Rachael Thomas, Lucy Monroe, Melissa McClone, Susan Meier
ROMANA EXTRA BAND 40
IMPRESSUM
ROMANA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: kundenservice@cora.de |
Geschäftsführung: | Thomas Beckmann |
Redaktionsleitung: | Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.) |
Produktion: | Jennifer Galka |
Grafik: | Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto) |
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA EXTRA
Band 40 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2015 by Rachael Thomas
Originaltitel: „Claimed By The Sheikh“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Dorothea Ghasemi
© 2014 by Lucy Monroe
Originaltitel: „A Virgin For His Prize“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Anne Herzog
© 2015 by Linda Susan Meier
Originaltitel: „Her Brooding Italian Boss“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Ghasemi
© Erste Neuauflage in der Reihe ROMANA EXTRA
Band 40 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2003 by Melissa McClone
Originaltitel: „The Wedding Adventure“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
in der Reihe: ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Charlotte Braun
Abbildungen: Andor Bujdoso, J. Palys / Shutterstock, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733743383
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
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Scheich Kazim ignoriert ihre Verzweiflung, als er Amber in der Hochzeitsnacht wegschickt! Mit seinem Jawort hat er seine Pflicht erfüllt. Ein Jahr später muss er Amber unbedingt finden – und sie anflehen, ihm zu verzeihen …
Der Plan ist einfach: Max will die schöne Erbin Romi erobern und ihr in San Francisco einen Antrag machen. Dann würden seine privaten und beruflichen Träume wahr werden. Aber Romi sagt Nein!
Das Survival-Abenteuer wird für Cade zu einer nie gekannten Herausforderung! Denn Überleben ist eine Sache – der verführerischen Cynthia im selbstgebauten Zelt zu widerstehen dagegen eine andere …
Ihre beste Freundin heiratet – während ihre eigene Welt zerbricht! Doch nur der sensible Künstler Antonio Bartulocci bemerkt, dass Laura Beth mit den Tränen kämpft. Er macht ihr ein verlockendes Angebot …
Das war der Moment, auf den Amber sich gefreut hatte. Ihr Hochzeitstag. Ihr Ehemann Prinz Kazim Al Amed von Barazbin war mächtig und einflussreich, und ihre erste gemeinsame Nacht sollte perfekt werden. Obwohl ihr Vater ihn für sie ausgesucht hatte, hatte sie bei ihrer ersten Begegnung ihr Herz an ihn verloren. Sein Ruf eilte Kazim voraus, und sie wollte die routinierte Verführerin spielen, damit er nicht merkte, dass sie noch unschuldig war.
Kaum hatten sie jedoch die Feier verlassen, war alles schiefgelaufen. Sein warmes Lächeln war verschwunden, und nun stand er mit wütender Miene in ihrer Suite.
„Ich will diese Ehe nicht“, teilte er ihr mit. „Du hast keinen Grund, dein Leben zu ändern.“
„Mein Leben zu ändern?“ Natürlich würde sie das müssen. Amber hob herausfordernd das Kinn, um diesem starken Mann gegenüber ja keine Schwäche zu zeigen.
„Genau wie du habe ich aus Pflichtgefühl und Respekt meiner Familie gegenüber geheiratet.“ Als er sie mit seinen dunklen Augen ansah, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Unter ihrer seidenen abaya, dem traditionellen Gewand, ballte sie die Hände zu Fäusten.
Als er dann ihre Hand nahm, begann ihr Herz, wild zu pochen, und für einen Moment schien er verwirrt zu sein.
„Wir haben unsere Pflicht erfüllt. Jetzt wirst du zu deiner Familie zurückkehren.“
Kazim atmete erleichtert auf. Zum Glück war seine Braut eine ruhige Frau, die nicht zu Hysterie neigte. Das musste an ihrer westlichen Erziehung liegen – die auch ihren Charakter verdorben hatte. Erst vor Kurzem war ihm zu Ohren gekommen, dass sie sich während ihrer Internatszeit heimlich mit Männern in irgendwelchen Hotelzimmern getroffen hatte. Sie war nicht die unschuldige Braut, für die er sie gehalten hatte. Er hatte seine Pflicht erfüllt, denn er hatte die Frau geheiratet, die sein Vater für ihn ausgesucht hatte. Mehr würde er nicht tun.
„Und was soll ich jetzt machen?“ Für einen Augenblick wirkte sie panisch, und er fragte sich unwillkürlich, ob er die falschen Schlüsse gezogen hatte.
„Dein altes Leben weiterführen. Natürlich werde ich dafür aufkommen.“ Irgendwann würde er dann klären, ob er überhaupt mit ihr verheiratet bleiben konnte. „Allerdings erwartet man von uns, dass wir die Ehe vollziehen.“
„Das sollte kein Problem sein. Wir tun einfach so, als hätten wir das getan.“
Kazim traute seinen Ohren nicht. Und während sie erst den Schleier und dann ihr Kleid abzustreifen begann, flammte heiße Begierde in ihm auf, denn sie legte gerade einen Striptease hin. Und mit jeder Bewegung wurde sie mutiger und wirkte verführerischer. In seinen Zorn mischte sich Fassungslosigkeit. Diese Frau war bestimmt nicht unschuldig.
Plötzlich war das Reißen von Stoff zu hören, und sie wirkte schockiert. Dann lächelte sie jedoch verführerisch. „So sieht es umso realistischer aus.“
Nachdem ihr Kleid zu Boden geglitten war, stand sie fast nackt vor ihm, und ihre Blicke begegneten sich. Ihre braunen Augen funkelten herausfordernd. Obwohl er sein Verlangen kaum noch zügeln konnte, durfte er sie jetzt auf keinen Fall nehmen, nicht in diesem Zustand.
„Zieh dir etwas an“, stieß Kazim mühsam beherrscht hervor. In nur wenigen Minuten hatte sie bewiesen, dass sie sich überhaupt nicht als seine Frau eignete.
Zehn Minuten später kam sie in einem Frotteemantel aus dem Bad und setzte sich aufs Bett. Wieder blickte sie ihn frech an. „Wenn wir den Anschein erwecken wollen, dass wir die Ehe vollzogen haben, muss das Bett zerwühlt sein.“
Während Amber beobachtete, wie Kazim ihrem Vorschlag nachkam, setzte ihr Selbsterhaltungstrieb ein. Auf keinen Fall würde sie sich so einfach von ihm nach Hause schicken lassen. Es musste so aussehen, als hätte sie mit ihm geschlafen, sonst würde sie ihren Eltern nicht gegenübertreten können.
Und wenn er so kühl und berechnend war, dann konnte sie es auch sein. Nur noch wenige Stunden, und sie würde von hier verschwinden, um vielleicht dann an Orte zu reisen und Dinge zu tun, die sie als einzige Tochter ihres Vaters und Prinzessin von Quarazmir niemals hätte machen können.
