Cover

DAS BUCH

Zuhause hat sich Ellen eigentlich nie irgendwo gefühlt. Außer einmal, mit sechzehn, als sie kurz auf einer Hallig wohnen durfte. In diese windgepeitschte Landschaft hat sie sich verliebt, in die Salzwiesen und Warften, in Ebbe und Flut. In ihrer Stiefschwester Liske fand sie dort zum ersten Mal in ihrem Leben eine wahre Freundin. Als Ellen kurz darauf wieder gehen musste, schwor sie sich: Eines Tages würde sie zurückkehren auf diese unwirklichen Inseln, die vom Untergang bedroht sind.

Zwanzig Jahre später kommt sie tatsächlich wieder. Als Lehrerin in der Halligschule möchte sie nun ihren Platz finden. Doch Liske ist gar nicht begeistert von Ellens Rückkehr, weiß sie doch, dass die meisten Zugezogenen es hier eh nicht lange aushalten. Nur zu gut erinnert sie sich daran, wie verlassen sie sich damals schon bei Ellens Abreise gefühlt hat. Noch einmal wird sie nicht zulassen, dass Ellen ihr Leben aus den Angeln hebt. Dabei möchte diese genau das Gegenteil: endlich ankommen. In ihrer Seelenheimat.

DIE AUTORIN

Klara Jahn ist das Pseudonym einer bekannten Bestsellerautorin. Die Historikerin liebt es, große Geschichten zu erzählen und dabei tief in die Geschichte der Orte und Menschen einzutauchen. Dabei lässt sie sich von ihrer Liebe zur Natur und ihrer Faszination für raue Landschaften leiten. Bei Heyne wagt sie sich zum ersten Mal in den deutschen Norden vor, dessen herbe Schönheit sie seit Jahren fesselt. Die gebürtige Österreicherin lebt seit 2001 mit ihrer Tochter in Frankfurt am Main.

KLARA JAHN

DIE FARBE

DES

NORDWINDS

ROMAN

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Originalausgabe 03/2021

Copyright © 2021 by Klara Jahn

Copyright © 2021 dieser Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Susann Rehlein

Umschlaggestaltung: FAVORITBÜRO, München,

unter Verwendung von Collin Key/sah/GettyImages

Herstellung: Helga Schörnig

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN: 978-3-641-26551-9
V002

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Die nächste Flut verwischt den Weg im Watt,

und alles wird auf allen Seiten gleich;

die kleine Insel draußen aber hat

die Augen zu; verwirrend kreist der Deich

um ihre Wohner, die in einen Schlaf

geboren werden, drin sie viele Welten

verwechseln, schweigend; denn sie reden selten,

und jeder Satz ist wie ein Epitaph

für etwas Angeschwemmtes, Unbekanntes,

das unerklärt zu ihnen kommt und bleibt.

Und so ist alles was ihr Blick beschreibt

von Kindheit an: nicht auf sie Angewandtes,

zu Großes, Rücksichtsloses, Hergesandtes,

das ihre Einsamkeit noch übertreibt.

Aus Rilkes »Die Insel«

DAMALS

Die alten Friesen glaubten, dass die Kinder aus der Tiefe des Meeres kommen und die Eltern sie aus den Fluten ziehen. Meine Eltern Marten und Kaatje Nilson glaubten das nicht. Sie dachten, dass Gott ihnen am 4. November 1798 einen Sohn geschenkt hatte, so stand es in der Familienchronik.

Sie ließen mich auf den Namen meines Großvaters taufen, am dritten Tag nach der Geburt, nicht in der Kirche, dort war es zu kalt und feucht, sondern in der Dönse, der Wohnstube. Ich trug eine rote Windel, die mit einem ebenfalls roten Band kreuzweise zugebunden wurde, wie es ein alter Brauch will, und die Nachbarn kamen zur Kindskiek, zur Schau des Kindes. Sie brachten warmes Essen mit und vier Eier. Die vier Eier wurden nicht in den Graupenbrei gerührt, sondern einer unserer Hennen ins Nest gelegt, auf dass sie sie ausbrütete.

Würden alle Küken schlüpfen, wäre es ein gutes Zeichen gewesen, schlüpfte keines, ein schlechtes. Bei mir waren es zwei von vier Eiern, deren Schalen am Ende aufsprangen und ein feuchtes, klumpiges, fedriges Bündel preisgaben. Meine Eltern waren damit zufrieden. Zwei und zwei, das passt in eine Welt, die aus Himmel und Erde, Ebbe und Flut, Tag und Nacht besteht. Ein Leben, in dem Freude und Leid einander aufwiegen, war für sie ein rechtes.

Das nächste Kind, mit dem Gott sie erfreute, starb; das übernächste, mein kleiner Bruder Hendrik, lebte. Mit ihm kam ein Mädchen aus dem Mutterleib, das nur ein einziges Mal schrie. Wenn ich mich an diesen Schrei erinnere, glaube ich stets das Gackern jener Henne zu hören, die die Eier für meinen Bruder ausbrütete. Das Mädchen bekam keine, es wurde keine drei Tage alt.

Zwei Kinder, die lebten, und zwei, die starben. Das war ein rechtes Leben.

Ein rechtes Leben bestand aus den immer gleichen Pflichten, zur festgelegten Zeit ausgeführt.

Am Morgen mussten die Tiere gefüttert und der Stall gereinigt werden, der sich im nördlichen Teil des Hauses an die Wohnräume anschloss. Streu gab es keines, Heu war immer knapp. Danach wurden aus Dünengras Stricke gedreht, später die Kühe daran auf die Weide geführt, auf der Hallig heißt die Weide Fenne. Manche Pflichten packte man erst nach dem Mittagsmahl an. Von klein auf sammelte ich Muschelschalen, die an die Kalkbrennereien von Tondern verkauft wurden, oder um die weichen Marschwege in mühsamer Kleinarbeit zu bestreuen. Manchmal sammelten wir auch Strandgut, das aus den Tiefen des Meeres kam wie die neugeborenen Kinder. Dauben von Fässern, Deckel von Seemannstruhen, zerfledderte Stiefel, rissige Taue. Die schweren Sachen schleppten die Männer, die leichteren die Frauen und Kinder. Bei vielem, was die See ausspuckte, wusste ich nicht, wozu man es gebrauchen könnte. Ich wusste ja auch nicht, wozu man meinen kleinen Bruder Hendrik gebrauchen könnte, der unentwegt mit rotem Kopf schrie. Doch mein Vater war geschickt. Er verstand es, aus einem mächtigen Rundholz, das einst Teil eines Schiffsrumpfs gewesen war, einen Deckenbalken zu zimmern.

Es gab Pflichten, die nicht jeden Tag zu erfüllen waren, sondern zu einer bestimmten Jahreszeit. Im Mai wurden die Schafe geschoren, ihr Vlies im Meerwasser gewaschen. Die Lämmer, die jene Schafe geboren und gesäugt hatten, wurden im Juni verkauft, die Milch sodann zu einem würzigen Käse verarbeitet, der umso besser schmeckte, je gelber und salziger er war.

