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Dieses E-Book ist die digitale Umsetzung der Printausgabe, die unter demselben Titel bei KOSMOS erschienen ist. Da es bei E-Books aufgrund der variablen Leseeinstellungen keine Seitenzahlen gibt, können Seitenverweise der Printausgabe hier nicht verwendet werden. Statt dessen können Sie über die integrierte Volltextsuche alle Querverweise und inhaltlichen Bezüge schnell komfortabel herstellen.

Vorwort

 

 

 

Ein Buch für Einsteiger und Profis. Ein Buch für Gelegenheitsangler und Verrückte. Ein Buch für Komiker und Bierernste. Ein Buch mit dem Anspruch, das Angeln als schönste Nebensache der Welt vorzustellen, ohne den Anspruch zu erheben, vollständig zu sein oder es jemals zu werden. Ein Buch, das dem Vorurteil, Angeln sei ein Saisonsport, ein Ende bereitet.

 

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Für den größten Fang meines Lebens, den ich nie releasen werde:

meine Frau Moni

... sowie für unseren Nachwuchs Sina, Paul, Seika und Kurt, von denen ich keinen zum dauerhaften Angeln bewegen konnte, aber die ich hoffentlich mit dieser Widmung ärgern kann.

 

 

„Denn Entsetzen hatte ihn erfasst, und alle, die bei ihm waren, über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten. Und Jesus spricht zu Simon: Fürchte dich nicht, denn von nun an wirst du Menschen fangen. Und als sie die Schiffe ans Land gebracht hatten, verließen sie alles, und folgten ihm nach.“

Lukas 5,9, 10b + 11

 

Gott die Ehre

Motivation ist alles

Einmal mit dem Angelvirus infiziert, wird man ihn nicht wieder los. Wer ein Immunsystem hat, das dem viralen Dauerinfekt beim ersten Kontakt widersteht, bleibt in aller Regel sein Leben lang virusfrei.

So einfach ist das mit diesem Hobby. Eine gewisse Veranlagung, die den Adrenalinkick erst möglich macht, muss vorhanden sein, um süchtig nach dem Anblick gekräuselter Wasseroberfläche zu werden. Denn mehr muss es manchmal gar nicht sein. Einfach nur dasitzen. Die Wellen genießen. Spüren, wie der Blutdruck sprunghaft ansteigt, wenn ein dicker Brassen buckelt, wenn ein Rotaugenschwarm auf der Flucht vor einer raubenden Schule Barsche kreisförmig auseinanderspritzt oder wenn dicht am Ufer die unverkennbar feine Blasenspur einer Schleie zu sehen ist. Die Begeisterung an den unzähligen Geniestreichen des Schöpfers kann sich sogar für freche Ratten erwärmen, die unerschrocken auf den Maiseimer springen und Wettrennen unter der Karpfenliege veranstalten, weil ihnen Grenzen in ihrem Lebensraum fremd sind. Süchtig macht auch das Zittern in den Händen, wenn man anhand der dicken Bugwelle erkennt, dass der gehakte Fisch geradewegs auf ein Hindernis zusteuert. Das ist mehr als eine Einstiegsdroge. Das ist voll und ganz „Angeljunkie“. Ohne negative Wirkungen auf die Gesundheit wohlgemerkt. Ganz im Gegenteil, denn wissenschaftlich ist erwiesen, dass positiver Stress mit seinen kleinen, wohltuenden Adrenalinstößen den angestauten negativen Alltagsstress zehnmal schneller abbaut, als reines Nichtstun. Denken Sie daran, wenn Ihre Pose das nächste Mal auf Tauchstation geht, oder ein Karpfen Ihnen die halbe Rolle leer fegt. Es dient Ihrer Gesundheit. Ohne Risiken und Nebenwirkungen. Trotzdem ist es mir bis heute nicht gelungen, dem verständnislos achselzuckenden Laien überzeugend zu erklären, wie aufregend das „Würmerbaden“ sein kann. Angeln kann man nicht erklären. Man muss es lieben. Oder bleiben lassen.

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Unerschrockene Ratten klettern neugierig auf Maiseimer.

Wehe dem, der die Veranlagung nährt. Dann kann am Ende ein Verrückter wie ich dabei herauskommen. Wenn Sie das nicht wollen, legen Sie dies Buch schnellstens aus der Hand!

