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© 2020 Ingo Naumann

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7526-2129-7

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Inhalt

VORWORT DES ÜBERSETZERS

Ein paar Worte zu dieser Übersetzung erscheinen angebracht. Immerhin ist der Stand der Astronomie um das Jahr 1908 aus heutiger Sicht zum großen Teil überholt und präziser. Da liegt die Frage nahe: Warum eine Übersetzung 110 Jahre nach der Erstausgabe? Weil dieses besondere Thema „Astronomie der Bibel“ von Edward Walter Maunder, ein damals bekannter Bibelkenner und ausgezeichneter Astronom, in beeindruckender Weise zeigt, welche erkenntnisreichen Aussagen mit Hilfe astronomischer Überlegungen möglich sind. Dabei spielt der berühmte „Stern von Bethlehem“ eher eine untergeordnete bis keine Rolle. Der Autor geht auf Ursprünge und Entwicklung der Astronomie ein und verwendet dafür älteste Schriften, dazu gehören auch die Jahrtausende alten Überlieferungen der Bibel. Dabei fällt auf, wie hervorragend einige Erkenntnisse der heutigen Wissenschaft bereits damals im Volk Israel bekannt waren im Vergleich mit den großen Nachbarvölkern hinsichtlich dem Verständnis für Himmelskörper und deren Bewegungen, insbesondere die Tierkreiszeichen des Zodiak. Die überraschenden Ergebnisse in diesem Werk, basierend auf Quellenanalyse und teils durch einfache Berechnungen, erscheinen auch heute noch als sehr interessant und gaben Anlass genug für diese Übersetzung.

Edward Walter Maunder ( * 12. April 1851 – † 21. März 1928) wuchs in London auf als jüngster Sohn eines Methodistenpredigers von John Wesley. Er erwarb sich internationale Beachtung mit seinen Arbeiten zum Sonnenmagnetismus und dessen Einfluss auf die Erde. Zu seinen Ehren wurden ein Mondkrater, ein Marskrater und 2013 der Asteroid Maunder nach ihm benannt.

Schließlich noch ein paar redaktionelle Anmerkungen: Die Original-Abbildungen wurden von übernommen, auch wenn heute bessere Darstellungen zu allen Themen zur Verfügung stehen um der Authentizität willen. Die englische Ausgabe nennt Bibelstellen bevorzugt aus der englischen King-James-Bibel, gelegentlich werden auch alternative Übersetzungsvarianten zum Vergleich genannt, die hier möglichst Sinn-getreu wiedergegeben sind anhand der Übersetzung von Dr. Martin Luther. Der von E. W. Maunder erstellte Buch-Index und das allerdings lückenhafte Bibelstellen-Verzeichnis wurden erweitert. Wohlwissend, dass es immer alternative Übersetzungsmöglichkeiten gibt, ist das Ziel dieser deutschen Neu-Auflage bereits erreicht wenn die Lektüre dieses Buches beiträgt zur Wertschätzung der astronomischen Kenntnisse, die das Volk Israel über Jahrtausende überliefert hat bis auf unsere Zeit; ganz im Sinne dieses großartigen Astronomen und Bibelforschers.

München, Dezember 2020

VORWORT VON E. W. MAUNDER

Warum sollte ein Astronom einen Kommentar zur Bibel schreiben? Weil die Kommentatoren in der Regel keine Astronomen sind und deshalb gehen sie entweder die astronomischen Andeutungen der Schrift schweigend durch oder sie kommentieren sie in einer Weise, die aus wissenschaftlicher Sicht viel zu wünschen übriglässt.

Astronomische Anspielungen in der Bibel, direkte und indirekte, sind nicht wenige an der Zahl, und, um ihre volle Bedeutung hervorzubringen, müssen astronomisch betrachtet werden. Die Astronomie bringt uns ferner in die Lage uns in gewisser Weise in die Position der Patriarchen und Propheten von früher zu versetzen. Wir wissen, dass die gleiche Sonne und derselbe Mond, Sterne und Planeten, auf uns scheinen, wie auf Abraham und Moses, David und Jesaja. Wir können, wenn wir wollen, den unveränderlichen Himmel mit ihren Augen sehen und ihre Ansichten ihnen gegenüber verstehen.

Es lohnt sich für uns dies zu tun. Die gewaltigen Fortschritte in der Wissenschaft, die seit der Schließung des Kanons der Heiligen Schrift gemacht wurden, und vor allem während der letzten dreihundert Jahre, ermöglichen es uns, die Bedeutung einer höchst bemerkenswerten Tatsache zu erkennen. Schon in diesen frühen Zeiten, als alle Völker, die Israel umgaben, Himmelskörper als Objekte für Anbetung oder Götzendienst waren, so war die Haltung der heiligen Schriftsteller ihnen gegenüber vollkommen in Vernunft und Wahrheit.

Die Astronomie spielt noch eine weitere Rolle im Bibelstudium. Die Datierung der verschiedenen Bücher der Bibel und das Verhältnis bestimmter heidnischer Mythologien zu den biblischen Erzählungen der frühesten Zeiten der Welt haben in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten. Literarische Analyse hat viel Licht auf diese Themen geworfen, aber bis jetzt sind alle Beweise, die Astronomie geben konnte, fast völlig vernachlässigt worden. Aus der Natur des Falles müssen solche Beweise jedoch, soweit sie verfügbar sind, äußerst entscheidend und genau sein.

Ich habe mich in dem vorliegenden Buch bemüht, einen astronomischen Kommentar zur Bibel zu geben in einer Weise, die für den allgemeinen Leser sowohl klar als auch interessant ist, wobei so weit wie möglich auf astronomische Formalitäten verzichtet wird, da die betreffenden Prinzipien für die meisten relativ einfach sind. Ich vertraue auch darauf den ersten Schritt in einer neuen Untersuchung zu gehen und die Ergebnisse von nicht geringer Wichtigkeit sind.

