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Claire

Magische Heilkunst

Das uralte Wissen der Hexen und Heiler für Menschen von heute

Ein Handbuch

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Verlagsgruppe Random House

Ansata Verlag

Ansata ist ein Verlag der Verlagsgruppe Random House GmbH.

ISBN 978-3-641-09133-0
V002

1. Auflage 2013

Copyright © 2013 by Ansata Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Alle Rechte sind vorbehalten.

Fotografien Bildteil: Stephan John

Redaktion: Karin Weingart

Einbandgestaltung: Guter Punkt, München

Hintergrund: © Eky Studio/shutterstock

Ornamente: © Dmitri Mikitenko/shutterstock

Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

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Inhalt

Gesundheit!

Heilen und Heiler

Heilen früher und heute

Wer kann heilen?

Fragen der Einstellung

Gefahren und Risiken

Die Quelle der heilenden Energie

Heilende Wesenheiten

Der richtige Zeitpunkt

Handwerkszeug und Praxis

Techniken

Magische Sprüche und die Kraft des Wortes

Kraftpflanzen

Magische Steine und mehr

Einige Tipps für den Anfang

Anhang

Sympathie, Antipathie und Magnetismus

Alte Bezeichnungen für Krankheiten und Beschwerden

Dank

Verwendete Literatur und Empfehlungen zumWeiterlesen

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Gesundheit!

Auch wenn viele beim Wort »Magie« zuerst an Liebeszauber und Ähnliches denken, war die Magie unserer Vorfahren doch vor allem eine Magie des Heilens. Gesundheit und Wohlergehen der Bewohner eines Hofes bildeten die Grundlage für alles Weitere. Und obwohl sich die Zeiten ändern, bleiben die wesentlichen Bedürfnisse des Menschen doch gleich. Damals wie heute ist Gesundheit das kostbarste Gut, selbst wenn einem dies manchmal erst bewusst wird, wenn sie Schaden erlitten hat.

Ich komme aus einer Familie mit einem geradezu erblichen Interesse für die Dinge zwischen Himmel und Erde; somit waren für mich schon als Kind Kräuterkunde, kleine magische Handlungen zur Linderung von Beschwerden oder bestimmte Sprüche völlig normal. Und wie es so ist, wenn man mit etwas ganz selbstverständlich groß wird: Man nimmt es nicht als außergewöhnlich wahr.

Erst in der Schule und später während des Studiums wurde mir klar, dass es nicht selbstverständlich ist zu wissen, mit welchem Tee man welche Beschwerden gleich beim ersten Anflug vertreiben kann oder dass es Sprüche gibt, die mehr als nur Worte sind. Ich merkte es an der Verwunderung der anderen, wenn ich einen bestimmten Tee oder eine Pflanzensalbe vorschlug. Da ich deshalb öfter komisch angeschaut wurde, hielt ich mich mit der Zeit damit zurück und sprach nur noch dort davon, wo es ganz normal war: in der Familie und bei guten Freunden.

Als ich mit meiner spirituellen Arbeit nach außen trat, war es mit dem Kartenlegen, mit Kursen und meinen Büchern. Das Thema Heilung blieb stets im Hintergrund, denn insgeheim nagten die früheren Erfahrungen immer noch an mir.

Irgendwann jedoch wollte ich die Augen nicht mehr davor verschließen, dass sich die Zeiten gewandelt haben und inzwischen ein reges Interesse an altem Wissen besteht. Mittlerweile wird in einigen Krankenhäusern ergänzend mit traditioneller chinesischer Medizin gearbeitet, und niemand gilt mehr als »esoterischer Spinner«, wenn er sich akupunktieren lässt.

Ich wirke weiterhin nur in der Familie, das spürbare Interesse vieler Ratsuchender an diesem Thema aber hat mich dazu bewogen, das alte Wissen zusammenzutragen und aufzuschreiben.

Dabei gehe ich davon aus, dass die goldene Mitte das Ziel ist: Das Spirituelle kümmert sich um Seele und Geist, die weltliche Medizin um den Körper – wobei die Übergänge natürlich fließend sind. Eine spirituelle oder magische Kur kann in manchen Fällen die Selbstheilungskräfte so stark anregen, dass Tabletten & Co. außen vor bleiben können. Umgekehrt kann eine Operation oder ein Medikament genauso positiv und heilsam wirken und neben dem Körper auch Seele und Geist des Patienten wieder in Harmonie bringen. Es geht nicht darum, das eine über das andere zu stellen, sondern darum, klug und umsichtig zu handeln.

Dieses Buch soll auch den Respekt für die letzten Schamanen unserer eigenen Kultur ausdrücken, die oft übersehen werden. Sie sind nicht darauf aus, mit immer neuen Methoden Trends zu kreieren, vielmehr greifen sie auf Altbewährtes zurück, das man anhand von geschichtlichen Funden bisweilen über Jahrhunderte und Jahrtausende nachverfolgen kann.

