„Gelungen! Die Erzählung ist Lesespaß pur!“
(JULIM – Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien der GEW)
„Eine wunderbare Geschichte um Mut und Freundschaft. Leichtfüßig und mit einer gehörigen Portion Witz.“
(ekz-Bibliotheksservice)
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Umschlaggestaltung und Illustration: André Junker, Hamburg
ISBN: 978-3-935265-53-83-6
eISBN: 978-3-9431-99-85-7
4. Auflage 2013
Das Geheimnis der Geisterbahn
illustriert von
1. Nachts auf dem Schrottplatz
2. In der Geisterbahn nachts auf dem Schrottplatz
3. Die Geheimnisse in der Geisterbahn nachts auf dem Schrottplatz
4. Der Hüter der Geheimnisse in der Geisterbahn nachts auf dem Schrottplatz
5. Der Befreier und Hüter der Geheimnisse in der Geisterbahn nachts auf dem Schrottplatz
6. Der Feind des Befreiers und Hüters der Geheimnisse in der Geisterbahn nachts auf dem Schrottplatz
7. Probleme für den Feind des Befreiers und Hüters der Geheimnisse in der Geisterbahn nachts auf dem Schrottplatz
8. Immer neue Probleme für den Feind des Befreiers und Hüters der Geheimnisse in der Geisterbahn nachts auf dem Schrottplatz
9. Finns Gedanken über die immer neuen Probleme für den Feind des Befreiers und Hüters der Geheimnisse in der Geisterbahn nachts auf dem Schrottplatz
10. Weitaus Wichtigeres als Finns Gedanken über die immer neuen Probleme für den Feind des Befreiers und Hüters der Geheimnisse in der Geisterbahn nachts auf dem Schrottplatz
11. Auf dem Schrottplatz ... nachts ...
Der Holzboden unter seinen Füßen knarrte laut und Finn lief nun doch ein eisiger Schauer über den Rücken. Dabei war er ganz sicher gewesen, dass er diese Nacht ohne Angst durchstehen würde.
Er schüttelte den Kopf und riss sich wieder zusammen. Ach was – von so einem alten Holzboden ließ er sich nicht einschüchtern! Er war bestens gerüstet für ...
Finn stockte. Ein schwacher Lichtschimmer durchbrach die Dunkelheit. Direkt vor Finn zog sich ein dünner, schwacher Lichtfleck durch den sonst stockfinsteren Raum.
Finn ging darauf zu. Er streckte eine Hand aus, beugte sich langsam vor und ergriff den staubigen schwarzen Stoff, mit dem hier alle Wände abgehangen waren. Vorsichtig schob Finn den Stoff etwas zur Seite.
Durch ein handgroßes Loch in der Wand drang etwas Licht von der Straßenlampe zu ihm herein. Finn beugte sich vor, lehnte den Kopf gegen den Stoff und lugte durch das Loch hinaus. Im Schein der Lampe konnte er draußen seine beiden Freunde erblicken, wie sie auf dem Schrottplatz standen und herumalberten. Sie glaubten wohl immer noch, Finn würde diese Mutprobe nicht bestehen.
Doch da täuschten sie sich!
Er zog den Kopf wieder zurück, ließ den schwarzen Stoff los und versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erblicken.
Er kannte diese Geisterbahn nur zu gut. Er war bestimmt schon hundert Mal mit ihr gefahren und es tat ihm richtig leid, dass sie nun hier, auf dem Schrottplatz, langsam vor sich hin verrotten musste.
Sie hatte zu jedem Stadtfest gehört, diese Geisterbahn. Und Finn war nicht der Einzige, der sie regelrecht geliebt hatte. Alle seine Freunde waren schon unzählige Male in die bunt bemalten Wagen gestiegen und durch das Tor mit dem schlafenden Vampirgesicht gefahren. Immer neue Gespensterszenen hatten auf sie gewartet. Immer neue schauerliche Gestalten.
Doch richtig erschrocken war noch nie jemand. Hier hatten keine Monster gelauert, sondern liebevoll aufgebaute Schreckgestalten: blasse Vampire, die aus Pappmaschee-Gräbern hervorgeschaut hatten, oder grinsende Gespenster, die hinter Plastik-Büschen aufgetaucht waren.
Und jetzt vergammelte die Bahn schon ein halbes Jahr auf diesem Schrottplatz. Und das nur, weil Cornelius Larus, der Besitzer der Bahn, im letzten Jahr spurlos verschwunden war. Lange hatte man nach ihm gesucht und schließlich die Bahn hierher gebracht, wo sie von dem Schrottplatzbesitzer wieder aufgebaut worden war.
