Dichtungen

 

Aischylos

 

 

 

 

Inhalt:

Aischylos – Biografie und Bibliografie

 

Die Perser

Die Sieben gegen Theben

Die Schutzflehenden

Prometheus in Fesseln

 

Die Orestie

Agamemnon

Die Spenderinnen am Grabe

Die Wohlwollenden

 

 


Dichtungen, Aischylos

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

 

ISBN: 9783849603779

 

www.jazzybee-verlag.de

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Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

 

 


Aischylos – Biografie und Bibliografie

 

Der älteste der drei großen griech. Tragiker, 525–456 v. Chr., geboren zu Eleusis in Attika, Sohn des Euphorion aus einem Eupatridengeschlecht, Mitkämpfer der Schlachten von Marathon, Salamis und Platää, trat als Dichter zuerst 500 auf, gewann aber den ersten Sieg erst 484. Um 475 hielt er sich in Sizilien bei Hieron von Syrakus auf, wo er zur Einweihung der von dem König gegründeten Stadt Ätna die »Ätnäerinnen« dichtete. Nach einem zweiten Aufenthalt in Syrakus um 470 nach Athen zurückgekehrt, erlag er 468 dem jungen Sophokles gleich bei dessen erstem Auftreten, siegte aber bereits wieder im folgenden Jahr. Nach Ausführung seiner »Orestie« (459) wieder nach Sizilien gereist, starb er in Gela. Die Athener ehrten später sein Andenken durch den Volksbeschluß, daß ihm bei jeder Ausführung seiner Stücke wie einem Lebenden der Siegeskranz geweiht werde. Ä. ist der eigentliche Begründer der attischen Tragödie, indem er durch Einführung eines zweiten Schauspielers den eigentlichen dramatischen Dialog schuf und diesen durch allmähliche Beschränkung der lyrischen Chorpartien zum Hauptteil der Dichtung machte. Auch den szenischen Apparat vervollkommte er teils, teils schuf er ihn neu: er sorgte für die Ausstattung der Bühne durch Dekorationsmalerei und Maschinerie, führte für die Schauspieler die Charaktermasken ein und gab ihnen durch reiche Kostümierung, den hohen Kothurn, Haaraufsätze und andre Mittel ein über das Gewöhnliche hinausgehendes Ansehen. Auch die trilogische Komposition hat er vervollkommt, wo nicht geschaffen. Sein Hauptcharakter liegt im Pathos und in der Erhabenheit, die sich nicht selten bis zum Furchtbaren und Schrecklichen steigert. Der Plan seiner fast ausnahmslos Homerische Stoffe behandelnden Dramen ist durchweg einfach; von einer Schürzung und Lösung des tragischen Knotens ist kaum die Rede. Die Charaktere sind mit wenigen kühnen und starken Zügen entworfen: lauter riesengroße Gestalten. Dem entsprechend ist auch die Sprache groß und streng, voll majestätischen Wortpompes, nicht selten schwer verständlich. – Die Zahl der von Ä. gedichteten Stücke wird auf 90 angegeben, die Zahl seiner Siege auf mindestens 13. Erhalten sind nur die folgenden 7 Stücke: 1) die »Perser«, von 472, ein historisches Stück, Xerxes' Niederlage bei Salamis behandelnd (hrsg. von Merkel, Leipz. 1869; Schiller, 2. Aufl. von Conradt, Berl. 1888; Teuffel, 3. Aufl. von Wecklein, Leipz. 1886; übersetzt von Köchly, 2. Aufl., Heidelb. 1900); 2) die »Schutzflehenden«, die Aufnahme des flüchtigen Danaos und seiner Töchter in Argos, aus derselben Zeit wie die »Perser« (hrsg. von Schwerdt, Berl. 1858; Oberdick, das. 1869); 3) die »Sieben gegen Theben«, von 467, bildeten mit »Laios« und »Ödipus« und dem Satyrdrama »Sphinx« eine Tetralogie (hrsg. von Ritschl, 2. Ausg., Leipz. 1875); 4) der »Gefesselte Prometheus«, um 475, eine der tiefsinnigsten und großartigsten Dichtungen des Altertums (hrsg. von Schömann, mit Übersetzung, Greifsw. 1844; Wecklein, 2. Aufl., Leipz. 1878); 5–7) die »Oresteia«, die einzige aus dem Altertum erhaltene Trilogie, 458 ausgeführt (hrsg. von Wecklein, Berl. 1888; mit Übersetzung von Wilamowitz, das. 1885 ff.); eine der erhabensten Dichtungen, zu denen sich je menschliche Phantasie emporgeschwungen hat: sie besteht aus dem »Agamemnon« (hrsg. von Schneidewin, 2. Aufl. von Hense, das. 1883; Enger, 3. Aufl. von Plüß, Leipz. 1895; übersetzt von W. v. Humboldt, das. 1816), den »Choëphoren« (hrsg. von Bamberger. Götting. 1840; de Jongh, Utrecht 1856). und den »Eumeniden« (hrsg. von O. Müller, mit Übersetzung, Götting. 1833; Merkel, Gotha 1857; übersetzt von Schömann, Greifswald 1845) und behandelt Agamemnons Tod und Orestes' Rache und Sühnung. Neuere Gesamtausgaben von W. Dindorf (zuletzt Leipz. 1865 u. 1869), G. Hermann (2. Aufl., Berl. 1859), Weil (Gießen 1858–67, Leipz. 1884), Merkel (Oxf. 1871), Kirchhoff (Berl. 1880), Wecklein (das. 1885 u. Athen 1891); Sammlung der Fragmente bei Nauck: »Tragicorum graecorum fragmenta« (2. Aufl., Leipz 1889). Übersetzungen von Voß (Heidelb. 1827), Droysen (4. Aufl., Berl. 1884), Donner (2. Aufl., Stuttg. 1887), Bruch (Bresl. 1881), Marbach (Leipz. 1882). »Lexicon Aeschyleum« von Wellauer (Leipz 1831) und Dindorf (das. 1876). Vgl. Blaydes, Adversaria in Aeschylum (Halle 1895).

 

 

Die Perser

 

Personen

 

 Chor betagter persischer Fürsten

  Atossa

  Ein Bote

  Der Schatten des Dareios

  Xerxes

  Gefolge

 

 Ort der Handlung: Susa

 

 

 Vor dem Palast des persischen Königs in Susa. Seitlich im Vordergrunde das Grabmal des Dareios.

 

 CHOR zieht ein.