St. Johns, London, Januar 1908

DIE ASTRONOMIE DER BIBEL

(1908)

BUCH 1 DIE HIMMELSKÖRPER

KAPITEL I DIE HEBRÄER UND ASTRONOMIE

Die moderne Astronomie begann vor etwas mehr als drei Jahrhunderten mit der Erfindung des Teleskops und Galileis Anwendung auf das Studium der Himmelskörper. Dieses neue Instrument enthüllte ihm sofort die Berge auf dem Mond, die Jupiter-Satelliten und die Flecken auf der Sonne und brachte die Himmelskörper unter Beobachtung, wie es noch niemand vorher geträumt hatte. Aus unserer heutigen Sicht sind die Planeten des Sonnensystems Welten. Wir können ihre Oberflächen untersuchen und beurteilen worin sie unserer Erde ähneln oder sich von ihr unterscheiden. Für die Alten waren sie nur Lichtpunkte, für uns sind es gewaltige Körper die wir messen und wiegen könnten. Das Teleskop hat es uns ermöglicht, auch tief in den Weltraum vorzudringen. Wir haben von anderen Systemen neben denen unserer eigenen Sonne und ihrer Angehörigen erfahren, viele davon weit komplexer. Gruppierungen und Wolken von Sternen wurden uns offenbar; mysteriöse Nebel, die durch ihre Formen andeuten, dass sie Systeme von Sonnen sind, die in der Entstehung sind. In letzter Zeit hat die Erfindung des Spektroskops uns viel über die Elemente gelehrt, die zur Komposition dieser zahllosen Sterne gehören und wir können diejenigen unterscheiden, die unter ähnlichen Bedingungen wie unsere Sonne bestehen oder auch ganz anders. Die Fotografie, unterstützt von dem mächtigsten Teleskop, zeigt uns Objekte die zu schwach leuchten als dass wir diese mit bloßem Auge erkennen, zu detailliert und kompliziert für die geschickteste Hand um es darzustellen.

Galileis Freund und Zeitgenosse Kepler legte etwa zur selben Zeit den Grundstein für eine weitere Abteilung der modernen Astronomie. Er studierte die scheinbaren Bewegungen der Planeten bis sie ihm ihr Geheimnis so weit offenlegten, dass er sie in drei einfachen Gesetzen ausdrücken konnte. Gesetze, die Sir Isaac Newton zwei Generationen später als das Ergebnis eines großen und einfachen Gesetzes der universellen Reichweite, des Gravitationsgesetzes, darstellte. Auf diesem Gesetz beruhen die wunderbaren mathematischen Errungenschaften der Astronomie.

All diese wundervollen Resultate wurden durch die freie Ausübung der geistigen Fähigkeiten der Menschen erreicht und es ist nicht vorstellbar, dass Gott eingegriffen hätte um ihr Wachstum in der intellektuellen Macht zu behindern indem er den Menschen Fakten und Methoden preisgab für die zu entdecken ihre eigenen Fähigkeit ausreichten. Die mentalen

Kräfte der Menschen haben sich durch ihre Übung entwickelt. Sie wären vernachlässigt worden, wenn man die Menschen dazu gebracht hätte eher nach Offenbarung zu suchen anstatt mit fleißiger Anstrengung ihre Neugier befriedigen zu können. Wir finden daher in der Bibel keinen Hinweis darauf, was uns die moderne Astronomie gelehrt hat. Es ist jedoch anzumerken, dass einige Ausdrücke, die zu jeder Zeit angebracht waren, im Licht unseres heutigen Wissens viel angemessener, viel aussagekräftiger geworden sind.

Das Zeitalter der Astronomie, das der Moderne vorausging und das klassische Zeitalter genannt wird, war in seinem Anfang fast so scharf festgelegt wie sein Nachfolger. Sie dauerte etwa zweitausend Jahre und begann mit den Untersuchungen der Planetenbewegungen einiger früher griechischer Mathematiker. Die klassische, wie die moderne Astronomie, hatte ihre zwei Seiten, die instrumentale und die mathematische. Auf der instrumentalen Seite war die Erfindung von abgestuften Instrumenten zur Bestimmung der Positionen der Himmelskörper; auf der mathematischen, die Entwicklung von Geometrie und Trigonometrie für die Interpretation dieser Positionen, wenn so bestimmt. Unter den großen Namen dieser Periode sind diejenigen von Eudoxus von Knidus (408-355 v. Chr.) und Hipparchus von Bithynia, der etwas mehr als zwei Jahrhunderte später lebte. Unter ihren ersten Anführern begann die Astronomie in der klassischen Zeit schnell voranzukommen, aber sie erlebte bald eine tödliche Schande. Männer begnügten sich nicht damit, die Himmelskörper als das zu betrachten was sie waren. Sie waren bestrebt, sie zu Quellen der Weissagung zu machen. Die große Schule von Alexandria (gegründet um 300 v. Chr.), das Hauptquartier der Astronomie, wurde vom Geist der Astrologie überfallen, der Bastardwissenschaft, die immer versucht hat – parasitenartig – ihr Leben aus der Astronomie zu saugen. Von den Tagen des Claudius Ptolemäus bis zum Ende des Mittelalters wurde das Wachstum der Astronomie gestoppt, und es trug nur wenige Früchte.

Es wird bemerkt werden, dass das Klassische Zeitalter nicht vor Vollendung der letzten Bücher des Alten Testaments begonnen hat. So finden wir in der Heiligen Schrift keinen Hinweis auf die astronomischen Errungenschaften jener Zeit, unter denen die ersten Versuche, die scheinbaren Bewegungen von Sonne, Mond, Sternen und Planeten zu erklären, die bedeutendsten waren.

Wir haben eine vollständige Geschichte der Astronomie in den modernen und klassischen Perioden, aber es gab eine frühere Astronomie, nicht unbeträchtlich in Umfang, von der keine Geschichte überliefert wird. Denn als Eudoxus seine Arbeit begann, war die Länge des Jahres bereits bestimmt, die Äquinoktien und Sonnenwenden waren erkannt, die Ekliptik, der

Himmelsäquator und die Pole beider Großkreise waren bekannt, und die fünf Hauptplaneten waren vertraute Objekte. Diese frühe Astronomie muss ihre Geschichte, ihre Entwicklungsstadien gehabt haben, aber wir können sie nur schwer verfolgen. Sie kann nicht ausgewachsener gewesen als die anderen Wissenschaften, muss von Null angefangen haben und die Menschen müssen sich langsam von einer Beobachtung zur nächsten durchgekämpft haben, mit sich allmählich erweiternden Konzeptionen, bevor sie es sogar zu jenem Stadium der Entwicklung bringen konnten, in der es war als die Beobachter des Museums von Alexandria ihre Arbeit begannen.