Bis zum Ende des gleichen Monats sammelten wir die Eier von Seeschwalben und Austernfischern. Fanden wir mehr, als wir tragen konnten, ritzten wir mit einem Stock ein Kreuz in die Erde vor dem Nest. Jeder wusste dann: Dieses Ei gehört einem anderen.

Erst viel später, in den langen Regennächten, mit denen sich der Herbst ankündigte, zogen wir aus, um Ringelgänse zu erschlagen. Mit viel Glück trafen wir die Gänse an, solange sie noch schliefen. Einmal erwachte eine, als ich mit meinem dicken Stock in der Faust auf sie zutrat, fuhr schnatternd hoch und biss mich in die Wade. Es war recht von ihr, um ihr Leben zu kämpfen, erklärte mein Vater, der keine Tränen sehen wollte. So wie es recht von uns war, sie zu erschlagen.

Noch später im Jahr wurde Seetorf gestochen, um daraus Salz zu gewinnen. Das weiße Gold nannte man es, was ich lange nicht verstand, weil ich nicht wusste, welche Farbe das echte Gold hat. Die Salzsieder begannen am Jakobitag im Februar mit dem Salzkochen, und wenn der Frühling nahte, brachten Salzschuten es ans Festland. Nur ein Teil davon blieb hier, um damit Fische einzureiben. Das weiße Gold machte die Hände meiner Mutter rot. Sie sang beim Einsalzen, der Vater wollte auch bei ihr keine Tränen sehen.

Einmal im Jahr weinte meine Mutter doch, und mein Vater konnte es nicht mit strengem Blick verhindern. Wenn sie in Tränen ausbrach, war er nicht mehr hier, sondern auf seinem Schiff. Auf einem Boot fing man nur Fische. Auf einem Schiff jedoch fing man Wale und Robben. Die Halligmänner reisten weit in den Norden, in eine Welt, die aus Eis bestand. Eis, das auf dem Wasser trieb, Eis, aus dem man Häuser baute, Eis, mit dem man Gruben füllte, um Fleisch frisch zu halten. Am Vorabend des Petrifests brachen die Männer auf, die jüngsten unter ihnen gerade vierzehn Jahre alt.

Sei stark, sagte Vater stets, bevor er ging. Doch für kurze Zeit war meine Mutter nicht stark, Tränen der Verzagtheit perlten über ihre Wangen. Dann wischte sie sich die Wangen ab, wurde wieder die Alte, tat, was getan werden musste, Tag für Tag, Monat für Monat, ob mit den Männern oder ohne. Sie molk die Rinder, suchte bei Ebbe auf dem schlickigen Grund des Meeres nach Muscheln, trieb die Schafe in den Stall, wenn das Wasser höher stieg, sie wuchtete Steine dorthin, wo das Wasser das Ufer zu zerreißen drohte.

Meine Mutter beugte sich der Ordnung.

Lange Zeit dachte ich, das Meer täte es auch. Lange Zeit stellte ich mir das Meer wie einen Halligmann vor, stolz und maulfaul, stur und zäh – aber demütig. Gewiss, das Meer veränderte sich oft. Manchmal war sein Atem rau und kalt, manchmal fischig-faulig. Es hatte viele Farben: ein funkelndes Grün, ein abgründiges Schwarz, ein verwaschenes Grau, ein eisiges Blau.

Was gleich blieb, war, dass es sich den Gesetzen von Ebbe und Flut beugte, so wie mein Vater wusste, wann er in den Norden aufbrechen musste, meine Mutter wusste, wann sie sich die Tränen abzuwischen hatte, unsere Hühner, wann sie Eier zu legen hatten.

Doch das Meer konnte so frech sein wie mein kleiner Bruder. Hendrik schluckte manchmal beim Krabbenpulen das rohe Fleisch, und wenn Mutter warnte, er werde Bauchschmerzen kriegen, aß er noch mehr davon. Manchmal legte er die leeren Schalen auf einen Stuhl, und wenn sich jemand daraufsetzte, knackte es. Das Meer, willensstark, trotzig, unbeugsam, tat nur so, als würde es sich an eine Ordnung halten, indem es verlässlich anstieg und sich wieder zurückzog. Im vierzehnten Jahr meines Lebens erlaubte es sich einen Spaß.

Das Meer neckte meinen Vater. Das Schlimmste ist geschafft, neckte es ihn, du bist heil vom Norden zurück. Du bist dort nicht von Eis eingeschlossen worden und verhungert, du bist nicht gefangen genommen und als Sklave in Algier verkauft worden, du bist schon westlich von Amrum, unweit vom Kniepsand, du kannst sie schon fast sehen, die Frau im weißen Kleid, die am Ufer steht und dir zuwinkt. Doch es ist keine Frau, es ist eine Wolke, und die Wolke ist nicht weiß, sondern schwarz.

Der Wind trieb das Schiff meines Vaters nicht näher an den heimatlichen Hafen, er trieb es zurück ins offene Meer, und das Meer riss das Maul auf und verschluckte das Schiff mitsamt den Menschen darauf. Das Holz spuckte es wieder aus, spülte die Trümmer ans Land. Auch die Menschen spuckte es wieder aus, da waren es jedoch schon keine Menschen mehr, sondern Leichname. Die Farbe des Todes war von jenem Blau, wie es schimmelige Brotecken haben. Man fand nicht alle Leichname, der meines Vaters blieb verschwunden.

Meine Mutter träumte von diesem Leichnam. Bevor wir die Nachricht von dem Unglück erhielten, erschien er nachts an ihrem Bett, legte sich auf sie und presste alle Freude aus ihr heraus. Hinterher hatte sich eine Pfütze unter dem Bett gebildet. War das die Freude?, fragte ich mich. Oder hatte es vom nassen Leib des Leichnams getropft?

Ich wischte die Pfütze auf, meine Mutter konnte es nicht tun. Wir müssen ihn begraben, sagte sie.

Es gibt nichts zu begraben.

Warum sonst haben wir einen Sarg?

In jedem Haushalt gab es einen Sarg. Holz war auf der Hallig ein kostbares Gut, wenn man einmal welches hatte, machte man sogleich einen Sarg daraus. Man konnte jederzeit einen brauchen, weil Kinder in den Prielen ersoffen oder Frauen im Kindsbett verbluteten und die Alten nie lange siechten. Ich habe noch vage Erinnerungen an meinen Großvater, der über Wochen Blut spuckte, sich in dieser Zeit jeden Mittag in den Sarg bettete und ein Nickerchen machte – um sich daran zu gewöhnen und weil es der trockenste und wärmste Ort im Haus war.

Nachdem wir ihn begraben hatten, hatte mein Vater einen neuen Sarg gezimmert. Den hievten die Mutter und wir Kinder nun vom Dachboden herunter und hin zur Kirche, an einem Dienstag, denn die Ordnung verlangte, dass die Toten an Dienstagen oder an Freitagen begraben wurden. Ob das auch für leere Särge galt, bezweifelte ich, Mutter aber bestand darauf. Alle Nachbarn, die herbeikamen, neigten ihre Köpfe. Der leere Sarg wurde in der Erde versenkt, und in unserem Haus wurde Warmbier aus Gerste und viel Zucker gereicht. Auf das Grab kam ein Grabstein, darauf stand der Name meines Vaters und bereits der meiner Mutter, außerdem ein Spruch:

Die Schifffahrt dieser Welt bringt Angst, Gefahr und Not,

Des Himmels Hafen Ruh’ nach einem sel’gen Tod.