  Wir heißen die Treuen im Volke der Perser,

   das in den Kampf gegen Griechenland zog,

   und heißen die Wächter des reichen,

   goldglänzenden Schlosses; uns hat der Großkönig Xerxes,

   der Sohn des Dareios, persönlich

   auf Grund unsrer Würde erwählt,

   damit wir das Vaterland hüten.

   Doch um die Heimkehr des Königs

   und seines von Goldschmuck prangenden Heeres

   klopft unruhig schon, banger Ahnungen voll,

   unser Herz in der Brust – die gesamte

   Macht Asiens zog ja zu Felde –,

   es bedauert die jungen Soldaten;

   und weder zu Fuß noch zu Roß

   erreicht ein Bote die Hauptstadt der Perser.

   Von Susa und Ekbatana

   und Kissiens uralten Burgen

   zogen sie aus in den Krieg,

   zu Pferde, zu Schiff; und das Fußvolk, das langsam

   nur vorrückt, bildet die Masse der Streitmacht.

   So stürmen zur Schlacht Amistres und

   Artaphrenes, Megabates und Astaspes,

   Hauptleute der Perser, selbst Könige,

   doch lehenspflichtig dem Großkönig,

   Gebieter eines riesigen Heeres,

   mit ihnen Meister im Bogenschießen

   und tüchtige Reiter, schrecklich zu schauen

   und furchtbar im Kampf

   durch ihres Herzens kühne Entschlußkraft.

   Artembares auch, der Kämpfer zu Roß,

   und Masistres, dazu der treffliche Schütze,

   der edle Imaios, und Pharandakes und

   der Lenker der Rosse, Sosthanes.

   Der gewaltige, nahrungspendende Nil auch

   entsandte seine Männer: Susiskanes;

   Pegastagon, den Ägypter;

   den Gebieter des heiligen Memphis,

   den großen Arsames; dazu den Herrn

   des uralten Theben, Ariomardos;

   und schließlich die Mannschaft der Flotte,

   Bewohner des Deltas, tüchtige Leute,

   unermeßlich an Zahl.

   Ihnen folgt die Schar der üppig lebenden Lyder,

   die über alle Stämme des Festlandes herrschen;

   Metrogathes und Arkteus, der Tapfere,

   die Sachwalter des Großkönigs,

   und das goldene Sardes

   entbieten sie in den Kampf

   auf zahlreichen Wagen,

   vier- und sechsspännig die Schwadronen,

   ein furchterregender Anblick.

   Die das Land am heiligen Tmolos bewohnen,

   versichern prahlend, sie wollten Hellas

   das Joch der Knechtschaft aufzwingen,

   Mardon, Tharybis, nicht zu erschüttern

   im Schwirren der Lanzen,

   und die Myser, die Speerschützen; Babylon auch,

   das goldstrotzende, schickt sein Völkergemisch

   in langen Kolonnen, Matrosen zu Schiff

   und Kämpfer, die auf ihre Freude am Spannen

   des Bogens vertrauen. Die mit dem Kurzschwert

   bewaffneten Völker ganz Asiens schließen

   sich an, dem harten Befehle des Großkönigs fügsam.

   Solch blühende Mannschaft

   zog fort aus dem Perserland;

   um sie seufzen alle Gebiete Asiens,

   die ihnen Nahrung geboten, voll

   verzehrender Sehnsucht, und Eltern und Gattinnen

   zählen die Tage und zittern vor

   der Zeit, die in die Länge sich zieht.

 

   Eingedrungen ist schon das städtezerstörende Heer

   des Großkönigs in das benachbarte Land,

   das jenseits der Meerenge liegt, überquerte

   auf wohlvertäuter Schiffsbrücke schon den Sund

   der Helle, der Tochter des Athamas;

   es legte den fest mit Pflöcken verbundenen Marschweg

   als Joch dem Nacken des Meeres auf.

 

   Der angriffslüsterne Herrscher des volkreichen Asiens

   treibt seine übermenschliche Herde von Kämpfern

   zur Eroberung der Welt auf zwei Wegen:

   zur See und zu Lande vertraut

   er zuverlässigen, strengen Gebietern,

   er, von goldentsproßnem Geschlecht,

   ein Mensch, den Göttern gleich.

 

   Er schleudert mit seinen Augen den finsteren Blick

   eines blutgierigen Drachens,

   reckt viele Arme, schickt viele Schiffe,

   treibt vorwärts den syrischen Wagen,

   führt gegen die speerberühmten Helden

   den bogengewaltigen Ares.

 

   Imstande ist niemand, die Spitze zu bieten

   dem reißenden Strome der Helden

   und durch feste Deiche zu hemmen

   den unbezwingbaren Meeresschwall;

   unwiderstehlich ist ja das Perserheer

   und sein streitbares Volk.

 

   Dem listensinnenden Trug der Gottheit aber –

   wer kann, als Sterblicher, ihm entrinnen?

   Wer ist, mit flüchtigem Fuße,

   des leichten Schwunges mächtig?

   Denn mag auch wohlwollend schmeicheln

   zuerst die Göttin des Unheils –

   sie lockt den Menschen ins Netz,

   dem nie ein Sterblicher mehr entschlüpft

   und das Weite gewinnt.

 

   Das von den Göttern verhängte Schicksal errang

   den Sieg von alters her, es legte den Persern

   die Pflicht auf, türmezertrümmernde Kriege

   zu führen, Rosse zu tummeln im Kampf

   und Städte zu entvölkern.

 

   Doch nunmehr haben sie gelernt,

   das Heiligtum des Meeres zu schauen,

   der weithin befahrenen See,

   die unter dem scharfen Winde aufschäumt;

   sie vertrauen dünngeflochtenen Seilen

   und kunstvoll gezimmerten Schiffen,

   auf denen Völker dahinfahren.

  

   Darum härmt sich in Trauer

   mein Herz, aus Furcht, den Schrei

   »Wehe über dies persische Heer!«

   müsse hören die Stadt,

   der Männer beraubt, das riesige Susa,

 

   und widerhallen

   müsse die Kissierstadt;

   »Wehe!« schreit die dichtgedrängte

   Schar der Frauen, und zu Fetzen

   zerreißt sie das linnene Kleid.

 

   Denn alles Kriegsvolk,

   zu Roß wie zu Fuß,

   ist ausgeflogen, ein Bienenschwarm,

   im Gefolge des Heeresfürsten,

   hat überquert die

   verbundenen Meeresgestade, die Grenze zwischen

   zwei Teilen der Erde.

 

   Vor Sehnsucht jedoch nach den Männern

   sind die Lagerstätten von Tränen benetzt;

   die persischen Frauen, in bitterer Klage,

   von liebender Sehnsucht verzehrt nach dem Gatten,

   ließen dahinziehen ihren Gemahl

   mit dem Speer in den stürmischen Kampf

   und blieben einsam zurück.