Die Bücher des Alten Testaments wurden zu verschiedenen Zeiten während des Fortschritts dieses frühen Zeitalters der Astronomie geschrieben. Wir sollten daher natürlich erwarten, die astronomischen Anspielungen vom Standpunkt eines solchen wissenschaftlichen Wissens zu finden, das damals erworben wurde. Wir können keinen Augenblick erwarten, dass übernatürliche Offenbarungen rein materielle Tatsachen an die Schriftgelehrten, zwei- bis dreitausend Jahre bevor der Fortschritt der Wissenschaft diese Tatsachen ans Licht brachte, vermittelt wurden. Und wir sollten uns nicht wundern wenn gelegentlich Ausdrücke verwendet wurden, die wir heute auch verwenden, wenn wir über die Naturphänomene aus technischer Sicht schreiben. Es ist ferner zu bedenken, dass die astronomischen Referenzen nicht zahlreich sind, dass sie meist in poetischen Bildern vorkommen und dass die Heilige Schrift nicht dazu gedacht ist, einen Überblick über die wissenschaftlichen Errungenschaften der alten Hebräer zu geben. Sein Zweck war davon ganz verschieden: er war religiös, nicht wissenschaftlich; es sollte geistige, nicht intellektuelle Erleuchtung geben. Ein außerordentlich wertvolles und interessantes Werk wurde kürzlich von dem bedeutendsten italienischen Astronomen, Prof. Giovanni Virginio Schiaparelli, zu diesem Thema der "Astronomie im Alten Testament" veröffentlicht, zu dem ich hier meine hohe Wertschätzung mitteilen möchte. Dennoch halte ich das erklärte Ziel seines Buches "zu entdecken, welche Ideen die alten jüdischen Weisen über die Struktur des Universums hielten, welche Beobachtungen sie von den Sternen machten und wie weit sie sie für die Messung und Zeitteilung nutzten“1 nicht für erreichbar, weil dazu nicht genügend Material zur Ausführung zur Verfügung steht. Wenn wir schon implizit den Hinweis auf das Schweigen der Schrift akzeptieren müssen, sollten wir dazu bemerken, dass die Hebräer – obwohl ihr Kalender im Wesentlichen an der Beobachtung des Mondes basierte – nie Bemerkungen dazu machten, dass der Mond im Verlaufe eines Monats seine scheinbare Form ändert. Denn in der Bibel werden keine Mondphasen erwähnt. Die Verweise auf Himmelskörper in der Schrift sind nicht zahlreich und dienen entweder als Zeitmesser oder als Themen für fromme Anspielung, poetische Umschreibung oder zur symbolischen Bedeutung. Aber es gibt ein gemeinsames Merkmal all dieser Verweise auf die Erscheinungen der Natur, das man nicht ignorieren sollte. Keiner der Antike erreichte jemals die großen hebräischen Autoren in spiritueller Höhe; keiner glich ihnen in poetischer Erhabenheit; und wenige, wenn überhaupt, übertrafen sie in Eifer der Beobachtung oder in unmittelbarer Sympathie für jedes Werk des Schöpfers. Diese Merkmale bedeuten eine natürliche Begabung der Hebräer für erfolgreiches wissenschaftliches Arbeiten und wir haben das Recht zu glauben, dass sie unter günstigeren Umständen herausragendes gezeigt haben würden auf dem Gebiet der physikalischen Forschung, ebenso markant wie die Überlegenheit ihrer religiösen Vorstellungen über die der umgebenden Völker. Wir können natürlich davon ausgehen, dass der durchschnittlich-gebildete Jude wie ein Jesaja nicht mehr dazu wusste als ein durchschnittlich-gebildeter Engländer wie ein Shakespeare. Dennoch ist der eine wie der andere ein Maßstab zur Weiterentwicklung und Kapazität für sein Volk. Auch könnten Jesajas Schriften nicht erhalten bleiben, ebenso die von Shakespeare, ohne tatsächliche Wertschätzung von Seiten vieler seiner Landsleute.

Aber die notwendigen Voraussetzungen für große wissenschaftliche Entwicklungen fehlten für Israel. Als ein kleines Volk, zwischen mächtigen und aggressiven Imperien gegründet, war seine Geschichte zum größten Teil die Aufzeichnung eines Kampfes um die nackte Existenz. Und nach drei oder vier Jahrhunderten des ungleichen Konflikts war zuerst das eine und dann das andere der beiden Schwester-Königreiche überwältigt. In diesen Sturm- und Stressjahren gab es nur wenig Gelegenheit für Männer, sich neugierig auf die Geheimnisse der Natur einzulassen.

Einmal nur gab es einen langen Zeitraum von Wohlstand und Frieden, nämlich von der Zeit da David das Königreich konsolidiert hatte bis zu der Zeit, als es unter seinem Enkel, Rehobeam, zerstört wurde. Und es ist bezeichnend, dass die Überlieferung zu Salomo und seiner Zeit genau solch eine wissenschaftliche Tätigkeit zugeschrieben hat, wie es uns die Fähigkeit und das Temperament des hebräischen Volkes erwarten lassen würde wenn die Bedingungen dafür günstig wären.

So werden im vierten Kapitel des ersten Buches der Könige nicht nur die Errungenschaften Salomos selbst beschrieben, sondern auch die anderer Menschen, Zeitgenossen entweder seines Vaters David oder seiner selbst, werden genannt, in gleicher Weise wenn auch in weniger starker Ausprägung:

"Und Gott gab Salomo viel Weisheit und Verständnis, und viel Herz, wie der Sand am Meer. Und Salomos Weisheit übertraf die Weisheit aller Söhne des östlichen Landes und die ganze Weisheit Ägyptens. Denn er war weiser als alle Menschen; als Ethan der Esrahite und Heman und Chalcol und Darda, die Söhne Mahols, und sein Ruhm war in allen Völkern ringsum. Und er sprach dreitausend Sprichwörter; und seine Lieder waren tausend und fünf. Und er redete von Bäumen, von der Zeder die im Libanon ist, bis zum Ysop der aus der Mauer sprießt; er redete auch von Bestien, von Geflügel, von kriechenden Tieren und von Fischen. Und vor alle Völker kam die Weisheit Salomos, zu allen Königen der Erde, die von seiner Weisheit gehört hatten.“ (1.Könige 4,29-34)

Die Tradition seiner großen Bedeutung in der wissenschaftlichen Forschung ist auch in den Worten erhalten, die ihm im Buch der Weisheit Salomos, das jetzt in den Apokryphen enthalten ist, in den Mund gelegt werden:

„Denn Gott gab mir selbst eine unfehlbare Kenntnis der Dinge, die die Verfassung der Welt und die Funktionsweise der Elemente betreffen; der Anfang und das Ende und die Mitte der Zeiten; die Wechsel der Sonnenwenden und die Wechsel der Jahreszeiten; die Kreisläufe der Jahre und die Positionen (Anmerkung: die Konstellationen) der Sterne; die Gewalten der Winde und die Gedanken der Menschen; die Verschiedenartigkeit der Pflanzen und die Heilkraft der Wurzeln: alles, was entweder geheim oder offenbar ist, habe ich gelernt, denn sie ist die Schöpferin die mich alle Dinge lehrte, sogar Weisheit.“ (Sprüche 7,17-22)

Zwei große Namen haben sich in jedem Teil des Ostens eingeprägt: der eine, der von Salomo, dem Sohn Davids, als der Meister jeder geheimen Quelle des Wissens; und der andere von Alexander dem Großen, als der mächtigste der Eroberer. Es ist nicht unvernünftig zu glauben, dass die Überlieferung, die den ersten respektiert, als glaubwürdige Grundlage der tatsächlichen Errungenschaften geschrieben wurden von denen, die den zweiten respektieren.

