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Impressum

© Verlag Friedrich Oetinger GmbH, Hamburg 2014

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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

© Kirsten Boie 2014 (Text)

Cover und Illustrationen von Barbara Scholz

E-Book-Umsetzung: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin 2014

 

ISBN 978-3-86274-109-0

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Diese Personen kommen in der Geschichte vor. Hier kannst du nachschlagen, wenn du dich mal nicht mehr erinnerst.

 

Käptn Klaas, ehemaliger Seeräuberhauptmann und Kapitän der »Wüsten Walli«

 

Nadel-Mattes, ehemaliger Seeräuber und Segelmacher auf der »Wüsten Walli«

 

Bruder Marten, der Smutje, ehemaliger Seeräuber und Schiffskoch auf der »Wüsten Walli«, früher Mönch

 

Haken-Fiete, ehemaliger Seeräuber und Steuermann auf der »Wüsten Walli« und leider nicht besonders schlau

 

Lütt Hein, der jüngste Sohn von Käptn Klaas und ein ziemlich frecher Bengel, ohne den manches anders gekommen wäre

 

Moses, ein Findelkind, das zuerst ein Seeräuberkind auf der »Wüsten Walli« war und dann die Prinzessin Isadora Felicia Beata Bianca geworden ist

 

Olle Holzbein, Bruder und früher größter Feind und Erzrivale von Käptn Klaas, Kapitän der »Süßen Suse« und damals auch ein sehr gefährlicher Seeräuberhauptmann

 

Hinnerk mit dem Hut, ehemaliger Seeräuber auf der »Süßen Suse«, vorher ältester und allertreuester Diener im Hause des Vaters von Käptn Klaas und Olle Holzbein

 

Dohlenhannes, früher Schiffsjunge auf der »Süßen Suse« und Moses’ allerbester Freund

 

Schnackfass, seine sprechende Dohle

 

Euter-Klaas, Schiffsziege auf der »Wüsten Walli«, die unter dem Namen Milchmarie Dohlenhannes gehört hatte, bevor Käptn Klaas sie für Moses geraubt hat

 

Der Herr König, Moses’ Vater – oder vielleicht doch nicht?

 

Die Frau Königin, Moses’ Mutter – hoffentlich!

 

Der Oberhofzeremonienmeister, der genau weiß, wie man sich bei Hofe zu benehmen hat

 

Ubbo Wutwalle, ein rauer Geselle und Häuptling aus den Ländern der Westsee, durch den es am Schluss eine ziemliche Überraschung gibt

 

Folke Ubbotochter, Tochter von Ubbo Wutwalle

 

Simon von Utrecht, Anführer der Kaufleute, die mit ihren Schiffen ausgezogen sind, die Seeräuber in Ost- und Westsee zu besiegen

 

Rosalinda Rosenduft, eine Dame, die behauptet, ein königliches Findelkind zu haben

 

Isadora Rosenduft, ihre Findeltochter, ein Mädchen, dem gute Manieren im Blut liegen

Achtung!

Hinweis für alle, die zufällig kein Seeräuberkind sind, und Prinzessin schon gar nicht!

Diese Seeräuber mussten damals leider für alles ihre eigenen Wörter haben, und wenn du vielleicht kein Seeräuberkind bist – was ja sein kann! –, dann könnte es passieren, dass du mal eins davon nicht so gut kennst. Darum sind hinten im Buch alle Seeräuberwörter und Seeräubersachen noch mal extra aufgeschrieben und gemalt. Und Prinzessinnenwörter und -sachen auch. Nur vorsichtshalber.

Und jetzt: Viel Spaß!

Und das heißt in der Seeräubersprache:

Mast- und Schotbruch! Guten Wind und allzeit eine Handbreit Wasser unter dem Kiel!

1. Teil,
in dem erzählt wird, wie es Moses bei Hofe ergeht

1. Kapitel

in dem Moses’ Zofe ordentlich Grundzum Seufzen hat

Es war eine wilde, stürmische Gewitternacht, als Moses zu den Seeräubern kam, aber als sie Prinzessin wurde, war es ein sonniger, warmer Sommertag, und das passt ja auch viel besser dazu.

Nun fragst du dich vielleicht, wie man so mitten im Leben plötzlich Prinzessin werden kann, schon gerade, wenn man vorher ein Seeräuberkind gewesen ist. Und vielleicht möchtest du den Trick dann ja gleich selbst nachmachen. Aber leider klappt das nicht bei jedem. Moses war nämlich in Wirklichkeit schon ihr ganzes Leben lang eine Prinzessin, sie hatte es nur nicht gewusst. Als sie noch ein winziger Säugling war, hatte Olle Holzbein mit seiner Seeräuberbande und seiner Seeräuberkogge »Süße Suse« das stolze Schiff überfallen, auf dem Moses mit ihren Eltern, dem König und der Königin, über die Meere gesegelt war; und bei der Gelegenheit hatte Olle seinem ältesten Vertrauten Hinnerk mit dem Hut befohlen, das brüllende Bündel über Bord zu schmeißen, weil Seeräuber mit einem Säugling meistens nicht so viel anfangen können.

Aber Hinnerk fand das keine gute Idee, er wollte schließlich in den Himmel kommen, wenn er mal tot war, und nicht in die Hölle, wo Kinder-ins-Wasser-Schmeißer ziemlich sicher landen würden, glaubte er, und darum hatte er Moses vorsichtshalber in eine hölzerne Waschbalje gelegt und mit einem wunderschön bestickten Tuch zugedeckt, bevor er sie behutsam über Bord ließ.

Und haargenau diese Waschbalje hatten noch in derselben Nacht Käptn Klaas Klappe und seine Männer aufgefischt, die waren Olle Holzbeins größte Feinde und Erzrivalen, und sie hatten Moses an Bord ihrer »Wüsten Walli« genommen und sie aufgezogen, als wäre sie ihr Kind, und hatten einen tüchtigen Schiffsjungen aus ihr gemacht, der Klampen belegen und die tollsten Seemannsknoten knüpfen und den Schiffsrumpf kalfatern und vor einem Sturm die Segel reffen konnte wie nichts. (Und wenn du jetzt nicht weißt, was das alles bedeutet, weil du ja vielleicht kein Seeräuberkind bist, dann kannst du es hinten im Buch nachlesen.) Und Moses wollte auch in ihrem ganzen Leben nichts anderes werden als genauso ein kühner Seeräuberhauptmann wie Käptn Klaas; und dass sie eigentlich eine kleine Dame war, störte sie dabei gar nicht.

Aber dann entdeckte sie auf abenteuerliche Weise zusammen mit ihrem Freund Dohlenhannes tief unter der Erde den Blutroten Blutrubin des Verderbens (und was es damit auf sich hat, das erzähle ich gleich noch), und in Stein gemeißelt stand an der Rückwand der Höhle, dass er einer schönen Prinzessin gehörte, die dereinst den Menschen ihres Landes Glück und Gerechtigkeit bringen würde. Darum brachten Moses und Hannes den Rubin natürlich aufs Schloss, damit die Prinzessin ihren Besitz auch bekäme, und dabei stellte sich heraus – kann man so was denn glauben? –, dass niemand anderes als Moses selbst diese wunderschöne Prinzessin Isadora Felicia Beata Bianca war und die lange vermisste Tochter der traurigen Königin und des traurigen Königs. Man stelle sich vor!