So wollte es die Ordnung.

Nach dem Tod meines Vaters legte sich meine Mutter in den Alkoven und stand nicht wieder auf. Das war gegen die Ordnung.

Hendrik pulte Krabben, aß sie aber nicht mehr, und er legte niemandem mehr die Schale unter den Hintern. Während er still und brav wurde, tat ich alles, was man nicht tun durfte.

Ich briet Fleisch von Tieren, die nicht geschlachtet worden, sondern ersoffen waren, ich molk erst am Abend und brachte den Rindern nach Mitternacht ihr Heu. Ich schlug dem Hahn, der bei Sonnenaufgang krähte, den Kopf ab und ließ einen leben, der zerrupft und mit blutigem Kamm erst zu Mittag krächzte, ich sammelte Muscheln in der Früh und legte Mosaike daraus, anstatt Wege zu pflastern, und ich schor die Schafe erst, wenn sie nichts mehr sahen, und selbst dann auf eine Weise, die das Vlies nicht ganz ließ.

Ich war wütend. Ich verstand nicht, warum ich mich an die althergebrachte Ordnung halten sollte, wenn das Meer nicht dasselbe tat.

1

Eine Durchsage weckte Ellen. Sie war auf der Strecke von Hamburg nach Husum kurz eingedöst. Sie lehnte die Stirn gegen die Fensterscheibe des Intercity, starrte hinaus. Die Landschaft zog an ihr vorbei. Oder sie wurde an der Landschaft vorbeigezogen.

Was sie sah, glich dem Werbefilm eines Reisebüros im Zeitraffer. Die Farben waren durchdringend: das Gelb der Rapsfelder, die jetzt Ende April zu blühen begonnen hatten, das Grün der Wiesen, das Weiß schlanker Birken. Was störte, waren vereinzelte Windräder, so riesig, dass man sie nicht aus der Landschaft retuschieren konnte. Dafür hatten die Wolken genau die richtige Größe: kompakt, flauschig, wie Schäfchen. Auch echte Schafe zogen vorbei, helle Punkte auf der Heide.

»Fahren Sie auch auf eine der Halligen?«, fragte jemand.

Es war die Frau auf dem Platz schräg gegenüber. Aus ihrer Tupperdose stieg der Geruch nach Apfel und Käse.

Ellen löste ihre Stirn von der Fensterscheibe. »Wie kommen Sie darauf?«

»Na, wegen Ihrem Buch.«

Die Frau hatte Ellens Buch über die Geschichte der Halligen an sich genommen, in dem Ellen vorhin noch gelesen hatte. Rasch und dennoch vorsichtig nahm Ellen es ihr wieder ab, ehe diese darin blättern konnte. Sie schlug es selbst auf, betrachtete das Foto einer Hallig aus dem 19. Jahrhundert. Es war schwarz-weiß, hatte nichts gemein mit der Landschaft, die sie eben betrachtet hatte, wirkte kühler, herber, echter.

»Interessieren Sie sich für Geschichte?«

Ellen zögerte ihre Antwort so lange hinaus, bis der Blick der Frau eine Zumutung wurde.

»Ich interessiere mich für Menschen, über die niemand mehr spricht«, murmelte sie. »Die samt ihren Geschichten ausgestorben sind.«

Tod und Vergänglichkeit waren für gewöhnlich Stoppschilder, die Frau fuhr weiter gegen die Einbahnstraße. »Alte Chroniken sind immer toll.«

Chroniken sind nicht alt, dachte Ellen. Das, was die Menschen einst aufgeschrieben haben, war damals für sie neu.

Sie blätterte eine Seite weiter. Das nächste Schwarz-Weiß-Bild zeigte Menschen, die mithilfe von ins Watt gesteckten Pfählen Rochen aufs Trockene lockten. Im Porrennetz eines anderen hatte sich ein Aal verheddert, eine Frau trug einen Weidenkorb voller Muscheln.

»Was machen Sie auf der Hallig? Urlaub?«

»Ich werde dort arbeiten.«

»Ja?«

Ellen fühlte den Blick, der sie maß, sich an etwas festhalten wollte, nichts fand. Ihr Haar, in einem Aschblond, das man bei hellem Licht für Grau hielt, war glatt. Jeans und verwaschener Pulli verrieten weder Modevorlieben noch Protestgebaren oder spezielle Erfordernisse des Alltags. Bei Ellen hätte es keinen großen Unterschied gemacht, ob man sie in Farbe oder Schwarz-Weiß fotografierte.

»Als was? Als Historikerin?«

»So etwas in der Art.« Ellen schlug das Buch zu. »Ich bin schon so früh aufgebrochen, ich komme aus Österreich, besser, ich schlafe noch ein wenig.«

Sie lehnte sich wieder ans Fenster, schloss die Augen, und fand trotzdem keinen Schlaf. Jetzt zogen Bilder aus der eigenen Erinnerung an ihr vorbei. An die Hallig vor zwei Jahrzehnten, an sich selbst im Alter von sechzehn Jahren.

Die meisten Bilder waren schwarz-weiß, doch die Lippenstifte damals waren korallenrot, pink, violett, bordeauxfarben gewesen. Fast aufgebrauchte Lippenstifte, die man mit dem Pinsel des Malkastens hatte herauskratzen müssen …

Liske hatte sich sehr über die Lippenstifte gefreut, bis dahin hatte sie keine Schminke besessen. Manchmal, so vertraute sie Ellen an, behalf sie sich mit Farben aus dem Malkasten, benutzte eine Mischung aus Bleiweiß und Rot für die Lippen und die Wangen. Das Deckweiß wurde leider schnell hart und bröckelig.

»Früher haben sich die Frauen mit Essig, Lilienwurzeln und Blei geschminkt«, erklärte Ellen dem gleichaltrigen Mädchen, mit dem sie seit Kurzem unter einem Dach lebte. »Blei ist allerdings giftig – den Frauen sind davon Zähne und Haare ausgefallen.«

»Woher weißt du nur solche Sachen?«, fragte Liske erstaunt.

Ellen zuckte die Schultern. Sie wusste es aus ihren Büchern, aber sie konnte Liske nicht erklären, warum alles, was sie las, in ihrem Kopf blieb.

»Du kannst meine alten Schminksachen haben, ich brauche sie nicht mehr«, schaltete sich Sunny ein, Ellens Mutter, neuerdings Liskes Stiefmutter, die eigentlich Susanne hieß, aber einen Namen gewollt hatte, der sonniger klang.

Bevor sie vor einigen Tagen mit Ellen zu Liske und deren Vater auf die Hallig gezogen war, hatte sie sich die Haare schneiden lassen, die schicken Kleider waren der praktischen Bauernkluft gewichen, sie schminkte sich nicht länger.

