Vollständige und ergänzte eBook-Ausgabe der in den EGMONT Verlagsgesellschaften mbH erschienenen Buch-Ausgabe
© der eBook-Ausgabe Möllers & Bellinghausen Verlag GmbH 2014
Titelbild und Illustrationen: Wolf Schröder
Umschlaggestaltung: basic-book-design Karl Müller-Bussdorf, Badenweiler
eBook-Produktion: book2look Publishing 2014
eBook ISBN 978-3-89835-464-6
Inhaltsverzeichnis
Titel
Impressum
Wer spielt mit?
Who is who?
Produktpiraten
Stürmischer Flug
Bonjour Paris!
Der listige Löwe
Langfinger-Fang
Im Hotel Ritz
Die indische Prinzessin
Kugelblitz ermittelt
La Petite Souris Gourmande
Bauchschmerzen
Lösegeld- und Spurensuche
Das Geheimnis des alten Wasserturms
Drei Spürnasen im Streifenwagen
Zeugenvernehmung
Tricky-Nick
Spurensuche im Morgengrauen
Au revoir Paris
Liebe Detektive
Vokabelcheck
Detektiv-Test
Lösungen
Mehr von Kommissar Kugelblitz
Weitere Leseempfehlungen
Kommissar Kugelblitz (KK)
und sein Team in Hamburg
Commissaire Pierre Simili
Kugelblitz’ Kollege in Paris
Layla von Rajastan
indische Prinzessin, die auf der Modewoche in Paris ihre Brautaustattung einkaufen möchte und dabei in ein lebensgefährliches Abenteuer gerät
Comtesse de Lafontaine
ihre Patentante, Besitzerin eines bemerkenswerten historischen Erbstücks
Mirza Prinz von Jamei
der orientalische Bräutigam Laylas
Leo Magot
reicher und erfolgreicher Kaufmann, der die Fäden für seine Geschäfte von einer Villa am Bois de Boulogne aus spinnt
Bernard Branchu
ehemaliger Schrotthändler, der jetzt Designer-Klamotten trägt und überall in der Pariser Unterwelt nützliche Verbindungen hat
Nicolas La Pin
ein flinker, wandlungsfähiger Gentleman-Gauner der Extra-Klasse
Paul Focuse
Freund Similis, Besitzer des Lokals La Petite Souris Gourmande, der kurz davor steht, eine begehrte Auszeichnung für seine Kochkunst zu bekommen: einen Michelin-Stern.
„Da, lesen Sie mal, Chef!“, sagt Sonja Sandmann und schiebt Kommissar Kugelblitz die Zeitung hin, in der sie einen Artikel rot angestrichen hat. „Die Firma ,Teddy-Toys‘ ist pleite. Das ist die Firma, in der mein Bruder arbeitet. Jetzt ist er arbeitslos.“
„Und daran sind wieder mal Produktpiraten schuld!“, murmelt Kugelblitz, während er den Artikel liest.
Die Plüschfiguren und Spielzeugautos der einst erfolgreichen Firma wurden in Asien tausendfach kopiert und zu Billigpreisen auf den Markt geworfen. Da brach das Geschäft zusammen.
„Ideenklau ist genauso schlimm wie Juwelenklau!“, brummt Kugelblitz. „Der gemeinsame Kampf gegen die internationale Produktfälscher-Mafia ist nächste Woche ein wichtiges Thema unserer Interpol-Tagung in Paris. Übrigens: Haben Sie meinen Flug und mein Hotel in Paris schon gebucht, Sandmännchen?“
„Hab ich. Geht klar“, versichert Sonja Sandmann. „Ihrem Kollegen Pierre Simili hab ich die Ankunftszeit gemailt. Er will Sie am Flughafen abholen …“
In diesem Augenblick kommt Polizeiobermeister Fritz Pommes ins Kommissariat gestürmt. Er schiebt einen etwa zwölfjährigen verheulten Jungen vor sich her und sagt: „Er weiß angeblich nicht, wie er heißt, wo er wohnt und woher er die gefälschten Rolex-Uhren hat, die er eben auf dem Flohmarkt verkaufen wollte.“
„Ich werd mich um ihn kümmern“, sagt Polizeimeister Peter Zwiebel, der Zwillingssöhne im Alter des Jungen hat. Er legt dem Jungen den Arm auf die Schulter und sagt: „Komm mal mit. Jetzt kriegst du erst mal eine Cola und ein Taschentuch. Und dann reden wir in aller Ruhe über die Sache …“
„Kombiniere: Der Junge ist bei Zwiebel in den besten Händen“, brummt Kugelblitz und wendet sich wieder seiner Arbeit zu.
Zwiebel gelingt es tatsächlich, den Jungen zum Reden zu bringen. Er heißt Jakob Schmidt und wohnt in der Grimmstraße.
„Jetzt ist Schluss mit der Märchenstunde!“, sagt Zwiebel ernst. „Woher hast du die Uhren?“
„Ich schwör, den Typ kenn ich nich“, beteuert der Junge.