Und so hatte Moses plötzlich neue Eltern (vorher hatte sie ja schon ihr Leben lang Klaas Klappe und seine Seeräuber als Väter gehabt, und eigentlich hatten die ihr als Eltern auch genügt), und einen neuen Namen und ein ganz neues Leben hatte sie auch. Da musste sie erst mal lernen, was man als Prinzessin alles wissen muss; das war gar nicht so wenig, und manchmal vergaß sie es auch, wie du gleich merken wirst. Denn in genau dem Augenblick, in dem unsere Geschichte beginnt, versuchte Moses gerade, in ihrem Prinzessinnenzimmer ihrer Zofe das Fechten mit dem Säbel beizubringen.

»Teufel auch, verdammich!«, schrie Moses, und fluchen, das kannst du dir ja vorstellen, dürfen Prinzessinnen eigentlich auch nicht. Dazu holte sie mit dem Säbel aus, dass es in der Luft ein richtig lautes Zosch!-Geräusch gab. »Beim Klabautermann! Jetzt hab ich dir schon wieder deinen Kopf abgeschlagen, Zofe, du musst aber mal besser aufpassen, wenn ich dein Schiff geentert habe!« Das Schiff war nämlich Moses’ großes Himmelbett mit dem golden bestickten Baldachin, da kauerte die Zofe mit angezogenen Beinen auf der Bettdecke und versteckte erschrocken den Kopf in ihren Armen. »So wird ja nie ein richtiger Seeräuber aus dir!«

»Muss denn ein Seeräuber aus ihr werden, mein Kind?«, fragte da eine freundliche Stimme, und dann steckte Moses’ Vater, der König, lächelnd seinen Kopf durch die Tür. »Genügt es denn nicht, wenn deine Zofe eine gute Zofe ist, meine liebe Tochter Isadora Felicia Beata Bianca?«

»Ich heiß doch Moses!«, sagte Moses und ließ ihren Säbel sinken. »Du hast gesagt, so darf ich weiter heißen! Und ich bring ihr doch nur bei, was sie können muss, wenn sie mal zur See fahren will!«

»Hm!«, sagte der König und nahm seine Tochter in den Arm, das hatte er ja viele Jahre lang nicht tun können. »Eigentlich fahren Zofen aber nicht so oft zur See, meine kleine Moses! Zofen bedienen Prinzessinnen und stauben ihnen die Kleider aus und kämmen ihnen die Locken und kleiden sie an …«

»Locken hab ich ja gar nicht!«, sagte Moses, und das war die heilige Wahrheit. Denn als sie noch bei den Seeräubern gelebt hatte, hatte Nadel-Mattes, der Segelmacher, ihr so ungefähr alle zwei Wochen die Haare mit dem Entermesser geschnitten, damit man sie für einen richtigen Schiffsjungen halten konnte, und darum sah Moses am Kopf leider noch immer nicht wie eine Prinzessin aus, nicht mal, wenn sie sich ihre Krone aufsetzte.

»Locken hin oder her, jedenfalls soll deine Zofe dir die Haare kämmen und dich ankleiden!«, sagte ihr Vater, der König, mit einem kleinen Seufzer. »Und mit dem Säbel muss sie nun wahrhaftig nicht kämpfen können!«

Da seufzte Moses auch. »Aber ankleiden kann ich mich ja allein, seit ich alt genug bin, um Schimpfwörter zu erfinden und Pflaumenkerne zu spucken!«, sagte sie. »Das hab ich doch schon mein ganzes Leben lang getan, Königspapa, du glaubst doch nicht, dass Käptn Klaas oder Nadel-Mattes oder Haken-Fiete oder Bruder Marten, der Smutje, die Zeit gehabt hätten für solchen Tüdelüt!« Das waren natürlich die Kerle auf der »Wüsten Walli« gewesen.

Der König sah sie nachdenklich an. »Ja, du bist ein tüchtiges Mädchen, Moses, meine Tochter!«, sagte er. »Und ein tüchtiger Schiffsjunge noch dazu! Aber nun musst du eben auch noch lernen, eine tüchtige Prinzessin zu werden. Das ist schließlich ein wenig anders als Seeräuber.«

Da nickte Moses ein kleines bisschen traurig, denn manchmal sehnte sie sich eben doch zurück nach der »Wüsten Walli« und dem wilden Seeräuberleben und ihren Seeräubervätern; aber dann fiel ihr wieder ein, was in der Höhle in Stein gemeißelt gestanden hatte, und da wusste sie, dass sie sich mit dem Prinzessinsein wirklich Mühe geben musste.

»Ja, wenn ich eine schöne Prinzessin sein will, die dereinst den Menschen ihres Landes Glück und Gerechtigkeit bringt, dann muss ich wohl auch alles lernen, was man als Prinzessin können muss«, sagte sie düster. »Glück und Gerechtigkeit bringen ist ja vielleicht auch nicht schlecht, vielleicht macht das genauso viel Spaß wie Schiffe entern, beim Klabautermann«, und sie guckte nachdenklich auf ihren Säbel. »Und sowieso kann ich es nicht ändern. Wenn ich nun mal Prinzessin sein muss, dann will ich auch Prinzessin sein«, und bei diesen Worten ließ sie den Säbel einfach auf den Boden fallen, wo er in dem wunderschönen Schlossfußboden aus verschiedenfarbigen Hölzern leider eine kleine Schramme hinterließ. »Na gut.«

Da nahm die Zofe erleichtert ihre Hände vom Kopf und stieg vorsichtig von Moses’ Bett, das nun nichts anderes mehr war als ein Prinzessinnenbett, und dann machte sie vor Moses einen tiefen Hofknicks. »Darf ich Euch vielleicht etwas bringen, kleine Hoheit?«, fragte sie, und ich bin sicher, sie rechnete noch immer damit, dass ihre Prinzessin vielleicht gleich wieder den Säbel zücken würde. »Etwas zu essen oder zu trinken vielleicht? Sagt mir nur, womit ich Euch dienen kann, und schon ist es geschehen.«

»Teufel auch, Zofe!«, rief Moses. »Du sollst doch nicht immerzu einen Knicks vor mir machen! Aber bringen kannst du mir gerne was, weil ich nämlich leider nicht weiß, wo hier in diesem riesigen Schloss die Seekisten mit dem Proviant versteckt sind, sonst würde ich sie mir ja selber holen!«

Die Zofe machte gleich noch mal einen Knicks, aber dann hörte sie verwirrt damit auf. Denn eigentlich hatte sie gelernt, dass eine gute Zofe vor ihrer Herrschaft immerzu einen Knicks nach dem anderen machen muss, aber jetzt hatte ihre Herrschaft ihr ja gerade gesagt, dass sie genau das nicht tun sollte, darum wusste sie plötzlich überhaupt nicht mehr, was nun richtig war.