„Vielleicht liegt er ja tot in seiner Bahn, der alte Larus. Und es hat ihn nur noch keiner entdeckt“, hatte Benni neulich gewitzelt, als die drei in Emres Baumhaus gesessen hatten.
„Glaub ich nicht“, war Finns Antwort gewesen und Emre hatte schnell erwidert: „Tja, dann sollte vielleicht mal jemand nachsehen.“ Und nach diesen Worten hatten Emre und Benni ganz merkwürdig auf Finn geschaut und die Idee zu dieser Mutprobe war geboren.
Finn drehte sich jetzt noch einmal zu dem Loch in der Wand der Geisterbahn um und blickte erneut zu seinen beiden Freunden nach draußen. Benni verzog gerade das Gesicht zu einer grässlichen Grimasse und brachte Emre damit zum Lachen.
Auch Finn kicherte vor seinem Guckloch leise mit. Er hatte großes Glück gehabt. Mit dieser Mutprobe hatten die Freunde ihm einen echten Gefallen getan. Es hätte auch schlimmer für ihn ausgehen können.
Finns Aufgabe heute Nacht bestand nur darin, eine der Gruselmasken, die überall an den Wänden hingen, mit nach draußen zu bringen. Und das, bevor die Straßenlampe um 23 Uhr abgeschaltet wurde. Es sollte die Maske mit der langen roten Zunge sein, die ganz hinten in der Bahn angebracht war. Einzige Bedingung: Finn durfte keine Taschenlampe benutzen. Er musste sich im Stockfinsteren durch das Schwarz der Bahn an den ganzen Figuren vorbeischleichen.
Plötzlich hörte er Bennis Stimme: „Hey Finn, gruselst du dich schon?“
„Nein“, schrie Finn zurück. „Nur wenn ich nach draußen schaue und euch sehen muss.“
Benni und Emre kicherten laut und Finn wandte sich wieder seiner Aufgabe zu.
Das war wirklich ein Kinderspiel! Finn kannte sich hier drinnen bestens aus. Er wusste, dass er nur den Schienen folgen musste, an denen entlang sich früher die Geisterbahnwagen bewegt hatten. Diese Schienen waren in der ganzen Bahn auf dem Boden angebracht. Er konnte sich also gar nicht verlaufen.
Das alles war für Finn lange nicht so gefährlich wie die beiden Mutproben, die Emre und Benni bestanden hatten.
Benni hatte einen ganzen Tag versteckt im Kühlraum der Metzgerei ausharren müssen. Zwischen halben Schweinen und Tausenden von Würsten hatte er sich, als überzeugter Vegetarier, acht Stunden in die hinterste Ecke verkrochen und dem Geruch, der Kälte und dem Anblick halber Tiere standhalten müssen. Zwar hatte Benni die Mutprobe tatsächlich bestanden, doch danach war er eine ganze Woche ans Bett gefesselt gewesen, weil er sich eine fürchterliche Erkältung zugezogen hatte.
Als Nächster war Emre an der Reihe gewesen. Wegen seiner Angst vor Schlangen hatte er in einem Tiergeschäft in ein Terrarium mit riesigen Kornnattern greifen müssen. Der Angst-Schweiß war ihm nur so über das Gesicht gelaufen und Finn hatte Emres Willen wirklich bewundert. Als eine der Schlangen über Emres Arm gekrochen war, da hatten alle Umstehenden den Atem angehalten – bloß Emre nicht. Er hatte überrascht die Augen aufgerissen, sich die Schlange angesehen und sich sofort in das Tier verliebt.
„Ich hätte nie gedacht, dass die sich so toll anfühlen“, hatte er ausgerufen und am nächsten Wochenende war er mit seinen Eltern wieder in dieses Geschäft gefahren, hatte sich zwei der Schlangen gekauft und kümmerte sich seither liebevoll um diese Tiere, die er Finn und Benni getauft hatte.
Gegen diese beiden Mutproben war der nächtliche Spaziergang durch die Geisterbahn für Finn wirklich ein Klacks.
Inzwischen sprang Benni wie ein wild gewordener Affe auf dem Schrottplatz herum. Emre fing mit dem Ärmel seiner Kapuzenjacke bereits die Tränen auf, die ihm vor Lachen über das Gesicht liefen.