Da ich ein Verehrer des Anglerurvaters Isaac Walton bin, konnte ich nicht umhin, gewissermaßen als Hommage, auch meinem Buch, bei allem friesischen Humor in einigen Passagen einen leicht altertümlichen Anstrich zu geben. Dennoch war Walton hochmodern.

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Einfach nur die gekräuselte Wasseroberfläche beobachten ...

Um Egozentrik geht es keineswegs beim Angeln, wie mancher Laie vielleicht vorschnell urteilt, indem er den einsam an der Schilfkante fröstelnden Angler in der Rubrik „eigenbrötlerischer Kauz“ ablegt. Das wusste schon Walton genau. Angeln ist Kameradschaft. Ist, dem Freund den Fang genauso zu gönnen, wie sich selber. Ist die Freude über jeden Fang, nicht nur über Rekordfische. Dem schließe ich mich vorbehaltlos an. Nur der Angler, der imstande ist, Begeisterung zu teilen, verdoppelt seine Freude. Dazu gehört auch, der menschlichen Gier Einhalt zu gebieten, so Walton, und überzähligen Fängen die Freiheit zurückzugeben. Kaum zu fassen, aber diese ersten Ansätze von Catch & Release finden sich tatsächlich schon in Waltons Frühwerk, womit er seiner Zeit um 350 Jahre voraus war.

Da das Angeln unglaublich facettenreich ist, habe ich mich nie durchringen können, mich auf eine bestimmte Technik oder Fischart festzulegen, und folge damit meinem englischen Vorbild Des Taylor. Denn wenn ich Stipper werde, kann ich keine Karpfenfluchten mehr genießen. Wäre ich ausschließlich Hechtspezi, würden mir die zaghaften Bisse der Schleie fehlen. Würde ich nur dem Zander nachjagen, dann vermisste ich schmerzlich die Brachialattacken von Freund Esox. Würde ich ausschließlich Ansitzangeln, blieben die Hammerbisse beim Vertikalangeln vom Ufer auf der Strecke. So bin ich geblieben, was ich immer war. Allrounder. Rundumangler. Ich bemitleide meine spezialisierten Freunde. Denn wenn die Karpfenpieper im November längst beharrlich schweigen, dann brennt bei mir die Luft, wenn die Großhechte das Wasser schaumig schlagen. Genau das möchte ich auf diesen Seiten vermitteln. Zwölf Monate angeln. Ohne lästige Unterbrechungen.

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Bei mir schlagen die Hechte im November noch das Wasser schaumig.

Ich liebe alle Facetten unseres Hobbys. Nur mit Wettbewerbsteilnehmern möchte ich nicht tauschen. Wer nur zufrieden sein kann, wenn das Gesamtgewicht stimmt, und dabei ganz vergisst, wie viele aufregende Drills er erleben durfte, wie viele schöne Fische durch seine Händen gingen, der tut mir ebenfalls leid. Das ist einer der Gründe, warum ich stark beangelten Seen mit Riesenkarpfen gezielt aus dem Weg gehe, so gerne ich auch einen fangen würde. Wettbewerb zieht Vergötterung und Starruhm nach sich. Als bekannter Angelsportjournalist blieb es auch mir nicht erspart, „angehimmelt“ zu werden. Doch ich mag das gar nicht. Nicht als Mensch und schon gar nicht als überzeugter Christ. Darum sei es mir noch gestattet, Ihnen dies mit auf den Weg zu geben:

Ein Hundertmeterläufer, der einen Weltrekord läuft, ist aller Ehre wert. Er hat geleistet, was kaum ein anderer leisten kann. Ich dagegen tue absolut nichts, was nicht jeder der Leser dieses bescheidenen Buches auch tun kann. Erfolgreich angeln ist eine Sache, die jeder kann, der bereit ist nachzudenken, beharrlich zu sein, die Augen offen zu halten und Jagdeifer zu entwickeln. Dabei braucht man noch nicht einmal Geduld. Man braucht kontrollierte Ungeduld, wie der englische Kultangler Dick Walker einst treffend formulierte.