»Schiffszwieback!«, sagte Moses sehnsüchtig, denn Schiffszwieback hatte es auf der »Wüsten Walli« ja so ungefähr jeden Tag gegeben, so war das damals in den wilden Seeräuberzeiten auf den Schiffen, darum war Moses einfach daran gewöhnt. »Und wenn es geht, mit richtig vielen Käfern und Krabbeltieren dazwischen, so gehört es sich! Jetzt bin ich schon so lange hier auf dem Schloss, und es hat noch nicht ein Mal Schiffszwieback gegeben!«

»Krabbeltiere?«, flüsterte die Zofe erschrocken, denn sie wusste ja nicht, dass die sich an Bord der Schiffe auf langen Überfahrten damals immer im Schiffszwieback getummelt hatten, irgendwas mussten sie schließlich auch essen.

Aber noch erschrockener als die Zofe war die Königin, die trat nämlich gerade in diesem Augenblick in ihrem wunderschönen Gewand und mit der Krone auf dem Kopf durch die Tür. »Wenn du solchen Hunger hast, meine geliebte Tochter, warum befiehlst du dann nicht dem Oberhofkoch, dir ein köstliches Mahl zu bereiten?«, sagte sie und guckte ein bisschen kummervoll. Denn natürlich war die Königin überglücklich, dass sie nun endlich ihre Tochter wiederhatte, das wäre ja jede Mutter, wenn sie jahrelang geglaubt hätte, dass Seeräuber ihr Kind den Fluten überantwortet haben, und auf einmal ist es wieder da. Aber wenn sie ganz ehrlich war, hätte sie sich vielleicht doch gewünscht, dass Moses sich ein winziges bisschen prinzessinnenhafter benommen hätte, sonst musste man ja glatt Angst haben, dass sich später kein Prinz finden würde, der sie zur Frau nehmen wollte, ja, so dachten sie damals. »Komm in den Thronsaal, mein Kind, denn die Köche haben uns ein wunderbares Mahl bereitet, und gewiss keinen Käferzwieback, kleine Isadora Felicia Beata Bianca!«, und man konnte gut den Abscheu in der Stimme der Königin hören.

»Ich heiß doch Moses!«, sagte Moses da wieder, aber dann lief sie schon hinter ihrer Mutter, der Königin, her in den Thronsaal, denn ein gutes Essen ist für ein Kind, das sein Leben lang auf den Meeren gesegelt ist und jeden Tag immer nur Zwieback und Linsen und mit Glück auch mal Steckrübenmus gegessen hat, so ungefähr das Verlockendste, was es sich vorstellen kann. »Ich heiß doch Moses, ihr habt gesagt, das darf ich!«

Im Prinzessinnenzimmer aber setzte sich die Zofe erleichtert wieder auf das Himmelbett. Sie fand es wirklich gar nicht so einfach, einer Prinzessin zu dienen, die einmal ein Seeräuberkind gewesen war.

2. Kapitel

in dem ein wüster Häuptling aus den Ländern der Westsee beim Essen stört

Da saßen sie also im Thronsaal bei Tisch, der König und die Königin und ihre wiedergefundene Tochter, und vor ihnen türmten sich in den Schüsseln gekochte Zwiebeln, weil die Menschen die damals übermäßig lecker fanden, und auf den Platten Hähnchenkeulen und Schweinshaxen und Rindersteaks, und auf Holzbrettern, hübsch geformt, Berge von Brei: Hirsebrei und Haferbrei und Karottenbrei und was du dir sonst noch so vorstellen kannst; denn Brei aßen die Menschen in den alten Zeiten, bevor die Kartoffeln aus Amerika zu uns gekommen waren, ziemlich gerne. Und am Ende der Tafel warteten in kostbaren Gefäßen in Honig kandierte Früchte und Marzipan darauf, ob irgendwer nach der ganzen Schlemmerei vielleicht noch ein kleines Loch in seinem Bauch für sie übrig hatte.

»Dunnerlittchen aber auch!«, sagte Moses zufrieden, und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schnell sie sich gesetzt hatte. »Das nenne ich mal ein Festessen!«

»Es freut mich, wenn es dir schmeckt, Isadora!«, sagte die Königin, aber nachdem ihr Mann, der König, die Stirn gerunzelt und ein wenig den Kopf geschüttelt hatte, sagte sie: »Moses Isadora, stimmt, wir hatten ja gesagt, dass du immer noch Moses heißen darfst.«

»Ich bin einfach so daran gewöhnt!«, sagte Moses entschuldigend, aber es war ein Wunder, dass ihre Eltern das überhaupt verstehen konnten, sie hatte nämlich gerade von einer Schweinshaxe abgebissen und sprach darum mit einem so vollen Mund, wie du es bestimmt in deinem ganzen Leben noch nicht getan hast, das hoffe ich wenigstens; und vielleicht wunderst du dich jetzt, dass die Königin nicht zu Moses sagte, sie solle gefälligst bitte erst mal runterschlucken, bevor sie sprach, und dass Reden mit vollem Mund sich nicht gehört. Aber damals in den wilden Seeräuberzeiten hatten sie auch bei Hofe noch keine richtig guten Tischmanieren, auch wenn es mir ein bisschen peinlich ist, das sagen zu müssen; und darum sprachen sogar die Königin und der König mit vollem Mund, und ab und zu rülpsten sie zwischendurch sogar mal kurz. Ja, das ist keine schöne Vorstellung! Aber für Moses war es doch eigentlich nur gut, denn sie musste als Prinzessin ja sowieso schon genug Neues lernen, musst du bedenken, da war es doch ein Glück, dass sie sich wenigstens nicht auch noch um Tischmanieren kümmern musste.

Und gerade als Moses fand, dass sie nun wirklich genug Fleisch und Gerstengrütze und Zwiebeln gehabt hatte, und darüber nachdachte, ob sie vielleicht trotzdem noch ein kleines Stück Marzipan und ein paar kandierte Früchte obendrauf quetschen könnte, wurde die Tür aufgerissen, und der Oberhofzeremonienmeister kam in den Thronsaal gestürzt.

»Majestät!«, keuchte er, und daran konnte man ja gleich merken, dass er ordentlich aus der Puste war, so war er gerannt. »Hoheiten!« Und dabei verbeugte er sich bis fast auf den Boden, was, übrigens, für ihn gar nicht so einfach war, weil so ein Oberhofzeremonienmeister bei Hofe ja auch jeden Tag die köstlichsten Speisen und Getränke genießt und er darum einen recht stattlichen Bauch hatte, der ihm jetzt ein bisschen im Wege war. »Ein Häuptling aus den Ländern der Westsee …«

»Westsee?«, fragte der König, und: »Häuptling?«, fragte gleichzeitig die Königin; und beide ließen sie dabei ihre Hähnchenkeulen sinken und wischten sich die fettigen Hände am Tischtuch ab. Nur Moses kaute ungerührt weiter, sie wollte schließlich noch ihr Marzipan schaffen.