Aber zu solchen wissenschaftlichen Errungenschaften haben wir keine ausdrückliche Anspielung in der Schrift, wie sie uns durch die beiden eben angeführten Zitate ermöglicht wird. Natürliche Objekte, natürliche Phänomene werden nicht um ihrer selbst willen erwähnt. Jeder Gedanke führt zu Gott oder zu der Beziehung des Menschen zu Ihm. Die Natur als Ganzes und in allen Einzelheiten ist das Werk Jehovas: das ist die Wahrheit, die die Himmel immer verkünden. Und es ist seine Macht, seine Weisheit und seine Güte für den Menschen, nach der gesucht wird wenn die Schönheit oder das Wunder der natürlichen Gegenstände beschrieben wird.

"Wenn ich an deine Himmel denke, das Werk deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du bestimmt hast: Was ist der Mensch, dass Du seiner gedenkst? Und der Menschensohn, dass du ihn besucht hast?“ (Ps 8,3)

Der erste Zweck der hier folgenden Untersuchung der Astronomie der Bibel ist es daher nicht, die Astronomie der Hebräer zu rekonstruieren, eine Aufgabe, für die das Material offensichtlich unvollständig ist. Sondern solche astronomischen Anspielungen zu untersuchen, wie sie in Bezug auf ihre Angemessenheit zu der Lektion beiträgt, die der Schreiber darlegen möchte. Danach wird es von Interesse sein zu untersuchen, welche Verbindung zwischen den Schriften des Alten Testaments und den Konstellationen gefunden werden kann. Die Anordnung der Sterne zu Sternbildern war die hauptsächliche astronomische Arbeit, die während der Jahrhunderte ausgeführt wurde und als jene Schriften einzeln verfasst wurden. Die Verwendung der Himmelskörper als Zeitmesser unter den Hebräern wird eine dritte Unterteilung dieser Schrift bilden, während es in der Geschichte Israels zwei oder drei Vorfälle gibt, die aus astronomischer Sicht zu prüfen wären und in geeigneter Weise in einem vierten und abschließenden Abschnitt behandelt werden.

KAPITEL II DIE SCHÖPFUNG

Vor ein paar Jahren zog eine große Sonnenfinsternis, die als Ganzes entlang eines breiten Landstreifens quer durch Indien gesehen wurde, Astronomen von den äußersten Enden der Erde an. Nicht nur viele englische Beobachter reisten dorthin, sondern die Vereinigten Staaten von Amerika im äußersten Westen und Japan im Fernen Osten schickten ihre Kontingente, und die gesamte Länge des Landes, das durch den Weg des Schattens bedeckt würde, war übersät mit den temporären Observatorien von Wissenschaftlern.

Es war ein wundervoller Anblick, der diesen Reisenden auf der Suche nach Wissen gewährt wurde. In einem Himmel ungebrochener Reinheit, der für einen Augenblick von Nebel oder Wolken getrübt war, schien die feurige indische Sonne herab. Nach und nach drang ein dunkler geheimnisvoller Kreis in seinen unteren Rand ein und bedeckte seine Helligkeit. Kühle ersetzte die brennende Hitze, langsam bewegte sich die dunkle Deckung weiter, langsam nahm das Sonnenlicht ab bis schließlich die ganze Sonnenscheibe verborgen war. Dann in einem Augenblick blitzte eine wundervolle sternartige Form hervor, eine edle Form von leuchtendem Silberlicht am dunkelvioletten Himmel.

Es gab jedoch keine Zeit für die Astronomen sich nur der Bewunderung für die Schönheit der Szene oder zum Genuss von Rhapsodien zu widmen. Nur zwei kurze Minuten standen ihnen zur Verfügung um alles zu notieren, all ihre Fotos zu machen, alle Fragen zu stellen und alle Antworten zu erhalten, für die diese seltsame Verschleierung der Sonne und noch seltsamere Enthüllung seiner Heiligenschein-Umgebung Gelegenheit gab. Es waren zwei Minuten von höchster Anstrengung, von hastiger, obwohl geordneter Arbeit. Und dann setzte ein plötzlicher Sonnenstrahl ein Ende für alles. Die geheimnisvolle Vision hatte sich zurückgezogen, die Farbe eilte zurück in die Landschaft, die im Schatten wie abgestorben aussah. Der schwarze Schleier gab schnell die Sonne frei und die Hitze kehrte in die Luft zurück. Die Finsternis war vorbei.

Aber die Astronomen aus fernen Ländern waren nicht die einzigen, die die Finsternis beobachteten. Bei ihrer Arbeit konnten sie das Geräusch einer großen Menge hören, ein Geräusch des Weinens und Jammerns, eine Bevölkerung bestürzt über die Not ihres Gottes. Es war so an jedem Punkt entlang der Schattenspur, aber besonders dort wo diese Spur den Lauf des heiligen Flusses traf. Auf hundert Straßen strömten die Pilger unaufhörlich zur heiligen Mutter Gunga in Richtung Benares, der heiligen Stadt, in Richtung Buxar, wo die Sonnenfinsternis am Flussufer zentral war. Es ist immer verdienstvoll – so glaubt der Hindu – in diesem heiligen Fluß zu baden. Aber solch eine Zeit wie diese, wenn die Sonne in der Verfinsterung ist, ist der günstigste Zeitpunkt für solche Reinigungen.

Könnte es einen größeren Kontrast geben als den zwischen den Millionen, die vor den Zeichen des Himmels zittern und bestürzt sind und den kleinen Gesandtschaften, die Tausende von Meilen über Land und Meer gekommen waren und sich freuten über die kurze Chance, die ihnen gegeben wurde, um ein wenig mehr über die Geheimnisse der Wunder der Natur zu erfahren?