Liske schien bis jetzt nicht sicher zu sein, was sie von der neuen Frau halten sollte, die wie aus dem Nichts im Leben ihres Vaters aufgetaucht war. Sie schien auch nicht zu wissen, was sie von Ellen halten sollte, dem dürren Mädchen mit dem unförmigen Pulli.

»Warum liest du ständig?«, fragte Liske, während sie Sunnys Lippenstifte einsammelte.

Ellen zuckte die Schultern. »Bücher sind für mich das, was die Warften für eine Hallig sind. Der einzige Ort, der bei Landunter aus dem Wasser ragt. Der einzige Ort, wo man sicher ist.«

Liske trat vor den Spiegel und schminkte sich die Lippen bordeauxrot. Der Anblick gefiel ihr wohl, sie lächelte. Bevor sie das Zimmer verließ, wischte sie den Lippenstift wieder ab.

»Vater mag es nicht, wenn man sich schminkt.«

Sunny hatte Liskes Vater erst vor wenigen Wochen kennengelernt. Sie war nur mit einem Rucksack auf die Hallig gekommen, um sich von zwei gescheiterten Beziehungen zu erholen. Weder mit Yogalehrer Dirk in der Eifel noch mit Bergbauer Toni in Tirol hatte es geklappt. Schlussmachen war anstrengend.

Als sie am Tag nach der Ankunft mit dem Rad die Hallig umrundete, riss die von der Salzluft zerfressene Kette. Sunny fluchte. Nach einer Weile hörte sie hinter sich eine Kutsche heranfahren.

Bauer Thijman war mit der Pferdekutsche unterwegs, bot ihr an, das Fahrrad auf die Ladefläche zu wuchten und sie mitzunehmen. Er war wortkarg und sah ihr nicht direkt ins Gesicht, wirkte geheimnisvoll, wie aus einer anderen Welt, einer anderen Zeit. Sunny hatte noch nie einen Lover mit Pferdekutsche gehabt.

Sie saß nicht lange neben ihm auf dem Kutschbock, da lag schon ihre Linke auf seinem Knie und ihr Kopf an seiner Schulter. Wenn Sunny nach einem neuen Leben angelte, hatte sie immer dicke Würmer am Haken, sie wusste, wie man es anging: ein strahlendes Lächeln. »Wie nett von dir, mir zu helfen.« Ehrliches Interesse. »Du lebst auf der Hallig? Oh, wie spannend!« Neugierige Fragen. »Wie bringt man sich auf so einem windigen Fleckchen Land inmitten des Meeres durch?« Dieser schmachtende Blick. Du bist ein Held, du könntest mein Held werden. Sie schmiegte sich noch fester an ihn.

Bauer Thijman war keiner, der viel redete, und er ertrug die Welt auch, wenn er sie für sich alleine hatte. Aber er war so gutmütig, dass er niemanden hinauswarf, der es sich mit ihm in seiner Welt gemütlich machen wollte.

Sunny lernte in den zwei Wochen, die sie Urlaub auf der Hallig machte, viel über die Zucht von Galloways. Danach blieb sie zwei Wochen fort, um alles in die Wege zu leiten, und als sie zurückkam, trat sie keinen neuen Urlaub, sondern ein neues Leben an. Sie hatte wieder nur einen Rucksack dabei, zuzüglich ihrer sechzehnjährigen Tochter Ellen. Die war zwar größer als das Handgepäck, genauso aber stumm.

Sie nickte nur, als Sunny erklärte, Galloways seien für die ganzjährige Freilufthaltung geeignet, sie stammten aus dem Südwesten von Schottland, und die Bio-Salami, die man aus ihnen mache, sei sehr würzig. Für die Milchgewinnung spielten sie keine Rolle, aber neben der Qualitätsfleischerzeugung seien sie unverzichtbar für die Landschaftspflege.

»Ihre Schultern sind stark bemuskelt, die Keulen weniger. Die Behosung soll möglichst gering sein«, dozierte Sunny und lächelte gönnerhaft, als Ellen sie verständnislos anstarrte. »Du verstehst aber auch gar nichts von der Rinderzucht.«

Die Besitzerin der Nachbarwarft, die seit Jahren Galloways züchtete, schien auch nichts zu verstehen.

Als Sunny ihr erklärte, dass Galloways auch mindere Weiden verwerten würden, weil sie so genügsam seien, problemlos ganzjährig im Freien gehalten werden könnten und leicht kalbten, sah sie Sunny sprachlos an. Sie war ähnlich wortkarg wie Bauer Thijman, hatte zu lange nicht ausgesprochen, dass sie und Thijman es gut miteinander aushalten könnten, wo er doch nach dem Tod seiner Frau allein mit der Tochter war und sie noch nie einen Mann gehabt hatte. Jetzt war Sunny da und hielt ihn nicht nur aus, sondern fest, und das mit einer Energie, die die Halligfrauen darauf verwendeten, bei Landunter Werkzeuge zu vertäuen, nicht jedoch einen Mann.

Ein Mann blieb von allein, und wenn er nicht blieb, weil es ihn aufs Festland zog, ließ man ihn gehen.

Als Ellen zum ersten Mal Bauer Thijmans Warft betrat, hielt sie den Kopf gesenkt. Das lange, dünne Haar fiel ihr ins Gesicht.

»Binde dir die Haare zusammen«, sagte Sunny. »Oder noch besser: Lass sie dir endlich schneiden. Diese langen Zotteln sind unpraktisch.«

Ellen hatte wortlos hingenommen, dass Sunny ihre komplette Garderobe ausgetauscht hatte. Die neuen Gummistiefel trug sie so bereitwillig, wie sie auf der Alm ein Dirndl getragen hatte. Aber jetzt schüttelte sie den Kopf. Es gab sie nicht ohne ihre langen Haare. Sie waren der Vorhang, hinter dem sie sich versteckte. Nur wenn sie Bücher las, lugte mehr als die Nasenspitze heraus.

Sunny seufzte, wollte ihr die Haare hinter die Ohren schieben. Ellen wich zurück. Fast trat sie dem Mädchen auf die Zehen, das sich lautlos genähert hatte, etwas kleiner, stämmiger als sie. Ellen blickte nun doch auf, musterte Bauer Thijmans Tochter Liske.

Sunny gab Ellen ein Zeichen, Liske zu begrüßen. Thijman gab Liske ein Zeichen, Ellen zu begrüßen. Sie starrten sich schweigend an.

»Warum soll sie ihre Haare denn nicht lang tragen?«, fragte Liske. »Viele Halligbäuerinnen haben lange Haare.«

»Aber die flechten sie zu Zöpfen.«

»Das kann sie ja auch machen.«

Ellen lächelte Liske unter ihrem Haarschleier hervor an und bückte sich nach ihrem schweren Koffer, der randvoll mit Büchern war.

Wenn Ellen nicht las, beobachtete sie, was auf dem Boden wuchs oder krabbelte. Die Blumen pflückte sie und ließ sie in Büchern trocknen, ehe sie im Lexikon nachschlug, wie sie hießen. Die Käfer ließ sie krabbeln, aber wie sie hießen, wollte sie dennoch wissen.