Ich möchte aber noch mehr erreichen, als altes Wissen ans Licht zu holen; ich möchte die Leser auch dazu ermutigen, Heilung wieder in die eigenen Hände zu nehmen und Vertrauen in sich selbst zu entwickeln.

Es geht also auch um ein Stück Demokratisierung der spirituellen Heilarbeit. Das ist wichtig, denn nur wer über Informationen verfügt und ein gewisses Selbstvertrauen entwickelt hat, kann bewusste Entscheidungen treffen und ist weitestgehend vor Angstmacherei gefeit.

Was dabei das Wichtigste ist: Hinterfrage – oder besser: hinterfühle – auf deinen Wegen alles, auch das, was du in diesem Buch liest. Es gibt kein Schema F, das bei jedem wirkt und pauschal immer gleich gute Resultate erzielt. In den letzten Jahren hat das Gefühl vieler Menschen für Eigenverantwortung, für ihren Körper, die Seele und den Geist zugenommen. Das ist eine gute Entwicklung, die stark macht für bewusste Entscheidungen.

Wohin die Wege des Lebens meine Leser/-innen auch führen mögen: Denkt immer daran, dass nicht nur Krankheit, sondern auch Gesundheit ansteckend ist.

Noch ein Wort zur »Geschlechterfrage«: Um die Lesbarkeit nicht zu gefährden, habe ich mich entschieden, beide Formen zu mischen. Wenn die männliche Form verwendet wird, sind in aller Regel auch die Frauen gemeint und umgekehrt.

Heilen und Heiler

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Heilen früher und heute

In diesem Buch wird es um traditionelle Heilanwendungen gehen, wie sie von unseren Vorfahren praktiziert wurden.

Doch bevor es richtig losgeht, gestattet mir bitte noch ein, zwei Bemerkungen.

Beim Thema Heilen schweifen die Blicke vieler Suchender in Richtung Osten, nach Indien, China oder Japan. Chakrenarbeit, Pranaheilung, Reiki und manches mehr erfreut sich hierzulande großer Beliebtheit. Auch nord- und südamerikanische oder afrikanisch inspirierte Heilsysteme werden eifrig studiert und ausprobiert.

Wenn man das von außen betrachten würde, könnte man den Eindruck gewinnen, in unseren Breiten wäre nichts Substanzielles zum Thema Heilung entstanden, da überall nach Heilmethoden gesucht wird, nur nicht vor der eigenen Haustür.

Ich habe übrigens nichts gegen Ansätze, die außerhalb unseres Kulturkreises entstanden sind, und wende manche davon selbst gern an. Es geht mir in diesem Buch also keineswegs darum, die einheimischen Heilwege als das Nonplusultra darzustellen (was auch ziemlich engstirnig wäre) – zumal man statt »einheimisch« getrost »europäisch« sagen darf, da sich viele Anwendungen und Heilsprüche beinahe identisch auf unserem ganzen Kontinent wiederfinden. Einige Verfahrensweisen ähneln einander sogar weltweit in einem Maße, dass man sie als schlichtweg universell bezeichnen muss.

Dass unsere Horizonte heute so weit gesteckt sind, ist ein großes Geschenk. Und selbstverständlich hätten unsere Vorfahren die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, ebenfalls ausgeschöpft, wenn sie ihnen zur Verfügung gestanden hätten.

Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass unsere eigenen magischen Heiltraditionen nicht übersehen oder gar gering geschätzt werden. Manchmal scheint es nämlich so, und diese Entwicklung hat vor allem zwei Gründe: Zum einen lieben Menschen alles Exotische. Das Fremde, das Außergewöhnliche und Ungewohnte zieht die Aufmerksamkeit stärker auf sich als das, wovon man im Alltag umgeben ist. Ob man es so genau kennt, das sei einmal dahingestellt, aber man meint es zumindest zu kennen. Auf der anderen Seite sorgt auch die Zurückhaltung vieler Praktizierender dafür, dass ihr altes Wissen fast unbekannt ist oder mit ihnen stirbt, weil sich niemand gefunden hat, der ihre Arbeit weiterführt. Denn auch wenn das Thema Heilung aktuell ist wie eh und je, haben die echten, oft recht im Verborgenen praktizierenden Heilerinnen und Heiler bis heute oft ihre liebe Not, die richtigen Leute zu finden, an die sie ihr Wissen weitergeben können.

Es gibt eine Trennlinie zwischen der schillernden Welt der Workshops, Seminare und Coachings und den eher leise Praktizierenden der heilenden Volksmagie. Letztere zeigen sich fast nie in den Medien, sie arbeiten vor allem im direkten Umfeld ihres Ortes, und man erfährt von ihnen nur durch Mundpropaganda, zumal sie, was ihre Kunst betrifft, nicht unbedingt die Gesprächigsten sind.

