Neun von zehn Leuten mögen Schokolade. Der Zehnte lügt.“

(John Tullius)

Jochen Weber

Zu Besuch beim Kakao

Kakao in Brasilien. Anbau – Verarbeitung – Geschichte.

Copy-Editing: BoD – Books on Demand GmbH

Layout und Satz: Jochen Weber – www.foto-grafo.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Herstellung, Lektorat, Umschlag und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7412-8698-8

1. Auflage 7/2016; Copyright © 2016

Jochen Weber, Lindenallee 116, 76189 Karlsruhe

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Widmung

Für Adolfa und Beata

Über den Autor

Jochen Weber

Ich lebe seit März 2013 in Mumbai, Indien, wo ich als freier Fotograf, Journalist und Autor arbeite. Meine Schwerpunkte sind die Reisefotografie sowie Fotoreportagen. Schon früh bin ich gern gereist, die Fotografie kam etwas später hinzu. Nach meiner Ausbildung zum Sortimentsbuchhändler beim Herder Verlag im Jahr 1986 in Stuttgart arbeitete ich zunächst einige Jahre in der Buchhandlung Herder in Rom und ein Jahr lang auf einer Garnelenfarm in Ecuador. Danach war ich als internationaler Vertriebsleiter bei den deutschen Verlagen Klett und Kohlhammer tätig. Nach verschiedenen Fotokursen und Fotoreisen besuchte ich 2003/04 den Kurs „Sehen lernen“ bei Volker Schöbel an der Freien Fotoschule Stuttgart und setzte danach erste eigene Fotoprojekte um. 2009 zog ich nach São Paulo, Brasilien, was den Beginn meiner Tätigkeit als Fotograf und Journalist bedeutete. Dort besuchte ich auch die Kakaogegend um Ilhéus und die Kakaofarm Boa Sentença in Bahia.

Inhalt

  • Einführung
  • Etwas Geschichte
    • Ankunft und Ausbreitung in Brasilien
    • Die Ankunft in Europa
    • Erfindungen
  • Kakaoanbau heute
  • Unterwegs zur Kakaoküste
  • Von Arten und Sorten
  • Kakao – Pflanze und Frucht
    • Der Kakaobaum
    • Die Kakaoblüte
    • Die Kakaofrucht
  • Die Kakaoernte
    • Kakao schälen
    • Kakaotransport
  • Die Fermentation
  • Die „Barkassen“ und die Farm
  • Kakao trocknen
    • Kakao treten
  • Die Kakaobohne
  • Arbeiten im Feld – Die Pflege
  • Die Menschen der Farm
  • Umgebung der Farm
  • Klassifikation von Kakao
  • Schokoladenherstellung
    • Trends bei der Schokoladenherstellung
  • Poster Schokolade
  • Sonstiges
    • Kakao – Fairer Handel
    • Schokolade einkaufen
    • Schokolade aufbewahren
    • Schokolade selbst gemacht – Einfache Rezepte
    • Jorge Amado – Der Kakao-Zyklus
    • Dank
  • Anzeigen