Der Gegensatz zwischen den Heiden und den Wissenschaftlern lag sowohl in ihrem geistigen als auch in ihrem intellektuellen Standpunkt. Wie wir später sehen werden, ist der intellektuelle Gegensatz ein Ergebnis des Geistigen. Die heidnische Idee ist, dass die Himmelskugeln göttlich sind, oder dass zumindest jeder eine "Göttlichkeit" ausdrückt. Dies scheint an sich keine unnatürliche Idee zu sein wenn wir die großen Vorteile betrachten, die uns durch das Zusammenspiel von Sonne und Mond entstehen. Es ist die Sonne, die morgens und abends die Dunkelheit gehen oder kommen lässt, Licht und Wärme bringt und den Menschen das Leben zurückgibt. Es ist die Sonne, die die Erde nach ihrem Winterschlaf aufwühlt und die Vegetation beflügelt. Es ist der Mond, der die Macht über die große Welt der Gewässer hat, deren Puls in einer Art mysteriösen Gehorsams gegen ihren Willen schlägt.

Natürlich war es für die Menschen weiterzugehen und anzunehmen, dass nicht nur in diesen und in den anderen Mitgliedern der himmlischen Heerschar Kraft steckt, sondern dass sie lebendige, intelligente, persönliche Macht ist; dass diese leuchtenden Kugeln Wesen oder Manifestationen von Wesen sind, erhaben, mächtig, unsterblich – dass sie Götter sind.

Aber wenn das Götter sind, dann ist es ein Sakrileg. Es wäre profan, sie als bloße "Dinge" zu behandeln um sie im Mikroskop oder Teleskop genau zu beobachten; um sie gleichsam im Spektroskop zu zerlegen; um ihre Elemente im Labor zu identifizieren, neugierig auf ihre Eigenschaften, Einflüsse, Beziehungen und Handlungen auf einander zu sein.

Und wenn das Götter sind, dann gibt es viele Götter anstatt nur einen Gott. Und wenn es viele Götter gibt, gibt es viele Gesetze, nicht ein Gesetz. Aber wissenschaftliche Beobachtungen können nicht mit Polytheismus in Einklang gebracht werden, denn wissenschaftliche Beobachtungen erfordern die Annahme eines universellen Gesetzes. Der weise König drückte dieses Gesetz so aus: „Das Ding, das gewesen ist, ist das, was sein soll.“ (Pred 1,9) Die tatsächliche Sprache der Wissenschaft, wie sie von Professor Thiele, einem führenden Kontinentalastronomen, ausgedrückt wird, besagt, dass "alles, was existiert, und alles, was passiert, existiert oder geschieht als eine notwendige Konsequenz eines früheren Zustandes der Dinge. Wenn ein Zustand der Dinge in jedem Detail wiederholt wird, muss er genau die gleichen Konsequenzen haben. Jeder Unterschied zwischen den Ergebnissen von Ursachen, die zum Teil gleich sind, muss durch einen Unterschied im anderen Teil der Ursachen erklärbar sein."2

Das in den obigen Worten genannte Gesetz wurde das Gesetz der Kausalität genannt. Es kann nicht bewiesen werden, sondern muss geglaubt werden, so wie wir die Grundannahmen der Religion glauben, mit der sie eng und innig verbunden ist. Das Gesetz der Kausalität drängt sich unserem Glauben auf. Es kann theoretisch bestritten werden, aber nicht in der Praxis. Jeder der es leugnet wird, wenn er wachsam genug ist, sich selbst immer wieder fragen woran es liegt, dass das eine passiert ist und das andere nicht. Aber gerade in dieser Frage ist das Gesetz der Kausalität bezeugt. Wenn wir das Gesetz der Kausalität konsequent leugnen, müssen wir alle Beobachtungen und insbesondere alle auf der Erfahrung der Vergangenheit beruhenden Vorhersagen als nutzlos und irreführend zurückweisen.

"Wenn wir uns für einen Augenblick vorstellen könnten, dass die gleiche vollständige Kombination von Ursachen eine bestimmte Anzahl von verschiedenen Konsequenzen haben könnte, wie klein auch immer diese Zahl sei, und dass unter diesen das Auftreten der tatsächlichen Folge im alten Sinn des Wortes zufällig war, würde keine Beobachtung jemals einen besonderen Wert haben.2

Solange die Menschen als praktischen Glauben festhalten, dass die Ergebnisse, die ihre Bemühungen begleiten, davon abhängen ob Jupiter wach und aktiv ist; ob Neptun einen unfairen Vorteil aus dem Schlaf seines Bruders zieht; ob Diana ihren silbernen Bogen für den Kampf spannt oder weinend und verwirrt wegfliegt, weil Juno sie geohrfeigt hat; solange ist es nutzlos Beobachtungen zu machen oder zu konsultieren.

Professor Thiele schreibt dann weiter: "Wenn das Gesetz der Kausalität als eine Annahme anerkannt wird, die immer richtig ist, dann gibt uns jede Beobachtung eine Offenbarung die, wenn sie richtig beurteilt und mit anderen verglichen wird, uns die Gesetze gibt, nach denen Gott die Welt regiert."2

Mit welchen Mitteln sind die modernen Wissenschaftler zu einer so verschiedenen Ansicht gekommen von der der Heiden? Es kann nicht durch irgendeinen natürlichen Entwicklungsprozess geschehen sein, dass der intellektuelle Standpunkt, der die wissenschaftliche Beobachtung möglich gemacht hat, vom geistigen Standpunkt des Polytheismus hergeleitet werden sollte, der alle wissenschaftliche Beobachtung nicht nur profan sondern auch nutzlos machte.

In den alten Tagen betrachteten die Heiden im Allgemeinen das himmlische Heer und die Himmelskörper wie es die Heiden auch heute betrachten. Aber bei einem Volk, bei den Hebräern, ist Wahrheit: „Am Anfang erschuf Gott den Himmel und die Erde" (1.Mose 1,1); so in den ersten Worten ihres Heiligen Buches bewahrt. Dieses Volk erklärte: "Alle Götter des Volkes sind Götzenbilder, aber der Herr hat die Himmel erschaffen." (1.Chr 16,26) Für dasselbe Volk lautete die Losung: "Höre, Israel, der HErr, unser Gott, ist Ein HErr." (5.Mose 4,5)

Aus diesen Worten lernten die Hebräer nicht nur eine große geistige Wahrheit, sondern auch geistige Freiheit. Denn durch diese Worte wurden sie gelehrt, dass alle Heerscharen des Himmels und der Erde geschaffene Dinge seien – lediglich "Dinge", nicht "Gottheiten" – und nicht nur das, sondern dass der Schöpfer Ein Gott, nicht viele Götter sei – dass es nur einen Gesetzgeber gibt – und deshalb konnte es keinen Konflikt zwischen Naturgesetzen geben. Diese ersten Worte der Genesis können dann als die Urkunde aller "physikalischen Wissenschaften" bezeichnet werden, denn durch sie wird Freiheit von allen Banden des unwissenschaftlichen Aberglaubens gewährt, und durch sie wissen die Menschen, dass das konsistente Gesetz auch im ganzen Universum gilt.