Zehn Monate später
Er hatte sie gefunden.
Amber beobachtete, wie Prinz Kazim Al Amed von Barazbin sich in dem Pariser Club einen Weg zwischen den Tischen hindurch bahnte und dabei den Blick über die Tänzerinnen schweifen ließ. Selbst in dem schummrigen Licht konnte sie seinen verächtlichen Gesichtsausdruck erkennen.
Wie erstarrt stand sie da und betrachtete ihn ganz gegen ihren Willen fasziniert. Jede seiner Bewegungen verriet Autorität und ungezügelte Männlichkeit. Mit dem dunklen Teint, dem glänzenden schwarzen Haar und dem teuren Anzug hob er sich von den Stammgästen des Clubs ab, und sie war sicher nicht die Einzige, die ihn bemerkt hatte.
Panik überkam sie, und wieder spürte sie jene starke Anziehungskraft wie bei ihrer ersten Begegnung. Amber verstärkte ihren Griff um das Tablett mit den Gläsern, damit diese nicht aneinanderklirrten. Fast ein Jahr lang hatte sie davon geträumt, dass er sie aufspüren und ihr seine Liebe gestehen würde, aber offenbar hatte sie sich falsche Hoffnungen gemacht.
Kazim hatte sie nie geliebt, und sie bezweifelte, dass sie noch eine brutale Zurückweisung von dem Mann ertragen konnte, den sie einmal über alles geliebt hatte. Er war ihr Traummann gewesen, der Einzige, den sie je geliebt hatte.
Da er sie noch nicht entdeckt hatte, stellte sie vorsichtig das Tablett ab und zog sich in den nicht erleuchteten Bereich zurück, ohne den Blick von ihm abzuwenden. Ihr Herz klopfte im Takt der Musik, als sie sah, wie er stehenblieb und argwöhnisch die Stirn runzelte. Flüchtig ruhte sein Blick auf ihr, und sie erwiderte ihn unwillkürlich.
Dann machte Kazim einen Schritt auf sie zu. Sie glaubte bereits, dass es das gewesen wäre, als er sich erneut im Club umsah. Er hatte sie nicht erkannt. Eigentlich hätte sie sich darüber freuen müssen, doch sie verspürte einen schmerzhaften Stich.
Und gerade als Amber glaubte, sie könnte aufatmen, richtete er erneut den Blick auf sie. Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu und dem harten Zug um seinen Mund nach zu urteilen, hatte er sie erkannt und war alles andere als erfreut.
Unwillkürlich fasste sie sich an die blonde, von pinkfarbenen Strähnen durchzogene Perücke, die sie immer bei der Arbeit trug. Eigentlich konnte er sie nicht erkannt haben – oder doch? Doch sie würde kein Risiko eingehen. Sie war noch nicht bereit, ihm gegenüberzutreten, jedenfalls nicht hier und nicht in diesem Aufzug. Sie brauchte Zeit, um sich zu sammeln und all die Träume zu verdrängen, die er zerstört hatte.
Erneut blickte Kazim zu den Tänzerinnen und dann wieder zu ihr. Und obwohl keiner von ihnen sich in diesem Moment von der Stelle gerührt hatte, schien der Abstand zwischen ihnen sich zu verringern, und Amber nahm Kazims Argwohn und sein Entsetzen wahr. Sie musste verschwinden. Und zwar sofort.
Schnell öffnete sie die nächste Tür und eilte den engen Flur zu den Garderoben entlang, wobei sie blinzelte, weil das grelle Licht sie blendete. Ihr Herz raste. Sie konnte nicht fassen, dass Kazim tatsächlich hier war, nicht nach seinen grausamen Worten und ihrer einzigen gemeinsamen Nacht.
„Amber!“, hörte sie ihn jetzt im Befehlston rufen.
Sofort blieb sie stehen und erstarrte. Ihr Herz pochte noch wilder, als sie seine Schritte hinter sich vernahm und dann erschauerte. Wie konnte Kazim immer noch eine derartige Wirkung auf sie ausüben?
Die Tür zum Club fiel ins Schloss, und schließlich verstummten seine Schritte. Amber spürte, dass er jetzt hinter ihr stand. Schließlich erwachte sie aus ihrer Starre und eilte weiter, ohne sich umzudrehen. Sie wagte es nicht, denn bei seinem Anblick würden all jene Erinnerungen wieder auf sie einstürmen.
„Du kannst weglaufen, Amber, aber du kannst dich nicht verstecken.“ Sein harter Unterton veranlasste sie, sich umzuwenden, als sie ihre Garderobe erreichte. Vor diesem Moment hatte sie sich fast ein Jahr lang gefürchtet.
Es war Zeit, sich ihrer Vergangenheit zu stellen.
„Ich laufe nicht weg.“ Amber straffte sich und wunderte sich selbst darüber, dass sie so mutig klang.
Kazim hatte sich verändert. Er war immer noch sehr attraktiv, sah aber verändert aus. Als er einige Schritte auf sie zu machte, betrachtete sie sein Gesicht mit den hohen Wangenknochen und dem energischen Mund, das in dem grellen Neonlicht noch markanter wirkte. Sie durfte sich nicht anmerken lassen, wie nervös sie war.
„Und ich versuche auch nicht, mich zu verstecken, Kazim.“
„Das dürfte dir in diesem lächerlichen Aufzug ohnehin schwerfallen.“ Seine dunklen Augen funkelten wütend, als er ihre Perücke betrachtete.
„Das gehört zum Job“, erwiderte sie forsch, während er weiter auf sie zukam und dann dicht vor ihr stehenblieb.
Verächtlich betrachtete er sie, genauso wie bei ihrer letzten Begegnung. Die Bilder, die plötzlich vor ihrem geistigen Auge auftauchten, waren so deutlich, als wäre all das erst am vergangenen Abend geschehen.
In jener Nacht hatte Kazim sie zurückgewiesen und ihre Liebe verhöhnt. Er hatte sich von ihr abgewandt, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was es für sie bedeutete. Und deswegen hatte sie sich verändert. Sie war stärker geworden. Er würde ihr nie wieder wehtun.
„Und gehört das hier auch dazu?“ Er zog an den Federn, die an ihrem engen Korsett in Pohöhe befestigt waren.
„Ja“, antwortete sie scharf, während sie seine Hand wegstieß. Niemals würde sie ihm verraten, wie sehr er sie verletzt und ihr Leben zerstört hatte. „Womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, geht dich nichts mehr an. Dafür hast du ja gesorgt.“
Zorn flammte in ihr auf, als sie sich ins Gedächtnis rief, wie Kazim sich von ihr abgewandt hatte, als könnte sie einfach in ihr altes Leben zurückkehren. Dieses hatte sich völlig verändert, und ihn hatte es überhaupt nicht interessiert.