Als sie knapp zwei Wochen nach ihrer Ankunft auf der Salzwiese saß und auf den Boden starrte, kam Liske lautlos näher. In den letzten Tagen hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Sunny hatte Liske auch noch eine alte Wimperntusche geschenkt, außerdem einen Augen-Make-up-Entferner, damit dem Vater die Schminke nicht auffiel. Liske hatte Sunny gezeigt, wie man die alte Kaffeemühle befüllte und wie der Gasherd funktionierte. Ellen hatte danebengesessen und sich in ihr Buch vertieft.

»Du sollst mir mit den Pferden helfen«, sagte Liske und stupste Ellen an der Schulter an. Sie trug eine alte Bluse mit Carmen-Ausschnitt von Sunny.

Die Pferde zogen Kutschen mit Touristen durch die Gegend.

Ellen löste ihren Blick nicht von dem Käfer vor ihr auf dem Boden. »Ich hab keine Ahnung von Pferden. Der Käfer hier steht auf der Liste der bedrohten Arten. Früher fand man ihn auch in Algerien oder Marokko, heute ist er nur noch auf den Halligen zu Hause. Er sieht aus wie eine Spitzmaus, ist aber kleiner, und er hat einen Rüssel. Er heißt Halligflieder-Spitzmaus-Rüsselkäfer.«

»Wie merkt man sich so was nur?«

Ellen zuckte die Schultern, sah dem Käfer nach, wie er in der Wiese verschwand. Sie wusste auch, dass ein anderer Käfer, der einen Rüssel hatte und darum nur Rüsselkäfer hieß, 1875 zum letzten Mal auf der Insel St. Helena gesichtet worden war. »Er ist danach ausgestorben.«

Ausgestorbene Tiere hatten sie immer schon mehr interessiert als lebende.

»Wieso kennst du den Namen von einem Käfer, der schon tot ist?«, wunderte sich Liske.

»Jemand muss sich doch an ihn erinnern.«

Ellen zeigte Liske ihr Buch. Darin lag eine getrocknete Blume, die sie in ihrem letzten Leben auf der Alm gepflückt hatte, an einem Ort, wo das Land nicht flach war, sondern Falten warf.

»Eine Alpen-Aster«, sagte sie. »Sie sieht aus, als wäre sie gerade erst gepflückt worden, dabei ist sie schon fast ein halbes Jahr tot.«

Blumen waren nichts, was in Liskes Augen leben oder sterben konnte, höchstens blühen und verblühen.

»Sie riecht ja gar nicht mehr.«

Ellen zuckte die Schultern. »Gedanken riechen auch nicht und bleiben trotzdem. Und eure Warft, die es seit Jahrhunderten gibt, lebt, obwohl sie nichts Lebendiges ist.«

Das verstand Liske besser. Sie strich über die getrocknete Blume. »Deine Mutter hat mir von den Tiroler Bergen erzählt. Ich würde so gerne die Berge sehen. Mal was ganz anderes als das hier. Sie hat gesagt, wir könnten irgendwann zusammen verreisen.« Sie richtete sich auf. »Komm, ich zeig dir, wie man die Pferde einspannt. Das Geschirr ist aus Kunststoff, damit es nicht scheuert, wenn es nass wird.«

»Und wenn mich die Pferde nicht mögen?«

»Du musst sie behandeln wie die Galloways. Nähere dich ihnen ganz langsam, immer von vorne, sprich sie leise an. Je ruhiger du bist, desto ruhiger sind die Tiere. Und wenn du ihnen dann und wann einen Leckerbissen gibst, werden sie dich mögen.«

Am Ende dieses Tages hatte Ellen nicht das Gefühl, dass die Pferde sie mochten. Immer wenn sie ihnen eine Karotte reichen wollte, bleckten sie die Zähne, statt sie mit weichen Lippen entgegenzunehmen. Aber Liske mochte sie vielleicht. Als Ellen eines der Rinder striegelte, weil man damit ihr Vertrauen gewann, lächelte sie sie wieder hinter dem Haarschleier hervor an, und diesmal lächelte Liske zurück.

Mit den Pferden wurde sie weiterhin nicht warm. Doch in den nächsten Tagen lernte Ellen noch mehr über die Rinder. Sie half Liske, ein Galloway am Fangstand zu fixieren, als es auf Parasiten kontrolliert wurde. Sie schaute sich ab, wie man Futterstelle und Tränke sauber hielt und auffüllte. Sie beobachtete die Tiere stundenlang. Es gab welche, die auf das Jungvieh achteten, andere, die sich auf Futtersuche begaben, die stärksten schützten die Herde.

»Wie eine große Familie, in der jeder seinen festen Platz hat«, sagte Ellen.

Liske hatte nie eine richtige Familie gehabt, Ellen auch nicht. In Liskes Leben hatte die Mutter gefehlt, in Ellens der Vater.

Liske erzählte, dass ihre Mutter gestorben war. »Mein Vater tut so, als hätte es sie nie gegeben, aber ich denke oft an sie. Ich vermisse sie.«

Ellens Vater war nicht gestorben, aber auch Sunny tat so, als hätte es ihn nie gegeben. »Ich kenne nicht einmal seinen Namen«, sagte Ellen. »Trotzdem fehlt er irgendwie.«

Liskes Mutter war gestorben, als Liske drei Jahre alt gewesen war. Ellens Vater war verschwunden, als Sunny drei Monate lang mit ihr schwanger gewesen war. Zu diesem Zeitpunkt, erklärte Ellen, sei der Fötus noch nicht in der Lage, Geräusche wahrzunehmen, die Strukturen des Gehörgangs entwickelten sich erst in der sechzehnten Woche.

»Ich … ich habe nie seine Stimme gehört. Kannst du dich an die Stimme deiner Mutter erinnern?«

Liske dachte lange nach. »Nein. Aber ich erinnere mich an ein wunderschönes rotes Kleid. Es gibt kein einziges Foto von ihr damit, aber ich schwöre, sie hat es getragen.«

Ellen glaubte ihr. »Wir sind jetzt so was wie Schwestern, oder?«, fragte sie leise.

Liske schwieg.

»Ich bin jetzt so was wie deine Mutter«, sagte Sunny nach dem ersten Monat, da sie mit auf dem Hof lebten. Wieder schwieg Liske. Sunny zeigte ihr Fotos von früher, von den vielen Reisen, die sie gemacht hatte, mit unterschiedlichen Männern, Erinnerungstropfen, die nicht zusammenflossen. Mit dem VW-Bus durch Afghanistan. Zelten in den schottischen Highlands. Animateurin im Club auf Fuerteventura.

»Da möchte ich auch mal hin«, sagte Liske.

»Hier ist es doch wunderschön. Können wir nicht endlich mal ins Watt?«

Sie machten die erste Wattwanderung am nächsten Nachmittag, Ellen und Liske fanden Schneckengehäuse, Krebse, Quallen, Würmer. Über ihnen glitten Vögel durch die Lüfte, stießen hinab ins seichte Wasser, zankten um Beute.