Das hat gute Gründe, denn auch der vernünftigste Heiler, der die Leute gegebenenfalls rechtzeitig zum Arzt schickt, über großes Können verfügt und nur lautere Absichten verfolgt, ist vor rechtlichen Problemen nicht geschützt.

Vor einer Weile ging die Geschichte eines schwäbischen Volksheilers durch die Presse, der auf einem Bauernmarkt als Händler arbeitet und für eine von Kopfschmerzen geplagte Frau ein Gebet sprach. Er hat kein Geld angenommen und keine Heilaussagen getroffen. Trotzdem wurde er dafür von einer dritten Person, die das Ganze mitbekommen hatte, vor Gericht gebracht. Der Gebetsheiler hat den Fall gewonnen, aber diese Geschichte macht klar, warum so viele Heilerinnen und Heiler nur im kleinsten Kreis arbeiten und auf Verschwiegenheit bestehen.

Trotzdem leben die alten Bilder unserer Vorfahren natürlich auch im Hier und Heute munter weiter. Erst kürzlich sah ich in einer Werbung für ein Erkältungsmittel etwas, das unsere Altvorderen als »Aufhocker« bezeichnet hätten. Per Computer hatten die Werbeleute einem Mann eine Art graues Geistwesen auf die Schulter gezaubert, das die Erkältung symbolisieren sollte. Ob bewusst oder unbewusst, sie haben damit auf ein uraltes Bild zurückgegriffen.

Wenn man sich mit heilender Magie befasst, stellt man aber auch fest, an welchen Punkten sich die Zeiten geändert haben. Früher beschäftigten sich viele Sprüche und Heilzauber mit Infektionskrankheiten, mit Wundheilung und Verbrennungen. Einige der Sorgen von damals sind bei uns kaum noch aktuell. Mit größeren Wunden geht man zum Arzt, gegen viele Infektionskrankheiten gibt es wirksame Medikamente und im riesigen Angebot der Supermärkte kann man das ganze Jahr über aus dem Vollen schöpfen, wenn es um die Versorgung mit Vitaminen und Nährstoffen geht.

Auch das Verletzungsrisiko ist kleiner geworden (oder hat sich verschoben, beispielsweise in den Autoverkehr). Wer hackt heute schon noch Holz zum Heizen, mäht das Gras mit der Sense oder kocht die Wäsche in großen Zubern? Früher reichte – viel häufiger, als dies heute der Fall ist – schon die geringste Unachtsamkeit aus, um sich ernsthaft in Gefahr zu bringen.

Bei alten Heilzaubern ging es oft um solche Situationen: Blut stillen, Verbrennungen lindern, den Schmerz nehmen und eine narbenfreie Abheilung ermöglichen. Man konnte keinen Notarzt rufen, es kam schon selten genug vor, dass überhaupt ein Arzt irgendwo im Umkreis verfügbar war und der kostete teures Geld, das die wenigsten hatten.

Natürlich hat sich auch der Wissensstand erheblich verändert. (Unsere Vorfahren waren, was ich an dieser Stelle noch einmal wiederholen möchte, keinesfalls dümmer als wir, doch vieles war ihnen einfach noch nicht bekannt.) Es macht einen Unterschied, ob man Viren, Bakterien und sonstige Erreger kennt oder nicht. Wobei alte Zeichnungen von Krankheitsdämonen ihnen manchmal verblüffend ähnlich sehen1 und wir immer noch den »Frosch im Hals« kennen oder uns ein »Zipperlein« einfangen (Zipper ist ein altes Wort für Zwerg).

Die moderne Medizin hat uns viele Sorgen und Ängste genommen. Doch sind wir deshalb glücklicher und gesünder? Nicht unbedingt, denn jede Zeit bringt ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich.

Waren früher vor allem Infektionen und fehlende chirurgische Möglichkeiten ein Problem, schlagen wir uns heute mit Stresserkrankungen, Allergien, Hautproblemen, Herz-Kreislauf- und Wohlstandskrankheiten herum. Wobei da vieles reine Glaubenssache ist. Beispiel gefällig?

Schon der Ötzi litt, wie man heute weiß, an Arterienverkalkung und Herz-Kreislauf-Problemen. Dabei hat der sich ja nun wirklich ausschließlich von Naturkost ernährt. Man sieht also: Nur weil wir vielleicht »gesund« leben, werden wir noch lange nicht unverletzbar oder perfekt.

Wenn man sich nur einmal anschaut, was in den vergangenen Jahrzehnten alles als gesund galt: In (noch gar nicht so) alten Kochbüchern wird Zucker als die reinste und beste Form der Energie gepriesen. Die Experten empfahlen mal nur gedünstete Kost, dann wieder Rohkost. Und viele Gewürze, die früher für allzu anregend und deshalb schädlich gehalten wurden, werden heute empfohlen, weil sie den Organismus unterstützen. Wie sich die Zeiten doch ändern!