Plötzlich schien er sich zu verspannen. „Lebensunterhalt? So nennst du das also?“ Zorn blitzte aus seinen Augen, und sein Blick war so durchdringend, als wollte Kazim all ihre Geheimnisse ergründen.
Aufgebracht stemmte Amber die Hände in die Hüften. „Keine Angst, niemand weiß, wer ich wirklich bin.“
Das wusste sie ja selbst kaum noch. Sie versuchte sich genauso wie ihrer Mitbewohnerin weiszumachen, dass sie eine ganz normale junge Frau war, die über ihren Liebeskummer hinwegzukommen versuchte.
„Das erklärt, warum du so schwer zu finden warst“, sagte Kazim gereizt.
„Ich wollte ja auch nie gefunden werden. Ich habe noch einmal ganz von vorn angefangen.“
„In einem zweifelhaften Milieu wie diesem?“, spottete er.
„Ich habe mich für einen Kunstkursus angemeldet, Kazim.“ Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, wünschte Amber, sie könnte sie zurücknehmen.
Er atmete tief durch. „Und was ist mit deinen Verpflichtungen?“
„Was hattest du noch in unserer Hochzeitsnacht gesagt?“, erkundigte sie sich scharf. „Ach ja … Wir haben unsere Pflicht erfüllt. Jetzt wirst du zu deiner Familie zurückkehren.“
Einen Moment lang hoffte sie, ihm würde klar werden, dass er sie liebte, doch schnell verdrängte sie diese Gefühle wieder. Warum war Kazim hier? Er hatte ihr doch unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er nichts mit ihr zu tun haben wollte und sich am liebsten wieder von ihr hätte scheiden lassen.
Seine dunklen Augen, in die sie sich damals sofort verliebt hatte, funkelten, und es lag ein bitterer Ausdruck darin. „Ich fasse nicht, dass du dich ausgerechnet in Paris versteckt hast, noch dazu in diesem Stadtteil.“
„Soll ich also lieber in die ganze Welt hinausposaunen, dass ich hier bin?“ Ihre Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, denn er presste die Lippen zusammen. Falls er glaubte, er könnte einfach so wieder bei ihr auftauchen und über sie urteilen, täuschte er sich gewaltig.
„So habe ich es nicht gemeint.“ Er kam noch näher, und sie versuchte, seinem Blick standzuhalten. Sein würziger Duft quälte ihre Sinne, und sie rang um Fassung.
„Wie dann, Kazim?“ Um sich abzulenken, nahm Amber die Perücke ab und schüttelte ihr glänzendes schwarzes Haar. Womit sie allerdings nicht gerechnet hatte, war seine Reaktion.
Seine Augen wirkten plötzlich noch dunkler, und goldene Sprenkel erschienen darin. Kazim schluckte mühsam, einen harten Zug um den Mund.
Die ungezügelte Männlichkeit, die er ausstrahlte, schlug sie in seinen Bann und machte es ihr unmöglich, den Blickkontakt zu unterbrechen. Amber konnte nicht einmal vor dem Feuer zurückweichen, das zwischen ihnen aufgelodert war und sie zu verbrennen drohte. Doch sie fühlte sich dazu hingezogen wie eine Motte zum Licht.
Aus zusammengekniffenen Augen betrachtete er sie. „Sicher hast du unsere letzte Begegnung nicht vergessen. Du konntest es nicht erwarten, dich deiner Sachen zu entledigen. Dass du in diesem Loch arbeitest, überrascht mich deshalb nicht.“
Bei der Erinnerung an jenen Striptease hätte sie am liebsten beschämt die Augen geschlossen. In ihrer Unschuld hatte sie damals geglaubt, sie würde genau das Richtige tun, und die Verführerin gespielt.
„Ich habe keine Zeit, mit dir zu streiten.“ Wütender denn je, widerstand sie der Versuchung, ihm die Perücke entgegenzuschleudern. „Sag mir einfach, was du willst, Kazim, und dann verschwinde, und zwar für immer.“
„Was ich will?“ Seine Augen funkelten kalt, und er fixierte sie gnadenlos.
„Raus damit.“ Amber wandte sich ab. Sie musste sich etwas anziehen, damit sie sich weniger verletzlich fühlte. „Du willst bestimmt die Scheidung.“
Amber öffnete die Tür zur Garderobe, in der Annahme, Kazim würde ihr nicht folgen, und warf die Perücke auf den Frisiertisch. Erst jetzt merkte sie, dass sie den Atem angehalten hatte. Sie musste ihre Gefühle unbedingt in den Griff bekommen.
Ein Klicken verriet ihr, dass Kazim ihr gefolgt und die Tür hinter sich abgeschlossen hatte. Als sie zu ihm herumwirbelte, sah sie ihn mit verschränkten Armen dastehen. Wie immer wirkte er ungemein überheblich.
„Eine Scheidung steht überhaupt nicht zur Debatte“, entgegnete er schroff.
Ihre Gedanken jagten einander. Was wollte er dann von ihr? Was mochte so wichtig sein, dass er sie ausfindig gemacht und sogar selbst aufgesucht hatte?
Kazim beobachtete, wie Amber das Blut aus dem Gesicht wich. Als einziger Sohn und Erbe des Scheichs von Barazbin war er dazu verpflichtet gewesen, die Frau zu heiraten, die dieser für ihn ausgesucht hatte. Und sein Vater hatte ihn auch gezwungen, Amber ausfindig zu machen. Allerdings hätte er nie damit gerechnet, sie an einem solchen Ort anzutreffen.
Seine Frau, Prinzessin Amber von Barazbin, arbeitete als Kellnerin in einem Etablissement, das nicht viel besser als ein Stripclub war. Wie tief war sie gesunken? Kazim verdrängte sein Entsetzen und konzentrierte sich auf den Grund für sein Kommen.
Amber wandte sich ab und fasste ihr Haar, das kürzer war als damals, zu einem Pferdeschwanz zusammen. Sie blickte starr in den Spiegel, als könnte sie Kazims Anblick nicht ertragen. Er hingegen betrachtete fasziniert ihre vollen Lippen.
Er würde sie nach Barazbin zurückholen, denn sie sollte dort an seiner Seite leben.
„Für mich ist eine Scheidung die einzige Wahl, Kazim. Du hast mir deutlich zu verstehen gegeben, dass unsere Ehe beendet war, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte“, erklärte sie streng und mit einem heiseren Unterton. Dann schminkte sie sich ab, und als sie ihn wieder ansah, wirkte sie jünger als dreiundzwanzig. Doch selbst ohne Make-up war sie wunderschön.