Einführung

Introdução

Das Buch handelt von der Praxis des Kakaoanbaus vom Keimling bis zur Schokoladenproduktion, beispielhaft dargestellt an der Region Bahia in Brasilien. Auch wenn der Großteil des Konsumkakaos1 heute in Afrika angebaut wird, war Brasilien gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch der größte Kakaoproduzent der Welt. Kakao wird im brasilianischen Bundesstaat Bahia seit dem späten 17. Jahrhundert angebaut. Im Jahr 1989 brach dort aber die Kakaoproduktion unerwartet ein: Alle Kakaoplantagen der Region wurden massiv vom aggressiven Pilzschädling mit dem Namen „Hexenbesen“ befallen und viele Kakaopflanzer mussten deshalb ihre Farmen aufgeben. Bis heute hat sich die Region noch nicht wieder vollständig von dieser Plage erholt. Es hat sich aber gezeigt, dass eine veränderte Arbeitsweise heute wieder einen Großteil der Produktionsmenge von damals ermöglicht. So spielt der Kakaoanbau in Brasilien wieder eine wichtige Rolle und Bahia ist weiterhin der größte Kakaoproduzent Brasiliens. Dies alles war Grund genug für das Goethe-Institut in Salvador de Bahia, dem Thema Kakao ein einjähriges Großprojekt mit dem Titel „Metamorphosen des Kakao“ zu widmen. Denn der Kakao macht nicht nur bei seiner eigenen Verwandlung von der Pflanze zum Produkt eine Metamorphose durch, auch der Anbau im südlichen Bahia hat die Region erheblich verändert. Im Rahmen dieses Projekts beauftragte mich das Goethe-Institut Salvador de Bahia mit einer umfangreichen Fotoreportage. Ich besuchte von São Paulo aus, wo ich in der Zeit noch lebte, die Kakaofarm „Boa Sentença“ („Gutes Urteil“), ganz in der Nähe der Stadt Itabuna, mitten im Herzen des Kakaoanbaugebiets in Bahia, und auch die Stadt Ilhéus, einst DAS Zentrum des Kakaos überhaupt. Ebenso konnte ich das dortige Kakaoforschungszentrum CEPLAC („Comissão Executiva de Planejamento da Lavoura Cacaueira“) besuchen und hatte auch die Genehmigung, dort zu fotografieren. Alle meine Fotos sind also dort auf der Farm bei Itabuna oder in ihrer näheren Umgebung im Bundesstaat Bahia entstanden.

Ein Kapitel skizziert die Geschichte des Kakaos im Allgemeinen und behandelt seine Ankunft und Ausbreitung in Brasilien etwas ausführlicher. Das Kapitel „Erfindungen“ beleuchtet die wichtigsten Erfindungen in Bezug auf die Schokoladenproduktion, und „Kakaoanbau heute“ gibt Ihnen einen Überblick über die heute wichtigsten kakaoexportierenden Länder.

Mit dem Kapitel „Unterwegs zur Kakaoküste“ beginnt die Reise zum Kakao in Bahia, vorab lernen Sie aber noch das Wichtigste über die Arten und Sorten des Kakaos kennen. Danach erfahren Sie in zwölf Kapiteln, wie der Kakao für unsere Schokolade in Brasilien im Bundesstaat Bahia produziert wird. Aber auch das Leben und Arbeiten der Menschen auf einer Kakaofarm kommt nicht zu kurz. Die Kapitel „Klassifikation von Kakao“ und „Schokoladenherstellung“ runden das Thema Produktion ab. Unter „Sonstiges“ erfahren Sie dann noch Praktisches über den fairen Handel, worauf Sie beim Einkaufen, aber auch beim Aufbewahren von Schokolade achten sollten. Zum Schluss erhalten Sie noch drei verschiedene Anleitungen, Ihre eigene Schokolade herzustellen sowie einen Überblick über den überaus spannenden Kakao-Zyklus

Kakaofrucht

des brasilianischen Schriftstellers Jorge Amado. Ich las während meines Aufenthaltes auf der Farm seinen Roman Kakao (aus dem Jahr 1933), der genau in dieser Gegend spielt. Vieles von der dichten Atmosphäre, der Sprache und den Figuren habe ich durchaus im aktuellen Farmleben noch wiedererkannt.

Abschließend möchte ich noch bemerken, dass mir beim Beobachten des gesamten Produktionsprozesses (wieder einmal) aufgefallen ist, wie viel Vorarbeit in unserem geliebten Endprodukt, der Schokolade, steckt und wie wenig wir uns dessen beim Konsumieren bewusst sind. Vielleicht kann dieses Buch ja ein wenig mehr Bewusstsein über die vielen einzelnen Arbeitsschritte beim Kakaoanbau schaffen.

Unter den Kapitelüberschriften und manchmal auch im Text finden Sie Übersetzungen ins Portugiesische. Das soll ein klein wenig „Brasilien-Flair“ ins Buch bringen, und für Brasilienreisende könnte der Fachwortschatz ja zusätzlich interessant sein.