Es erinnert heute ein wenig an modernen Ablasshandel, wenn es immer wieder heißt, dass irgendwelche ominösen Dschungelpflanzen, neue Wunderwirkstoffe, Diäten, Sportprogramme und dergleichen ein gesundes (ewiges?) Leben versprechen. Dabei sind die Prozesse, die sich im Inneren des Menschen abspielen, so viel komplexer …

Natürlich sind auch noch andere Aspekte von Bedeutung. Zum Beispiel der, dass die BeHANDlung beim Arzt ihren Namen nur noch selten verdient. Alles muss schnell gehen, manchmal reicht es nicht mal mehr für einen Händedruck zur Begrüßung. Viele Mediziner müssen weit mehr Zeit mit Verwaltungsaufgaben verbringen als mit ihren Patienten. Durch falsches oder übermotiviertes Training für die Fitness entstehen Schäden an Gelenken, Sehnen, Bändern und Muskeln, oftmals schleichend, sodass die Rechnung erst zehn oder zwanzig Jahre später präsentiert wird. Auch die unkontrollierte Einnahme von Vitaminpräparaten schadet mehr, als sie hilft, und der Übergang von »bewusster Ernährung« zu einer Essstörung kann ziemlich fließend sein.

Man muss kein Experte sein, um zu erkennen, dass wir in einer Zeit des Superlativs leben: alles perfekt, nicht versagen, bloß keinen Makel bitte! Es ist wichtig, sich mit den Extremen unserer Zeit bewusst auseinanderzusetzen, denn niemand lebt im luftleeren Raum. Und wir alle sehen Tag für Tag die retuschierten Bilder angeblich perfekter Menschen – mit der ebenso unterschwelligen wie dringenden Aufforderung, ihnen nachzueifern.

Krankheit wird oft als eine Art Versagen erlebt, als etwas, an dem man »schuld« ist, das man eigentlich hätte verhindern müssen. Die Situation am Arbeitsmarkt tut ein Übriges: Wer bringt heute schon noch den Mut auf, sich ordentlich auszukurieren?

Was den Druck betrifft, der auf die Patienten ausgeübt wird, bekleckern sich übrigens auch einige Esoteriker nicht gerade mit Ruhm, wenn sie den Kranken etwa irgendwelche karmische Altlasten oder sonstige Sünden einzureden versuchen. Als hätten sie mit ihren Beschwerden nicht schon genug zu tun.

Ein bisschen Humor schadet nie, wenn man sich dem Thema nähert, dem ich mich in diesem Buch widme.

Vor einer Weile hatte ich es beim Joggen etwas übertrieben, weil es mir so viel Spaß gemacht hat und ich mich einfach nicht zurückhalten konnte. Danach streikte mein Knie, und wenn es mir in den folgenden Monaten überhaupt gelang, die Treppe herunterzukommen, wurde ich auf der Straße noch von jedem Rentner mit seinem Rollator locker überholt.

In dieser Zeit gab mir eine Frau, die ich nicht einmal näher kannte, ungefragt den Hinweis, dass ich schwere karmische Verwicklungen hätte, die zu diesem Problem geführt hätten. Mit einem Augenzwinkern, wie es meine Art ist, antwortete ich darauf: »Es ist Knorpel, nicht Karma.« Aber sie ging zum Lachen wohl lieber in den Keller.

Im Bereich Heilung darf man das Thema Macht keinesfalls unterschätzen. Gerade wenn eine Person geschwächt und infolgedessen nicht selten etwas ratlos ist, laufen manche Leute zur Höchstform auf, weil sie sich dann größer oder bedeutender fühlen. Überlegen eben.

Die magische Volksheilkunde arbeitet nicht mit karmischen oder anderweitigen Vorwürfen; vielmehr hat sie – in schönster Schlichtheit – ihre eigenen klaren Vorstellungen: Hier ist eine Krankheit, die einem Menschen schadet und deshalb gebannt werden muss. Punkt. Da gibt’s kein unterschwelliges »Du bist (was beliebig ergänzt werden kann) schuld, falsch, unrein, zügellos, dumm, frech, faul und ein schrecklicher Genussmensch obendrein.«

Natürlich reden auch Heilerinnen und Heiler Klartext mit ihren Patienten, wenn sie etwa zu viel essen, sich kaum bewegen oder sonst wie ihren Lebensgeistern die Arbeit erschweren. Aber sie tun das auf Basis des praktischen Menschenverstandes und nicht um Schuldgefühle zu wecken und Abhängigkeiten zu schaffen. Die Krankheit ist das Übel, nicht der Patient.

Karma und Co. kommen aus dem indischen und asiatischen Kulturkreis, wo sie tief im Leben der Menschen und in ihrer Spiritualität verwurzelt sind. Unsere einheimische Heiltradition folgt einem anderen Konzept. Die Rolle der spirituellen Helfer spielen darin Gott, Maria, Jesus und die Heiligen (nebst der einen oder anderen alten Gottheit, die durch sie hindurchschimmert) sowie vorchristliche Naturwesen, Pflanzengeister sowie Geister bestimmter Orte, Steine, Bäume, Quellen, Flüsse und viele andere.