Und weil der Oberhofzeremonienmeister tatsächlich immer noch so schnaufte, dass es bestimmt noch ein Weilchen dauert, bevor er in Ruhe antworten kann, sage ich dir in der Zwischenzeit mal kurz, was die Westsee war, das geht nämlich schnell, weil »Westsee« nichts anderes ist als ein Wort für das Meer, das wir heute »Nordsee« nennen. Und da bleibt sogar noch Zeit, dir zu erklären, was der Oberhofzeremonienmeister mit »Häuptling aus den Ländern der Westsee« gemeint hat. Wir denken bei dem Wort »Häuptling« ja heute immer gleich an Indianerhäuptlinge, und die lebten schließlich nicht an der Nordsee, sondern im fernen Amerika, und das war zu Moses’ Zeiten noch nicht mal entdeckt. Aber im flachen Land an der Nordsee wurden die Menschen damals auch von Häuptlingen regiert, so hießen die wirklich, und das waren raue Gesellen, kann ich dir sagen, die immerzu nur kämpften und sich heute miteinander verbündeten und morgen gegenseitig die Köpfe einschlugen. Das taten die Grafen und Herzöge und Fürsten an der Ostsee natürlich auch öfter mal, aber sie taten es auf eine viel vornehmere Weise, verstehst du, und bessere Manieren hatten sie auch, selbst wenn es zugegebenermaßen bei Tisch daran haperte; und darum verachteten die Grafen und Herzöge und Fürsten an der Ostsee die Häuptlinge aus den Ländern der Westsee auch ein bisschen und hatten außerdem Angst vor ihnen (sogar mehr als ein bisschen), und dass der König und die Königin darum ihre Hähnchenkeulen sinken ließen, als sie hörten, dass so einer vor ihrer Tür stand, ist ja kaum verwunderlich.

»Aber was will er denn?«, fragte die Königin erschrocken, denn wenn ein Häuptling aus den Ländern der Westsee an ihrem Hof auftauchte, konnte man damit rechnen, dass demnächst Köpfe rollen würden, und den Gedanken fand sie gar nicht schön.

»Er will«, keuchte der Oberhofzeremonienmeister, und inzwischen finde ich, dass er wirklich gut mal ein bisschen abnehmen könnte, dann müsste er nicht immer so schnaufen und prusten, und wir müssten nicht ewig auf seine Antwort warten, »er behauptet …«

Aber zu sagen, was der Häuptling aus den Ländern der Westsee wollte und was er behauptete, dazu kam der Oberhofzeremonienmeister gar nicht mehr; denn auf einmal wurde die Tür zum Thronsaal aufgerissen (ganz ohne Anklopfen, wie es sich bei Hofe ja eigentlich gehören würde), und da stand ein Kerl, der war so groß, dass er fast nicht unter den Türrahmen gepasst hätte, breit und kräftig wie ein Bär, die gab es damals nämlich noch in unserer Gegend; und mit Haaren, so wild, dass man gleich sehen konnte, die hatte er bestimmt nicht mehr geschnitten, seit er groß genug war, um über eine Tischkante zu gucken, so lang waren sie; und gewaschen hatte er sie mindestens ebenso lange auch nicht, so verstrubbelt und verfilzt, wie sie waren. Und sein Gesicht, übrigens, sah auch nicht viel besser aus, und dass er nicht gerade nach Rosenwasser duftete, kannst du dir jetzt bestimmt auch schon vorstellen.

Aber all das erschreckte Moses kein bisschen, die war als Seeräuberkind schließlich jahrelang an die rauesten Kerle und das dollste Gemüffel gewöhnt gewesen, und darum kaute sie auch ganz zufrieden weiter an ihrem Marzipan (es passte tatsächlich noch in sie rein) und wartete gespannt darauf, was nun wohl kommen würde.

»Ubbo Wutwalle!«, grölte der Riese, und seine Stimme klang ganz genau so, wie man sie sich vorgestellt hätte, tief und laut und rau. »So, König, dann wollen wir doch mal sehen, wem der Blutrote Blutrubin in Wirklichkeit gehört!«

3. Kapitel

in dem Ubbo Wutwalle rülpst und furzt und den Blutrubin verlangt

Und bevor irgendwer im Saal auch nur anfangen konnte, darüber nachzudenken, was das denn nun wohl bitte sehr bedeuten sollte, winkte er ungeduldig mit einer Hand, so groß wie, sagen wir mal, eine Bratpfanne; und da kam hinter seinem Rücken ein Mädchen hervor, das war ungefähr genauso alt wie Moses, und ungefähr genauso strubbelige Haare wie Moses hatte es auch. Aber Moses hatte ja von ihren Vätern auf der »Wüsten Walli« gelernt, dass man sich jeden Tag mit einer Wurzelbürste die Fingernägel schrubben und mit einem alten Lappen die Ohren waschen muss, auch wenn es nur mit Meerwasser ist, und das hatte diesem Mädchen wohl niemand beigebracht. Jedenfalls sah sie genauso schmuddelig und zerzaust aus wie der wüste Kerl mit den Bratpfannenhänden, und dass der erstens der angekündigte Häuptling aus den Ländern der Westsee und zweitens wahrscheinlich ihr Vater war, das dachten sich alle im Thronsaal sofort.

»Ubbo Wutwalle, so, so«, sagte der König und räusperte sich ein wenig verwirrt, denn normalerweise stampften seine Gäste ja nicht einfach so ohne Anmeldung in sein Schloss, schon gar nicht, wenn er gerade gemütlich beim Essen saß. Aber weil ein König ein König ist und sich auskennt mit gutem Benehmen und weiß, dass man niemanden bloßstellen oder beleidigen darf, tat er so, als wäre das Verhalten des Häuptlings das Selbstverständlichste von der Welt. »Ich glaube nicht, dass wir uns bereits vorgestellt wurden, Ubbo Wutwalle? Aber offenbar ist Euer Anliegen dringlich und duldet keinen Aufschub, denn sonst hättet Ihr es ja gewiss nicht auf Euch genommen, mich beim Essen zu stören«, und dabei guckte er nun doch ein klein wenig streng. »Setzt Euch doch, Ubbo Wutwalle, und wenn Ihr mögt, langt gerne zu, die Tafel ist reich gedeckt. Erst wenn Ihr gesättigt seid, wollen wir reden, denn mit vollem Magen redet es sich besser als mit leerem, will mir scheinen«, und bei diesen Worten griff auch der König wieder nach seiner Keule und aß ruhig weiter, als ob gar nichts geschehen wäre. Und Ubbo Wutwalle machte es ihm tatsächlich nach und das strubbelige Mädchen an seiner Seite auch.

Habe ich vorhin gesagt, dass sie damals auch bei Hofe keine Tischmanieren kannten? Ja, das mag alles stimmen, aber trotzdem war das, was König, Königin und Moses (und der erschrockene Oberhofzeremonienmeister noch dazu) jetzt in ihrem eigenen Thronsaal zu sehen und zu hören bekamen, auch für sie nicht ganz alltäglich. Denn offenbar hatten ihre beiden Gäste seit Langem nichts Vernünftiges mehr zwischen die Zähne gekriegt, und sie stürzten sich auf die Platten und die Schüsseln und die Bretter und stopften sich das Fleisch und den Brei mit beiden Händen gleichzeitig in den Mund, dass kaum Zeit zum Schlucken blieb, und dabei ächzten und schmatzten sie, wie Moses es nicht mal von ihren Kerlen von der »Wüsten Walli« kannte, und die abgenagten Knochen flogen nur so durch die Gegend.