Nicht weit hinter ihnen gingen Sunny und Bauer Thijman. Sunny hatte sich bei ihm eingehängt, Bauer Thijman versteifte sich. Er verstand nicht, was er im Watt machte, einfach so, am helllichten Tag. Man kam hierher, wenn man Touristen zu führen hatte, das war lästig genug, oder in der Nacht, um Bernstein zu suchen.

»Hier gibt’s Bernstein?«, rief Sunny begeistert. »Das Gold des Meeres?«

»Am meisten an der Halligkante, im Spülsaum. Man findet ihn aber nur mit der Infrarot-Taschenlampe.«

»Das stelle ich mir so romantisch vor! Eine Mitternachtswanderung im Mondschein.«

Bauer Thijman hatte dafür keine Zeit, also gingen sie zu dritt. Sunny hängte sich rechts und links bei den beiden Mädchen ein, eine verschworene Gemeinschaft.

»Wir werden jede Menge Beute machen.«

Ellen hatte so ein Wir bis jetzt nicht gekannt. Eigentlich gefiel ihr dieses Wir, es war nur etwas zu klein für sie alle drei. Bei erster Gelegenheit schnappte sie sich die Infrarotlampe, sprintete davon. Liske konnte aufschließen, Sunny war zu langsam.

»Wartet auf mich, ich sehe ja gar nichts mehr.«

Liske hielt Ellen fest. »Im Finstern ist es im Watt gefährlich.«

Ellen blieb stehen. »Aber morgen gehen wir beide allein, ja?«

In der nächsten Nacht knisterte das Watt, die Nordsee war blutrot, auch dort, wo sie in Pfützen stand. Seevögel kreischten in der Ferne, der Himmel war fadenscheinig, das Silber der Sterne floss durch die Löcher im schwarzen Tuch.

Erst fanden sie nur Müll, Reste von Netzen, einen Widerhaken, eine Plastikverpackung von japanischen Nudeln, dann winzige Krumen Bernstein, zuletzt sogar ein ovales Stück von glänzendem Braun, in dem sich ein dunkler Punkt verbarg. Es musste ein Insekt aus Urzeiten sein, ein Caputoraptor elegans oder ein Springschwanz, beide schon längst ausgestorben. Der Grönlandwal war nur beinahe ausgestorben. Erst hatten die Walfänger ihn rund um Spitzbergen dezimiert, später auch im Gewässer um Grönland. Wäre er nicht 1931 als erstes Wildtier überhaupt vom Völkerbund unter Artenschutz gestellt worden, gäbe es auch ihn nicht mehr.

»Wie kommst du von einem Insekt auf den Grönlandwal?«, rief Liske. »Der eine ist riesig, das andere winzig. Den einen gibt es noch, das andere nicht mehr.«

»Eben. Die Dinge, die es jetzt noch gibt, könnte es irgendwann nicht mehr geben.«

Liske lachte ungläubig.

»Wenn du es dir aussuchen könntest, welches Tier wärst du dann?«, fragte Ellen.

Liske legte den Kopf schief und dachte nach. »Eine Küstenseeschwalbe«, sagte sie schließlich. »Wusstest du, dass sie von allen Vögeln die längste Wanderung unternimmt? Sie fliegt jedes Jahr vierzigtausend Kilometer, stell dir das mal vor.«

»Und woher weiß man das?«

Liske zuckte die Schultern. »Es gab Versuche, man hat sie in einer Glockenreuse gefangen und ihnen Peilsender umgehängt.« Ihr Blick richtete sich auf den bleichen Nachthimmel. »Ich wäre auch so gerne … unterwegs«, presste sie hervor.

Später zeigte Liske Ellen eine Küstenseeschwalbe. Sie hatte einen roten Schnabel, einen schwarzen Kopf und deutlich über die Flügelenden hinausragende Schwanzspitzen. Erst beim Anblick des Gefieders fiel Ellen ein, dass ihr der Vogel nicht fremd war.

»Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Küstenseeschwalbe beinahe ausgerottet. Man hat sie gejagt, weil es modern war, Hüte mit den Schwanzfedern zu schmücken.«

»Wie schrecklich«, sagte Liske bebend.

Sie waren mittlerweile so lange unterwegs, dass sie froren, beeilten sich trotzdem nicht heimzukommen, sondern setzten sich dicht nebeneinander auf ein Stück Halligkante.

»Und welches Tier willst du sein?«, fragte Liske.

»Eine Schnecke.«

»Eine Wattschnecke?«

»Egal welche, nur nackt darf sie nicht sein. Ich will mein Haus mit mir herumtragen.«

»Aber eine Schnecke kommt doch kaum voran.«

»Na und?«

Ums Vorankommen war es ihr nie gegangen. Innehalten wollte sie. Bleiben. Hier, an der Grenze zwischen Land und Meer, hätte sie es ewig aushalten können.

Liske nicht. »Ich wäre so gerne … unterwegs«, wiederholte sie. »Ich würde so gerne Reisen machen wie früher deine Mutter. Und ich will auf dem Festland leben. Shoppen gehen, wann immer ich Lust habe, mich schminken und ausgehen, Kino, Theater, Disco, das volle Programm. Vater erlaubt ja nichts. Und was kann man hier schon erleben. Wenn es mal ’ne Party gibt, dann nur in der Halle, wo die Strandkörbe aufbewahrt werden. Mit Musik vom CD-Player.«

Ellen fand, dass das Gluckern und Knistern im Watt die schönste Melodie war.

»Ich will den Lärm von Autos hören und noch mehr Lärm von Menschen.«

Ellen fand, dass es keinen Grund gab, sich von der Hallig fortzusehnen.

»Was ist mit dir?«, fragte Liske. »Was wünschst du dir denn?«

Ellen zuckte die Schultern. Keinen Lärm. Keinen Lippenstift.

»Wo immer ich lebe, ich würde gerne mit dir zusammen sein«, sagte sie. Als sich der Himmel morgenrot färbte, fragte sie erneut: »Wir sind jetzt so was wie Schwestern, oder?«

Diesmal nickte Liske. »Ja, das sind wir.«

DAMALS

Nach dem Tod des Vaters wurde die Mutter nicht mehr. So sagten es die Leute. Sie war kein echtes Halligweib mehr, stark, selbstbewusst, robust. Halligweiber liefen im Winter barfuß durchs Gras, um ein verlorenes Schaf zu suchen. Sie verwalteten und verkauften Ländereien. Wurde ein neuer Küster oder Predikant ausgewählt, wurden sie von den Männern gefragt, denn die Weiber verstanden mehr von Gott. Fuhren die Männer zur See, taten die Frauen alles, was sonst die Männer taten, und das nicht schlechter, wiewohl das keiner zugegeben oder ihnen dafür Anerkennung gezollt hätte.

