© 2014 Ecowin, Salzburg
by Benevento Publishing
Eine Marke der Red Bull Media House GmbH
Lektorat: Joe Rabl
Art Direction: Peter Feierabend
Covergestaltung und Satz: Frank Behrendt
Coverfoto: Andreas Hofer
Fotos Innenteil: Privatarchiv Fritz Orter
E-Book-Konvertierung: Satzweiss.com Print Web Software GmbH
ISBN: 978-3-7110-5112-7
www.ecowin.at
Vorwort
Aufbruch, Ausbruch
Fremdes Leid, kalte Trauer
Killing Fields
Heimkehr, Abschied
Nachwort
Erlebte Kriegs-Chronik
Dank
Nachweis der Zitate
Literaturpfade
Roswitha zum Gedenken,
abwesend anwesend,
unvergessen.
VORWORT
After the war, after the war
Oh, nothing will be as before
Daniel Kahn, Lost Causes
Ich war in vierzehn Kriegen.
Ich habe zu viele Tote gesehen, auch zu viele tote Kollegen und Kolleginnen.
Ich hasse den Krieg. Auch wenn er für manche zur Droge wird. Krieg, so alt wie die Zivilisation, ist die größte mentale Verirrung der Menschheit, die brutalste Konfliktlösung. Irrsinn gewordene Realität. Die Angst. Töten und getötet werden. Das Grauen und die Gräuel des Kriegs sind ein Angriff auf die menschliche Seele, zersetzen Ethik und Moral, Gewalt und Leid werden Geschwister.
Ich schreibe diese Zeilen hundert Jahre nach der Entfesselung des Ersten Weltkriegs, der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts.
Nicht nach Ausbruch dieses großen Kriegs. Kriege brechen nicht aus. Kriege werden geplant und beendet. Nach unzähligen Opfern.
Der Erste Weltkrieg ist für mich nicht nur Zeitgeschichte.
Er ist auch Familiengeschichte.
Der erste Mann meiner Großmutter fiel im August 1914 zwei Wochen nach ihrer Hochzeit in Kärnten im katastrophalen Feldzug des Generals Potiorek in Serbien. „Gold gab ich für Eisen“, erzählte sie mir. Aus Gold war ihr Ehering, eisern war ihr Leben.
Ihr Bruder, Lehrer und Leutnant, schrieb ihr ins lila seidenverzierte Jugendstilstammbuch: „Fürs Vaterland zu sterben ist keiner zu gut, aber viele sind zu schlecht dazu.“
Er starb an der Italienfront 1917. Das war der Dank des Vaterlands.
Eine seiner beiden Töchter wurde später, in den 1930er-Jahren, die Frau des berühmt-berüchtigten Munitionsfabrikanten und Patronenbarons der Ersten Republik. Aber das ist eine andere Geschichte.
Mein Großvater war ein Überlebender der Schlacht um Przemyśl 1914, ein Überlebender der drei letzten Isonzo-Schlachten. In der zwölften im Jahr 1918 wurde er schwer verwundet, nachdem er zuvor Kaiser Karl die Hand schütteln durfte. Der Korporal des Gebirgsschützenregiments Nr. 1 bekam als Auszeichnung die „Große silberne Tapferkeitsmedaille“.
Als ich ihm zu Beginn der 1980er-Jahre erzählte, als Jung-Reporter in Polen, in Osteuropa und auf dem Balkan arbeiten zu wollen, warnte er mich: „Du hast keine Ahnung, wohin du fährst. Du weißt nicht, was Krieg ist.“ Und sang mit seiner mir noch heute im Ohr klingenden hellen Tenorstimme sein Kriegs- und Friedenslied:
Jetzt bin i da in Polen
Schon übers zweite Jahr
Und muss daran denken
Wie schön’s daham jetzt war.
O Herrgott, mach an Frieden
Bald für die ganze Welt,
Zerhau die Schützengräben,
Weil’s gar nicht anders geht.
Steig oba da vom Himmel
Und lösch das Feuer aus,
Dann nimm uns
Bei den Händen
Und führ uns wieder z’Haus.
Der Herrgott löschte kein Feuer aus. Und machte keinen Frieden.
Ich schreibe diese Zeilen nach mehr als dreißig Jahren ORF-Reporterleben in Krisen-, Kriegs- und Katastrophengebieten: Kroatien, Bosnien, Serbien, Mazedonien, Kosovo, Tadschikistan, Tschetschenien, Ossetien, Georgien, Armenien, Pakistan, Afghanistan, Israel, Palästina, Gaza, Libanon, Irak, Syrien.
Ich habe Sterbende gesehen. Ich war in dreckig verlausten Lazaretten und erbärmlichen, nach Urin und Kot stinkenden Feldspitälern, ich habe schwarz verbrannte Köpfe gesehen, Körper toter Krieger, aus deren Augen Maden krochen, aufgedunsene Leichen, hineingezwängt in Billigsärge.
Auf der Seite des Verbrauchers ist der Sargdeckel schmucklos, lese ich bei Stanisław Jerzy Lec.
Unter jedem Sargdeckel liegt ein Leben.
Endstation.
Ich habe Leichen gefilmt, die sieben Tage im Regen lagen, auf einer Dorfstraße in Ostslawonien, im Sommer 1991. Kadaver, die eine Woche zuvor noch Menschen waren. Elend, Vertreibung und Tod: Was für den Reporter im Krieg zur Alltagsroutine wird, wird für seine Interviewpartner zur Überlebensfrage.
2. Juli 1991, an der slowenisch-kroatischen Grenze: Die jugoslawische Luftwaffe fliegt Angriffe gegen slowenische Panzersperren. „That’s war!“, stammelt ein im Gesicht blutender Soldat der jugoslawischen Volksarmee in unsere Kamera. Und rennt in seiner dreckig-grünen, schlecht sitzenden Uniform mit meinem Kamerateam ums Leben. Eine Grenzerfahrung, die wir in den Balkankriegen der 1990er-Jahre noch allzu oft erleben mussten.
Ich schreibe diese Zeilen im dritten Jahr nach dem Krebstod meiner über alles geliebten Frau Roswitha. Sie war mein Fels im Niemandsland. Sie gab mir Halt und den Mut, in all den Jahren die Angst zu überwinden.