Die Vielzahl der Fischarten und die unzähligen Möglichkeiten, ihnen nachzustellen, bleibt selbstredend Stückwerk. Darum habe ich dies Werk kapitelweise nach Jahreszeiten und Zielfischen gegliedert, so wie ich mein Angeljahr meist durchlebe. Natürlich kann man fast alle Arten auch in anderen Monaten fangen, die vorgestellten passen aber nach meiner Erfahrung sehr gut in die vorgeschlagenen Zeiten und füllen das Jahr vollständig mit immer neuen Herausforderungen aus.

„Ob ich das Angeln wirklich perfekt beherrsche?“, fragen mich Jungangler häufig. „Keine Ahnung“, lautet meine Standardantwort, „ich mach das erst seit 35 Jahren!“

Eines möchte ich Ihnen zu Beginn noch verraten. Das Geheimnis meines Erfolgs nämlich. Ich mache daraus kein Staatsgeheimnis, sondern teile es gerne mit allen Angelbegeisterten. Seien Sie nicht enttäuscht. Es ist kein Wunderköder und keine exklusive Rute. Es ist kein geheimnisvolles Privatgewässer oder eine Technik, die keiner kennt. Es lautet schlicht und einfach: Motivation! Der Angler, der es schafft, sich jeden Tag neu anzuspornen, und den Adrenalinschub beim Drill immer noch spürt, wenn er nur an das vergangene Wochenende denkt, wird immer besser fangen als der Schönwetterangler, der auf gut Glück seine Würmer badet und sich in erster Linie sonnen will. Vor einigen Tagen fing meine Frau ihren bislang größten Zander mit 86 Zentimetern. Auf dem Heimweg strahlte sie versonnen vor sich hin und sagte plötzlich: „Ich drille ihn immer noch!“ Das ist es, was ich meine. Motivation heißt, begeisterungsfähig zu sein. Es heißt, die Augen aufzumachen, Schlüsse zu ziehen und auch mal etwas Verrücktes zu wagen.

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Es gibt einfach viel zu sehen, man muss sich nur darauf einlassen.

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Und wenn sie die Augen schließt, drillt sie ihn immer noch.

Ein Beispiel, wie Motivation funktioniert: Als Dreizehnjähriger fischte ich fast ausschließlich auf Aal. Als ich eine neue Pose erstanden hatte, konnte ich es einfach nicht abwarten, damit ans Wasser zu kommen. Obwohl Aalbisse tagsüber kaum zu erwarten waren, musste ich unbedingt sehen, wie sich der Neuerwerb im Wasser verhalten würde. Ich radelte an mein Hausgewässer, das Treckfahrtstief in Emden, ein trüber Kanal von kaum fünfzehn Metern Breite. Schnell war die Pose montiert und ich war begeistert, denn sie lag ausgesprochen stabil im Wasser. Sie zeigte vorsichtige Bisse von Rotaugen, die sich am viel zu großen Wurm vergreifen wollten, sehr genau an. Gründlich tarierte ich sie aus, um jede Situation zu testen, ließ den Köder nur knapp auf Grund liegen und ebenso knapp darüber driften. Prompt bekam ich einen heftigen Biss, der Fisch zog sofort Schnur von der offenen Rolle und ich fand mich nach dem Anschlag am helllichten Tag in einem harten Tauziehen wieder. Schließlich landete ich meinen damals größten Aal von 75 Zentimetern Länge. Zum Aalbändigen hatte ich nichts dabei, ich war ja nur als „Posentester“ am Wasser. So hielt ich die „Mörderschlange“, so jedenfalls kam mir das Tier damals vor, schlicht mithilfe meines Oberhemdes fest und ließ ihn von einem Angler, der ein wenig weiter fischte, fachgerecht versorgen. Hinsichtlich des Aalschleims auf meinem brandneuen Hemd war bei dieser Geschichte das heimische Donnerwetter meiner Mutter inbegriffen. Sie konnte nicht ahnen, was so ein Erlebnis für einen Jungangler bedeuten kann. Sie sah nur den eeeekeligen Aal, der ihr nur in der Pfanne sympathisch war, was sie auch gleich versöhnlicher stimmte.

Wie entstand dies unvergessliche Erlebnis? Durch Motivation.