„Bestimmt hast du gehört, dass es meinem Vater gesundheitlich nicht gutgeht.“ Kazim ließ die Arme sinken und ballte die Hände zu Fäusten, denn wie immer, wenn er von seinem Vater sprach, verspürte er Zorn und gleichzeitig Reue.
„Was in Barazbin passiert, interessiert mich nicht“, erwiderte Amber kurz angebunden, was seine Wut noch verstärkte. „Warum auch? Ich werde nie wieder dorthin reisen.“
Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn so herausfordern würde. Sie machte ihn ebenso wütend, wie sie ihn erregte. Sie war nicht mehr die liebenswerte Braut, der er den Rücken gekehrt hatte. Doch sie war immer noch seine Frau.
Nun sah sie ihn überheblich an. „Ich würde mich jetzt gern umziehen, wenn es dir nichts ausmacht.“
„Ich habe nichts dagegen, wenn du dir etwas überziehst.“ Dann könnte er vielleicht endlich klar denken.
Sie stemmte die Hände in die Hüften, und genau wie vorher schlugen ihn der Anblick ihrer langen Beine und ihrer schmalen Taille, die durch das Korsett mit den lächerlichen pinkfarbenen Federn noch betont wurden, in ihren Bann.
„Damit meinte ich, dass du gehen sollst“, sagte sie gereizt.
Damit sie vor ihm weglaufen konnte, genau wie sie es am Morgen nach ihrer Hochzeit getan hatte? Er war sich noch gar nicht im Klaren darüber gewesen, wie sie getrennte Wege gehen sollten. Er durfte nicht riskieren, dass sie ein zweites Mal floh. Das hatte sein Vater deutlich gemacht.
„Wenn ich gehe, dann nur mit dir, und da ich nicht mit einer Stripperin in den Straßen von Paris gesehen werden möchte, ziehst du dich besser an.“ Kazim ging auf sie zu, doch ihre scharfen Worte ließen ihn abrupt innehalten.
„Ich bin keine Stripperin!“ Amber wich einige Schritte zurück.
„Wenn ich mich recht entsinne, bist du, was das Ausziehen betrifft, ziemlich versiert. Hast du das in unserer Hochzeitsnacht nicht auch getan?“
Nun atmete sie tief durch. Dass niemand ihre wahre Identität kannte, stimmte tatsächlich. Er hatte Monate gebraucht, um sie ausfindig zu machen.
„Ich bin Kellnerin. Aber wenn ich mich unbedingt umziehen soll, dann mach dich wenigstens nützlich und hilf mir.“
Zuerst konnte Kazim nur ihre bloßen Schultern betrachten, ihre gebräunte Haut, die so verführerisch war, dass er am liebsten die Fingerspitzen darüber hätte gleiten lassen. Dann schweifte sein Blick zu den vielen Häkchen, mit denen das Korsett geschnürt war. Was tat sie ihm bloß an?
Seufzend begann er dann, die Bänder zu lösen, und presste die Lippen zusammen, weil heiße Begierde in ihm aufflammte und es ihn wütend machte.
„Was ist denn mit deinem Vater?“, erkundigte Amber sich leise.
Sofort überkamen ihn schmerzliche Erinnerungen, während das Korsett auseinanderklaffte und ihren verführerischen Rücken offenbarte. In diesem Moment lenkte sie ihn von allem ab – dem Grund für sein Kommen und dem Trauma seiner Kindheit.
Wie gebannt verfolgte er, wie Amber das Korsett festhielt und hinter einen Paravent eilte. Sobald sie es darüberwarf, ging seine Fantasie mit ihm durch, und er sah Bilder ihrer Hochzeitsnacht vor sich.
Schnell riss Kazim sich zusammen. „Er ist hinfällig und schwach.“ Zumindest äußerlich. Ganz bewusst hatte er ausdruckslos gesprochen, weil er nicht grübeln wollte. Er schloss die Augen und verdrängte die Erinnerungen, die er bis an sein Lebensende mit sich herumtragen musste.
„Das tut mir so leid“, sagte Amber sanft, als sie hinter dem Paravent hervorkam – in einem weiten Pullover, Jeans und hohen Stiefeln. Sie erinnerte überhaupt nicht mehr an die Frau, die er geheiratet hatte. Niemand würde auf die Idee kommen, dass sie eine Prinzessin auf der Flucht war.
„Und deswegen musst du zurück nach Barazbin kommen. Ich bin sein einziger Erbe.“ Kazim widerstand dem Drang, ihr zu eröffnen, dass sie einen Erben zeugen mussten.
Amber schüttelte den Kopf. „Auf keinen Fall, Kazim.“
Er seufzte ungeduldig. „Ich mache mir Sorgen um unser Volk. Es gibt Unruhen, und die Nomadenstämme zahlen einen hohen Preis. Viele Menschen zweifeln an meiner Fähigkeit zu regieren, weil du nicht da bist. Also wirst du mich begleiten.“ Scheinbar ungerührt, zog sie ihren Mantel an und nahm ihre Handtasche. „Hörst du mir überhaupt zu, Amber?“
Das Mitgefühl für seinen Vater wich Ärger. „Ja, Kazim.“ Amber langte an ihrem Ehemann vorbei, um die Tür aufzuschließen, und fragte sich dabei, warum sie das nicht vorher getan und ihn hinausgeworfen hatte. Als sie seinem Blick begegnete, wusste sie jedoch, warum.
Irgendetwas schwelte zwischen ihnen. „Du glaubst also, du kannst mich aus einer Laune heraus wegschicken und mich dann wieder zurückbeordern.“ Als er herumwirbelte und die Tür zuhielt, schüttelte sie den Kopf. „Lass mich durch, Kazim, sonst rufe ich den Sicherheitsdienst.“
„Den Sicherheitsdienst? Hier?“ Sein Tonfall war genauso eisig wie sein Blick. „Ich möchte sehen, wie diese Leute damit umgehen, wenn ein Mann und seine Frau sich unterhalten wollen.“
„Ich fühle mich nicht wie deine Frau, Kazim. Wir haben vor zehn Monaten geheiratet und uns seitdem nicht mehr gesehen.“ All der Kummer und der Zorn, die sie seit jener Nacht unterdrückt hatte, kochten nun hoch.
„Wir haben beide aus Pflichtgefühl heraus geheiratet, Amber, vergiss das niemals“, erinnerte Kazim sie autoritär und mit furchteinflößender Miene. „Und nun ist es meine Pflicht, nach Barazbin zurückzukehren – mit dir.“
Amber lachte nervös. Sie wusste nicht so viel über den Mann, den sie vor fast einem Jahr geheiratet hatte, doch sie wusste, dass sein Wort Gesetz war. Als Sohn des Scheichs war er ebenso mächtig wie einflussreich, sowohl in politischer Hinsicht als auch in wirtschaftlicher.