Finn allerdings verging das Lachen in diesem Moment. Wenn die beiden so weitermachten, würden sie noch erwischt werden. Und ihre Eltern wären bestimmt nicht glücklich zu erfahren, dass die drei mitten in der Nacht wegen einer Mutprobe über den Zaun des alten Schrottplatzes geklettert waren.
Finn musste sich also beeilen. Es würde ohnehin bald 23 Uhr sein. Und dann musste er mit der Maske in der Hand draußen stehen, bevor die Straßenlampe erlosch.
Er wandte sich von seinem Guckloch ab und stapfte vorsichtig in die Bahn hinein. Mit seinem rechten Fuß ertastete er die Schienen auf dem Boden und folgte ihnen ein Stück weit.
Es herrschte vollkommene Stille. Nur dann und wann drangen von draußen die Stimmen seiner Freunde zu ihm hinein.
Vor allem aber war es stockdunkel und Finn ärgerte sich nun maßlos, dass er seinen Freunden versprochen hatte, keine Taschenlampe einzusetzen.
Seine Hand tastete nach der Lampe in seiner Jackentasche. Das wäre jetzt eine echte Hilfe gewesen.
Aber nein, er konnte sie nicht einschalten, Benni und Emre würden es sicher bemerken. Und versprochen war versprochen.
Mist!
„Ohne Lampe wird das Ganze spannender“, hatte Benni gejuchzt.
„Ohne Lampe wird das Ganze idiotischer“, schnaubte Finn in der Bahn und blickte angeekelt zu den Wollfäden, die überall von den Decken herabhingen und für seinen Geschmack eine Spur zu sehr wie echte Spinnweben aussahen.
Finn duckte sich, trat einen Schritt zur Seite, als er mit seinem Fuß an etwas hängen blieb. Beinahe wäre er vornübergefallen.
„Was zum ...“
Es gelang ihm, sein Gleichgewicht wiederzufinden, doch beim Weitergehen merkte er, dass sich etwas an seinem Fuß verfangen hatte. Finn beugte sich vor und versuchte, sich zu befreien. Was immer da an ihm klebte, es fühlte sich kalt und rund an. Und es ließ sich nicht abschütteln.
Es half nichts! Finn hätte umkehren können. Er hätte sich an den Schienen wieder zurück zu der Wand mit dem Loch tasten können. Dort gab es wenigstens etwas Licht, um sich zu befreien. Doch Finn verlor allmählich den Spaß an diesem Spiel. Wieso sollte er auch keine Taschenlampe benutzen?
Er seufzte. Normalerweise hielt er sich an Absprachen. Aber jetzt und hier ...
Seine Hand wanderte langsam in die rechte Tasche seiner Kapuzenjacke und griff dort nach der winzigen Taschenlampe, die er sich heimlich eingesteckt hatte. Mit einem schlechten Gewissen schaltete er sie ein, fischte sie aus der Weste heraus, leuchtete auf seinen Fuß ...
... und schrie auf.
Ein menschliches Herz hatte sich in seinen Schnürsenkeln verfangen!
Doch im nächsten Moment beruhigte er sich auch schon wieder und musste sogar lachen. Es war ein Plastikherz, auf das er da leuchtete. Und Finn wusste sogar, wohin es gehörte.
Er hob die Taschenlampe und leuchtete den Boden der Bahn ab. Nur wenige Schritte vor ihm hatte er gefunden, was er suchte: eine fast lebensgroße Puppe. Das Modell eines Menschen aus Plastik, so wie man es sonst nur in Schulen oder Universitäten findet.
Diese Puppe war fast so groß wie Finn und lebensecht. Sie stellte ein Mädchen dar und es war möglich, alle Körperteile und sogar die inneren Organe herauszunehmen.
Im Biologieraum seiner Schule stand ein ähnliches Modell. Nur nicht so groß und so lebensecht.
Finn wusste, dass Cornelius Larus viele Jahre nach einem solchen Modell für seine Geisterbahn gesucht hatte. Und das zu Recht: Diese Puppe war eine der beliebtesten Attraktionen der Geisterfahrt. Larus hatte sie gegen die Wand gelehnt, einige ihrer Körperteile auf dem Boden verstreut und ordentlich rote Farbe dazugegeben. Das hatte gewirkt.
Doch jetzt lag die bedauernswerte Puppe auf dem Boden neben den Schienen. Die meisten ihrer Organe lagen um ihren Körper herum verstreut und obwohl das natürlich Unsinn war, empfand Finn echtes Mitleid mit ihr. Im Schein seiner Taschenlampe suchte er schnell die Organe und legte sie der Puppe in den Körper. Auch die Finger, die um sie herumlagen, sammelte Finn ein und schraubte sie der Puppe an die Hände.