Es ist die intellektuelle Freiheit der Hebräer, die der Wissenschaftler von heute übernimmt. Er mag vielleicht nicht in der Lage sein, zum spirituellen Standpunkt der Hebräer zu gelangen und die folgende Aussage bewusst anzuerkennen: "Du, ja Du allein bist Herr. Du hast den Himmel gemacht, den Himmel der Himmel, mit all ihren Heerscharen, die Erde und alles was darin ist, die Meere und alles was darin ist, und Du erhältst sie alle, und die Scharen des Himmels beten dich an.“ (Neh 9,6) Aber er muss ihr wenigstens unbewusst zustimmen, denn von der ersten großen Grundannahme der Religion, wie sie in den ersten Worten der Genesis enthalten ist, hängt die Grundannahme aller seiner wissenschaftlichen Überlegungen ab.

Wissenschaftliches Denken und wissenschaftliche Beobachtung können nur solange und insofern gültig sein, als das Gesetz der Kausalität gilt. Wir müssen von einem bereits bestehenden Sachverhalt ausgehen, der zu dem beobachteten Effekt geführt hat. Wir müssen annehmen, dass dieser beobachtete Effekt selbst einem späteren Sachverhalt vorausgeht. Die Wissenschaft kann daher nicht zu den absoluten Anfängen der Dinge zurückkehren oder zu den absoluten Enden der Dinge vorrücken. Sie kann nicht darüber sprechen, wie Materie und Energie entstanden sind oder wie sie aufhören könnten zu existieren. Sie kann nicht über Zeit und Raum als solche denken, sondern nur in den Beziehungen dieser zu den beobachtbaren Phänomenen. Sie betrachtet nicht die Dinge selbst, sondern nur die Beziehungen zwischen den Dingen. Die Wissenschaft kann das Universum tatsächlich nur als eine große Maschine betrachten, die sich in "funktionierender Ordnung" befindet. Sie befasst sich mit den Beziehungen, die einige Teile der Maschine mit anderen Teilen verbindet und mit den Gesetzen und der Art des "Funktionierens" der Maschine in diesen Teilen. Die Beziehungen der verschiedenen Teile zueinander und die Art und Weise, wie sie zusammenwirken, können eine Vorstellung von dem Design und dem Zweck der Maschine vermitteln, aber sie können keine Information darüber geben, wie das Material, aus dem sie zusammengesetzt ist, entstand; noch in Bezug auf die Methode, mit der es ursprünglich konstruiert wurde. Einmal gestartet, gerät die Maschine in den Fokus der Wissenschaft, doch der eigentliche Start liegt außerhalb ihres Rahmens.

Menschen können daher nicht selbst herausfinden, wie die Welten ursprünglich entstanden sind, wie die Welten zuerst bewegt wurden oder wie der Geist des Menschen zuerst in ihm geformt wurde. Und dies nicht nur, weil diese Anfänge der Dinge notwendig außerhalb seiner Erfahrung liegen, sondern auch weil Anfänge als solche außerhalb des Gesetzes liegen müssen, durch das es begründet ist.

Daher konnte der Mensch durch keinen Forschungsprozess die Tatsachen herausfinden, die im ersten Kapitel der Genesis angegeben sind. Sie müssen enthüllt worden sein. Die Wissenschaft kann nicht nach ihnen fragen um ihre Genauigkeit zu überprüfen. Sie muss sie akzeptieren, weil es das Grundgesetz akzeptiert; das seine eigene Arbeit regelt ohne die Möglichkeit eines Beweises.

Und das ist es, was dem Menschen offenbart worden ist: nämlich, dass der Himmel und die Erde nicht von Ewigkeit her existierten, sondern dass sie im Anfang von Gott geschaffen wurden. Wie der Verfasser des Hebräerbriefs sagt: "Durch den Glauben verstehen wir, dass die Welten durch das Wort Gottes umrahmt wurden, so dass die Dinge, die gesehen werden, nicht aus Dingen gemacht sind, die erscheinen." (Hebr 9,23) Und eine weitere Tatsache wurde offenbart – dieser Mann hätte es nicht selbst herausfinden können – nämlich, dass diese Schöpfung in sechs göttlichen Handlungen geschaffen und beendet wurde, die in dem, was die Erzählung "Tage" nennt, enthalten sind. Es wurde nicht offenbart, ob die Dauer dieser "Tage" in irgendeiner astronomischen Zeiteinheit ausgedrückt werden kann.

Da die Wissenschaft unter diesen Umständen keine Information dazu schaffen kann ist es nicht verwunderlich, dass die Hypothesen, die von Zeit zu Zeit aufgestellt wurden, um das erste Kapitel der Genesis zu »erklären« oder wissenschaftlich auszudrücken, nicht ganz befriedigend sind. Zu einer Zeit wurde das Kapitel so interpretiert, dass das gesamte Universum vor etwa 6.000 Jahren in sechs Tagen mit jeweils vierundzwanzig Stunden ins Leben gerufen wurde. Später wurde erkannt, dass sowohl die Geologie als auch die Astronomie die Existenz von Materie für ungezählte Millionen von Jahren anstelle von etwa 6000 Jahren voraussetzen. Es wurde dann darauf hingewiesen, dass es, soweit es die Erzählung betraf, eine Periode von fast unbegrenzter Dauer zwischen dem ersten und dem vierten Vers gibt. Und es wurde vorgeschlagen, dass die "sechs Tage der Schöpfung“ jeweils sechs Tage von vierundzwanzig Stunden waren in denen, nach einer großen Katastrophe vor 6.000 Jahren, das Gesicht der Erde erneuert und als Wohnung für die Menschen gestaltet wurde; vorhergehende geologische Zeitalter wurden völlig unbemerkt gelassen. Einige Autoren haben die Katastrophe und Erneuerung auf einen kleinen Teil der Erdoberfläche beschränkt: auf "Eden" und seine Nachbarschaft. Andere Kommentatoren haben die in der Schrift offenbarte Wahrheit betont: "Ein Tag ist vor dem Herrn wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag" (2.Petr 3,8) und haben das Argument geäußert, dass die sechs Schöpfungstage in Wirklichkeit große Zeiträume waren während derer die geologischen Veränderungen der Erde und die Entwicklung ihrer vielfältigen Lebensformen ihre Gestalt annahmen. Wieder andere haben darauf bestanden, dass die sechs Tage der Schöpfung sechs wörtliche Tage waren, aber statt aufeinander folgend durch lange Zeiten getrennt seien. Und noch einmal: kein Mensch war anwesend und die Schöpfungsphasen konnten nur mitgeteilt werden durch göttliche Offenbarung an Moses oder einen anderen inspirierten Propheten, als in sechs aufeinander folgende Visionen oder Träumen gegeben; so sind diese "sechs Tage" dargestellt in den Hauptteilen der Schöpfungsgeschichte.