„Ich habe jetzt keine Zeit, darüber zu diskutieren“, verkündete sie. „Ich muss nach Hause, bevor der Geschäftsführer merkt, dass ich noch hier bin, und …“
„Und was, Amber?“ Kazim verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich lässig an die Tür. Er vermittelte ihr das Gefühl, dass sie ein bockiges Kind war.
Schon oft hatte der Geschäftsführer versucht, sie zum Tanzen zu zwingen, und behauptet, ihr Talent wäre als Kellnerin vergeudet. Er hatte jede Gelegenheit ergriffen, und wenn sie sich länger als nötig hier aufhielt, würde er womöglich denken, sie hätte es sich anders überlegt. Und dass Kazim ihr Ehemann war, konnte sie ihm schlecht erzählen.
„Und dann denkt er, dass ich mehr arbeiten möchte“, erwiderte sie energisch. „So, jetzt lass mich bitte durch.“
Einen Moment lang betrachtete er sie fragend, und sie meinte Schmetterlinge im Bauch zu haben, als sie wie gebannt seinen Blick erwiderte. Hätte sie in ihrer Hochzeitsnacht bloß nicht die Verführerin gespielt! Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich dann. Das ist der Mann, der dich zurückgewiesen und dein ganzes Leben ruiniert hat.
„Ich komme mit.“ Kazim stieß sich von der Tür ab und ließ die Hände sinken. Er lächelte leicht, doch es wirkte nicht echt.
„Das brauchst du nicht.“ Amber öffnete die Tür und wollte gerade den Flur betreten, als eine Tänzerin aus dem Club kam. Sobald sie Kazim bemerkte, blieb sie stehen.
„Ich begleite dich nach Hause“, flüsterte er Amber ins Ohr, bevor er besitzergreifend hinter sie trat. Sie bemerkte, dass die Frau erst schockiert wirkte und schließlich lächelte, als er an sie gewandt sagte: „Wir lassen Sie allein.“
Amber kochte insgeheim, denn nun würden die anderen sie am nächsten Tag mit Fragen bedrängen. Wütend marschierte sie in die entgegengesetzte Richtung und durch die Hintertür nach draußen.
Für einen Sommerabend war es ungewöhnlich kühl und windig. Sie schlug den Kragen ihres Mantels hoch und hoffte, Kazim würde ihr nicht folgen. Doch sie hörte seine Schritte hinter sich. Nun würde er erfahren, wo sie wohnte, doch sie würde ihn auf keinen Fall nach Barazbin begleiten.
„Du musst nicht zu Fuß gehen. Mein Wagen steht dahinten um die Ecke.“ Er umfasste ihren Arm, woraufhin ihr prompt heiß wurde.
„Meine Wohnung ist in dieser Straße“, konterte sie und verspürte ein Triumphgefühl, als er flüchtig nach links und rechts blickte.
„Hier?“ Im Schein der Laternen schimmerte seiner Haut bronzefarben, und seine Augen wirkten dunkler als je zuvor. Sein Tonfall war so verächtlich, dass Amber beinah laut gelacht hätte.
„Stimmt etwas nicht mit dieser Straße?“ Sie wünschte, sie wäre mutig genug, ihn nach dem wahren Grund zu fragen, warum er sie mit nach Barazbin nehmen wollte.
„Nur die Tatsache, dass sie nicht in Barazbin liegt.“
„Du hast mich weggeschickt, Kazim. Ich dachte, wenn ich wieder von dir höre, dann, weil du die Scheidung willst.“
Als jemand vorbeikam, verriet Kazims Miene Zorn. „Hier können wir nicht miteinander reden.“
„Es gibt nichts zu besprechen. Ich gehe auch nirgendwo mit dir hin. So, und jetzt entschuldige mich …“
Ohne auf seine Antwort zu warten, eilte Amber weiter. Nach einem Blick auf die Uhr wurde sie noch nervöser. Sie war spät dran, denn sie hatte ihrer Mitbewohnerin versprochen, an diesem Abend früher Schluss zu machen.
Als sie sich jetzt umblickte, stellte sie fest, dass Kazim sie eingeholt hatte. „Oh nein, bitte“, sagte sie genervt. Ein hartnäckiger Wüstenprinz war nicht das, was sie in diesem Moment brauchte, trotzdem beschloss sie, es hinter sich zu bringen. Sie musste ihn nur davon überzeugen, dass eine Scheidung das Beste für sie beide war.
Amber blieb vor einer verwitterten grünen Holztür stehen und nahm den Schlüssel aus ihrer Tasche. Kazim, der neben ihr stand, fluchte in ihrer Muttersprache. Diese erinnerte sie an ihre Familie, und flüchtig vermisste Amber sie, bis sie sich ins Gedächtnis rief, wie sie sie behandelt hatte. Alle hatten ihr den Rücken gekehrt und sie zu entfernten Verwandten nach England geschickt, um einen Skandal zu vermeiden.
„Hast du nichts Besseres gefunden?“, fragte Kazim angewidert. „Was hast du denn mit dem ganzen Geld gemacht, das ich dir gegeben habe?“
„Was ich mit dem Geld gemacht habe, mit dem du mich ausgezahlt hast, geht dich nichts an“, warf sie ihm an den Kopf, wütend wie nie zuvor, als der Schmerz über seine Zurückweisung sie erneut überkam. In einer einzigen Nacht hatte Kazim ihr Leben ruiniert. Sie würde ihm nicht sagen, dass sie gar nichts von ihm bekommen hatte. Falls er glaubte, sie hätte es verschleudert, umso besser.
„Es war dazu gedacht, dass du so lebst, wie es sich für die Prinzessin von Barazbin gebührt.“
Amber eilte in die Eingangshalle des großen, ehemals eleganten, aber nun ein wenig heruntergekommenen Pariser Stadthauses und dann die Treppe hoch. Als sie vor ihrer Wohnungstür stehenblieb und sich umwandte, stellte sie fest, dass Kazim immer zwei Stufen auf einmal nahm. „Da du mir unbedingt folgen wolltest, musst du jetzt auf mich warten. Ich muss nach Claude sehen und den Babysitter bezahlen.“
„Wer ist Claude?“ Seine Augen funkelten kalt.
„Der Sohn meiner Mitbewohnerin“, erwiderte sie, während sie aufschloss. „Danach hast du ein paar Minuten Zeit, und dann gehst du wieder.“
Genau wie vor dem Betreten des Clubs versuchte Kazim, seinen Zorn zu zügeln, als Amber die winzige Wohnung betrat. Wollte er ihr folgen? Wollte er diese Frau wirklich in sein Leben zurückholen – eine Prinzessin, die befleckt war? Eine Frau, die Geheimnisse vor ihm hatte?