Wir werden später noch dazukommen, wie man die alten Heilformeln seiner persönlichen Spiritualität anpassen kann, trotzdem muss dieser Punkt bereits hier erwähnt werden, denn es macht einen großen Unterschied, ob sich eine kranke Person als schuldbeladener, karmischer Sünder versteht oder als Mensch in Nöten, der trotz all seiner menschlichen Unzulänglichkeiten – oder vielleicht auch gerade deshalb – auf liebevolle Hilfe von oben vertrauen kann.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Vergangenheit gern idealisiert wird. Da ist beispielsweise von den »Machtpflanzen der Frauen« die Rede, wenn es um giftige Gewächse geht, die zum Abtreiben verwendet wurden, wie etwa das Mutterkorn. Wie viele Frauen bei solchen Abtreibungsversuchen gestorben sind oder bleibende Schäden davontrugen, wird nicht mit einem Wort erwähnt.

Genauso wird oft scharf zwischen den »guten« Heilerinnen und Hebammen auf der einen und den »bösen« Ärzten und Apothekern auf der anderen Seite unterschieden. Tatsache ist aber, dass auch Ärzte, wie beispielsweise der Augenarzt Siegfried Seligmann mit seinem Klassiker über Die Zauberkraft des Auges, dazu beigetragen haben, heilmagisches Wissen zu bewahren. Einige Ärzte arbeiteten gleichzeitig mit medizinischen und magischen Methoden und so mancher Apotheker gab vor nicht allzu langer Zeit noch kleine Zettelchen oder Hefte mit magischen Sprüchen zum Besprechen und seine gesammelten Kräuterweisheiten heraus. So tief, wie man manchmal denkt, sind die Gräben also gar nicht. Nicht immer und nicht überall jedenfalls.

Es gibt übrigens auch keine pauschalen Heilmittel, schon allein, weil jeder Mensch anders ist (und nicht einmal diesem ein und dieselbe Anwendung zu jeder Zeit guttut). Wie oft hört man: »Du musst dieses und jenes machen, das hilft!« – und dann ist der, der den Rat »geschlagen« hat, beleidigt, wenn man ihm nicht Folge leistet. Doch nur mit Wissen, Gespür und manchmal auch durch reines Ausprobieren (das berühmte trial and error) kommt man weiter, sowohl in der Schulmedizin als auch auf alternativen Wegen. Mittlerweile ist auch bei herkömmlichen Medikamenten anerkannt, dass sie je nach Patient unterschiedlich anschlagen können. Manche spüren Nebenwirkungen, andere nicht, obwohl sie genau dasselbe Mittel genommen haben, es ist eben jeder anders.

Würdest du etwa bei Schlafstörungen vor dem Zubettgehen einen Kaffee trinken?

Genau das riet ein alter Hausarzt einer Bekannten von mir, weil ihr Blutdruck sehr niedrig war, was den Körper am Einschlafen hindere. Es hat wunderbar funktioniert und die Erkenntnis bestätigt, dass nicht einmal die einfachsten Dinge, die man so glaubt – in diesem Fall, dass Kaffee wach hält –, ohne Weiteres immer stimmen.

Eine andere Bekannte trug eine Zeit lang eine Schiene gegen ihr Zähneknirschen, doch dieses wurde nur immer schlimmer. Eine Physiotherapeutin erklärte ihr, dass bei manchen Leuten der Körper im Schlaf unbewusst die gewohnte Höhe seiner Zähne wiederherstellen und den Fremdkörper loswerden will, weshalb er umso kräftiger zubeißt. Wir sehen also: Was dem einen hilft, kann bei einem anderen für neue Probleme sorgen.

Das sind zwei willkürlich herausgegriffene Beispiele, aber sie verdeutlichen gut, wie wichtig es ist, sich vom Gedanken zu verabschieden, dass irgendetwas pauschal heilen würde, und die Individualität des Körpers zu respektieren.

1 Wer mehr dazu lesen möchte, dem empfehle ich die Arbeiten von Wlislockis, s. Literaturliste

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Wer kann heilen?

Kann jeder heilen oder sind dazu nur ausgewählte, irgendwie besondere Menschen befähigt? Über kurz oder lang taucht diese Frage bei allen auf, die sich ernsthaft mit dem Thema spirituelles Heilen beschäftigen.

Und was sag(t)en die Volksheilerinnen und -heiler selbst dazu? Wie zu erwarten sind die Ansichten unterschiedlich; sie lassen sich aber in einer Grundüberzeugung zusammenfassen: Jeder, der den festen Glauben daran hat und es wirklich will, kann heilen. Wobei der Haken an der Sache ist: Wollen muss man können.