Alle diese Hypothesen basieren auf der Annahme, dass die ersten Kapitel der Genesis dem Menschen bestimmte physikalische Details in der materiellen Geschichte dieses Planeten offenbaren sollten, ein kleines Kompendium der geologischen und zoologischen Geschichte der Welt, als eine geeignete Einführung in die Geschichte der frühen Tage der Menschheit, die dem folgte.

Es ist sicherlich vernünftiger zu folgern, dass es überhaupt keine Vorgehensweise gab uns irgendetwas über die physischen Beziehungen von Land und Meer, von Baum und Pflanze, von Vögeln und Fischen zu lehren. Es scheint in der Tat kaum vorstellbar, dass es eine göttliche Absicht gewesen wäre, die Zeitalter mit einem komprimierten Handbuch der physikalischen Wissenschaften zu versorgen. Welchen nützlichen Zweck hätte es erfüllen können? Welcher Mensch wäre dadurch weiser oder besser geworden? Wer hätte es zu jener Zeit verstehen können, ohne dass die Menschen durch ihr eigenes geistiges Streben das Wissen um ihre physische Umgebung erlangt hätten mit Verzicht auf eine solche Offenbarung?

Aber obwohl die ersten Kapitel der Genesis nicht dazu bestimmt waren, den Hebräern bestimmte physikalische Tatsachen der Natur zu lehren, gaben sie ihm das Wissen, dass er die Natur rechtmäßig studieren könnte. Denn er hat von ihnen gelernt, dass die Natur keine Kraft und keine eigene Vitalität hat, dass Sonne und Meer und Wolke und Wind keine getrennten Gottheiten sind, noch der Ausdruck von Gottheiten. Sie sind nur "Erfüllungen", jedoch herrlich und bewundernswert, weil sie das Werk Gottes sind: „Die Werke des Herrn sind groß, gesucht von allen, die daran Gefallen finden. Seine Arbeit ist Ehre und Majestät, und seine Gerechtigkeit dauert ewiglich. Er hat Seine wunderbaren Werke zum Gedenken gebracht.“ (Ps 111,1-4)

Was ist also die Bedeutung der detaillierten Darstellung der an den aufeinanderfolgenden Schöpfungstagen vollzogenen Werke? Warum wird uns gesagt, dass das Licht am ersten Tag, das Firmament am zweiten, das trockene Land am dritten und so weiter gemacht wurde? Wahrscheinlich aus zwei Gründen.

Erstens, als die Aufzählung, wie in einem Katalog, der führenden Klassen von Naturobjekten, mit der Lehre, dass alle Kreaturen Dinge waren die durch das Wort Gottes gemacht wurden, Feinfühligkeit und Genauigkeit verleihen. Die bloße Behauptung, der Himmel und die Erde seien von Gott gemacht, könnte der Phantasie noch Raum gelassen haben, dass die Mächte der Natur mit Gott ewig währten oder zumindest untergeordnete Gottheiten waren; oder dass andere Mächte als Gott die Materialien, die Er erschaffen hatte, in die gegenwärtige Ordnung aufgearbeitet hatten. Der detaillierte Bericht macht deutlich, dass nicht nur das Universum im Allgemeinen von Gott erschaffen wurde, sondern dass es keinen Teil davon gab, der nicht von Ihm geschaffen wurde.

Als nächstes sollte am Sabbat ein Siegel der Heiligkeit gesetzt werden. Im zweiten Kapitel der Genesis lesen wir: „Am siebten Tag beendete Gott sein Werk, das er gemacht hatte, und Er ruhte am siebten Tag von allen Seinen Werken die Er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er darin von all seinem Werk ruhte, das Gott geschaffen und gewirkt hat.“ (1.Mose 2,8)

Hierin erhalten wir die Institution der Woche, die erste von Gott auf den Menschen verordnete Anordnung. Denn im vierten der zehn Gebote, die Gott durch Mose gegeben hat, heißt es: "Der siebte Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes, darin du keine Arbeit tun sollst. In sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht, das Meer und alles das in ihnen ist und ruhte am siebten Tag; darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.“ (2.Mose 2,10)

Und wieder, als das Tabernakel gebaut wurde, wurde befohlen: "Die Kinder Israels sollen den Sabbat halten, den Sabbat während ihrer Generationen beobachten, für einen ewigen Bund. Es ist ein Zeichen zwischen Mir und den Kindern Israels für immer. In sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht, und am siebten Tag ruhte Er und erholte sich.“ (2.Mose 31,16)

Gott machte die Sonne, den Mond und die Sterne und hieß sie "für Zeichen und für Jahreszeiten und für Tage und Jahre." (1.Mose 1,14) Die Sonne markiert die Tage, nach dem Mond mit seinen Veränderungen richten sich die Monate, die Sonne und die Sterne markieren Jahreszeiten und Jahre. Dies waren Zeitabschnitte, die der Mensch natürlich annehmen würde. Aber es gibt weder eine genaue Anzahl von Tagen im Monat, noch eine genaue Anzahl von Tagen oder Monaten im Jahr. Noch weniger passt die Periode von sieben Tagen genau in Monat oder Jahreszeit oder Jahr. Die Woche ist durch keine Phase des Mondes gekennzeichnet, durch keine feste Beziehung zwischen der Sonne, dem Mond oder den Sternen. Es ist keine Zeitteilung, die der Mensch für sich selbst annehmen würde; läuft über alle natürlichen Zeitglieder hinweg.