Jochen Weber

E-Mail: mail@foto-grafo.de

Homepage: http://www.foto-grafo.de

Kakaobohnen

Kein zweites Mal hat die Natur eine solche Fülle der

wertvollsten Nährstoffe auf so kleinem Raum zusammengedrängt wie gerade bei der Kakaobohne.“

(Alexander von Humboldt)


1 Im Handel wird zwischen Konsumkakao (port.: „cacau comum“, „regular ou ordinário“; engl.: „bulk cacao“) und Edelkakao (port.: „cacau fino“; engl.: „fine or flavour cacao“) unterschieden. Es wird dabei rein nach der allgemeinen Qualität der Kakaosorten geurteilt, nicht nach individueller Qualität einzelner Ernten.

Etwas Geschichte

Um pouco de história

Die Geschichte des Kakaos ist bereits über 3.000 Jahre alt. Als ältester bekannter Nachweis für seinen Genuss gelten Lebensmittelreste an Scherben, die bei Ausgrabungen in Honduras gefunden wurden, sie werden auf das Jahr 1.100 v. Chr. datiert. Der Kakao wurde also von den Völkern Mittelamerikas schon angebaut, sehr lange bevor die ersten spanischen Eroberer in Amerika ankamen, und zwar von den Azteken in Mexiko und von den Mayas in Mittelamerika, die ebenfalls Kakao konsumierten. Auch schon die Olmeken, die zuvor diese Gebiete besiedelten, nutzen den Kakaobaum und nannten ihn bereits „cacaw“ („kakawa“ ausgesprochen). Es scheint dieses Wort also von den späteren Kulturen von den Olmeken entlehnt worden zu sein, die bereits Schokolade tranken. Historikern zufolge galt der Kakaobaum, von den Azteken in Mexiko „cacau“ genannt, als heilig. Die Indianer glaubten an seinen göttlichen Ursprung, und dass der Gott Quetzalcuatl die Menschen lehrte, wie sie den Kakao pflegen sollten. Deshalb wurde der Anbau von neuen Kakaobäumen auch stets von feierlichen, religiösen Zeremonien begleitet.

1502 landete dann Christopher Columbus bei seiner vierten und letzten Reise zum amerikanischen Kontinent – auf der er dann immer noch in dem Glauben starb, in Indien zu sein – auf der Insel Guanaja vor der Küste von Honduras. Eine Gruppe von Indianern kam dem Seemann entgegen und zeigte ihm, neben anderen Geschenken, etwas, das aussah wie eine Handvoll verschrumpelter Kerne. Columbus zeigte aber keinerlei Interesse an diesen Kernen, bis ein paar von ihnen auf den Boden fielen und die Indianer sie schnell und sehr eifrig wieder einsammelten. Columbus bemerkte dies, aber bei einer Reise voller täglicher Überraschungen achtete er nicht weiter darauf, er hielt das Verhalten der Indianer nur für eine weitere von vielen Kuriositäten. Den Spaniern wurde deshalb die Schokolade offiziell erst 17 Jahre später präsentiert, als der Eroberer Hernán Cortés den aztekischen Herrscher Montezuma traf. Er und sein Volk herrschten über eine Region, die ungefähr dem heute aktuellen Gebiet von Mexiko entspricht. Trotz eines freundlichen Empfangs dezimierte Hernán Cortés die aztekische Armee schnell mit seinen berittenen Soldaten und Gewehren und unterdrückte die Bevölkerung. Ein eindrückliches und authentisches Dokument dieser historisch furchtbaren Periode sind drei Originalberichte, die Cortés an seinen Kaiser Karl V. sandte.2