 

   Doch auf, ihr Perser, laßt Platz uns nehmen

   bei diesem alten Gebäude,

   laßt ernst und gründlich beraten uns

   – das erfordert die Lage –,

   wie es steht um den Großkönig Xerxes,

   den Sohn des Dareios, dessen Ahn

   unsrem Volke den Namen gegeben:

   Errang der gespannte Bogen den Sieg?

   Oder setzte die Lanze mit eherner Spitze

   kraftvoll sich durch?

 

 Zu Wagen nähert sich Atossa, von Gefolge begleitet.

 

  Doch siehe, da tritt hervor, so leuchtend

   wie Augen der Götter, die Mutter des Großkönigs,

   unsere Herrin! Wir sinken zu Boden.

   Wir allesamt haben ihr unseren Gruß

   mit höflichem Wort zu entbieten.

 

  Allerhöchste Herrscherin der tiefgeschürzten Perserfraun;

   Mutter, hochbetagt, des Xerxes; des Dareios Frau: Heil dir!

   Gattin eines Persergottes, Mutter eines Gottes auch –

   falls nicht jetzt das alte Glück für unser Heer geschwunden ist!

 ATOSSA.

  Eben deshalb komme ich aus unsrem goldgeschmückten Schloß

   und dem Schlafgemach, in dem Dareios einst mit mir geruht.

   Sorge nagt am Herzen mir; euch will das Wort ich anvertraun,

   liebe Freunde, keinesfalls verschont von Bangen um mich selbst,

   daß der große Reichtum, eilend, staubumwölkt, zerstampft das Glück,

   das Dareios einst, nicht ohne eines Gottes Hilfe, schuf.

   Darum regt sich Sorge in mir, nie geahnt, um zweierlei:

   Schätzen, die kein Mann verteidigt, zollt man Ehrfurcht nicht noch Ruhm –

   und dem Armen leuchtet nicht der Glanz, den seine Kraft verdient!

   Ungeschmälert steht der Reichtum, doch die Augen blendet Furcht;

   denn des Hauses Licht, so mein ich, ist des Herrschers Gegenwart.

   Demnach leihet mir, in solcher Lage, euren guten Rat

   dazu, Perser, die ihr, hoch im Alter, noch die Treue wahrt!

   Denn für mich kommt jeder pflichtbewußte Ratschlag doch von euch.

 CHORFÜHRER.

  Herrin unsres Landes, du brauchst, ganz gewiß, nicht zweimal uns

   vorzutragen – nicht für Wort noch Tat –, worin als Führer wir

   dienen könnten: Treue Räte hierfür rufst du an in uns.

 ATOSSA.

  Zahlreiche Träume suchen jede Nacht mich heim,

   seitdem mein Sohn das Kriegsvolk ausgerüstet hat

   und in das Feld zog, um Ionien zu vernichten;

   doch hatte ich noch keinen derart klar vor Augen

   wie den der letzten Nacht: ich will ihn euch erzählen.

   Es kam mir vor, als ob zwei Frauen, fein gekleidet,

   die eine in ein persisches, die andre in

   ein dorisches Gewand, sich meinen Blicken böten,

   den Frauen unsrer Zeit an Größe überlegen

   und makelloser Schönheit, Schwestern eines Stammes;

   die eine hatte Hellas und die andre Persien

   als Vaterland und Heimstatt durch das Los erhalten.

   Die beiden stritten miteinander, wie mir schien;

   mein Sohn vernahm es, suchte sie zurückzuhalten

   und zu besänftigen und schirrte sie dabei

   an seinen Wagen, lud das Joch auf ihren Nacken.

   Die eine zeigte sich noch stolz auf diesen Schmuck

   und hielt den Mund, gehemmt im Zügel, fügsam ruhig;

   die andre bäumte sich empor, zerriß die Leinen

   mit ihren Armen, machte mit Gewalt sich los

   von ihrem Zaum und schmetterte das Joch entzwei.

   Zu Boden fiel mein Sohn, und zu ihm trat sein Vater

   Dareios und beklagte ihn; sobald ihn Xerxes

   erblickte, riß er sein Gewand am Leib in Stücken.

   Das war der Traum, den ich zur Nachtzeit sehen mußte.

   Sobald ich mich erhoben hatte und die Hände

   benetzt mit reinem Quell, trat ich an den Altar,

   in meiner Hand die Spenden, um den Mächten, die

   dem Unheil wehren, Kuchen, nach Gebühr, zu opfern.

   Da sah ich einen Adler fliehen zum Altar

   des Phoibos. Stumm vor Schrecken, blieb ich stehen, Freunde.

   Dann mußte ich mit ansehn, wie ein Falke jäh

   heranschoß und des Adlers Haupt mit Schnabelhieben

   zerrupfte. Und der Adler zog den Kopf nur ein

   und wich dem Kampfe aus: Für mich ein Schreckensbild,

   euch eine Schreckensnachricht. Denn ihr wißt genau:

   Nach einem Siege wird mein Sohn wohl Ruhm gewinnen,

   nach einem Fehlschlag –

 

 sie stockt, faßt sich und fährt mit erzwungenem Stolze fort

 

   – braucht er nicht dem Staat zu haften;

   bleibt er nur leben, herrscht er weiter hier im Land.

 CHORFÜHRER.

  Weder soll dich, Mutter, allzu sehr in Schrecken setzen noch

   allzu sicher machen unser Wort. Die Götter flehe an,

   bitte, wo du Böses wahrgenommen, sie um Schutz davor,

   aber um Erfüllung dessen auch, was Segen bringt für dich,

   deine Kinder und den Staat und alle Treuen. Dann gieß Spenden aus

   für die Erde und die Toten. Fleh, Dareios, dein Gemahl,

   den, nach deinem Wort, du nachts gesehen, möge huldvoll Glück

   dir und deinem Sohne senden, aus der Unterwelt zum Licht,

   doch das andere verschwinden lassen tief im Erdenschoß!

   Diesen Rat erteile ich prophetisch dir, als treuer Freund;

   günstig wird in jedem Fall es für dich ausgehn, meine ich.

 ATOSSA.

  Ganz gewiß als Freund hast du, der erste Deuter meines Traums,

   meinem Sohn und meinem Hause diesen Spruch erteilt. Soll denn

   in Erfüllung gehn das Gute! Alles wollen, wie du rätst,

   wir den Göttern richten und den Lieben in der Unterwelt,

   gleich, wenn ich das Schloß betreten. Eins nur möchte ich noch gern

   wissen, Freunde: Wo auf Erden, sagt man, liegt die Stadt Athen?