Am Hals gab es eine Gravur: Modellnummer Y.X.I-1313.
„Sehr angenehm, Sie einmal näher kennenzulernen, Fräulein Y.X.I-1313“, ulkte Finn und drückte ihre Hand. „Mein Name ist Finn. Und da ich Sie nun in- und auswendig kenne, erlauben Sie mir doch, weiterzugehen.“
Er kicherte kurz, dann verbeugte er sich sogar vor der Puppe, schnappte sich wieder seine Taschenlampe (wenn auch immer noch mit schlechtem Gewissen) und suchte weiter den Weg zur hintersten Wand der Geisterbahn.
Finn versuchte, sich zu erinnern, was ihn hinter der nächsten Kurve erwartete. Und sein Gesicht hellte sich auf, als es ihm einfiel: die Mumie!
Sie war die absolute Hauptattraktion der Geisterbahn gewesen: eine lebensechte Mumie. Etwa so groß wie Finn, mit dicken Leinenbändern umwickelt. Mit einem Mund voller fauler Zähne und leuchtend roten Augen hatte sie den Besuchern entgegengeblickt. Sie war der Liebling jedes Geisterbahnfahrers und die einzige Figur, die einem einen wirklichen wohlig-gruseligen Schauer bereitet hatte.
Finn freute sich regelrecht auf das Wiedersehen. Rasch bog er um die Ecke und leuchtete in den Winkel, in dem die Mumie immer gestanden hatte. Doch die Stelle war leer. Nur eine einzige Binde klemmte zwischen den Gleisen der Bahn fest.
Finn bückte sich enttäuscht danach. Schade. Zu gern hätte er die Mumie wiedergesehen. Wo mochte sie sein? Ob sie gestohlen worden war? Finn war ja sicher nicht der Einzige, der diese Bahn auf dem Schrottplatz aufsuchte.
Er seufzte enttäuscht.
Von draußen drang wieder Lachen zu ihm.
Stimmt. Er sollte Benni und Emre nicht mehr warten lassen. Finn beeilte sich, die letzten Meter zu der Maske mit der langen Zunge zurückzulegen, löste sie von der Wand und machte sich auf den Rückweg.
Kurz vor der Stelle mit dem Loch in der Wand blieb Finn plötzlich stehen. Er knipste schnell die Taschenlampe aus. Keinesfalls sollten die anderen sehen, dass er geschummelt hatte.
Er blickte nach vorn, zum Eingangstor mit dem Vampirkopf darauf und lächelte. Gleich hatte er es geschafft. Es war noch keine 23 Uhr und ...
Wieder knarrte der Fußboden. Finn zuckte zusammen. Er hatte keinen Schritt getan. Er stand noch immer still an seinem Platz.
Und dann war das Knarren erneut zu hören. Allerdings nicht unter Finns Füßen. Das Geräusch kam aus dem Inneren der Bahn.
Finn schluckte hart und hielt den Atem an. Er spitzte die Ohren, doch es war überhaupt nichts mehr zu hören.
Da plötzlich fiel es ihm ein. „Blödmänner“, rief er in die Bahn hinein, doch seine Stimme klang nicht so sicher, wie er sich das gewünscht hätte. „Benni, Emre, kommt raus. Das ist nicht witzig.“
Anstelle einer Antwort knarrte noch einmal der Boden. Sonst passierte nichts.
Finn drehte sich um. „Echt witzig, ihr beiden! Aber ihr macht mir keine Angst. Ihr ...“
Finn erstarrte. Das Lachen klang von draußen zu ihm herein. Benni und Emre standen also noch immer vor der Bahn!
Finn verdrehte nervös die Augen. Wenn Benni und Emre vor der Tür standen, wer war dann hier drinnen?
Vorsichtig schlich Finn zu dem Loch in der Wand, zog den schwarzen Stoff zur Seite und lugte hindurch. Kein Zweifel: Benni und Emre standen auf dem Schrottplatz und alberten herum.
Finn wurde es auf einmal eiskalt. Sollte er seine Freunde herbeirufen? Sollte er vielleicht ...?
Wieder knarrte es. Doch dieses Mal ganz in Finns Nähe. Gerade so, als stünde jemand hinter ihm.
Dicht hinter ihm.
Zu dicht.
Finn spürte, wie ihm ein Schweißtropfen die Nase herunterlief.
Er musste etwas tun.
Er musste handeln, bevor der andere etwas tat.