Die Schokolade besaß während ihrer langen Geschichte sehr unterschiedliche Formen und Geschmacksrichtungen. Der „cacauatl“, der Cortés von Montezuma angeboten wurde, war ein Getränk, wie es die Azteken damals gerne zubereiteten. Es bestand aus geröstetem und gemahlenem Kakao, der, so gut es ging, in Wasser gelöst und mit Gewürzen wie z.B. Pfeffer und Vanille gewürzt und teilweise auch mit Honig gesüßt wurde. Um den Kakao zu mahlen, verwendeten die Azteken einen großen porösen Stein in Form eines kleinen Tisches, „metate“ genannt, und eine Walze aus demselben Material, die sie über die Bohnen rollten. Die Schokolade war den Azteken so wichtig, dass das Getränk von Priestern auch während der religiösen Rituale konsumiert wurde, bei denen Menschen zu Ehren der Götter geopfert wurden. In diesem Fall mischten sie Annatto, einen Saft aus dem rötlich-gelben Samen des Orleanstrauches, in das Getränk. Dieses erhielt dadurch eine rötliche Färbung, die an Blut erinnerte. Die Azteken mochten aber vor allem den Schaum der Schokolade, der aber nicht so leicht herzustellen war. Die flüssige Schokolade musste immer und immer wieder aus größerer Höhe von einem Behälter in einen anderen gegossen werden, damit der Schaum entstand.

Quetzalcoatl (aus dem Codex Borgia)

Nutzung gemäß der Wikimedia Commons.

(Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/File:Quetzalcoatl.svg)

Sowohl für die Maya als auch für die Azteken waren die Kakaobohnen so wertvoll, dass sie diese auch als Zahlungsmittel verwendeten. Eine Mengeneinheit waren z.B. 400 Bohnen, die im klassischen Aztekisch (= Nahuatl) „Centzontli“ hieß, oder 8.000 Bohnen waren z.B. ein „Cenxiquipilli“. Der Herrscher Montezuma erhielt als Tribut der Stadt Tabasco jährlich 200 Cenxiquipilli. Das waren also 1,6 Mio. Bohnen, was ungefähr 30 Säcken à 60 kg entspricht. Ein guter Sklave konnte z.B. für 100 Kakaobohnen gekauft werden. Zur Verwendung von Kakao als Zahlungsmittel schrieb bereits der Geschichtsschreiber Peter Martyr de Anghiera (1457 – 1526): „Gesegnet ist Geld, das ein süßes Getränk bietet und weiteren Nutzen für die Menschheit wie den Schutz gegen die höllische Pest der Gier, da es nicht lange angesammelt oder unter der Erde verborgen werden kann.“3 Es war also eine Zeit, in der das Geld auf den Bäumen wuchs, aber niemand konnte oder durfte die Bäume in seinem Garten pflanzen. Die Kakaobäume wuchsen nur in wenigen geeigneten Gegenden, und die wurden alle von der Regierung kontrolliert! Da die Kakaobäume praktisch das ganze Jahr über Früchte tragen, kam es auch nicht zu „Liquiditätsengpässen“, wie Experten heute sagen, wenn in der Wirtschaft ein Mangel an Geld herrscht. Diversen historischen Berichten zufolge betrug der Schatz des Herrschers Montezuma immense Vorräte an Kakaobohnen. Diese Mengen brauchte er unter anderem, um seine Soldaten zu bezahlen und zu ernähren. Ein Chronist der spanischen Eroberung schrieb, dass allein die Palastwache von Montezuma am Tag 2.000 Tassen Schokolade konsumiert haben soll! Aber Montezuma brauchte diese großen Mengen an Kakao nicht nur für den Unterhalt seiner Soldaten. Bernal Díaz del Castillo, ein spanischer Soldat, der an der Eroberung Mittelamerikas teilnahm, war Augenzeuge eines Festes für den aztekischen Herrscher. In seinem Buch Verdadera Historia de la Conquista de la Nueva España4 berichtet er, dass Montezuma bei dieser Gelegenheit mehr als fünfzig Tassen Schokolade trank.

Die Verwendung der Kakaobohnen als Zahlungsmittel überlebte die Zivilisation der Azteken. Nach der Zeit der Eroberung durch die Spanier kostete in Mexiko z.B. ein Truthünerei drei Kakaobohnen, für einen Sklaven musste man inzwischen schon 3.000 bis 4.000 Kakaobohnen ausgeben. Der Kakao wurde ungefähr bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts weiterhin als Bargeld genutzt.