 CHORFÜHRER.

  Fern im Westen, wo der Herrscher Helios zur Ruhe geht.

 ATOSSA.

  Doch mein Sohn hat sich die Unterwerfung dieser Stadt gewünscht?

 CHORFÜHRER.

  Ja – es wäre dann ganz Griechenland dem König untertan.

 ATOSSA.

  Steht denn ihren Bürgern solche Heeresmasse zu Gebot?

 CHORFÜHRER.

  Ja, ein Heer auch, das den Medern vieles Leid schon zugefügt.

 ATOSSA.

  Was zudem noch? Birgt in ihren Kammern sich genug an Geld?

 CHORFÜHRER.

  Eine Silberquelle ist ihr Eigentum, ein Erdenschatz.

 ATOSSA.

  Zeichnen sie im Kampf sich mit dem Pfeil aus, der vom Bogen schnellt?

 

 CHORFÜHRER.

  Nein, mit Lanzen für den Nahkampf und der Rüstung und dem Schild.

 ATOSSA.

  Wer ist Lenker dieses Volkes und erteilt dem Heer Befehl?

 CHORFÜHRER.

  Sie sind keines Menschen Sklaven, sind auch keinem untertan.

 ATOSSA.

  Wie begegnen dann dem Feinde sie, der eindringt in ihr Land?

 CHORFÜHRER.

  So, daß sie zerschlugen des Dareios starkes, stolzes Heer!

 ATOSSA.

  Kummer bringt dein Wort den Eltern derer, die zu Felde ziehn.

 CHORFÜHRER.

  Täusche ich mich nicht, wirst du gleich alles wissen, ohne Trug.

   Dort des Mannes Art zu laufen weiset ihn als Perser aus;

   und er bringt genaue Nachricht, sei sie günstig, sei sie schlecht.

 BOTE tritt auf.

  O weh, ihr Städte in ganz Asien – o weh,

   du Perserland, du weiter Sammelplatz des Reichtums,

   wie ist auf einen Schlag dein großes Glück vernichtet,

   die Blüte Persiens geknickt und hingewelkt!

   Weh mir, welch Unglück, als der erste Unglück melden!

   Gleichwohl muß ich das Unheil ganz enthüllen, Perser:

   Vollständig ward vernichtet das Barbarenheer!

 CHOR.

  Schreckliches, schreckliches Leid,

   unerwartet und herzzerreißend!

   Wehe, Tränen vergießet, ihr Perser,

   auf die Kunde von diesem Verderben!

 BOTE.

  Ja, alles, was dort war, ging jämmerlich zugrunde.

   Ich selbst erlebe unverhofft den Tag der Heimkehr.

 CHOR.

  Wahrlich, zu lange hat dieses Leben

   gedauert uns Greisen, wenn wir vernehmen

   müssen solch unerwartetes Leid!

 BOTE.

  Und als ein Augenzeuge, nicht vom Hörensagen,

   kann ich berichten, Perser, welch ein Schlag uns traf.

 CHOR.

  Wehe, o wehe! Umsonst

   wurden die zahlreichen Waffen, in buntem Gedränge,

   gezückt aus Asien gegen ein feindliches Land,

   gegen Hellas!

 BOTE.

  Bedeckt mit Leichen elend Umgekommner ist

   der Strand von Salamis und alles Land umher.

 CHOR.

  Wehe, o wehe, es sind meine Lieben,

   deren leblose Körper, nach deinem Wort,

   den Wellen ein Spiel, auf dem Meere treiben

   in weiten, geblähten Gewändern.

 BOTE.

  Nichts nützten Pfeil und Bogen, unter ging das Heer

   mit Mann und Maus, zerstampft vom Rammstoß der Trieren.

 CHOR.

  Laut stoße aus den Schrei des Jammers,

   in tiefer, untröstlicher Trauer!

   Denn Unglück in allem verhängten

   die Götter; weh über unser vernichtetes Heer!

 BOTE.

  Du, Namen Salamis, zumeist verhaßt dem Ohr!

   O weh, gedenke ich Athens, wie muß ich stöhnen!

 CHOR.

  Athen, ja, furchtbar den Feinden!

   Ich muß jetzt ewig seiner gedenken:

   So viele persische Frauen hat es – für nichts! –

   der Söhne und Gatten beraubt!

 ATOSSA.

  Ich schweige lange schon, ich Arme, wie betäubt

   vom Leid; mich überwältigt dieser Schlag, verwehrt

   mir jedes Wort und jede Frage nach dem Unheil.

   Gleichviel, der Mensch muß Not ertragen, wenn die Götter

   sie schicken. Rückhaltlos enthülle uns das Unglück,

   sprich, ruhig und gefaßt, willst du vor Schmerz auch stöhnen:

   Wer kam davon – wen müssen wir betrauern aus

   dem Kreis der Obersten, der, als ein Zepterträger,

   im Kampfe fiel und leer zurückließ seinen Platz?

 BOTE.

  Am Leben noch ist Xerxes und schaut auf zum Licht.

 ATOSSA.

  Was du da sagst, ist meinem Haus ein starker Trost,

   ein Tag von hellem Glanz nach einer düstren Nacht.

 BOTE.

  Doch Artembares, Herr Zehntausender von Reitern,

   zerschellte an den Klippen von Sileniai.

   Der Chiliarch Dadakes taumelte, vom Speer

   getroffen, über Bord; der tapfre Held Tenagon,

   ein echter Baktrersproß aus altem Adelsstamm,

   treibt rings um die vom Meer gepeitschte Aiasinsel.

   Und Lilaios, Arsames und Argestes auch,

   sie suchten, um die Taubeninsel, mit den Stirnen

   den harten Felsengrund vergeblich zu zerschmettern.

   Von denen, die am Nil, im Land Ägypten, wohnen,

   sind Arkteus und Adeues und, als dritter Feldherr,

   Pharnuchos, alle drei aus einem Schiff gestürzt.

   Und Matallos aus Chrysa, der Zehntausenden

   gebot, benetzte rot den dichten, vollen Bart,

   in einem Bad von Purpur färbte er den Leib.

   Der Mager Arabos und Artabes, der Baktrer,

   der Führer von dreitausend schwarzen Reitern, gingen,

   nun Bürger eines rauhen Reiches, dort zugrunde.

   Amistris und Amphistreus, der im Kampf bewährte,

   der edle Ariomardos, den Sardes tief

   betrauern wird, und Seisames, der Mysier,

   und Tharybis, der fünfmal fünfzig Schiffe führte,

   aus Lyrnessos, ein Held von stattlicher Erscheinung,

   er ruht, fand einen unglücklichen Tod, der Arme.