Finn schloss die Augen. Er sammelte all seinen Mut, atmete tief ein, zählte leise bis drei. Dann riss er den Stoff ein riesiges Stück weiter auf, sodass viel mehr Licht in die Geisterbahn drang. Im gleichen Moment drehte er sich auf der Stelle um und ...
... starrte in die roten Augen der Mumie. In die weit aufgerissenen Augen der Mumie, die mit ausgestreckten Händen auf ihn zukam.
Und in dieser Sekunde erlosch die Straßenlaterne vor dem Schrottplatz und Finn stand inmitten der Dunkelheit.
Finn konnte sich kaum bewegen vor Schreck. Mit aufgerissenen Augen und offenem Mund stand er vor der Mumie, die eindeutig – eindeutig lebendig war! Gerade verengten sich ihre Augen zu dünnen Schlitzen, während sie nur noch einen Schritt von Finn entfernt war.
Der Junge drückte sich fest mit dem Rücken gegen die Wand. Schon verformte sich der Mund der Mumie. Sie wollte etwas sagen, als ...
„Finn?“ Das war Benni.
„Alles klar bei dir?“, brüllte Emre zu ihm hinein.
„Du hast geschrien“, rief Benni und Emre ergänzte: „Und du hast die Wette verloren!“
Die Mumie erstarrte in ihrer Bewegung und blickte überrascht an Finn vorbei auf das Loch in der Wand. Sie machte auf der Stelle kehrt, um zu fliehen.
Finn, der damit gerechnet hatte, wollte diese Sekunde ebenfalls für seine eigene Flucht nutzen. Doch als er gerade zum Sprung ansetzte, trat er der Mumie versehentlich auf eine ihrer Leinenbinden. Die schrie kurz auf, mit einer Stimme, die Finn erneut frösteln ließ. Sie kippte vornüber und landete auf dem Bauch.
„’tschuldigung“, keuchte Finn unsicher und in diesem Moment waren seine Freunde auf dem Schrottplatz wieder zu hören.
„Was war das für ein Geräusch, Finn?“
„Wir kommen jetzt rein!“
Zum Glück stand der Mond so dicht über den Häusern, dass es in der Geisterbahn nicht vollkommen dunkel war.
Finn schaute sich nach der Mumie um. Die versuchte weiterhin, sich zu befreien, und erst jetzt bemerkte Finn, dass er noch immer auf ihren Binden stand.
Erschrocken trat er einen Schritt zur Seite und wollte sich gerade schon wieder entschuldigen, als die Mumie auch schon auf die Füße sprang. Ihre roten Augen suchten ein letztes Mal Finns Blick, hatten jetzt aber all ihren Schrecken verloren. Nur einen kurzen Augenblick später verschwand sie in den finsteren Tiefen der Geisterbahn und das Eingangstor wurde aufgestoßen.
„Finn?“
„Finn? Alles klar da drin?“
Viel heller wurde es nicht in der Geisterbahn. Finn konnte seine Freunde nur als Schatten in der Tür stehen sehen.
Es fiel ihm schwer, einen Gedanken zu fassen, nach allem, was gerade geschehen war.
„Hey, ihr zwei. Äh ja, alles klar hier drin.“
„Bist du in Ordnung?“
„Ja. Schon.“ Finn schaute noch einmal zu der Stelle in der Bahn, in der die Mumie verschwunden war. „Ich brauche nur noch ein paar Minuten.“
Emre lachte auf. „Wofür denn? Deine Mutprobe hast du ja wohl in den Sand gesetzt.“
„Die Zeit ist rum“, bestätigte Benni und Finn überlegte fieberhaft, wie er die beiden wieder loswerden konnte.
„Ihr habt wohl recht“, antwortete er. „Trotzdem will ich das hier zu Ende bringen. Zugesagt ist zugesagt!“
Benni und Emre überlegten kurz.
„Einverstanden“, meinte Benni schließlich. „Klingt vernünftig!“
„Wir warten draußen noch ein bisschen auf dich“, willigte auch Emre ein. „Aber nicht die ganze Nacht, hörst du?“
Finn nickte. Und als ihm klar wurde, dass seine Freunde dies in dem dämmerigen Licht nicht sehen konnten, sagte er: „Äh, ja. Klar. Verlasst euch auf mich.“
„Na dann, bis gleich“, raunte Benni in einer Stimme, die wohl gruselig klingen sollte, die sich aber gegen den Schrei der Mumie vorhin nur kindisch anhörte. Er schloss die Tür hinter sich und Finn konnte hören, wie die beiden herumalbernd abzogen.