»Das war kein schlechtes Essen, König!«, sagte der raue Geselle von der Westsee mit dem lautesten Rülpser, den du dir vorstellen kannst, nachdem er seinen Blick noch einmal sehnsüchtig über die ganze Tafel hatte schweifen lassen; aber da war auf den Platten und Brettern kein Krümel mehr übrig und in den Schüsseln auch nicht, so viel hatte er zusammen mit seiner Tochter runtergeschlungen. Und als ihm klar wurde, dass wirklich nichts mehr zu holen war, rülpste er noch einmal (oder zweimal oder dreimal) kräftig, und dann streckte er die Beine weit von sich und faltete die Hände über seinem Bauch.

»Na, denn man los!«, sagte er, und dabei rülpste er sogar noch ein – hoffentlich letztes! – Mal. »Tja, König, dann mal her damit, aber fix!« Und jetzt guckte er den König an auf eine Weise, die jedem klarmachte: Da sollte es besser keinen Widerspruch geben.

Na, das konnte ja lustig werden! Deshalb beugte Moses sich auch ganz gespannt vor, denn wenn es irgendwo einen Streit gab, fand sie das immer spannend. Früher auf der »Walli« hatten sich die Kerle ja auch immerzu gestritten und Schimpfwörterwettkampf gemacht, damit sie sich nicht ständig prügeln mussten, und das war ziemlich lustig gewesen, und es hatte ihr hier an dem höflichen Hof doch ziemlich gefehlt, merkte sie gerade.

»Nun, nun, Ubbo Wutwalle!«, sagte ihr Vater, der König, beschwichtigend. »Ich stehe ja zu Eurer Verfügung! So sagt nun also, was Euer Begehr ist, dann werden wir sicher in Frieden darüber verhandeln können.«

»Oder ihr macht Schimpfwörterwettkampf!«, rief Moses.

»Schimpfwörterwettkampf!«, flüsterte da ihre Mutter, die Königin, ganz erschrocken und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, denn eine Prinzessin sollte ja natürlich eigentlich nicht mal ein einziges klitzekleines Schimpfwort kennen, dafür ist sie viel zu vornehm. Aber bevor sie ihrer Tochter das erklären konnte, fiel ihr Häuptling Wutwalle schon ins Wort.

»Papperlapapp!«, rief Ubbo Wutwalle und sprang auf. Dass dabei die Bank umkippte, auf der er bis eben noch gesessen hatte und seine Tochter mit ihm, kümmerte ihn kein bisschen. Offenbar kümmerte es ihn nicht mal, dass dabei seine Tochter von der Bank geplumpst war, na, das war vielleicht mal ein Vater. »Hast du Gerstengrütze auf den Ohren, König, oder hast du eben nicht zugehört? Ich bin gekommen, den Blutroten Blutrubin zu holen für seine rechtmäßige Besitzerin, also her damit!«

Und damit stellte er sich doch tatsächlich breitbeinig vor dem König auf und packte ihn an seiner goldenen Königskette. »Aber dalli!«, sagte Ubbo Wutwalle; und dabei zerrte er den König sogar von der Bank. Da begriff Moses, dass hier mit einem Schimpfwörterwettkampf vermutlich nichts geregelt werden konnte und dass es vielleicht gleich noch ordentlich was zu gucken geben würde.

4. Kapitel

in dem ein Schnuffeltuch gar nichts beweist

Nun ist ein König ja ein König und hat gelernt, sich in jeder Situation königlich zu verhalten; darum blieb Moses’ Vater auch jetzt immer noch ganz ruhig und beinahe freundlich, und das hätte Käptn Klaas bestimmt nicht hingekriegt, und Nadel-Mattes und Haken-Fiete und Marten Smutje hätten das auch nicht, ganz zu schweigen von dem rüpeligen Olle Holzbein. Darum war Moses schon ziemlich verblüfft über das Verhalten ihres Vaters, und am liebsten hätte sie sich selbst eingemischt; denn eigentlich fand sie, dass dem ungezogenen Ubbo jetzt mal ordentlich eins auf die Rübe gehörte. Aber dann fiel ihr wieder ein, dass sie ja gerade erst lernen sollte, sich wie eine echte Prinzessin zu benehmen, und eine echte Prinzessin hätte dem frechen Häuptling vielleicht nicht einfach eine gescheuert, dass sich der Kopf auf seinem Stängel einmal halb im Kreis gedreht hätte. Das war es nämlich, muss ich leider sagen, was Moses eigentlich vorgehabt hatte, aber nun riss sie sich doch lieber zusammen.

»Mir scheint, Ihr seid erregt, Ubbo Wutwalle!«, sagte der König, und das war ja nun noch milde gesprochen. »Setzt Euch doch wieder auf Eure Bank, und dann erzählt Ihr mir, warum Ihr glaubt, dass meine Tochter Isadora Felicia Beata Bianca nicht die rechtmäßige Besitzerin des Blutroten Blutrubins ist, die dereinst unserem Land Glück und Gerechtigkeit bringen wird, wie es die Prophezeiung prophezeit.«

»Moses!«, flüsterte Moses dazwischen. »Ich heiß doch Moses!« Aber darauf achtete im Augenblick niemand.

»Prophezeiung prophezeit, Firlefanz und papperlapapp!«, brüllte der Riese, und wieder hingesetzt hatte er sich auch noch nicht, falls du das geglaubt haben solltest. »Hat überhaupt mal irgendwer den Spruch in der Höhle des Rubins richtig gelesen, hä? Was?«

Der König sah ihn überrascht an; denn das klang ja fast so, als ob Ubbo Wutwalle behaupten wollte, dass ausgerechnet er den Spruch gelesen hätte. Und der sah ja nun wirklich nicht aus wie einer, der lesen konnte; schon gar nicht damals in den finsteren Zeiten, als das eigentlich nur die Mönche und Nonnen konnten und einige wenige Vornehme vielleicht auch noch. Aber vornehm war Ubbo ja nun ganz bestimmt nicht.

Da räusperte sich der Oberhofzeremonienmeister. Schließlich konnte ja keiner verlangen, dass der König und die Königin sich so genau an den Spruch erinnerten; aber ein Oberhofzeremonienmeister musste ihn natürlich noch wissen.

»Der Blutrote Blutrubin des Glücks wird seine Glück bringende Kraft nur jenem Menschen schenken, der vom Schicksal dazu bestimmt ist!«, sagte er feierlich, aber vorsichtshalber trat er dabei nicht allzu nah an Häuptling Wutwalle heran. »Und dieser wird dereinst eine schöne Prinzessin sein, die den Menschen ihres Landes Glück und Gerechtigkeit bringen wird. Wer immer aber den Blutrubin unrechtmäßig raubt«, und an dieser Stelle fielen Ubbo und seine Tochter doch tatsächlich mit ein, sodass sie zu dritt weitersprachen, »für den wird er zum Blutrubin des Verderbens werden«, und jetzt erinnerte sich auch Moses, da waren sie beim letzten drohenden Satz der Prophezeiung sogar zu viert, »für den wird er zum Blutrubin des Verderbens werden, und das Verderben wird den Räuber einholen in jedweder Gestalt.«

»In jedweder Gestalt!«, rief Ubbo triumphierend nach einer kleinen Pause, in der sich alle ein bisschen gegruselt hatten; denn das mit dem Verderben war ja wirklich keine schöne Vorstellung. »Das Verderben! Den Räuber!«

Der König zog verwirrt die Brauen zusammen. »Ja, so lautet die Prophezeiung, gewiss!«, sagte er. »Und darum hat der Rubin über die Jahrhunderte seinen Besitzern auch nichts als Unglück und Verderben gebracht, denn sie alle wollten ihn nur aus Habgier und aus Raffgier und aus Eigennutz, obwohl er ihnen gar nicht gehörte! Aber nun hat sich zum Glück seine echte Besitzerin gefunden, und das ist meine Tochter Prinzessin Isadora Felicia Beata Bianca hier, die den Menschen unseres Landes dereinst Glück und Gerechtigkeit bringen wird!«

Und dass Moses zwischendurch »Moses! Ich heiß doch Moses!« flüsterte, wird dich kaum überraschen, es ist an dieser Stelle aber eigentlich auch ohne Bedeutung.