   Syennesis jedoch, an Tapferkeit der erste,

   Kilikiens Fürst, der, als der einzige, dem Feind

   recht schwer zu schaffen machte, fiel im Glanz des   Ruhmes.

   Das sind die Feldherrn, deren ich mich noch erinnre.

   Doch endlos ist das Leid, nur wenig kann ich melden.

 ATOSSA.

  Weh! Fürchterlichstes Unglück muß ich hier vernehmen,

   Schmach für die Perser, Grund zu lautem Klageruf!

   Doch komme darauf mir zurück und sprich: Wie groß

   war denn die Zahl der Griechenschiffe, daß sie sich

   erkühnen durften, eine Schlacht dem Perserheer

   zu liefern, durch den offnen Angriff ihrer Flotte?

 BOTE.

  Der Zahl nach hätten sicherlich die Perser mit

   der Flotte siegen müssen; standen doch den Griechen

   im ganzen nur dreihundert Schiffe zur Verfügung,

   dazu, gesondert, ein Geschwader noch von zehn.

   Doch Xerxes führte, wie ich weiß, ein Aufgebot

   von tausend Schiffen, außerdem zweihundertsieben

   besonders schnelle! So sah das Verhältnis aus.

   Meinst du, wir hätten deshalb unterliegen müssen?

   Nein, derart hat ein Daimon unser Heer vernichtet,

   warf auf die Schicksalswaage nicht das gleiche Glück.

   Die Götter bieten ihren Schutz der Pallasstadt!

 ATOSSA.

  So blieb Athen vor der Zerstörung noch bewahrt?

 BOTE.

  Ja. Denn wo Männer sind, da steht ein fester Wall.

 ATOSSA.

  Wie kam es zum Zusammenstoß der Flotten? Sprich!

   Wer hat die Schlacht eröffnet? Waren es die Griechen?

   Tat es mein Sohn, voll Stolz auf seine vielen Schiffe?

 BOTE.

  Zu Anfang all des Unglücks, Herrin, zeigte sich

   ein Fluchgeist oder böser Daimon – ich weiß nicht,

   woher: Ein Grieche aus dem Heere der Athener

   kam an und teilte deinem Sohne Xerxes mit,

   die Griechen wollten, wenn das Dunkel düstrer Nacht

   herabgesunken, ihre Stellung nicht behaupten,

   nein, auf die Ruderbänke stürzen, heimlich flüchten

   nach allen Seiten und dadurch ihr Leben retten.

   Kaum hatte Xerxes das gehört, erteilte er,

   taub gegen Griechenlist wie gegen Göttergroll,

   an alle Flottenführer folgenden Befehl:

   »Sobald die Sonne nicht mit ihren Strahlen mehr

   die Erde trifft und Nacht den Himmelsraum umfängt,

   stellt ihr die Schiffe in drei Reihen auf und sperrt

   die Ausfahrt und des Meeres lautumrauschte Bahnen;

   doch ihr bezieht rings um die Aiasinsel Stellung.

   Entgehen trotzdem noch die Griechen ihrem Schicksal

   auf einem Weg, den heimlich für die Schiffe sie

   entdeckt, dann werdet ihr mit eurem Haupte büßen!«

   So sprach er, hochgemut, in stolzer Zuversicht.

   Er wußte ja nicht, was die Götter schon bestimmt.

   Die Flottenführer ließen, ohne Widerspruch,

   an Zucht gewöhnt, die Mahlzeit richten, und es banden

   das Ruder an die feste Dolle die Matrosen.

   Und als der Sonnenglanz erlosch und als die Nacht

   heraufzog, ging ein jeder Ruderer an Bord,

   zugleich auch jeder Waffenträger. Gegenseitig,

   auf jedem Schiffe, spornten sich die Männer an;

   sie fuhren, wie es jedem aufgetragen war.

   Der Schiffe Führer ließen durch die ganze Nacht

   die volle Mannschaft ständig rudern, auf und ab.

   Die Nacht ging hin, und nirgendwo versuchte heimlich

   die Griechenflotte einen Fluchtweg sich zu bahnen.

   Als freilich dann der Tag mit seinen weißen Rossen

   das Land weithin erhellte, strahlend anzuschaun,

   da scholl zuerst von den Hellenen brausender

   Gesang herüber, und zu gleicher Zeit erhob

   sich von den Inselfelsen lauter Widerhall.

   Schreck packte die Barbaren alle. Sahen sie

   sich doch getäuscht: Die Griechen hatten nicht zur Flucht

   ihr feierliches Lied jetzt angestimmt, nein, weil

   zur Schlacht sie mit beherztem Mute stürmten. Die

   Trompete übertönte schmetternd all den Lärm.

   Sofort begannen sie mit lautem Ruderschlag

   im Takt das tiefe Meer zu peitschen, auf Befehl,

   und schon war deutlich ihr gesamtes Heer zu sehen.

   Der rechte Flügel zog als erster, wohlgeordnet

   in Reih und Glied, voran, nach ihm entfaltete

   das Gros der Flotte sich, ganz nahe ließ sich hören

   der laute Ruf: »Ihr Söhne Griechenlands, wohlan,

   befreit das Vaterland, befreiet Weib und Kind,

   die Tempel auch der Götter eurer Väter und

   die Ahnengräber; heut steht alles auf dem Spiel!«

   Nun dröhnte auch von uns Geschrei in Perserzunge

   dagegen, und es blieb nicht länger Zeit zum Zögern.

   Schiff kehrte gegen Schiff zum Rammen gleich den Schnabel

   aus Erz. Ein Grieche führte da den ersten Stoß,

   zerschmetterte einem Phoinikier das Heck.

   Dann lenkten alle ihre Schiffe auf den Feind.

   Zunächst hielt stand der Riesenschwall der Perserflotte.

   Doch da im engen Sund der Schiffe große Zahl

   sich drängte, keiner auch dem andern helfen konnte,

   sie selbst sogar sich stießen mit den erznen Schnäbeln,

   zerbrachen sie einander alles Ruderwerk.

   Die Griechen führten ihre Stöße höchst geschickt

   von allen Seiten, und es kenterten die Schiffe;

   bald war des Meeres Fläche nicht mehr zu erblicken

   vor Trümmern und vor blutbedeckten Menschenleibern.

   Die Küsten und die Klippen schwemmten voll mit Leichen.