Als Amber sich dann zu ihm umwandte und sich einen Finger auf die Lippen legte, krampfte sich etwas in ihm zusammen. In dem Moment wurde ihm klar, dass er sie trotz allem zurückhaben wollte. Sie gehörte ihm, und er würde seine Ansprüche geltend machen. Egal, was es kostete.
Kazim schien die kleine Wohnung zu beherrschen, und Amber erschauerte, weil sie sich seiner starken Aura nicht entziehen konnte. Ungezähmt, wie er war, gehörte er in die endlose Wüste. Nichts und niemand würde ihn je bändigen, wie ihr in diesem Augenblick schmerzlich bewusst wurde. Welten trennten sie voneinander.
Nachdem die junge Frau, die auf Claude aufgepasst hatte, Kazim mit einem ehrfürchtigen Blick bedacht und die Wohnung verlassen hatte, herrschte angespanntes Schweigen. Amber wappnete sich insgeheim gegen die Auseinandersetzung mit ihm. Nur so konnte sie mit der Vergangenheit abschließen. Wenn sie es nicht tat, würde sie nie eine neue Liebe und ein neues Glück finden.
„Weiß deine Familie, dass du so lebst?“, fragte er scharf. So aufgebracht wirkte er noch größer, noch furchteinflößender. Er seufzte ungeduldig und verschränkte die Arme vor der Brust.
Sie versuchte, seinem durchdringenden Blick standzuhalten. Es erschien ihr wie eine Ewigkeit.
„Leise – Claude schläft“, bat sie ihn, bevor sie in die Küche ging und ihre Tasche dort auf einem Stuhl abstellte. Als sie sich umdrehte und Kazim auf der Schwelle stehen sah, wurde ihr bewusst, dass sie seine Frage nicht beantwortet hatte.
„Wo ich lebe, geht dich nichts an, Kazim.“ Sie hob das Kinn, entschlossen, sich von ihm nicht einschüchtern zu lassen.
Er kam näher, und unwillkürlich wich sie zurück, sodass sie gegen die Arbeitsplatte stieß. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, denn er weckte Sehnsüchte in ihr, die niemals in Erfüllung gehen würden, verbotene Sehnsüchte. Ob er erriet, wie er auf sie wirkte?
„Wie konntest du deiner Familie und deinem Land einfach so den Rücken kehren?“ Seine dunklen Augen funkelten wütend, und sie wollte den Blick abwenden, konnte es allerdings nicht.
Sie musste stark sein. „Das fragst ausgerechnet du? Du hast mich doch nur wenige Stunden nach unserer Hochzeit weggeschickt!“ Ahnte er überhaupt, wie erniedrigend es für sie gewesen war, danach wieder zu ihren Eltern zurückkehren zu müssen?
Schnell verdrängte Amber diese Gefühle, weil sie jetzt nicht damit umgehen konnte. Kazim hatte sie als Ehefrau und als Frau zurückgewiesen, und dafür hätte sie ihn eigentlich hassen müssen. Das tat sie auch, und dennoch konnte sie das erotische Knistern zwischen ihnen, das stärker war als je zuvor, nicht leugnen.
„Aber musst du ausgerechnet in einer Wohnung wie dieser leben, mit einer alleinerziehenden Mutter? Ich nehme an, dass deine Freundin unverheiratet ist.“ Seine verächtliche Miene erinnerte sie an ihre Hochzeitsnacht, als sie die Verführerin zu spielen versucht hatte.
„Deine Annahme ist richtig.“ Amber funkelte ihn an.
Dann dachte sie an den kleinen Claude, der trotz seiner Krankheit immer fröhlich war. Er hatte gleich bei ihrer ersten Begegnung ihr Herz erobert, genau wie Kazim, aber daran durfte sie jetzt nicht denken. Sie bemerkte, dass er auf seine Armbanduhr blickte und dabei der Ärmel seines Jacketts hochrutschte und seinen gebräunten, von feinen Härchen bedeckten Unterarm entblößte. Sofort meinte sie wieder Schmetterlinge im Bauch zu haben, doch sie riss sich zusammen. Nach allem, was er ihr angetan hatte, konnte sie nicht fassen, dass sie so auf ihn reagierte.
Noch nie hatte sie einen Mann so begehrt wie Kazim, und das musste sich ändern, wenn sie das Ganze abhaken wollte. Doch leider hatte sie seitdem nie wieder dieses heiße Verlangen verspürt, wenn sie einen anderen Mann ansah.
„Wo arbeitet die Mutter dieses Kindes? Zu dieser Uhrzeit?“
Er betrachtete sie mit hochgezogenen Brauen, und sie wünschte, er wäre ihr nicht so nahe. Wenn sie jetzt auch nur für einen Moment die Lider schloss, würde allein der würzige Duft seines Aftershaves sie zurück in die Wüste versetzen – an einen Ort, dem sie für immer den Rücken gekehrt hatte.
„Im Club.“ Annie würde bald nach Hause kommen, und einerseits hoffte Amber es, andererseits wollte sie diesen Moment so lange wie möglich hinauszögern. Wenn Annie bald eintraf, konnte sie mit Kazim jedenfalls woanders hingehen.
„Sie ist Stripperin?“ Finster betrachtete er sie, nachdem er wieder einmal voreilige Schlüsse gezogen hatte.
„Die Frauen dort sind Tänzerinnen, Kazim, keine Stripperinnen“, verteidigte sie Annie und benutzte dabei dieselben Worte wie der Geschäftsführer, wenn er sie zu überzeugen versuchte, mit dem Zusatz, dass sie dann viel besser verdienen würde.
„Deine kleine Darbietung in unserer Hochzeitsnacht war also ein Tanz?“ Seine Stimme klang rau und erinnerte sie wieder an jene Nacht, woraufhin Amber noch nervöser wurde. Erneut machte Kazim einen Schritt auf sie zu.
Als sie ihn ansah, stellte sie fest, dass ein anderer, unergründlicher Ausdruck in seinen dunklen Augen lag. Wie gebannt erwiderte sie seinen Blick.
„Erinnerst du dich?“, fragte er so sanft wie nie zuvor, während das Feuer in seinen Augen sie zu verzehren drohte und er ihr Kinn umfasste, damit sie ihn ansah. „Damals hast du getanzt.“
Das hier konnte nicht wahr sein. Sie wollte es nicht. Sie durfte es nicht zulassen. Sie musste ihn loswerden, bevor er sie schwach machte.
„Ich habe weder getanzt noch gestrippt“, entgegnete sie scharf, wütend über ihre Reaktion auf seine Berührung. Gleichzeitig wollte sie, dass er weitermachte. Angriff ist die beste Verteidigung, sagte sie sich dann. „Ich habe getan, was ich für richtig hielt, was ein Mann mit deinem Ruf meiner Meinung nach wollte.“
„Ein Mann mit meinem Ruf?“, wiederholte Kazim langsam und ungläubig.