Was ist mit »wollen« gemeint? Bestimmt nicht blinder Wille im Sinn von »Ich will das jetzt, das muss einfach klappen!«. Zumal die meisten Heiler/-innen ausgesprochen spirituelle Menschen sind, das heißt: Sie wissen, dass das letzte Wort eine höhere Macht hat; und sie würden nie so tun, als hätten beziehungsweise wären sie selbst diese Macht.

Nicht der Heiler heilt, er fungiert nur als Mittler zu den Kräften, die das Gleichgewicht wiederherstellen können. Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Echte Heiler halten sich nicht für die Größten. Natürlich gibt es auch unter Heilerinnen die unterschiedlichsten Temperamente. Die einen sind offen und gesprächig, andere eher ruhig, wieder andere sind sogar recht barsch und sehr direkt in der Art. Und nicht wenigen sitzt ab und an der Schalk im Nacken. Aber sie alle wissen, dass letztendlich »die da oben« die Heilung bewirken.

Man braucht also nicht nur den starken Wunsch zu heilen, sondern auch ein tiefes Vertrauen in die Kräfte des Guten, oder noch genauer: in die Kräfte des Ausgleichs. In den traditionellen Heilsystemen überall auf der Welt werden Krankheiten als ein Aus-der-Balance-Fallen gesehen. Das Gleichgewicht ist gestört, und nun muss es wiederhergestellt werden. Heilerinnen brauchen einen unerschütterlichen Glauben daran, dass es gelingen kann (kann, nicht muss – denn niemand ist das Göttliche in Person). Die Ratsuchenden sind sich da nicht immer ganz so sicher, und für einen gelingenden Heilungsprozess müssen sie das auch gar nicht sein. Ein alter Gebetsheiler drückte es einmal so aus: »Wenn sie zu mir kommen, dann glauben sie doch schon, sonst wären sie nicht da.«

Für heutige Menschen mag es im ersten Moment etwas archaisch wirken, so klar in Gut und Böse zu unterscheiden, wie unsere Vorfahren es taten. Ich verwende diese Begriffe, weilsie in der einheimischen Heiltradition üblich sind. Da wurde nicht lange gefackelt, man nannte das Übel – ähnlich wie in den alten schamanischen Kulturen – beim Namen und beschönigte nichts. Aber natürlich kann man auch andere Ausdrücke finden, etwa von Harmonie und Blockaden sprechen. Doch schon die alten Heilerinnen wussten, dass eine Krankheit letztendlich weder gut noch böse ist. Und dass es nur darauf ankommt, sie von dort, wo sie stört (nämlich im Körper des Patienten), wieder zu vertreiben.

Fühle dich in deiner Arbeit frei zu experimentieren; wir leben im Hier und Heute und nicht alles, was früher gut war, ist heute noch passend. Trotzdem möchte ich anmerken, dass die klare, direkte Sprache über Krankheiten, wie sie unsere Vorfahren gepflegt haben, eine besondere Kraft in sich trägt. Wenn man sagt: »Das ist schlecht und muss da weg«, entwickelt man eine ganz andere Kraft, als wenn man anfängt zu diskutieren und sich in zahlreichen Gedankenloopings verliert.

Die Kraft zusammenhalten und gezielt einsetzen – so funktioniert Magie, damals nicht anders als heute.

Womit nichts gegen das Nachdenken über Krankheiten, über die eigenen Anteile daran und die persönlichen Möglichkeiten der Veränderung gesagt werden soll. Aber ein Teil der besonderen Wirksamkeit der alten Sprüche und magischen Handlungen besteht darin, dass es eine klare Definition von Positiv und Negativ gab und man genau wusste, wo man hin wollte. In dem Moment, in dem es zur Sache geht und die heilmagische Handlung vorgenommen wird, bleiben alle Gedankenschleifen außen vor und die Konzentration wird voll und ganz auf das Wiederherstellen des Gleichgewichts gerichtet.

Aber kommen wir zurück zur Frage, wer heilen kann. Nicht selten haben wir das diffuse Bild eines irgendwie andersartigen Menschen im Hinterkopf, stellen uns vielleicht einen liebenswerten Sonderling, eine kauzige alte Dame oder einen dynamisch wirkenden Heiler mit Power-Ausstrahlung vor.

Aber auch wenn es kauzige Sonderlinge durchaus gab (und gibt), waren die meisten Heilerinnen und Heiler doch einfach Menschen von nebenan, die einem Beruf nachgingen oder einen Hof bewirtschafteten. Alle im Ort wussten: Die/der Sowieso kann bei diesen und jenen Beschwerden etwas tun; und wenn es einen erwischt hatte, dann ging man hin und ließ sich helfen. Das Heilen fand quasi in der Nachbarschaft statt, man kannte einander persönlich und wusste, dass Heilerin oder Heiler ganz normale Menschen sind, wenn auch mit dieser besonderen Gabe.