   In wirrer Flucht versuchte rudernd zu entkommen

   ein jedes Schiff der Perserflotte. Doch die Griechen,

   wie gegen Thunfisch oder andre Netzesbeute,

   mit Rudersplittern oder Trümmerstücken, schlugen

   und spießten, und Geheul und Wehgeschrei erscholl

   zusammen auf den Meereswogen, bis das Auge

   der schwarzen Nacht das Bild mit Düsternis umhüllte.

   Des Unglücks Ausmaß kann ich, spräch ich auch zehn Tage

   ununterbrochen, kaum dir vollständig berichten.

   Sei überzeugt: Noch niemals fand an einem Tage

   solch eine große Zahl von Menschen ihren Tod!

 ATOSSA.

  Weh! Eine Flut von Unheil drang gewaltig auf

   uns Perser und auf sämtliche Barbaren ein!

 BOTE.

  Glaub mir, das ist noch nicht die Hälfte unsres Leides!

   Uns traf ein zweiter Schicksalsschlag, so fürchterlich,

   daß er an Wucht den ersten doppelt übertraf!

 

 ATOSSA.

  Und welcher Schlag noch könnte bittrer sein als dieser?

   Sprich, was für ein Ereignis war es, dessen Wucht,

   nach deinem Ausdruck, unser Heer noch schwerer schlug?

 BOTE.

  Die Perser grade mit der stärksten Körperkraft,

   vom höchsten Mut und aus den edelsten Geschlechtern,

   dem König jederzeit am treuesten ergeben,

   sie fanden, schmachvoll, einen Tod in Schimpf und Schanden!

 ATOSSA.

  Ach, elend ich in bittrem Leid, ihr lieben Freunde!

   Doch welchen Tod, nach deinem Wort, erlitten sie?

 BOTE.

  Vor Salamis liegt eine Insel, klein an Umfang

   und ohne Hafen; ihre steile Küste pflegt

   nur Pan, der Freund der Reigentänze, zu betreten.

   Dorthin befahl der König sie; falls Feinde sich,

   schiffbrüchig, an den Strand zu retten suchten, sollten

   sie kurzerhand die Griechen töten, aber bergen

   die Ihren aus dem Meeresstrom; er sah verkehrt

   voraus die Zukunft! Denn als eine Gottheit den

   Hellenen in der Seeschlacht Siegesruhm verliehen,

   da sprangen sie, am gleichen Tage noch, von Bord

   im vollen Waffenschmuck aus Erz und schlossen ein

   die ganze Insel ringsumher, so daß die Perser

   sich keinen Ausweg wußten. Ging ein Hagel doch

   von Schleudersteinen auf sie nieder, Pfeile schnellten

   von Bogensehnen auf sie zu und brachten Tod.

   Und schließlich stürmten los, in einem Schwall, die   Griechen

   und schlugen auf die Armen ein und hieben sie

   in Stücke, bis das Leben aller sie vernichtet.

   Laut auf schrie Xerxes, als er sah den Schlund des Unheils;

   denn einen Ausblick auf das ganze Heer bot ihm

   sein Sitz, auf hohem Uferrande, dicht am Meer;

   und er zerriß sein Kleid, brach aus in schrilles Jammern,

   gab gleich dem Landheer den Befehl und stürzte selbst

   in wilder Flucht davon. Das ist der zweite Schlag,

   den du zum ersterlittenen beklagen mußt.

 ATOSSA.

  Verhaßter Daimon, wie enttäuschtest du die Perser

   in ihrer Hoffnung! Eine bittre Rache nahm

   mein Sohn am herrlichen Athen, und die Barbaren,

   die Marathon einst hingerafft, genügten nicht!

   Für sie Genugtuung zu fordern wähnte er –

   und lud sich eine solche Unheilsbürde auf!

   Doch sprich, wo ließest du zurück die Schiffe, die

   dem Untergang entrannen? Kannst du klar es sagen?

 BOTE.

  Die Führer jener Schiffe, die sich retten konnten,

   sie stoben, vor dem Wind, in wirrer Flucht von dannen.

   Des Landheers Todesweg begann schon in Boiotien;

   ein Teil erlag dem Durst, dicht vor dem Labetrank

   der Quellen; wir, vom Hasten ausgepumpt, wir schlugen

   uns durch bis ins Gebiet der Phoker und nach Doris

   und an den Golf von Malis, wo der Strom Spercheios

   mit seinem frischen Naß die Ebene bewässert.

   Sodann nahm uns Achaia, nahmen uns die Städte

   Thessaliens auf; schon fehlten uns die Lebensmittel.

   Da starb der größte Teil an Hunger und an Durst;

   die quälten beide uns. Und nach Magnesia

   gelangten wir und in das Land der Makedonen,

   bis an die Furt des Axios und weiter an

   das Sumpfröhricht des Bolbesees und das Gebirge

   Pangaion im Edonerland; in dieser Nacht

   ließ, vorzeitig, ein Gott es frieren, und der Strymon,

   der heilige, erstarrte völlig. Da sprach mancher,

   der Götter erst geleugnet, innig ein Gebet,

   die Erde und den Himmel andächtig verehrend.

   Und als das Heer die Götter flehend angerufen,

   begann den Marsch es über den vereisten Strom;

   doch nur, wer diesen überquert, bevor die Strahlen

   des Gottes sich verbreiteten, ist noch am Leben:

   Der flammend heiße, helle Sonnenkreis erhitzte

   mit seiner Glut den Übergang und ließ ihn schmelzen.

   Die Perser brachen haufenweise ein; wohl dem,

   der gleich in kurzer Qual sein Leben ausgehaucht!

   Wer noch davonkam und sein Leben retten konnte,

   durchzog das Thrakerland mit knapper Not und Mühe

   und hat, dem Tod entronnen – eine kleine Zahl! –,

   die Heimat jetzt erreicht: Ein Grund zum Jammern für

   die Perser, die um ihre teure Jugend trauern.

   Das ist die Wahrheit. Manches noch verschwieg ich von

   dem Unheil, das ein Gott den Persern auferlegt.

 CHORFÜHRER.

  Grausamer Daimon, du hast allzu schwer den Fuß

   gesetzt auf unsres ganzen Perservolkes Nacken!

 ATOSSA.

  Weh mir, ich Elende! Vernichtet ist das Heer!

   Du Traumgesicht der Nacht, du klares, wie hast du

   in voller Deutlichkeit das Unheil mir enthüllt!

   Ihr aber habt das Traumbild völlig falsch gedeutet.

   Trotzdem will ich, da euer Spruch dahin entschied,

   zuerst Gebete an die Götter richten, dann,

   als Weihegaben für die Erde und die Toten,

   aus meinem Hause Opferkuchen holen – freilich,

   ich weiß, für einen Schlag, der schon gefallen ist;

   doch wird vielleicht es für die Zukunft nützlich sein.

