Für die Förderung dieser Arbeit danke ich dem Schweizerischen Nationalfonds und dem Forschungsschwerpunkt eikones /Bildkritik in Basel. Michael Hagner danke ich für den Freiraum und die Ermutigung, dieses Buch zu schreiben. Dank an Petra Weigel von der Sammlung Perthes in Gotha für ihr großes Entgegenkommen bei der Quellenbeschaffung. Und an Martin Mittelmeier für so viel Interesse am Nordpol.
Das Ende dieser Geschichte ist schnell erzählt. Seit dem Untergang der Jeannette war die Arktis verpönt. Und seit Petermanns Tod gab es niemanden mehr, der die Sehnsucht nach dem offenen Polarmeer am Leben erhalten hätte. Immerhin, während De Long durch die Beringstraße nach Norden dampfte, war Adolf Nordenskjöld von seiner Durchsegelung der Nordostpassage zurückgekehrt. Das war eine Leistung, auf die man stolz sein konnte. Vom Nordpol sprach jedoch niemand mehr. Nur Fridtjof Nansen, der aufgehende Stern der Polarforschung, stolperte 1884 über die Meldung, dass eine Ölhose von Bord der Jeannette an der Südküste Grönlands angespült worden war. Zunächst hatte er jedoch andere Pläne und überquerte das Inlandeis von Grönland auf Skiern. In Nansens Hinterkopf brütete aber bereits ein gewagter Plan. Die Ölhose war ein schlagender Beweis für die Existenz einer Strömung, die von der Beringstraße quer durchs Polarbecken bis in den Atlantik ging. Mit einem geeigneten Schiff musste es möglich sein, sich dieser Strömung anzuvertrauen und dabei geradewegs über den Nordpol zu treiben.
In London, in der Royal Geographical Society, wo Nansen seinen Plan im November 1892 vorstellte, stieß er auf geballten Widerstand. Die britischen Eismeerveteranen verpassten ihm, wie er seiner Frau in Norwegen mitteilte, eine »kalte Dusche«. George Nares teilte ihm freundlich mit, dass sein Projekt sinnlos sei. Das ist nicht weiter verwunderlich: In vielerlei Hinsicht musste Nansens waghalsige Argumentation an einen unseligen Vorgänger erinnern - August Petermann. Auch der Norweger spekulierte über globale Meeresströmungen, auch er hielt Isothermenkarten in die Höhe, auch er war ein Theoretiker, der sich herausnahm, die Arktis am Reißbrett zu konstruieren. »Zwar sind es ja alles nur Theorien, aber eine Sammlung von wahrscheinlichen Theorien kann ja der Sicherheit sehr nahe kommen«, bekannte Nansen in nicht ganz fehlerfreiem Deutsch, als er Petermanns Gothaer Nachfolger Ernst Behm um die Polarkarten des verstorbenen Professors bat. Er brauchte sämtliches Material, das er kriegen konnte. Vor spekulativen Würfen hatte der Zoologe keine Angst.
Im Gegensatz zu Petermann kam Nansen »der Sicherheit« tatsächlich nah. Denn bei allen Gemeinsamkeiten gab es einen entscheidenden Unterschied: In seiner Theorie plätscherte kein offenes Polarmeer. Statt mit schiffbaren Gewässern rechnete Nansen mit einer geschlossenen Packeisdecke, und statt auf die titanische Kraft von Dampfern zu setzen, ließ er ein Schiff konstruieren, das im Eis einfrieren konnte, ohne zerdrückt zu werden. Drei Jahre lang, von 1893 bis 1896, trieb die Fram durch den arktischen Ozean, Petermanns vergilbte Karten trocken unter Deck. Als sich abzeichnete, dass die Drift nicht über den Nordpol führen würde, marschierte Nansen in Begleitung von Hjalmar Johansen mit Skiern und Hundeschlitten los. Bei 86° nördlicher Breite mussten sie ihren Versuch abbrechen. Doch der Nordpol schien wieder in greifbare Nähe gerückt. Jahr für Jahr brachen jetzt neue Expeditionen auf, bis Robert Peary den Wettlauf schließlich für sich entschied. Ob August Petermann, in seinem Lehnstuhl, dieses Ende gefallen hätte? »Für die Wissenschaft ist es ein wahres Glück«, hatte er 1874 geschrieben, »dass der Nordpol noch nicht erobert ist.«