Nebenbei bemerkt angelt keiner meiner Verwandten. Noch nicht einmal ein entfernter. Verständnis suche ich für meine Leidenschaft bis heute vergebens. Ein wenig bemitleidet werde ich von der nicht angelnden und virusfreien Verwandtschaft. Im Gegenzug bemitleide ich sie. Für das, was ihnen entgeht. Wenn sie nur wüssten.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Schmökern und hoffe, ich kann Ihre Gene anregen, verrückt zu spielen. Ich hoffe, Sie rutschen beim Lesen unruhig im Sessel hin und her, während Sie Ihren Tee, Ihren Kaffee oder Ihr Bierchen genießen, und ich hoffe, Sie blicken plötzlich verträumt auf Ihre Angelruten. Wenn Sie dann gedankenverloren vergessen, weiterzulesen, ist das keine Beleidigung für mich als Autor. Im Gegenteil. Dann habe ich mein Ziel erreicht.

Ich hoffe, meine Ratschläge zum Angeljahr machen Sie erfolgreicher. In diesem Sinne: Viel Erfolg. In jeder Hinsicht. Und vergessen Sie nie, den wirklichen Erfolg finden Sie nicht bei einem prominenten Angler, sondern in Ihrem eigenen Kopf.

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Aale tagsüber – eine Frage der Motivation!

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Jahresbeginn – Angeln in Eiseskälte

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Plötzenfang

Mit der Match- oder Kopfrute – das Angeljahr beginnt für mich mit einer Herausforderung

„Eisig schneidet der Ostwind in die Haut. Klirrend singt er in den mit Eistropfen überzogenen Baumwipfeln eine kalte Symphonie. Die Mahlzeit ruht bis zur Angelpause unter einem Maulbeerbaum und wird uns glänzend schmecken, wenn wir unsere durchgefrorenen Glieder am Feuer wärmen!“

So, oder so ähnlich, hätte es vermutlich geklungen, wenn der gute alte Walton über die Fangaussichten im Januar berichtet hätte. Die Fingerspitzen fühle auch ich schon nach wenigen Minuten nicht mehr, daran hat sich in 350 Jahren nichts geändert, die zwischen Isaac und mir liegen, denn ich packe gerade mein feines Gerät an einem kleinen Stadtkanal aus, werfe zwischen jedem Arbeitsgang einige Pinkies an den anvisierten Angelplatz, die langsam zum Grund rieseln. Dabei schweifen meine Gedanken zurück an die Anfänge, denn das, was ich heute tue, war für mich nicht immer selbstverständlich.

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Ein langer Kescherstiel hilft unwegsame Uferzonen zu überbrücken.

Als Kind brachte man mir bei, der Januar sei nicht die Zeit fürs Angeln. Angelmagazine sahen das ähnlich und unterbreiteten auf ihren Seiten Reisemöglichkeiten, um im sonnigen Süden auf Exoten zu fischen. Vorschläge, die Rollen zu ölen, Kunstköder zu basteln oder Futterstrategien für den Sommer auszuhecken, füllten den Rest der Zeitschrift.

Was mir durch diese frühe Fehlprägung alles verlorenging, sollte mir erst viel später klar werden. Verpasst habe ich durch die landesübliche Winterpause nicht nur steif gefrorene Hände, zu Eisblöcken gewordene Rutenringe und zugefrorene Kanäle in fantastischer Kulisse, sondern vor allem gewichtige Fische, ganz zu schweigen von der traumhaften Färbung, die alle Flossenträger im Winter aufweisen. Halbherzige Versuche, dem Angelentzug mit der Stipprute Herr zu werden, ging ich falsch an und sie schlugen deshalb meist fehl. Nicht selten fischte ich genauso, wie ich es auch im Sommer tat. Das hatte einen Teufelskreis zur Folge, denn Misserfolge bestätigten mich im alten Vorurteil, der Winter sei schlecht fürs Angeln.

Eines Tages stellte ich fest, dass man im Winter durchaus erfolgreich sein kann, und das war eigentlich nur ein komischer Zufall. Ich konnte es mal wieder nicht abwarten und schnappte mir meine alte Shakespeare Matchrute. Die Sonne strahlte diffus und nur knapp über dem Horizont vom eisblauen Himmel, das Quecksilber zeigte kaum ein Grad an und wüst ausgefranstes Randeis säumte die Ufer. Maden hatte ich mit viel Glück erstanden, denn auch die Gerätehändler passten sich der allgemeinen Auffassung an, im Winter herrsche Flaute.

Lebendköder