„Aber sicher will der doch Geld von dir, wenn du die Uhren verkauft hast, oder nicht?“, fragt Zwiebel beharrlich.
Jakob sieht verlegen auf den Boden.
„Die Kohle musst ich ihm vorher geben. Fuffzig Euro.“
„Und woher hattest du das Geld?“
„Geliehen. Von Mama. Ich wollt sie in die Küchenkasse zurücklegen, wenn ich die Uhren verkauft hab. Ehrlich.“
„Aha. Du klaust also deiner Mama Geld, um gefälschte Uhren zu kaufen?“, sagt Zwiebel ärgerlich.
„Bitte nich mein Eltern sagen“, fleht Jakob.
„Wenn du mir schwörst, dass du so etwas nie, nie, nie wieder tust, und wenn du mich anrufst, sobald du den Kerl mit den Uhren wiedersiehst. Versprochen?“
„Großes Indianerehrenwort“, schnieft Jakob und hebt die rechte Hand.
„Aber die Uhren bleiben hier …“, sagt Zwiebel, als er Jakob hinausbegleitet.
„Und hier ist meine Telefonnummer.“
„Tatsächlich. Original und Fälschung sind kaum zu unterscheiden!“, murmelt Kugelblitz, als er eine der gefälschten Uhren bei einem Uhrmacher am Jungfernstieg mit dem Original vergleicht.
„Bei dieser Kopie sehe ich äußerlich nur drei winzige Fehler …“
„Allerdings ist das Uhrwerk Schrott“, stellt der Uhrmacher fest, als er mit der Lupe das Innere der Uhr untersucht. „Der Besitzer hätte nicht lange Freude daran gehabt.“
Einer Umfrage zufolge betrug der wirtschaftliche Schaden, den Produktfälscher im Jahr 2008 den europäischen Unternehmen zugefügt haben, über 35 Milliarden Euro. Wie viele Nullen muss man an die 35 hängen, um diese Zahl zu schreiben?
Hier gehts zu den Lösungen
Am darauffolgenden Montag sitzt Kugelblitz in der 7-Uhr-Maschine der Air France nach Paris. Der Flug dauert nur neunzig Minuten. Aber die haben es in sich! Ein Frühlingsgewitter lässt die Maschine kurze Zeit schaukeln wie ein Schiff in stürmischen Gewässern. Kugelblitz klammert sich an seinen Sitz und wird ganz blass. Anderen Mitreisenden ergeht es ähnlich.
„Mon Dieu!“, murmelt der elegante Mann mit dem pfefferfarbenen Schnauzbart, der neben KK auf der anderen Seite des Ganges sitzt. Er streicht nervös über sein kahles Haupt. Ein goldener Siegelring mit grünem Wappen blitzt auf, als er seinen Sitzgurt enger schnallt. Dann zieht er ein silbernes Etui aus der Seitentasche seiner hellgrauen Anzugweste und schluckt eine Beruhigungspille.
Draußen vor dem Fenster des Airbus A 319 zucken die Blitze und es donnert, als wären sämtliche Wetterhexen der Welt im Anflug auf die französische Hauptstadt. Die beiden hübschen Damen, die schräg vor Kugelblitz sitzen, lassen sich zwei Kissen bringen.
„Möchten Sie auch ein Kissen, Monsieur?“, fragt die Stewardess freundlich.
„Non, merci, Madame! Ich hab meinen Airbag immer dabei“, versichert Kugelblitz und streicht mit einem kleinen Augenzwinkern über seinen Kugelbauch.
„Dann nehmen Sie wenigstens ein Journal. Das lenkt ab“, sagt sie und gibt ihm eine Tageszeitung.
Kugelblitz blättert in der Zeitung und muss schmunzeln: Der Artikel, den er liest, passt zu dem Thema, das ihn gerade beschäftigt: Wieder einmal wurde der Plagiarius-Preis verliehen – ein schwarz lackierter Gartenzwerg mit goldener Nase. Der Preis ist so etwas wie der Oscar für die frechsten Produktpiraten, die sich mit ihren Fälschungen „eine goldene Nase“ verdienen. Peinlich für die Betroffenen! Aber allein mit Humor kann man den geistigen Ideenklau nicht beseitigen! Upps! Da schaukelt die Maschine wieder durch Turbulenzen. Aber sie lässt sich zum Glück nicht vom Kurs abbringen und steuert zielsicher durch das aufgewühlte Wolkenmeer. Die Positionslichter auf den Tragflächen blinken zuversichtlich.
„Das ist bestimmt nicht das erste Gewitter, durch das der Pilot fliegt“, tröstet sich Kugelblitz und wischt mit dem Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn. Verwundert blickt er auf das etwa zwölfjährige Mädchen, das seelenruhig neben ihm am Fenster sitzt.
„Dir scheinen Blitz und Donner wohl nichts auszumachen?“, fragt Kugelblitz.