Heute sieht das anders aus. Es gibt sie natürlich noch, die versteckt arbeitenden Heilerinnen, die jeder im Ort kennt und von denen Außenstehende nur mit viel Glück erfahren. Statt ihrer aber bekommen die meisten Interessierten auf Esoterikmessen und Heiltagungen viel Show, große Selbstdarsteller und nur mit sehr viel Glück auch echte Berufene zu sehen. Ich kenne einige Patienten, die stolze Summen bei den Stars dieser Szene gelassen haben, ohne dass sich ihre Beschwerden gebessert hätten.

Das war übrigens eine weitere Antriebsfeder für dieses Buch: Ich fände es nämlich einfach wunderbar, wenn Menschen wieder lernen würden, sich liebe- und vertrauensvoll gegenseitig zu behandeln, ohne Stars und Selbstdarsteller, einfach von Mensch zu Mensch.

Um zu erkennen, welche heilenden Begabungen einem mitgegeben wurden, muss man es natürlich erst einmal ausprobieren (dürfen). Also einen Raum schaffen, in dem man anderen heilend begegnen kann, ohne unter Erfolgsdruck zu stehen. Man muss experimentieren und es muss auch mal was schiefgehen dürfen. Erfahrungen kann man nur machen, nicht lernen.

Aber auch das muss gesagt werden: Finanzielle Interessen sollte man dabei nicht im Hinterkopf haben. Bei traditionellen Heilerinnen ist es bis heute üblich, dass man ihnen etwas zusteckt oder beim Rausgehen in eine Schale legt – freiwillig und so viel, wie man geben kann und möchte. Da jeder jeden kennt im Ort, wird niemand eine Heilerin ohne Gegenleistung auszunutzen, und dankbare Ratsuchende lassen bisweilen auch größere Summen zurück.

Das ist eine völlig andere Situation, als wenn man das spirituelle Heilen nur mit dem Ziel erprobt und ausübt, es zur (womöglich einzigen) Verdienstquelle zu machen. Früher hatten die Heiler in den meisten Fällen ein festes Einkommen und waren nicht auf das Heilen angewiesen, um leben zu können. Ich spreche diesen Punkt an, weil sich darin ein wichtiger Pferdefuß verbirgt: Macht man das Heilen zum Brotberuf, kommt man schnell in eine abhängige Lage. Plötzlich dürfen keine Fehler mehr passieren (und selbst die besten Ärzte machen Fehler), weil das dem Ruf schaden könnte und die finanzielle Existenz bedroht. Dann gerät man unterschwellig unter Druck und die Leichtigkeit, die doch gerade beim spirituellen Heilen so wichtig ist, geht verloren.

Spielerische Leichtigkeit ist der Schlüssel, um heilende Kräfte zu wecken und fließen zu lassen. Ich möchte dazu eine Geschichte erzählen, die das gut verdeutlicht: Eine Freundin von mir fing mit ihrem Mann aus Spaß an, sich gegenseitig zu behandeln. Er litt unter einem hartnäckigen Husten, der seit Wochen nicht restlos verschwinden wollte, sie hatte einen unklaren Ausschlag. Jeder von beiden vollführte nun im Spaß »magische« Handlungen, die sie sich spontan ausgedacht hatten. Er pustete auf ihren Ausschlag, strich ihn symbolisch weg und sprach dazu ein paar Worte, sie zog mit großer Geste seinen Husten aus dem Brustkorb und warf ihn aus dem Fenster. Auch (oder gerade weil?) sie es nicht bierernst genommen haben, wirkte es wunderbar.

Von den beiden kann man etwas sehr Wichtiges lernen: nämlich dass jeder heilen kann, wenn die Energie frei fließen darf. Der eine mehr, der andere weniger (wie man im übrigen Leben auch mit mehr oder weniger Talent in den verschiedenen Bereichen ausgestattet ist) – aber mindestens einen Funken dieser Begabung trägt jeder in sich. Dadurch, dass meine Freundin und ihr Mann nur im Spaß gehandelt haben, nach dem Motto: Schaden kann’s nicht, also machen wir es einfach mal, waren beide frei von Erwartungen und blockierenden Gedanken. Sie haben sich nicht gefragt: Geht so etwas? Kann ich das überhaupt? Blamiere ich mich auch nicht? Wie stehe ich da, wenn das, was ich tue, nicht wirkt?

Findet man einen spielerischen Zugang zum spirituellen Heilen, gibt es nichts zu verlieren, wohl aber einiges zu gewinnen.

Auch in den alten Zeiten wurde so manche Heilerin durch Zufall oder in einer spielerischen Situation entdeckt. Natürlich gab es auch Heilerfamilien, in denen das Wissen und (vor allem) das Selbstvertrauen weitergegeben wurden, dass man heilen kann. Nicht selten suchten sich heilende Menschen am Ende ihres Lebens auch Schüler, die ihr gesammeltes Wissen weitertragen sollten. Im Endeffekt war aber nicht wichtig, wer auf welchen Wegen zum Heilen gekommen ist, sondern dass es wirkte.