»Deine hässliche Tochter da? Wieso denn ausgerechnet deine hässliche Tochter, König?«, brüllte der rüpelige Ubbo. »Hä? Warum denn deine und nicht meine?«

»Wie?«, fragte der König erstaunt, und der Oberhofzeremonienmeister sagte vorsichtshalber gar nichts mehr. »Nun, weil Isadora Felicia Beata Bianca die Prinzessin dieses Landes ist, darum natürlich!«

»Ha!«, schrie Ubbo, und dabei donnerte er mit seiner Faust auf den Tisch, dass die Platte fast in der Mitte entzweigebrochen wäre. »Und wo steht das geschrieben, bitte sehr? Dass die Prinzessin, der der Blutrubin gehört, ausgerechnet die Prinzessin dieses Landes ist, hä?«

»Das steht …«, sagte der König, und dabei kniff er verblüfft die Augen zusammen. »Das steht …« Und er sah den Oberhofzeremonienmeister Hilfe suchend an.

Aber der konnte ihm auch nicht helfen, denn mit einem Schlag war ihnen allen klar geworden, dass das tatsächlich nirgendwo geschrieben stand. Als Moses und Hannes den Rubin in der Höhle gefunden und die Prophezeiung gelesen hatten, hatten sie natürlich geglaubt, die Prinzessin, von der da die Rede war, wäre dann eben die Prinzessin des Landes, in dem sich die Höhle befand; aber wenn Moses sich den Satz jetzt noch mal ganz in Ruhe durch den Kopf gehen ließ, dann war das keineswegs so selbstverständlich. Es gab ja bestimmt so ungefähr tausend Prinzessinnen auf der Welt, oder doch wenigstens hundert, und in der Höhle hatte ja nur gestanden, dass der Blutrubin einer schönen Prinzessin gehörte, aber nicht, welcher Prinzessin; und dass sie ihrem Land Glück und Gerechtigkeit bringen würde, aber nicht, dass ihr Land ausgerechnet dieses Land wäre. Ja, da waren sie erst mal alle sprachlos.

Zum Glück fiel es Moses da ein, und vor lauter Erleichterung brüllte sie vielleicht viel zu laut. »Aber ich hatte ja das Tuch!«, rief sie. »Als meine Seeräuber mich in der stürmischen Gewitternacht gefunden haben, hatte ich ja das Tuch mit dem gestickten Schatzplan darauf bei mir, und dass ich den Schatzplan hatte, beweist ja wohl, dass der Schatz mir gehört!«

»Beweist es das? Papperlapapp!«, rief Ubbo drohend. »Das beweist gar nichts, Seeräuberbalg! So ein besticktes Tuch …«

»So ein besticktes Tuch war auch das Schnuffeltuch unserer Tochter an Bord unseres königlichen Schiffes, ohne das sie nicht schlafen wollte!«, sagte die Königin, und guck mal, es war doch tapfer von ihr, sich einzumischen, wo Ubbo schließlich bestimmt nicht zu denen gehörte, die davor zurückschrecken, einer vornehmen Dame eine zu langen, wenn sie finden, dass es nötig ist. »Daran erinnere ich mich noch genau, und das beweist, dass Isadora Felicia Beata Bianca …«

»Moses!«, flüsterte Moses.

»… wahrhaftig unsere Tochter ist!«, rief die Königin. »Wer sonst sollte denn wohl ihr Schnuffeltuch bei sich tragen?«

»Seit wann dürfen sich die Weiber einmischen und über Schnuffeltücher reden, wenn Kerle einen ordentlichen Streit ausfechten wollen?«, brüllte Ubbo, und jetzt war er allmählich so wütend, dass sich nicht mal der Oberhofzeremonienmeister traute, ihm zu sagen, dass er eine Königin aber mal gefälligst nicht Weib nennen sollte. »Dass dieser Spiddel da eure Tochter ist, ja, das mag das Tuch meinetwegen beweisen! Aber wer sagt denn, dass das Tuch ausgerechnet der Besitzerin des Blutrubins gehören muss, hä? Steht von Schnuffeltüchern irgendwas in der Prophezeiung?«

Das tat es natürlich nicht, mussten sie alle im Thronsaal einmal mehr verblüfft zugeben, aber die Königin – guck mal, wie mutig sie war! – wagte es trotzdem, noch mal zu widersprechen.

»Das Tuch mit dem Schatzplan, das ich meiner Tochter in ihre Wiege legte, war in unserer Familie seit Generationen!«, sagte sie. »Da ist es doch nur vernünftig, anzunehmen, dass auch der Rubin für ein Kind aus unserer Familie bestimmt sein muss!«

»Vernünftig, anzunehmen, ich puste dir was!«, brüllte Ubbo so aufgebracht, dass der Oberhofzeremonienmeister sich hinter seinem Rücken leise aus dem Thronsaal schlich. Aber wenn du glaubst, dass er das tat, weil er ein Feigling war, dann warte mal ab. »Steht das in der Prophezeiung oder nicht, was? Steht das in der Prophezeiung?« Und dabei baute er sich drohend vor der Königin auf, und weil sie ihm nur so ungefähr bis zum Nabel reichte, sah das wirklich ziemlich gefährlich aus.

»Und?«, brüllte Ubbo. »Steht das da?«

Da schüttelte die Königin endlich den Kopf, was sollte sie sonst auch tun.

»Darum her damit!«, brüllte Ubbo. »Rückt den Rubin raus! Der gehört nämlich meiner Tochter Folke hier«, und dabei schubste er das zerzauste Mädchen vor, und das hielt den Kopf gesenkt und guckte die ganze Zeit nur schüchtern auf den Boden. Na, wenn man einen Vater hat, der sich so aufführt wie Ubbo, dann ist einem das ja vielleicht auch peinlich. »Meine Tochter Folke ist die rechtmäßige Besitzerin des Rubins, oder hat da jemand was dagegen?«, brüllte er. »Hä? Was? Will mir jemand widersprechen?«

Nun hätte man vielleicht denken können, dass das im Augenblick bestimmt niemand mehr wollte, aber du kennst ja Moses. Wenn sie etwas fürchterlich ungerecht fand, dann musste sie sich einfach immer einmischen, und das hier fand sie gerade alles fürchterlich ungerecht.

