard Dou heutzutage lebte, sollte er eine Anzahl von Porträts gemacht haben. Ja, diese Versammlung von Abbildungen sollte nicht weniger umfangreich sein als die von Frau Delpech, die sich vorgenommen hat, all die verschiedenen Arten von Kwakzalverei, sozusagen eine Sammlung unserer Zeitgenossen, im Steindruck erscheinen zu lassen, sicherlich fein gezeichnet [...]. Und die bekanntesten Zeichner haben sich um die Ausführung bemüht.

Diese ausgezeichnete Malerei von Gerard Dou war die einzige von diesem Meister, die sich in der Sammlung von Düsseldorf befand, die seinen Namen dem zweiten Saal gab, wo sie von diesem Augenblick an bewundert wurde als eine von des Mannes Meisterstücken. Auch ist die Malerei gleichermaßen bemerkenswert durch ihre vortreffliche Komposition und durch die Vielfalt der kleinsten Einzelheiten, wie durch den ungezwungenen und natürlichen Ausdruck der dort abgebildeten Personen.

Die Bildgröße macht die Komposition ebenfalls sehr auffällig, da sie größer ist als sein Bild >De Waterzuchtige< (Die Wassersüchtige), die sich im Musée du Louvre befindet.

Die Begebenheit findet statt in der Straße einer kleinen holländischen Stadt, vor der Tür einer Herberge, und der Maler selbst lehnt sich aus dem Fenster, mit seiner Palette in der Hand.

Unten steht auf dem Bild: G. Douw, 1632.

Es ist auf Holz gemalt und in der Galerie zu München zu finden.

Höhe 3 Fuß, 5 Daumen; Breite 2 Fuß, 7 Daumen.“ (übersetzt, Original: niederländisch) [1]

[Abb. 14] Eine der angesprochenen Lithographien mag der hier abgebildete Druck „Kwakzalver“ sein, gezeichnet auf Stein von David v. d. KellenII. (1804-1879) gedruckt bei Emrik & Binger.

Thieme/ Becker (1907, 1908):

Dou wurde 1613 (am 7. April) in Leiden geboren, wo er 1675 starb. Er war Sohn des Leidener Glasers und Glasschreibers Douwe Janszoon, dessen Handwerk er erlernte, um ihm dann zunächst als Gehilfe zu dienen [2]. „Der dringende Wunsch Dous, Maler zu werden, veranlaßte jedoch den Vater [...] ihn am 14. 2. 1628 zu Rembrandt in die Lehre zu geben, der in der Nachbarschaft wohnte [in dem Weddersteeg] . Bei Rembrandt blieb Dou bis zu dessen Übersiedlung nach Amsterdam (1631). Dann machte er sich in Leiden selbständig und blieb bis zu seinem Tode in seiner Werkstatt [...] am Rijn (Galgewater) [s. Abb. 8, 9], von der aus man die Aussicht hatte, welche den Hintergrund des Douschen >Marktschreiers< [...] bildet. [s. Abb. 8, 10, 11] [...] Dou hat seine Vaterstadt nicht verlassen, obwohl ihn Karl II von England einlud, an seinen Hof zu kommen. [...] – Er war unverheiratet, seine Nichte Antonia van Tol führte seinen Haushalt [...]. Dous Neffen, die Maler Domin. van Tol und Jac. Toorenvliet, waren sicher auch seine Schüler. Als solche werden, außer seinem Hauptschüler Frans van Mieris d. Ä., noch genannt: G. Metsu, B. van Slingerland, G. Schalcken, B. Maton, M. Naiveu, Gen: Maes und Karel de Moor [...]. Obwohl Dou weder an den Humor und die Charakterdartsellung eines Jan Steen, noch an die Vornehmheit eines ter Borch oder Metsu heranreicht, ist seine Bedeutung als Haupt der Schule der Leidener Feinmalerei eine sehr große: von Frans van Mieris und dessen Söhnen übernommen, hat diese bis tief in das 18. Jahrhundert hinein in Holland in Blüte gestanden.“ [3]

[Abb. 14] „Kwakzalver“ (Steindruck) von David v. d. Kellen II (senior, 1804-1879) auf Stein gezeichnet.