2 Die Eroberung Mexikos: Drei Berichte von Hernán Cortés an Kaiser Karl V. (Insel Verlag, 1980, ISBN: 978-3 458-32093-7)

3 Aus: Petrus Martyr de Anghiera, Acht Dekaden über die neue Welt, Hrsg. Hans Klingelhöfer, 2 Bde. (Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1973, ISBN 3-534-05703-1)

4 Bernal Diaz del Castillo: Geschichte der Eroberung von Mexiko (Insel Verlag 1988, ISBN: 978-3-458-32767-7)

Ankunft und Ausbreitung in Brasilien

Chegada e divulgação no Brasil

Botaniker sind heute überzeugt davon, dass der Kakaobaum aus dem Gebiet zwischen dem Oberlauf des Amazonas und dem äußersten Südwesten Venezuelas stammt, wo noch heute reinerbiger Criollo-Kakao vorkommt. Von dort soll er sich in zwei verschiedene Sorten weiterentwickelt haben. Der Criollo breitete sich in Richtung Norden aus, entlang des Flusses Orinoco bis nach Mittelamerika und Südmexiko; er produziert große Früchte mit einer faltigen Oberfläche. Seine Samen sind groß, das Innere mit dem Fruchtfleisch und den Samen ist weiß bis blass. Das war die Kakaosorte, die bereits die Maya und Azteken anbauten. Die andere Sorte wird Forastero genannt, sie verbreite sich hingegen in Richtung Süden ins Amazonasbecken und in Richtung Guayana im Westen. Er gilt als der wahre brasilianische Kakao. Man erkennt ihn an seinen eiförmigen Früchten mit einer fast glatten, unmerklich gerillten oder gewellten Oberfläche. Das innere Fruchtfleisch mit den Samen ist dunkelviolett, manchmal sogar beinahe schwarz. Für das Wachstum benötigt der Kakaobaum tiefe, reichhaltige Böden und ein warmes und feuchtes Klima mit einer durchschnittlichen Temperatur von etwa 25° C und einer jährlichen Niederschlagsmenge zwischen 1.500 und 2.000 mm, ohne längere Trockenperioden.

Mit dem Anstieg des Schokoladenkonsums gewann der Kakao insgesamt immer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung. Deshalb wurden viele Versuche unternommen, ihn auch in anderen Regionen anzupflanzen, in denen zu seinem natürlichen Lebensraum vergleichbare Klima- und Bodenbedingungen vorherrschten. Seine Samen wurden auf diese Weise allmählich in der ganzen (tropischen) Welt verteilt. In der Mitte des 18. Jahrhunderts erreichte der Kakao den Süden des brasilianischen Bundesstaates Bahia und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam er nach Afrika. Um das Jahr 1855 eröffneten die ersten afrikanischen Plantagen, und zwar auf dem Inselstaat São Tomé und Príncipe, einer portugiesischen Kolonie vor der westafrikanischen Küste.

Offiziell begann der Kakaoanbau in Brasilien zwar schon im Jahr 1679, und zwar mit Hilfe der „Carta Régia“ aus jenem Jahr, einer Regelung des portugiesischen Hofes, die es den Siedlern der Kolonie erlaubte, Kakao auf ihren Ländereien anzubauen. Im brasilianischen Bundesstaat Pará scheiterten aber zunächst mehrere Versuche, den Kakao anzupflanzen, vor allem wegen der dortigen Armut, aber auch wegen zum Teil ungeeigneter Böden. Dennoch wurden im Jahr 1780 in Pará schon mehr als 100 „Arrobas“5 Kakao (ca. 1,47 Tonnen) produziert. Ein planmäßiger Anbau etablierte sich jedoch zu jenem Zeitpunkt noch nicht, es blieb für lange Zeit eine einfache, mehr oder weniger zufällige Tätigkeit.