Das Mädchen lächelt. „Ich fliege oft. Mein Papa ist Pilot. Er sagt, man muss sich bei Gewitter nicht fürchten: Ein Flugzeug ist ein Faradayscher Käfig. Es hat eine geschlossene Außenhaut aus Metall. Die leitet elektrische Ladungen ab. Darum sind wir hier drin geschützt. Uns kann ein Blitz nichts anhaben.“
„Nun, das ist ja beruhigend“, brummt Kugelblitz. „Aber Faraday hin, Faraday her. In meinem Magen ist eher ‚Fahrrad-Day‘! Er meldet mir, dass er gleich seekrank wird …“
„Dafür sind die Tüten gedacht“, kichert das Mädchen hinter vorgehaltener Hand und deutet auf die stabilen Papiertüten, die in dem Netz an der Rückseite der Vordersitze stecken.
„Ich weiß“, seufzt Kugelblitz. „Aber ich hoffe, ich brauche sie nicht.“
„Je m’appelle Louise“, stellt sich das Mädchen vor. Sie erzählt, dass sie in Paris in die Schule geht und allein bei ihren Großeltern in Hamburg zu Besuch war, weil ihre Mutter nicht mitkommen konnte: „Maman travaille pour un célèbre couturier.“
„Bitte noch mal auf Deutsch“, sagt Kugelblitz. „Du sprichst so schnell!“ Louise lacht. „Papa sagt auch immer:
Louise, du sprichst schneller, als ich fliege! Also: Maman musste in Paris bleiben, weil sie als Mannequin für eine berühmte Modefirma arbeitet.“
„Compris!“, murmelt Kugelblitz. „Ich habe verstanden!“
„Jetzt ist gerade Modewoche in Paris. Sie heißt prêt-à-porter. Das heißt, es geht um praktische Kleidung, die man überall tragen kann. Kleider für normale Leute. Gehen Sie auch dorthin?“, fragt Louise.
„Nein, wahrscheinlich nicht“, brummt Kugelblitz. „Obwohl ich sehr für praktische Kleidung bin.“ Er lockert seinen gelb getupften Schal, um den Würgereiz im Hals auszugleichen.
Endlich lässt der Sturm nach.
Kurz darauf meldet sich die Stimme der Stewardess aus dem Bordlautsprecher und verkündet in drei Sprachen, dass man sich im Anflug auf den Flughafen „Charles de Gaulle“ befinde.
„Mein Papa heißt auch Charles“, sagt Louise. „Der Flughafen ist aber nicht nach ihm benannt.“
„… sondern nach einem berühmten französischen Präsidenten“, sagt Kugelblitz. Er lächelt gefasst. Es geht ihm besser. Louise hat ihn richtig aufgemuntert.
Die beiden blonden Damen vor ihnen scheinen ebenfalls erleichtert, dass der Flug seinem Ende zugeht. Sie erneuern noch rasch ihr Make-up. Eine zieht ihre Lippen mit einem feinen roten Pinselstrich nach, die andere pudert sich die Nase.
„Das sind bestimmt auch Mannequins, Kolleginnen von Maman!“, flüstert Louise ihrem Nachbarn zu. „Heute nennt man sie Models. Aber ich finde das Wort Mannequin hübscher.“
„Ich auch“, sagt Kugelblitz. „Auf Französisch klingt fast alles hübscher.“
Kugelblitz ist erleichtert darüber, dass der stürmische Flug überstanden ist. Unter sich sieht er schon die Landebahn.
Mit einem Rrrums setzt die Maschine auf. Geschafft!
„Pas grave! Nicht schlimm!“, erklärt die Pilotentochter. „Der Pilot muss mit höherem Tempo als sonst gegen den Wind landen, damit es die Maschine nicht von der Landebahn weht!“
Als Kugelblitz die Gangway hinuntergeht, läuft der elegante Mann mit dem pfefferfarbenen Schnauzbart direkt vor ihm.
„Wo hab ich den bloß schon einmal gesehen?“, grübelt er.
Als er neben Louise am Kofferband auf sein Gepäck wartet, verschwindet der Mann in der Herrentoilette. Endlich rollt das Gepäckband an. Louises Sporttasche kommt zuerst. Und dann entdeckt Kugelblitz auch seinen alten, leicht verbeulten Koffer. Als er ihn vom Band nehmen will, fischt neben ihm eine schmale Hand mit einem grünen Siegelring ebenfalls ein Gepäckstück vom Band. Es ist die Hand des eleganten Fremden. Doch wie hat er sich inzwischen verändert! Er trägt jetzt einen modischen kamelhaarfarbenen Kaschmirmantel, gegen den der Regenmantel von Kugelblitz wie ein Teil aus der Altkleidersammlung wirkt. Der Mann sieht zehn Jahre jünger aus, trägt keinen Bart mehr und unter seiner schicken Golfmütze lugen braune Kringellöckchen hervor. Eine Veränderung, die einen aufmerksamen Detektiv natürlich stutzig macht.