„Ich war davon überzeugt, dass du den Umgang mit unschuldigen Frauen nicht gewohnt bist.“ Herausfordernd funkelte Amber ihn an. „Dass du mich – ein noch unschuldiges Mädchen – nicht wolltest, und ich hatte recht.“ Sie beobachtete, wie ein harter Zug um seinen Mund erschien. Ja, Kazim hatte sie nicht gewollt, weder als unberührte Braut noch als Verführerin. „Oder lag es daran, dass ich einfach nicht in deine Welt passe? Weil in meinen Adern englisches Blut fließt?“
Sein Schweigen sprach Bände, doch sie redete unbeirrt weiter. „Meine Mutter mag Engländerin sein, aber sie hat sich unsere Kultur völlig angeeignet, sodass sie unsere Heirat genauso gewünscht hat wie unsere Väter.“
Kazim blickte in ihr wunderschönes Gesicht und stellte sich vor, wie ihre weiche Haut sich anfühlen würde. Dabei fragte er sich, wie Amber so etwas denken, geschweige denn aussprechen konnte. Während des ganzen Hochzeitstags hatte das Verlangen nach seiner jungen Braut ihn damals verzehrt. Es war, als hätte sie ihn verzaubert, doch er hatte es nicht gewagt, in ihren Bann zu geraten.
Er hatte sich so erfolgreich dagegen gewehrt, dass er, sobald sie allein waren, wieder der kühle Wüstenprinz gewesen war, der sich nur nahm, was er brauchte. Erst als sie die Maske fallen ließ und ihm so schamlos ihren Körper bot, hatte er gewusst, dass er keine Lüge leben konnte und die Gerüchte über ihre Internatszeit wahr sein mussten. Wenn Amber nun so war wie sein Vater? Er war gleichermaßen alarmiert und wütend gewesen.
Die Heirat war ein Fehler gewesen – und sein Vater war sich dessen ganz sicher bewusst gewesen und hatte seine Loyalität der Familie und dem Land gegenüber auf die Probe gestellt. Er, Kazim, hatte allerdings nicht wiederholen wollen, was er als kleiner Junge miterlebt hatte.
Um Amber zur Vernunft zu bringen, war er unbeabsichtigt schroff zu ihr gewesen. Dabei hatte er ihren erotischen Tanz und ihre Verführungsversuche als Vorwand benutzt. Er hatte so getan, als würde er sie zu ihrer Familie zurückschicken, weil sie nicht die sanftmütige, fügsame Braut war, für die er sie gehalten hatte.
Als er ihr sagte, sie hätten ihre Pflicht erfüllt und sie müsste in ihr Heimatland zurückkehren, hatte sie völlig emotionslos reagiert. War sie womöglich erleichtert gewesen?
Wenn er die Augen lange genug schloss, sah er sie vor sich, wie sie sich mit ebenso routinierten wie verführerischen Bewegungen ihres Schleiers entledigte. Hatte sie das oft getan? Bestätigte ihre derzeitige Tätigkeit das?
Die Heirat war für sie beide unumgänglich gewesen und daher auch der Vollzug der Ehe. Trotzdem war er nicht in der Lage gewesen, Amber zu berühren, geschweige denn mit ihr zu schlafen. Er war der Sohn eines grausamen, harten Scheichs und hatte ihren Willen nicht brechen wollen, so wie sein Vater es mit seiner Mutter getan hatte. Deswegen würde er sich auch nie gestatten, jemanden zu lieben oder geliebt zu werden.
„Ja, du hast getanzt“, bekräftigte Kazim nun rau. „Und dabei hast du dich langsam ausgezogen.“
„Ich habe nur eine Rolle gespielt, Kazim. Ich wollte dich in Versuchung führen.“ Beinah fragend sah Amber ihn an, und er sehnte sich danach, ihr Gesicht zu umfassen. „Aber du hast mir deutlich zu verstehen gegeben, dass es dich angewidert hat.“
„Angewidert?“ Wie, in aller Welt, kam sie darauf? Es war ihm in jener Nacht verdammt schwergefallen, sich zu beherrschen. Er hatte sie sehr begehrt, doch eine noch unschuldige Braut hätte sich niemals so verhalten können. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du so … routiniert bist.“
„Ich habe einen Fehler gemacht, Kazim, und deswegen wolltest du mich nicht. Du hast mich nur geheiratet, weil die Ehe deinem Land Vorteile gebracht hat.“ In ihren Augen lag ein vorwurfsvoller Ausdruck. „Warst du insgeheim froh darüber, dass du mich aus deinem Leben verbannen konntest?“
Wenn er das nur wüsste! Er hatte sich damals beherrscht, um sie zu schützen. Wie gebannt hatte er beobachtet, wie sie etwas zu sehr an ihrem Kleid zerrte, dieses zerriss und dann zu Boden glitt. Dabei hatte sie ihn herausfordernd angeblickt. Als er sie aufforderte, sofort aufzuhören, hatte sie verletzt gewirkt. Er hatte genauso hart und grausam geklungen wie sein Vater.
Sie war im Bad verschwunden, und als sie im Frotteemantel wieder herauskam, hatte er sich in seinen Zorn hineingesteigert, um das Verlangen zu verdrängen. Egal, warum sie sich so verhalten hatte, er durfte die Situation nicht ausnutzen. Wenn sie miteinander schliefen, dann, weil sie beide einen Erben zeugen wollten. Für Leidenschaft war kein Platz in ihrer Ehe.
Er hatte eine schlaflose Nacht im Sessel verbracht, und im Morgengrauen war er aufgestanden und hatte die Frau im Bett betrachtet, die er geheiratet hatte und die er begehrte, aber nicht haben konnte. Er hatte seine Pflicht erfüllt. Er konnte jedoch nicht mit einer Frau zusammenleben, die ihn hintergangen hatte, nicht wenn sie ihn so leicht aus der Fassung brachte. Um ihrer selbst willen musste sie gehen.
„Selbst nachdem du verschwunden warst, hat man die Gültigkeit unserer Ehe nie infrage gestellt“, erklärte Kazim. Dann löste er sich von Amber, bevor er dem Drang nachgab, sie zu küssen. Er hatte ihre Lippen nie gespürt, und momentan war es alles, woran er denken konnte. „Man hat deine Sachen im Zimmer gefunden.“
„Ich wünschte, es wäre nicht so“, sagte sie heftig, bevor sie die Küche verließ und ihn dabei versehentlich mit dem Arm streifte. Im Flur zog sie ihren Mantel aus und hängte ihn auf, und sofort fiel sein Blick auf ihre langen Beine in den engen Jeans. „Ich werde erzählen, was passiert ist, und dann kannst du die Ehe annullieren lassen.“
Kazim schüttelte den Kopf und folgte ihr in den Flur. „Dafür ist es zu spät, Amber.“ Sie durfte ihre Ehe niemals infrage stellen.