1746 erhielt ein gewisser Antonio Dias Ribeiro aus Bahia von dem französischen Siedler Luiz Frederico Warneau aus Pará einige Samen der Sorte Forastero, Untersorte Amelonado. Mit diesen Samen begann der erfolgreiche Kakaoanbau im Süden des Bundesstaates Bahia. Die erste Anpflanzung fand auf der Farm Cubículo am Ufer des Flusses Pardo statt, in der heutigen Gemeinde von Canavieiras. Im Jahr 1752 wurden dann die ersten Kakaoplantagen in der Nähe der Stadt Ilhéus angelegt, der späteren „Hauptstadt des Kakaos“. Der Kakao passte sich dort sehr gut an das Klima und den Boden an: Heute produziert diese Region ca. 95% des brasilianischen Kakaos, der Bundesstaat Espírito Santo produziert ca. 3,5% und im Amazonasgebiet werden nur ca. 1,5% der nationalen Kakaoproduktion erwirtschaftet. Brasilien ist heute der sechstgrößte Kakaoproduzent der Welt, mit einem Marktanteil von ca. 5%, nach der Elfenbeinküste, Ghana, Indonesien, Nigeria und Kamerun.

Zentrum von Ilhéus

Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts verwandelte sich der Kakao in der Region in eine Art Statussymbol des Reichtums und der Macht der sogenannten „coronéis“ (Plural von „coronel“ = Oberst). Der „coronelismo“ war das System der Klientelpolitik in Brasilien während der Alten Republik (1889 – 1930). Diese „coronéis do cacau“ siedelten sich mit großen Farmen, den Fazendas, um Ilhéus und Itabuna an. Diese Periode ist das zentrale Thema im Buch Gabriela wie Zimt und Nelken des brasilianischen Autors Jorge Amado, die Geschichte spielt in der Stadt Ilhéus (s. Kapitel „Jorge Amado – Der Kakao-Zyklus“).

In der Zeit von 1896 bis 1930 stieg die Kakaoproduktion in Brasilien um 400% und das Land entwickelte sich zum damals größten Kakaoproduzenten der Welt. Für eine lange Zeit war der Kakao für den Süden Bahias ein sehr lukratives Geschäft. Doch ab 1989 und in den darauffolgenden zehn Jahren brach die Kakaoproduktion im Süden Bahias fast vollständig ein. Der Hauptgrund für diese Tragödie war, neben dem Preisverfall des Kakaos durch den verstärkten Anbau in Afrika, vor allem der massive Befall des Pilzschädlings mit dem Namen „Hexenbesen“ („vassoura-de-bruxa“). Um das plötzliche und für alle überraschende Auftauchen dieses Schädlings in Bahia ranken sich bis heute viele Geschichten und Legenden – bis hin zur Theorie des absichtlichen Einschleppens des Schädlings durch „fremde Mächte“! Viele Kakaopflanzer mussten ihre Farmen aufgeben, sehr viele Menschen verloren ihre Arbeit und nicht wenige nahmen sich damals das Leben – bis heute hat sich die Region noch nicht wieder komplett von diesem Befall erholt.

Es hat sich aber gezeigt, dass eine veränderte Arbeitsweise und Einstellung beim Anbau heute wieder einen Großteil der Produktionsmenge von damals ermöglicht. Die professionelle Bewirtschaftung der Fazenda Boa Sentença, auf der die Mehrzahl der Fotos in diesem Buch entstanden ist, ist so ein positives Beispiel dafür, wie die Plage der „vassoura-de-bruxa“ mit Erfolg und Ausdauer in einer nachhaltigen Landwirtschaft gut bekämpft werden kann. Die komplette Mannschaft dort arbeitet sehr konzentriert mit moderneren Methoden als damals daran, die alte Produktivität der Fazenda wieder zu erlangen (s. Kapitel „Arbeiten im Feld – Die Pflege“).

Pilzbefall mit dem Schädling „vassoura-de-bruxa“

Arbeiten im Feld – Die Pflege