Ich war nicht traurig, weil meine Mutter nicht mehr stark wurde. Ich war traurig, weil sie nicht lustig wurde, weil sie nicht mehr tanzte und lachte, wie sie es früher oft getan hatte, weil sie nicht länger über die Salzwiesen lief und Halligflieder pflückte. Vielleicht hatte sie es nur verlernt, vielleicht konnte man es sie wieder lehren. Ich versuchte es, ich sang und lachte und tanzte selbst. Ich pflückte Blumen und schmückte die Dönse damit. Mutter blieb schweigsam, ernst und traurig. Ich schaffte es nicht einmal, unserer Kuh beizubringen, dass statt eines Pfiffs nun der Klang meiner Flöte das Zeichen war, von der Weide zum Stall zu traben.

Eines Tages erklärte Mutter, sie spüre ihre Beine nicht mehr. Sie blieb im Alkoven, wo wir seit Vaters Tod sitzend zu dritt schliefen. In dieser Haltung verharrte sie nun. Anfangs zog Hendrik immer wieder an ihren Zehen, und manchmal stieß sie dabei ein Glucksen aus. Anfangs kamen die Nachbarn, drückten ihre Nasen an die Fensterscheiben, lugten über die obere Hälfte der Haustür, die immer offen stand, und betraten ungefragt die Dönse.

Kaatje ist zu jung, um dahinzusiechen, sagten sie. Woran leidet sie überhaupt, da sind doch keine Wunden zu sehen. Sie müsse nur tüchtig Buttermilch trinken, die helfe gegen alles. Wogegen sie nicht half, daran starb man.

Mutter trank Buttermilch, ihr Zustand besserte sich nicht. Sollen wir vielleicht die Beine hineintauchen?, fragte Hendrik eines Tages.

Ich füllte einen Waschtrog mit Buttermilch, verdünnte sie mit Wasser, hievte mit Hendriks Hilfe Mutter in den Trog. Nur die Schultern und ihr Gesicht schauten noch heraus – blass, aber nicht ganz so weiß wie die Milch, das machte mir Hoffnung.

Später brachte ich ihr eine Feuerkieke, in der noch Torf glühte, ins Bett. Wenn sie sich lange genug daran presst, bekommt ihr Gesicht vielleicht wieder Farbe, dachte ich.

Aber Mutter blieb blass. Als ich sie musterte, ging mir auf, dass das Meer zwar viele Farben hatte, niemals aber derart fahl wurde. Das Meer konnte nicht erbleichen. Das Meer konnte nicht siechen.

Ratlos sah ich zu, wie sie immer durchscheinender wurde. Was, wenn die Haut irgendwann so dünn war, dass die blauen Adern sie sprengten, dass Blut hervortropfte? Dann fiel mir ein, was ebenso stark war wie das Meer: die Sonne.

Ich hievte Mutter auf meinen Rücken, schleppte sie zu einem Plätzchen unweit der Warft, wo die Salzwiesen nicht feucht waren. Behutsam setzte ich sie auf den Boden. Falls die harten Halme sie stachen, zeigte sie es nicht. Halligflieder blühte, Silbermöwen schwebten zwischen Himmel und Erde, die Strandnelken bebten im lauen Wind, der Wermut duftete herb. Mutter beobachtete, wie die Schmetterlinge durch die Luft flatterten, dann flatterten auch ihre Lider, und die Müdigkeit überkam sie.

Es ist falsch, im Freien zu sein und nichts zu tun, sagte sie.

Du musst dich nur ordentlich erholen, dann wird es dir besser gehen, sagte ich.

Du solltest deine Zeit nicht verschwenden.

Ich schufte doch genug.

Ums Schuften geht’s nicht. Lernen sollst du, mehr als nur, wie man Arbeiten verrichtet, Kirchenlieder singt und dass das Schweigen besser Vergessen schenkt als der Wein. Dein Vater wollte nicht, dass du zur Schule gehst, ich musste darum kämpfen, dass er’s dir wenigstens an ein paar Tagen erlaubte. Trotzdem bist du der beste von allen Schülern! Und du wärst gerne noch besser, nicht wahr? Schade, dass wir nur ein Gesangbuch besitzen und eine holländische Navigationsschrift. Und dass es auf der Hallig keinen richtigen Lehrer gibt, nur den Predikanten. Wenigstens kann Vater dir nicht mehr verbieten, zu ihm zu gehen.

Kurz glaubte ich, die Stimme des Vaters zu hören. Das Rauschen des Meeres lehrt dich mehr als des Menschen Geplapper. Doch sie blieb ein dünnes Echo an den Wänden eines Jetzt, das für ihn nie zur Gegenwart geworden war.

Plötzlich robbte Mutter ein kurzes Stück, pflückte einen Halligflieder, pustete gegen die violetten Blüten, die wie das Meer rochen, nicht wie Blumen.

Die da können leben, obwohl der Boden so salzig ist, vielleicht gerade weil er so salzig ist, murmelte sie. Du wirst aufblühen, obwohl der Vater tot ist, vielleicht gerade weil er tot ist. Ich nicht. Ich verwelke.

Ich habe keine Zeit, in die Schule gehen, murmelte ich, ich muss mich um dich, um Hendrik, um den Hof kümmern.

Mutter suchte meinen Blick, ihre blauen Augen schimmerten so violett wie der Halligflieder. Ich bin dir nur eine Last, so sollte es nicht sein. Du solltest keine Rücksicht nehmen müssen – weder auf mich noch auf Hendrik.

Er ist mein Bruder! Wir sind eine Familie!

Und doch ist es besser, wenn du hinaus in die Welt gehst, das Leben auskostest in seiner ganzen Fülle.

Ich schüttelte den Kopf. Unsinn. Das hier ist mein Leben.

Sie schwieg lange, nickte schließlich. Du bist stark genug, dich notfalls gegen die Ordnung zu stellen, sagte sie. Ich verspreche dir, ich werde stark genug sein, um zumindest Ordnung zu schaffen.

Meine Hoffnung, dass alles gut würde, erstarkte bei diesen Worten. Die Sonne hat geholfen, dachte ich und wusste nicht, dass sie die Mutter nicht gewärmt, nur geblendet hatte.

Als Hendrik und ich schliefen, erhob sich die Mutter. Mühelos stand sie auf den eben noch gelähmten Beinen. Sie tat, was über Wochen im Haus nicht getan worden war. Sie nahm den Staubwedel und putzte die Fensterbänke, den Tisch, die Truhen, die Türen mit den Malereien, die Wand mit den holländischen Fliesen. Sie fegte den Boden aus Backsteinen, gefugt mit Muschelkalk. Sie zog eine mit blankem Messing verzierte Lade aus dem Hochzeitsschrank, in der sich ihr Schatz befand: das feine Sonntagskleid, das seidene Halstüchlein, goldene Ringe und Ketten. Sie kleidete sich um, legte sämtlichen Schmuck an. Zuletzt zog sie ein kleines Glasfläschchen hervor. In der Sonne hätte es in allen Farben des Regenbogens geleuchtet. Jetzt war es zu finster, außerdem war das Fläschchen leer. Mutter hatte immer davon geträumt, etwas zu tragen, das man Parfüm nannte und aus Spermaceti herstellte, jener fettigen Masse, die man aus den Stirnhöhlen des Pottwals gewann und die aus einem flüchtigen Duft einen ewigen machte. Vater hatte diese Masse regelmäßig an einen Parfümeur verkauft, doch von dem Geld, das er damit verdiente, nie etwas in einen Duft für Mutter gesteckt. Warum auch, hatte er gesagt, hier pfeift der Wind, da bleibt kein Duft hängen. Nur dieses leere Fläschchen hatte er ihr geschenkt.