Amber wandte sich zu ihm um. Da der Flur nur schwach erleuchtet war, war ihr Gesicht teilweise beschattet. „Ich kann und will nicht nach Barazbin zurückkehren. Ich werde hier gebraucht.“
Alles hatte sich verändert – und das seinetwegen. Er war der einzige Thronfolger, und sein Vater war krank. Er hatte keine Zeit, um eine Ehe zu beenden und eine neue einzugehen. Man musste ihn zusammen mit seiner Frau sehen – mit der Frau, die er vor seinem Volk geheiratet und die dieses willkommen geheißen hatte.
„Das glaubt man dir vielleicht nicht, wenn bekannt wird, was du beruflich machst. Möchtest du wirklich einen Skandal verursachen? Dein Volk und auch meins werden dir den Rücken kehren.“ Als ihr die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde, wirkte sie schockiert. „Nur ich kann deinen Ruf jetzt noch retten.“
„Du bist abscheulich“, flüsterte Amber verächtlich. Dann ging sie zu einer anderen Tür, öffnete sie und schaute in den fast völlig dunklen Raum.
Als sie ihn dann betrat, erinnerte Kazim sich an das Kind, und wieder stieg eine unerklärliche Wut in ihm auf. Warum lebte sie hier und teilte sich eine winzige Wohnung mit einer alleinerziehenden Mutter, die als Stripperin arbeitete? Wollte sie ihren Ruf völlig ruinieren?
Er schloss die Augen und ballte die Hände zu Fäusten, um seine Gefühle zu zügeln. Sobald er sich etwas beruhigt hatte, öffnete er die Tür weiter und beobachtete, wie Amber gerade einen kleinen Jungen in ein winziges Bett legte. Dieser murmelte etwas im Schlaf, und sie zauste sein blondes Haar, bevor sie ihm einen Kuss auf die Stirn gab. Obwohl Kazim sich mit Kindern nicht auskannte, schätzte er den Jungen auf etwa zwei Jahre.
Als Amber sich aufrichtete und seinem Blick begegnete, fühlte er sich fast peinlich berührt, weil er eine derart intime Situation beobachtet hatte. Und tatsächlich wirkte sie erschrocken. Sein Magen krampfte sich zusammen, als Kazim sich vorstellte, was hätte passieren können, wenn er damals seiner Begierde nachgegeben hätte und sie in ihrer Hochzeitsnacht ein Kind gezeugt hätten. Er wollte kein Vater sein und einem Sohn oder einer Tochter dieselben Erfahrungen zumuten, die er gemacht hatte. Seine Stellung verlangte es allerdings.
„Wenn es dir nichts ausmacht …“, sagte Amber nun so leise, dass er es kaum verstand.
Schweigend zog Kazim sich zurück und schloss die Tür hinter sich. Dann ging er wieder in die viel zu kleine Küche, während ihm unzählige Fragen in den Sinn kamen.
Kurz darauf erschien Amber auf der Schwelle, die Hände in die Hüften gestemmt. „Nenn mir einen guten Grund, warum mich interessieren sollte, was dein Volk von mir hält oder ob mein Ruf ruiniert ist, wie du es so nett ausgedrückt hast“, forderte sie ihn kampflustig auf.
„Deine Familie.“
Schmerz durchzuckte Amber, als sie Kazim anblickte. „Ich habe meine Familie seit dem Tag nach unserer Hochzeit nicht mehr gesehen.“
Als ihr Vater sie damals wegschickte, hatte sie ihre Mutter gebeten, ihr zu helfen, doch diese hatte ihr genauso den Rücken gekehrt wie Jahre zuvor der westlichen Welt. Für sie waren arrangierte Ehen inzwischen ganz normal. Es schien Amber, als würde ihre Mutter versuchen, ihr englisches Erbe zu leugnen und damit auch die Konflikte, die sie veranlasst hatten, sie aufs Internat zu schicken.
Kazims nächste Worte brachten sie unvermittelt in die Wirklichkeit zurück.
„Du hast also deiner Familie genauso wie deinem Erbe den Rücken gekehrt, um nach Paris zu gehen und in einem Club zu arbeiten.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte sie vorwurfsvoll an.
Glaubte er wirklich, sie hätte das freiwillig getan? Doch wenn er unbedingt schlecht von ihr denken wollte, würde er sich vielleicht auch eher von ihr trennen. Er mochte der Mann sein, den sie vom ersten Augenblick an geliebt hatte, der Mann, mit dem sie gern eine Familie gegründet hätte, aber er würde sie niemals lieben. Das musste sie endlich akzeptieren.
„Wo ich arbeite und was ich hier tue, ist unwichtig“, erklärte Amber scharf und wünschte, sie hätte Kazim niemals in ihre Wohnung gelassen. „Wichtig ist nur, dass ich hier, bei den beiden Menschen, die mir mehr als alle anderen bedeuten, gebraucht werde und erwünscht bin.“
Der einzige andere Mensch, der ihr je das Gefühl vermittelt hatte, gebraucht zu werden und erwünscht zu sein, war ihre inzwischen verstorbene Großmutter, und Amber vermisste sie schrecklich. Seit Annie und der kleine Claude in ihr Leben getreten waren, war sie zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder glücklich. Die beiden entschädigten sie um einiges für die Tatsache, dass der Job in dem Club der Einzige gewesen war, den sie ohne Ausweis hatte bekommen können.
„Du wirst in Barazbin gebraucht“, konterte Kazim scharf.
Seine Worte verletzten sie tief. „Gebraucht vielleicht.“ Amber zuckte die Schultern und gab sich gleichgültig. „Aber nicht erwünscht. Nicht von dir, Kazim.“
„Mein Vater ist krank.“ Das Blut wich ihm aus dem Gesicht, und ein gequälter Ausdruck trat in seine Augen. Einen Moment lang spürte sie seinen Schmerz, aber sie durfte keine Schwäche zeigen. „Ich bin dazu verpflichtet, die Zukunft des Landes zu sichern.“
„Damit habe ich nichts zu tun. Wir haben uns seit unserem Hochzeitstag nicht mehr gesehen, und du hast selbst gesagt, man würde meinen Ruf anzweifeln.“ Sie hoffte, er würde einsehen, dass sie sich nicht zur Prinzessin eignete, vor allem jetzt nicht mehr.
„Du bist meine Frau“, bekräftigte Kazim langsam, während er auf sie zukam und die Atmosphäre sich immer mehr auflud. „Und du kommst mit mir zurück.“
Amber seufzte. Wann würde er es endlich begreifen? „Der kleine Junge da braucht mich.“ Sie deutete auf die Tür zu Claudes Zimmer.