In diesem Zusammenhang stellt sich unweigerlich die Frage: Brauche ich überhaupt einen Heiler von außen? Kann ich mich nicht selbst heilen? Würde nicht das erst wirkliche Eigenverantwortlichkeit bedeuten?

Ja und nein. Es ist definitiv heilsam, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und aktiv die Verantwortung für sich, seinen Körper, den Geist und die Seele zu übernehmen. Viele begeben sich in passive Abhängigkeit, sei es nun beim Arzt oder bei der Wunderheilerin. Auf der anderen Seite braucht man manchmal einen hilfreichen Anstoß von außen, damit der Stein ins Rollen kommt, so wie es ein westafrikanisches Sprichwort ausdrückt: Den Rat, der dir hilft, kannst du dir nicht selbst geben. Mit Unterstützung von außen kommen hilfreiche Impulse dazu, die es einem leichter machen können. So geht man ein Stück des Weges zusammen und muss nicht alles allein schaffen.

Bei den meisten traditionellen Heilerinnen erwarten die Patienten übrigens keine Wunder (jedenfalls im ländlichen Raum, in der Stadt sieht das oft anders aus). Das hilft auch dem Heiler, denn er muss einerseits von sich überzeugt sein, andererseits aber auch seine Grenzen kennen und wissen, dass er nicht allmächtig ist. Anders gesagt: Man muss sich einfach auf einer menschlichen Ebene treffen, ohne überzogene Erwartungen beim Ratsuchenden, aber auch ohne den Drang zu überzogener Selbstdarstellung seitens des Heilenden.

Das zweite Gesicht

In vielen Gegenden gelten Heilende als Personen, die mit dem zweiten Gesicht begabt und geistersichtig sind. Da schimmern uralte schamanische Ideen durch: Wenn Krankheiten als Geistwesen gedacht werden, muss die Heilerin in der Lage sein, sie wahrzunehmen, um etwas bewirken zu können und das Übel an der Wurzel zu packen, sie muss also das zweite Gesicht haben.

Genau wie es negative, zehrende Krankheitsgeister gibt, gibt es auch starke hilfreiche Kräfte; diese sieht oder spürt die heilende Person ebenfalls und kann mit ihnen zusammenarbeiten, wie es die Schamaninnen indigener Völker mit ihren Hilfsgeistern tun. (Wobei das Wort Hilfsgeist denkbar unglücklich gewählt ist, es hört sich so nach Aushilfe an, und das wird der Kraft dieser Wesenheiten alles andere als gerecht.)

Viele Legenden erinnern bis heute an die Verbindungen zwischen Menschen und Geistwesen. Das alte Wissen ist also nicht einmal verschlüsselt, man muss nur genauer hinschauen.

So erzählen in zahlreichen Landstrichen Sagen und Geschichten von Heilern, die ihre Fähigkeiten der Zusammenarbeit mit einer Fee verdanken. Und überhaupt: Vieles beim spirituellen Heilen spielt sich im energetischen Bereich ab und wird einem von der anderen Seite, der Welt des Instinkts und der hilfreichen Kräfte, vermittelt. Der Zigeunerheiler Hartiss sagte dazu: »Wisse, dass der wahre Heilpraktiker keine Methoden lernen kann. Er ist wie ein Maler, ein Bildhauer oder ein Musiker. Du erkennst ihn erst am vollbrachten Werk.«2

Aber die Gabe allein ist nicht genug; man muss lernen und mit dem Herzen dabei sein. Auch wenn das nötige Feingefühl von Natur aus mitgebracht werden muss, ist man eben doch noch ein ungeschliffener Diamant. Die Hellsichtigkeit, die Intuition oder wie auch immer man dieses besondere Einfühlungsvermögen bezeichnen möchte, kann nicht erlernt werden, es ist ein Geschenk. Aber die individuelle Portion, die einem davon mitgegeben wurde, kann jeder schleifen und polieren. Und um in diesem Bild zu bleiben: Strahlt etwa ein großer, grober Diamant auch nur halb so hell wie ein kleiner, gut geschliffener?

Eine besondere Gabe ermöglicht einem nicht im Handumdrehen alles, sie ist kein spiritueller Blankoscheck: In den traditionellen Kulturen wird sie erst einmal nur als eine Anlage betrachtet. Sie kann durch Übung und Lernen zur Blüte gebracht werden. Sie kann aber auch ungenutzt in einem schlummern und brachliegen, je nachdem, was man daraus machen möchte.

Wenn bei einem Mädchen erkannt wird, dass sie das Zeug zur Schamanin hat, geht sie in die Lehre, sonst wird nichts daraus.

Grundsätzlich hat jeder Mensch die heilende Kraft in sich, denn grundsätzlich sind wir alle gleich gebaut. Die, die etwas mehr davon haben, können in etwas größerem Umfang heilen. Oder anders ausgedrückt: Nicht jeder wird gleich Mathematiker, aber eins und eins können wir alle zusammenzählen.

2 Derlon: Heiler und Hexer, S. 24