   Ihr aber, auf dies Unglück hin, verbindet mit

   dem treuen Rat von früher weiter treuen Rat!

   Und falls mein Sohn vor meiner Rückkehr hier erscheint,

   so tröstet ihn, geleitet ihn in den Palast;

   er soll, zum Leide, sich nicht neues Leid aufbürden!

 

 Ab mit dem Boten und dem Gefolge.

 

 CHOR.

  Gebieter Zeus, nun hast du den Heerbann

   des stolzen, an Männern so reichen persischen Volkes

   zugrunde gerichtet

   und Susa und Ekbatana

   in düstere Trauer versenkt!

   Zahlreiche Frauen zerreißen, vom Schmerze gepackt,

   mit zarter Hand ihre Schleier

   und netzen mit Tränen die Brüste,

   die überströmen vom Naß.

   Und die jungen persischen Gattinnen, klagend

   in zärtlichen Tönen, sehnen sich nach dem Anblick

   ihrer erst kürzlich angetrauten Männer,

   verloren das schwellende Lager,

   die Wonne üppiger Jugend,

   und klagen in unersättlichem Jammer.

   Auch ich empfinde das Los der Gefallenen

   in tiefer, aufrichtiger Trauer.

 

   Ja, zur Stunde jammert ganz Asien,

   ein entvölkertes Land.

   Xerxes war der Führer, o weh,

   Xerxes war der Verderber, o weh,

   Xerxes hat alles so eifrig betrieben,

   ohne Sinn und Verstand,

   mit seinen meerebefahrenden Schiffen!

   Warum nur übte Dareios einst

   seine Herrschaft so segensreich

   über sein Volk,

   als Gebieter der Bogenschützen,

   ein gütiger Herr des Landes von Susa?

 

   Landmacht und Seemacht dazu

   hat die Flotte, auf gleichen Schwingen,

   mit dunklen Augen,

   befördert, o weh,

   vernichtet, o weh,

   die Flotte, die angriff zu ihrem Verderben –

   und die Fäuste der Griechen!

   Kaum entrann, soweit ich vernehme,

   der König selbst

   über Thrakiens weite

   und schreckliche Pfade!

 

   Die anderen aber, die Opfer, ach,

   des ersten vernichtenden Schlages, o weh,

   sie treiben um die Küsten des Kychreus, oh!

   Stöhne und härme dich ab,

   laut jammre in deinem Schmerz,

   den der Himmel verhängte, o weh!

   Hebe an, mit voller Stimme,

   den kläglichen Trauergesang!

 

   Grausam gepeitscht durch die Wogen, ach,

   werden zerfleischt sie von den stummen Kindern, o weh,

   des unbefleckten Meeres, oh!

   Es trauert das Haus um den Herrn,

   den es verlor; die Eltern, der Söhne beraubt,

   sie jammern im Schmerz,

   den die Götter verhängten, o weh,

   es jammern die Greise; jetzt kosten sie aus

   die bitterste Qual.

 

   Nicht lange mehr wird man in Asien

   der persischen Satzung sich beugen,

   nicht länger Tribute entrichten

   unter dem Druck der Gebieter,

   nicht länger zur Erde sich werfen

   und Weisung empfangen:

   Gestürzt ist des Großkönigs Macht!

 

   Nicht länger mehr werden die Zungen

   der Menschen bewacht sein; erlöst ist das Volk

   zu freiem Gespräch, seitdem auch

   das Joch der Gewalt sich löste.

   In blutbefleckter Erde birgt

   die rings vom Meer umwogte Insel

   des Aias die persische Macht.

 

 Atossa kehrt zu Fuß und in schlichtem Gewand zurück,  

 gefolgt von Dienerinnen, die Opferspenden tragen.

 

 ATOSSA.

  Wer Leid erfahren hat, ihr lieben Freunde, weiß:

   Brach über einen erst einmal ein Unglücksschwall

   herein, so pflegt man Furcht vor allem zu empfinden;

   doch zieht der Strom des Daimons glücklich hin, so baut

   man drauf, der gleiche Glückswind müsse ständig wehen.

   Mir zeigt sich, furchterweckend, all das vor den Augen,

   womit uns Götter treffen können, und es dröhnt

   in meinen Ohren – aber nicht von Sieg und Rettung;

   so furchtbar ist der Unheilsschlag, der mich erschüttert!

   Vom Hause kehre ich nunmehr hierher zurück,

   nicht hoch zu Wagen, ohne Schmuck, wie ich vorhin

   ihn trug, und bringe für den Vater meines Sohnes

   in Liebe Spenden dar, Besänftigung den Toten,

   von unberührter Kuh das Labsal weißer Milch,

   das Tröpfchen Tau der regen Biene, klaren Honig,

   dazu, aus reiner Quelle, frischgeschöpftes Wasser,

   und dann, von einer wilden Mutter, ungemischt,

   den Trunk, von altem Weinstock hier den edlen Tropfen;

   vom gelben Ölbaum auch, der stets im Blätterschmuck

   von Leben strotzt, ist duftend hier die Frucht zur Hand,

   und Blumenkränze, segensreicher Erde Kinder.

   Auf, liebe Freunde, singt zu meiner Totenspende

   die frommen Weisen, ruft ans Licht den Schatten des

   Dareios! Diese Ehrengaben, Trank der Erde,

   will ich den Göttern in der Unterwelt entrichten.

 

 Sie eröffnet am Grabmal die Opferhandlung.

 

 CHOR.

  Königin, verehrungswürdig den Persern,

   schicke die Spenden in die Wohnstätten

   unter der Erde – und wir wollen bitten

   mit unseren Liedern, es mögen

   gnädig sein die Geleiter der Seelen

   in der Unterwelt.

 

   Auf, ihr reinen Daimonen der Tiefe,

   Gaia und Hermes und du, Gebieter der Toten,

   sendet von unten die Seele zum Licht!

   Denn sollte ein Mittel er wissen gegen das Leid,

   ein beßres als wir, so dürfte als einziger er

   auf der Welt ein Ende des Unglücks uns künden.

 

   Hört er mich, der selige,

   göttergleiche König, wie ich

   in Barbarensprache, verständlich ihm,

   in wechselnden Tönen, traurig, klagend,

   die Stimme erschallen lasse?

   Soll ich Elender meine Trauer

   laut herausschreien?

   Kann er von unten mich hören?

 

   Auf, Gaia und ihr anderen Fürsten

   der Unterwelt, gebt die Erlaubnis

   dem ruhmreichen Schatten, euer Heim zu verlassen,

   dem Gotte der Perser, den Susa gebar!