Zu Dous künstlerischem Entwicklungsgang wird gesagt [4]: Anfänglich steht er unter Rembrandts Einfluss hinsichtlich Motivwahl (alte Eltern, Tobiasdarstellungen, betende Einsiedler), einem Streben nach Ähnlichkeit, einem Gefühl für das Helldunkel und einer Neigung zu künstlicher Beleuchtung. Um 1640 ist er dann bestrebt, den sichtbaren Pinselstrich zu vermeiden. In der Bildkomposition arbeitet er seine Bildidee mit in Fensterrahmungen gesetzten Genre-Motiven aus dem Alltagsleben aus. „Gegen Ende seines Lebens häufen sich bei Dou die Zeichenfehler, die Färbung wird matter, die Darstellungen, in denen die Nachtbilder vorwiegen, werden einförmiger, auch verwendet er in diesen späten Bildern mehr als früher die rote Farbe, wahrscheinlich um einen kräftigeren Eindruck zu erzielen.“ [5]

„Bilder, auf die Dou selbst großen Wert legte, pflegte er in Kästen zu verschließen, deren Türen er öfters mit Stilleben bemalte. [...] Der Zweck der Kästen war wohl, die Bilder vor dem Staub zu schützen, und aus diesem Grunde mag er auch die Form des Klapptriptychons geliebt haben [...].“ [6]

W. Martin (1913):

„Der Genius des jugendlichen Großmeisters [Rembrandt, in dessen Werkstatt Dou 1628 als Lehrling eintrat] hat den jungen Dou gleich überwältigt und ihn in mancher Hinsicht niemals losgelassen [...]. [7] Man spürt [...] den Unterschied: bei Rembrandt ist die Feinheit Zwang, dem Dou ist sie eine Freude, weil gerade dort bei dem Glasmalersohn ein Teil der Begabung lag. Weiter Blick fehlte ihm, große Gedanken und der Drang, Farben und Formen in großen Kompositionen imponierend wirken zu lassen, waren ihm fremd. Bei ihm kein Sturm und Drang, wie Rembrandt ihn bald durchmachen sollte. [...].Dou war auch künstlerisch eine phlegmatische Natur. Eine große Ruhe muß er besessen haben, aber dazu einen eisernen Fleiß. [8] [... Er] machte keine andere Entwicklung durch als die des Lernens jener Technik [der Feinmalerei] [9] [... ] Auch in der Wahl seiner Motive ist er beschränkt, und kaum ein Künstler hat sich selbst so oft und genau kopiert wie Dou. [...] In seinen Meisterwerken wird die Detaillierung immer von der künstlerischen, rein malerischen Reife des Ganzen beherrscht. Dadurch steht seine Kunst im starken Gegensatz zu den leeren, glatt gemalten Arbeiten seiner zahllosen Nachahmer und wird Dou seinen Platz unter den größten Meistern seiner Zeit behalten.“ [10]

„Sandrart erzählt uns, daß er seine Modelle so endlos lange sitzen ließ, daß er so langsam malte, daß er >den Leuten zu sitzen alle Lust (benahm), so dasz sie ihre sonst liebliche Physiognomie verstellet und aus Überdrusz ganz geändert, wodurch dann seine Contrafäte [Porträts] auch verdrieszlich, schwermütig und unfreundlich worden<. Bestellte Bildnisse kommen dann auch nach 1650 nicht mehr unter den Arbeiten des Künstlers vor.“ [11]

„Um so mehr aber tritt Dou als Genremaler in den Vordergrund. [...] >Jeder, welcher seine Arbeiten sah<, sagte Orlers (1641), >konnte nicht anders als Staunen vor der Sorgfalt und Merkwürdigkeit der Ausführung, und seine Bilder wurden bald von den Kunstliebhabern als sehr wertvoll betrachtet und hoch bezahlt<. [12]

„Die jahrelang weltberühmte >Wassersüchtige<, welche bis vor zwölf Jahren im Salon Carré des Lovre als eines der größten Meisterwerke der Welt ausgestellt war, gehört zwar zu den größten Erzeugnissen menschlichen Eifers und Geduld, ist aber weder als Kunstwerk noch als Leistung Dous besonders hoch zu stellen. [12b]

Georg Westermann Verlag (1982):

„Dou, Gerrit, *1613 in Leiden, † 1675 in Leiden. Dou gehörte zu Rembrandts frühesten Schülern. Die Leidener Periode des Lehrers war richtungsweisend für die ganze spätere Entwicklung Dous, der nach Rembrandts Übersiedlung nach Amsterdam selbständig wurde und die Schule der Leidener Feinmaler begründete. Zunächst im Beruf des Vaters als Glasmacher und Glasschreiber ausgebildet, hatte Dou 1622/23 bei dem Kupferstecher Bartholomeus Dolendo Zeichenunterricht genommen. Von 1625-27 war er der Glasmalergilde in Leiden zugehörig, bevor ihn der junge Rembrandt im Jahre 1628 als ersten Schüler aufnahm. Bis 1631, als Rembrandt nach Amsterdam ging, arbeitete Dou in der Werkstatt des Meisters. 1648 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Leidener Lukasgilde.