»Kann ja sein, du hast recht, und es steht nirgendwo geschrieben, dass ich die richtige Prinzessin und die rechtmäßige Besitzerin des Rubins bin, Ubbo Wutkopf!«, sagte sie. »Kann sein, kann sein! Aber wo steht denn dann geschrieben, dass deine Tochter die richtige Prinzessin ist? Na? Sag mal!« Und jetzt guckte sie triumphierend in die Runde.

Aber das hatte sie zu früh getan. Denn solche Wutköpfe wie Ubbo Wutwalle, das hast du vielleicht auch schon mitgekriegt, die pochen immer auf alles, was zu ihren Gunsten spricht, bis sie es durchgesetzt haben; aber was zugunsten anderer spricht, das interessiert sie gar nicht erst.

»Wo das steht? Das braucht nirgendwo zu stehen, weil ich es weiß!«, brüllte Ubbo. »Uahhhh! Dürfen an diesem Hof die Weiber mitreden, als wären sie Kerle?« Na, da merkst du schon, dass er eine sehr altmodische Einstellung hatte, und außerdem packte er Moses jetzt hinten am Kragen ihres wunderschönen Prinzessinnenkleides und hob sie hoch in die Luft, dass sie nur noch mit den Beinen zappeln konnte. Und übrigens sieht man daran ganz nebenbei auch, was für eine gute Qualität der Prinzessinnenkleidstoff hatte, denn er riss bei dieser ruppigen Behandlung keineswegs, und darum hing Moses nun so ungefähr einen halben Meter über dem Boden, und ihre Augen waren genau auf der Höhe von Ubbos Augen; und die beiden starrten einander feindselig an, und jeder wartete darauf, dass der andere zuerst seinen Blick senken sollte.

Aber so weit kam es gar nicht erst. Denn genau in dem Augenblick, als Moses dachte, dass sie jetzt aber bestimmt gleich plinkern müsste, wurde die Tür des Thronsaals schon wieder ohne Anmeldung aufgerissen, und dieses Mal stürmten, angeführt vom Oberhofzeremonienmeister, die Palastwachen in den Saal, mit ihren gezückten Speeren in der einen Hand und dem Schwert in der anderen. Na, da wissen wir ja jetzt, warum er sich vorhin rausgeschlichen hatte.

»Ergib dich, Ubbo Wutwalle!«, brüllte der Oberhofzeremonienmeister mit sich überschlagender Stimme. »Das Spiel hat jetzt ein Ende!«

Was sollte Ubbo da tun? Während seine Tochter sich erschrocken hinter seinem Rücken versteckte, ließ er mit einem lauten »Uuuuahhh!« die verblüffte Moses auf den Boden plumpsen.

5. Kapitel

in dem Ubbo Wutwalle verjagt wird, aber gar nichts klar ist

Und weil der spannendste Moment ja nun zum Glück vorbei ist und wir uns keine Sorgen um Moses und ihre Eltern mehr machen müssen (um den Oberhofzeremonienmeister haben wir uns ja vielleicht sowieso keine so großen Sorgen gemacht), will ich die Gelegenheit nutzen, dir schnell zu erklären, wieso Ubbo Wutwalle überhaupt behaupten konnte, dass der Blutrote Blutrubin seiner Tochter gehörte, obwohl die Prophezeiung doch von einer Prinzessin sprach.

Ja, so war das nun mal in den Ländern der Westsee, jeder wüste Häuptling glaubte, dass er mindestens so wichtig wäre wie ein König, und nannte seine Tochter darum eine Prinzessin. Und weil es damals sowieso noch ein bisschen unordentlich zuging auf der Welt und es niemanden gab, der bestimmen konnte, wann jemand eine Prinzessin war und wann nicht, traute sich auch niemand zu widersprechen. Schließlich waren die Häuptlinge aus den Ländern der Westsee nicht zimperlich, und wenn ihnen einer widersprach oder ihre Tochter beleidigte, dann war der schnell einen Kopf kürzer. Darum hatte ja auch der König überhaupt nicht erst versucht zu sagen, dass Ubbos Tochter doch eigentlich gar keine Prinzessin wäre, wie dir vielleicht aufgefallen ist, noch nicht mal der Oberhofzeremonienmeister hatte das getan.

Der gab übrigens gerade den Palastwachen ein Zeichen, und da richteten sie alle die Spitzen ihrer Speere auf den riesigen Ubbo und hoben die Schwerter über ihre Köpfe; aber wenn du geglaubt haben solltest, dass Ubbo sich daraufhin einfach so kampflos ergeben hätte, dann hast du noch immer nicht verstanden, was für Kerle diese Häuptlinge waren. Mit einem lauten »Uuuaaah!« versuchte Ubbo, mit seinem Schwert eine Lücke in den Kreis seiner Angreifer zu hauen, und tatsächlich schaffte er es auch, drei Speeren die Spitze abzuschlagen; aber gleichzeitig hatten ihn schon fünf Palastwachen von hinten gepackt (einer an jedem Arm, einer schlang die Arme um seinen Bauch, und zwei schmissen sich auf den Boden und klammerten sich an seine Beine), und so begriff Ubbo dann doch, dass es nicht viel Sinn hatte, noch weiter zu kämpfen, und dass er sich besser ergeben sollte.

Nur seine Tochter hatte das noch nicht begriffen, und wenn sie bis jetzt vielleicht auch schüchtern gewesen war und den Kopf die ganze Zeit gesenkt hatte: Sobald es zum Kämpfen kam, mischte sie ordentlich mit. Sie biss die Palastwachen, wo immer sie zuschnappen konnte, und warf sich ihnen auf den Rücken und zerrte an ihren Kleidern und Haaren, und einen Augenblick lang dachte Moses, wie ungerecht es war, dass eine, die schließlich auch behauptete, eine Prinzessin zu sein, sich so aufführen durfte, während sie den ganzen Tag immer nur Manieren und Manieren lernen musste. Aber dann hatte eine von den drei Palastwachen, deren Speere keine Spitze mehr hatten, sich das Mädchen auch schon geschnappt und ließ sie nicht mehr los; und Folke zappelte und trat mit ihren schmutzigen Füßen und boxte mit ihren schmutzigen Fäusten, nur helfen tat ihr das gar nichts mehr.

»So, Ubbo Wutwalle!«, sagte der König und richtete sich majestätisch vor seinem Gefangenen auf; trotzdem reichte er ihm nur bis zur Schulter, leider. »Musste es erst so weit kommen! Gerne hätte ich mit dir in Ruhe …«

»Acht gegen einen, das gildet nicht!«, rief da die Häuptlingstochter dazwischen, während sie immer noch wütend versuchte, sich zu befreien. Guck mal, sie konnte also doch reden. »Acht gegen einen, das ist feige!«

»Acht gegen zwei!«, rief Moses, denn acht gegen einen klang schließlich wirklich ziemlich feige, und außerdem stimmte es ja auch nicht.

»Gegen anderthalb!«, rief Folke, und ihre Augen blitzten. »Ich zähle ja wohl noch nicht ganz!« Und danach spuckte sie einmal kräftig aus, und das konnte sie ziemlich gut, sodass Moses ganz kurz überlegte, ob sie die Häuptlingstochter wohl im Weitspucken schlagen könnte, Spucken hatte sie an Bord der »Walli« schließlich mit Pflaumenkernen geübt.