Meine Mutter öffnete es, tat so, als tröpfele sie den Inhalt auf ihren Handrücken. Sie roch daran, sog tief einen Duft ein, den es nicht gab. Vielleicht kann ein Mensch, der beinahe nicht mehr da ist, etwas wahrnehmen, das noch nie da war. Danach putzte sie weiter die Dönse.

Die Ordnung besagte, dass eine Frau, die zu nichts taugte, auf Erden nichts verloren hatte. Also stieg sie auf den Dachboden, steckte Kopf und Hände durch die Fensterluke, zwängte ihren Oberkörper hindurch. Kurz schien die Hüfte zu breit für die Fensterluke. Doch sie ächzte und quälte sich, stieß sich ab. Mutter fiel. Als ihr Rückgrat brach, klang es, als würde trockenes Holz zerbrechen – ein Geräusch, das es auf der Hallig sonst nicht gab, denn hier war sämtliches Holz feucht.

Die Mutter übergab sich, sie schrie vor Schmerzen, ganze zwei Tage. Hendrik und ich hievten sie in den Alkoven. Hendrik zog nicht mehr an ihren Zehen, er schluchzte erbärmlich.

Geh, sagte ich zu ihm. Geh!

Ich blieb. Ich widerstand dem Drang, mir die Ohren zuzuhalten. Es war schlimm genug für sie, derart zu leiden. Sie sollte nicht auch noch sehen müssen, wie groß mein Entsetzen darüber war. Bis zu ihrem letzten Atemzug harrte ich aus und hielt ihre Hand.

Nachdem sie gestorben war, ging ich Hendrik suchen. Alles hatten wir Brüder bislang gemeinsam erlebt – nur nicht Mutters Tod.

2

Für viele Halliglüd blieben Ellen und ihre Mutter Fremde. Ellen fühlte sich trotzdem zu Hause. Sie verglich sich mit der Pazifischen Auster. Diese war in Europa anfangs auch fremd gewesen, aber dann war sie heimisch geworden, hatte die Europäische Auster sogar verdrängt. Sie folgte Sunny nicht länger auf Schritt und Tritt, wie sie es früher getan hatte. Allein oder gemeinsam mit Liske lief sie mit den Galloways über die Fennen, befüllte den Wassertank, reinigte die Heuraufe, pflückte auf den Salzwiesen den Queller, den die Halliglüd gerne unter den Salat mischten. Dabei knabberte sie immer mal wieder an einem Stückchen. Es schmeckte salzig, erfrischend, echt. Auch das Leben hier war echt. Es war ihres.

Sie waren inzwischen seit drei Monaten auf der Hallig. Sunny zeigte Liske keine Fotos mehr von fernen Ländern, versprach nicht mehr, dass sie irgendwann gemeinsam verreisen würden, sie betrachtete Bauer Thijman nun oft missmutig. Als sie ihm beim Schafescheren zusah, kam er ihr brutal und herzlos vor.

»Wie er sie packt, so grob, wie Dinge.«

»Er muss sie doch festhalten«, erklärte Ellen. »Wie sonst soll er mit der Schurmaschine die Wolle am Stück abscheren? Den Tieren tut das nicht weh. Die erfahrenen halten still.«

»Und wenn sie sich was eingetreten haben, reißt er ihnen fast die Füße raus.«

»Er muss doch genau hinschauen. Wenn ein Schaf hinkt, kann das auch an der Moderhinke liegen, das ist eine sehr schlimme Krankheit.«

»Und er schlachtet sie und macht Wurst aus ihnen, aus den Lämmchen macht er Lammgulasch. Die süßen Lämmchen, ihr Schreien klingt wie Weinen.«

»Du hast doch auch davon gegessen.«

Sunny zog die Schultern hoch. »Tu ich nicht wieder.«

Fortan lebte sie vegetarisch.

Auf ihr erstes Landunter wartete Sunny schon lange, ein Höhepunkt in ihrem Leben als Halligbäuerin sollte es werden.

Eines Tages zog dann ein Sturm auf, der anders klang als der Wind, der sonst übers flache Land peitschte. Kein Ostwind, der schönes Wetter brachte und die Fähre von der Hallig fernhielt, weil dann zu wenig Wasser in der Fahrrinne war. Sondern scharfer Nordwestwind, der unberechenbar war, gefährlich.

»Ich fühl’s«, sagte Bauer Thijman, »ich hör’s.«

»Was genau?«, wollte Ellen wissen.

»Wenn der Wind so hohl heult und der Himmel dunkler ist als das Meer, dann kommt Landunter.«

Ellen steckte ihren Kopf aus dem Fenster, und der Wind zerrte an ihren Haaren, als wollte er sie büschelweise ausreißen, klatschte sie ihr ins Gesicht, sodass es danach glühend rot war. Dem Land dagegen raubte er alle Farben, die Fennen standen nicht in kräftigem Grün, sondern wirkten fahl. Welche Farbe der Wind selbst wohl hat?, überlegte Ellen. Grau war zu alt für diesen frischen Sturm, Gelb zu giftig für das dumpfe Dröhnen, Blau zu banal. Rot war zu warm, Braun ließ an Rost denken, der Sturm aber verweilte nirgendwo, um welchen anzusetzen. Als weißes Nichts erschien er ihr auch nicht. Vielleicht war er silbrig wie der Klang einer Panflöte.

Bauer Thijman sprach nicht in Farben, sondern in Zahlen. Regelmäßig gab er vom Küchentisch aus, wo er mit dem Ohr am Kofferradio hing, die aktuellen Pegelstände durch. Schon 6,34 Meter, und die Nordsee würde noch vier Stunden steigen, ab 7,85 wäre Landunter.

»Wir packen«, erklärte er.

Noch würden sie die Sachen nicht hoch in den Schutzraum tragen. Bei einem normalen Landunter war das nicht nötig. Gegen Abend kam der Bauer von der Nachbarwarft. »Macht euch nicht in die Hose«, sagte der sonst immer. Heute verkündete er: »Diesmal wird es schlimm. Diesmal gibt’s eine feuchte Wohnstube. Haltet den Suppenlöffel bereit zum Wasserschöpfen.«

»Den Suppenlöffel?«, fragte Ellen.

Liske zuckte die Schulter, sie kannte die Redensart.

Der Wind hielt sich nicht mit Reden auf. Er schlug aufs Dach, er trommelte gegen die Wände, er zerrte am Gatter.

Schon am Vortag hatte die Fähre nicht mehr angelegt, aber es waren genügend Lebensmittel da.

Bauer Thijmans Stimme klang nun rau und gepresst. »Koch was Anständiges«, sagte er zu Sunny. »Kann sein, dass bald der Strom ausfällt.«

Unter anständig verstand er Lammgulasch. Sie strich Butter auf Toastbrotscheiben. Die armen Lämmchen.