   Laßt ihn heraufziehen, ihn,

   einen Helden, wie ihn

   die persische Erde noch niemals bedeckt!

  Teuer ist uns der Held, teuer der Grabhügel,

   teuer ist ja, was er birgt.

   Aidoneus, geleite zum Licht ihn,

   Aidoneus,

   den König ohne Beispiel, Dareios! Ach!

 

   Niemals hat er seine Männer zugrunde gerichtet

   im Wahn, der durch Kriege Verderben bringt;

   »Von Göttern beraten« hieß er bei den Persern,

   von Göttern beraten

   war er in der Tat, führte trefflich sein Heer! Ach!

 

   König, ehrwürdiger König, wohlan, so komme!

   Steig auf die Kuppe des Grabhügels,

   hebe die safrangefärbte Sandale

   an deinem Fuß, lasse leuchten

   die Spitze der Königstiara!

   Komm, Vater Dareios, du Fürst ohne Tadel! Oh!

 

   Vernehmen sollst du neues, unerhörtes Leid,

   Herr meines Herren, erscheine!

   Stygisches Dunkel umweht uns;

   sank doch die junge Mannschaft nunmehr

   dahin, ohne Ausnahme.

   Komm, Vater Dareios, du Fürst ohne Tadel! Oh!

 

   O wehe, o weh!

   Toter du, von Freunden so schmerzlich beweint!

   Wie konnte nur, König, mein König,

   dein Verschulden

   über unser ganzes Volk solch zweifaches Leid

   hereinbrechen lassen?

   Vernichtet sind unsere Dreiruderer,

   Schiffe, die keine Schiffe mehr sind!

 

 Der Schatten des Dareios steigt auf.

 

 DAREIOS.

  Ihr Treuen unter den Getreuen, Jugendfreunde,

   ihr greisen Perser, woran leidet unsre Stadt?

   Sie stöhnt, schlägt Haupt und Brust, ihr Grund wird aufgewühlt.

   Ich sehe meine Frau am Grab und hege Furcht,

   nahm freilich ihre Opferspenden gnädig auf.

   Ihr jammert, nah dem Grabmal stehend, und indem

   ihr laut die Schattenwelt beschwört, ruft kläglich ihr

   nach mir; doch ist der Weg herauf durchaus nicht leicht,

   die Götter in der Unterwelt begehren eher

   sich Beute zu gewinnen als sie freizulassen.

   Gleichwohl: ein Herrscher auch in ihrem Kreis, bin ich

   zur Stelle. Sag mir gleich – des Säumens Vorwurf sei

   mir fern –: Welch neues Unheil lastet auf den Persern?

 CHOR.

  Ich wage nicht, dich anzuschauen,

   ich wage nicht, eine Antwort zu geben,

   aus alter Ehrfurcht vor dir.

 DAREIOS.

  Nun, da ich heraufgekommen, folgsam deinem Klageruf,

   sprich nur, freilich nicht mit vielen Worten, sondern kurz gefaßt,

   und erzähle gründlich alles, ohne jede Scheu vor mir!

 CHOR.

  Ich fürchte mich, dir zu willfahren,

   ich fürchte mich, eine Antwort zu geben,

   die man ersparen möchte den Lieben!

 DAREIOS.

  Da die Ehrfurcht noch von einst sich deinem Streben widersetzt,

   auf denn, greise Fürstin, die mein Lager teilte, edle Frau,

   höre auf zu weinen und zu klagen, und erteile mir

   deutlich Auskunft! Menschenleid trifft nun einmal die Irdischen.

   Vielfach dringt zu Wasser, dringt zu Lande das Verderben ein

   auf die Sterblichen, wenn sich ihr Leben in die Länge zieht.

 ATOSSA.

  Du, der durch ein Glückslos alle Welt an Segen übertrifft

   – denn solange du den Sonnenglanz erblicktest, lebtest du

   wie ein Gott, bewundert von den Persern, reich beglückt dahin,

   heute aber preise ich dich, weil du vor dem tiefen Sturz

   sterben durftest –, hör, Dareios, kurz, das ganze Unheil an:

   In den Abgrund sank, gerad herausgesagt, die Persermacht!

 DAREIOS.

  Wie? Brach eine Pest herein? Entzweite Aufruhr unsern Staat?

 

 ATOSSA.

  Nein! Doch bei Athen fand unser ganzes Heer den Untergang.

 DAREIOS.

  Wer von meinen Söhnen ist dorthin ins Feld gezogen? Sprich!

 ATOSSA.

  Xerxes, ungestüm; veröden ließ er alles feste Land.

 DAREIOS.

  Wo, zu Land, zur See, hat er den dummen Streich gewagt, der Tor?

 ATOSSA.

  Da wie dort; zu kämpfen hatten unsre Flotte und das Heer.

 DAREIOS.

  Wie hat solch ein großes Landheer seinen Übergang vollbracht?

 ATOSSA.

  Eine Brücke schlug er über Helles Meer; das war sein Weg.

 DAREIOS.

  Und es glückte ihm, zu schließen fest den großen Bosporos?

 ATOSSA.

  Ja. Ein Daimon wirkte doch vielleicht bei seinem Vorsatz mit.

 DAREIOS.

  Weh! Gewaltig kam ein Daimon, ihm zu trüben den Verstand!

 ATOSSA.

  Am Ergebnis kann man sehen, was er angerichtet hat.

 DAREIOS.

  Was ist ihnen zugestoßen, daß ihr derart um sie klagt?

 ATOSSA.

  Unsre Flotte, schwer geschlagen, riß das Landheer mit ins Grab.

 DAREIOS.

  So ging unser Kriegsvolk ganz und gar zugrunde in der Schlacht?

 ATOSSA.

  Ja – daß jetzt ganz Susa jammert, weil es leer von Männern ist,...

 DAREIOS.

  Weh um unser Heer, um unsre starke Stütze, unsern Schutz!

 ATOSSA.

  ... auch das Baktrervolk vernichtet ward, nur seine Alten nicht,...

 DAREIOS.

  Narr! Welch eine Jugend, unsrer Bündner, trieb er in den Tod!

 ATOSSA.

  ... und bloß Xerxes, heißt es, fast allein, mit einer kleinen Schar...

 DAREIOS.

  Wie und wo sein Los erfüllt? Besteht ein Weg der Rettung noch?

 ATOSSA.

  ... glücklich an die Brücke kam, die beide Erdteile vereint!

 DAREIOS.

  Und daß wohlbehalten unser Festland er betreten,   stimmt?

 ATOSSA.

  Ja. Verbürgt ist diese Nachricht, ohne jeden Widerspruch.

 DAREIOS.