»Ruhe, wenn der König spricht!«, rief der Oberhofzeremonienmeister und stieß mit seinem Zepter dreimal auf den Boden, und der König sah Ubbo streng an.

»Mir scheint, auch bei Euch mischen sich die Frauen und Mädchen also ein, wenn es ihnen wichtig ist, Ubbo Wutwalle?«, sagte er. »Nun, das freut mich. Ich will Euch nichts Übles, es herrscht kein Krieg zwischen Eurem fernen Land und dem meinen. Darum werden meine Männer Euch und Eure Tochter jetzt auch nur bis zur Grenze geleiten, und danach könnt Ihr ganz in Ruhe den Heimweg antreten. Den Blutroten Blutrubin aber bekommt Ihr nicht; denn dessen rechtmäßige Besitzerin ist meine Tochter hier, und sie allein kann entscheiden, was mit ihm geschehen soll.«

Da nickte Moses zufrieden, denn was mit dem Rubin geschehen sollte, das hatte sie längst entschieden, aber was sie entschieden hatte, kann ich leider erst später erzählen, weil ich genau wie du wissen möchte, was im Thronsaal weiter geschah.

»Uuuaaah!«, brüllte Ubbo, und die zerzauste Folke spuckte noch einmal kräftig, und dann führten die Wachen die beiden aus dem Schloss.

Jetzt könnte man ja glauben, dass sich danach die Menschen im Thronsaal um den Hals gefallen wären, weil die Gefahr nun endlich gebannt war; aber stattdessen herrschte eine beklommene Stille. Denn auf einmal fragten sie sich alle, wie um Himmels willen sie hatten so sicher sein können, dass der Blutrote Blutrubin Moses gehörte und keiner anderen und dass sie die Prinzessin aus der Prophezeiung war.

Moses räusperte sich als Erste. »Ich finde eigentlich, er hat vielleicht recht, Königspapa!«, sagte sie nachdenklich. »Dieser Ubbo Wutkopf ist ja bestimmt ein ungehobelter Kerl, und dass der Blutrubin seiner Tochter gehört, glaube ich so wenig, wie ich glaube, dass Schweine fliegen können; aber wo steht denn eigentlich geschrieben, dass der Blutrote Blutrubin der Prinzessin deines Landes gehört und nicht einer anderen?«

Und als der König schwieg und die Königin schwieg (der Oberhofzeremonienmeister war ja mit den Wachen nach draußen gegangen), sagte Moses noch: »Dann will ich den Blutrubin auch gar nicht haben! Ich will nichts haben, was mir nicht gehört!« Und das war ja nun für ein Seeräuberkind ein sehr merkwürdiger Satz, denn Seeräuber rauben doch eigentlich die ganze Zeit Sachen, die ihnen nicht gehören; aber das hatte Moses sowieso nicht so gut gefunden, weil die Räuberei schließlich immerzu Menschen traurig machte; und Menschen traurig machen wollte sie nicht.

»Das ist schön von dir, Isadora, mein Kind!«, sagte die Königin. »Moses, meine ich! Nein, du sollst auch nichts behalten, was dir nicht gehört, das war wahrhaftig gesprochen wie eine Prinzessin. Aber der Blutrubin gehört dir doch wirklich! Schließlich, das Tuch … Und schließlich …« Aber dann war sie doch lieber still, weil sie nämlich eigentlich auch nicht wusste, wie genau das Tuch beweisen sollte, dass der Rubin Moses gehörte.

»Auf jeden Fall beweist das Tuch, dass du unsere lange vermisste Tochter Isadora Felicia Beata Bianca bist, Moses!«, sagte der König mit rauer Stimme. »Und das ist das Einzige, was für mich zählt! Dass wir dich wiederhaben. Da kann uns der Rubin doch eigentlich gestohlen bleiben!« Und dabei nahm er Moses ganz fest in seine Arme, und Moses legte ihren Kopf an seine Brust.

»Ja, der kann uns gestohlen bleiben!«, murmelte sie. »Ich finde auch, am wichtigsten ist, dass ich euch wiedergefunden habe!« Aber erstens verschluckte das samtene Tuch der Königsweste ihre Stimme fast ganz, und zweitens hätte man, wenn man sie besser hätte hören können, darin vielleicht einen kleinen Zweifel bemerkt. Denn jedes Seeräuberkind auf der Welt kann dir sagen, dass einem ein Schatz ganz bestimmt nicht gestohlen bleiben kann. Hinter einem Schatz sind schließlich immer alle her und wollen ihn haben und schlagen sich deswegen die Köpfe ein.

Wie hatte Moses da nur glauben können, dass es beim Blutrubin anders sein würde? Na, das war eben wegen der Prophezeiung, die Ubbo Wutwalle und seine Tochter so schön auswendig wussten. Bevor der Rubin zu Moses gekommen war, hatten nämlich jahrelang alle Seeräuber und alle Strandräuber und sogar alle Kaufleute versucht, den Blutrubin aufzustöbern, obwohl er da noch der Blutrote Blutrubin des Verderbens geheißen hatte: Und tatsächlich war damals jedem, der ihn für eine Weile in seinen Besitz gebracht hatte, etwas Fürchterliches passiert, eigentlich waren sie sogar alle gestorben, wenn ich es genau überlege. Darum hatte Moses also gedacht, dass jetzt, wo die rechtmäßige Besitzerin gefunden war – und bis gerade eben hatte sie ja geglaubt, dass sie das wäre –, niemand mehr versuchen würde, ihr den Rubin abzujagen, weil es doch einfach wirklich nicht klug ist, sich nach einem Schatz zu drängeln, der Tod und Verderben bringt.

Aber noch während Moses sich an ihren Vater, den König, kuschelte und ihre Mutter, die Königin, ihr dabei zärtlich über den Kopf streichelte, begann sie zu ahnen, dass es so einfach und friedlich nun doch wahrscheinlich nicht werden würde.

Und du ahnst das bestimmt längst auch.

6. Kapitel

in dem Dohlenhannes Moses unsanft weckt und die beiden vielleicht nicht mehr beste Freunde für immer und ewig sind

In dieser Nacht schlief Moses schlecht in ihrer Hängematte.

In ihrer Hängematte? Hatte sie nicht ein Prinzessinnenbett mit Baldachin und goldener Bettdecke?

Ja, das stimmt wohl, und das fand Moses auch sehr praktisch, denn das war ein prima Seeräuberschiff, wenn sie mal Seefahrt spielen und ihrer Zofe beibringen wollte, wie man überfallene Schiffe entert; aber zum Schlafen war es leider überhaupt nicht zu gebrauchen, weil Moses nämlich in einem Bett, das nicht schaukelte, gar nicht erst einschlafen konnte. Schließlich hatte sie ja bisher alle Nächte ihres Lebens an Bord der »Wüsten Walli« verbracht, die sanft (und manchmal auch ziemlich wild) auf den Wellen schaukelte; und wo nun das königliche Schloss schon so still stand wie ein Fels und ohne das winzigste Schaukeln, brauchte sie wenigstens eine Hängematte.