Was sind die sechs Tage kreativer Arbeit und der siebte Tag – der Sabbat – der kreativen Ruhe? Sie sind keine Tage des Menschen: sie sind Tage Gottes. Und unsere Tage der Arbeit und Ruhe, unsere Woche mit seinem Sabbat, können nur die Figur und der Schatten dieser Woche Gottes sein; etwas, durch das wir eine schwache Wahrnehmung seiner Realitäten erlangen können aber nicht das, durch das wir es verstehen und messen können.

Unsere Woche ist deshalb Gottes eigene direkte Abmachung mit uns. Und Seine Offenbarung, dass Er das Schöpfungswerk in sechs Akten oder Stufen vollbrachte, würdigt und erhebt die Arbeit des arbeitenden Menschen mit seinen sechs Tagen der Anstrengung und einem der Ruhe, in ein Symbol des schöpferischen Werkes Gottes.

CH und TIAMAT (Steintafel, Britisches Museum)

KAPITEL III DIE TIEFE

Im Buch Genesis steht: "Und die Erde war ohne Form und war Leere (d.h. wüst und leer), und Finsternis auf der Tiefe".(1.Mose 1,2) Das hier mit „Tiefe“ übersetzte Wort wurde verwendet um die Theorie zu stützen, dass die Hebräer ihre Schöpfungsgeschichte von einer Geschichte ableiteten, die sie im Exil in Babylon von ihren Eroberern hörten. Wäre diese These begründet, so hätte sie für die Einstellung der inspirierten Schriftsteller gegenüber den Naturgegenständen eine so große Bedeutung, daß für ihre Untersuchung etwas Platz eingeräumt werden muss.

Der Zweck des ersten Kapitels der Genesis ist es, uns zu sagen: "Am Anfang erschuf Gott den Himmel und die Erde." (1.Mose 1,1) Daraus lernen wir, dass das Universum und all die Teile, aus denen es besteht – all die verschiedenen Formen der Energie, all die verschiedenen Formen der Materie – weder Götter selbst noch ihre Verkörperungen und Ausdrücke sind, noch die Arbeit von widersprüchlichen Gottheiten. Daraus lernen wir, dass das Universum nicht selbstexistent ist, nicht einmal (wie der Pantheist es meint) Ausdruck eines vagen, unpersönlichen und unbewussten, aber alles durchdringenden Einflusses. Es ist nicht aus sich selbst entstanden, es existiert nicht von Ewigkeit her. Es ist nicht Gott, denn Gott hat es gemacht. Aber das Problem seines Ursprungs hat die Häupter vieler Völker neben den Hebräern bewegt und ein besonderes Interesse gilt der Lösung, die von jenen Völkern überliefert wurden, die nahe Nachbarn der Hebräer sind und aus dem gleichen großen semitischen Lager stammen.

Natürlich können die Berichte über den Ursprung der Welt nicht aus Erfahrung stammen oder das Ergebnis wissenschaftlicher Experimente sein. Sie können nicht ein Gegenstand der Geschichte darstellen oder aus der Tradition entstehen. Es gibt nur zwei mögliche Quellen für sie: eine göttliche Offenbarung oder die Erfindung von Menschen. Der aktuelle Stand unter den Babyloniern ist uns von dem syrischen Schriftsteller Damaskius erhalten, der dies widergibt wie folgt:

"Aber die Babylonier, wie der Rest der Barbaren, übergehen schweigend das eine Prinzip des Universums und sie bilden zwei, Tavthé und Apasén; machen Apasén zum Ehemann von Tavthé und bezeichnen sie als „die Mutter der Götter“. Aus diesen Erträgen erwuchs ein eingeborener Sohn, Mumis, der, wie ich glaube, nichts anderes ist als die vernünftige Welt die von den zwei Prinzipien ausgeht. Aus ihnen wird auch eine weitere Nachkommenschaft abgeleitet, Lakhé und Lakhos, und nochmals eine dritte, Kissaré und Assoros, von denen die letzten drei abstammen: Anos und Illinos und Aos. Von Aos und Dakhé wird ein Sohn namens Bélos geboren und der, sagen sie, ist der Gestalter der Welt."3 Die eigentliche Geschichte, wie Damaskius zusammenfasst, wurde von George Smith in Form eines langen epischen Gedichtes entdeckt, auf einer Reihe von Tafeln, die aus der königlichen Bibliothek von Kouyunjik oder Ninive gebracht wurden, und er veröffentlichte sie 1875 in seinem Buch über den Chaldäer-Bericht der Genesis. Keine der Tafeln war perfekt und von einigen sind nur sehr kleine Teile erhalten. Aber Teile anderer Kopien des Gedichts wurden an anderen Orten entdeckt und es wurde erkannt, dass es möglich war einen beträchtlichen Abschnitt zufriedenstellend zusammenzufügen, so dass uns eine vernünftige Vorstellung vom allgemeinen Umfang des Gedichts gegeben wurde. Es beginnt mit der Einführung eines Wesens Tiamtu, des Tavthé aus dem Bericht des Damascius – der als Urmutter aller Dinge gilt: „Als die Himmel oben nicht benannt waren, unten die Erde keinen Namen trug, aus dem Urmeer alles hervorkam, da war Mummu Tiamtu, die sie alle geschaffen hat. Ihr Wasser vereinte sich in einem und die Ebenen waren nicht umrissen, Sümpfe waren nicht zu sehen. Als keiner der Götter hervorgekommen war trugen sie keinen Namen, Schicksale (waren nicht bestimmt). Die Götter (jeder von ihnen) wurden geschaffen.“4

Die Genealogie der Götter folgt und nach einem Sprung in der Geschichte wird Tiainat oder Tiamtu als Vorbereitung auf den Kampf dargestellt: „Sie, die alles geschaffen hat, sie hat Riesenschlangen hervorgebracht, wählte einen der Götter, Kingu, um ihr Ehemann und General ihrer Streitkräfte zu sein, und übergab ihm die Schicksals-Tafeln.“

Die zweite Tafel zeigt den Gott Ansar, verärgert über die drohende Haltung von Tiamat, und sendet seinen Sohn um besänftigend mit ihr zu sprechen und ihre Wut zu beruhigen. Aber zuerst Anu und dann ein anderer Gott kehrten sich verwirrt zurück, und schließlich wurde Merodach, der Sohn von Ea, gebeten, der Höchste der Götter zu werden. Merodach willigte gern ein, aber errang für sich gute Bedingungen: Die Götter sollten ihm auf jede erdenkliche Weise beistehen, indem sie ihm alle ihre Kräfte anvertrauten und ihn als den ersten und obersten aller anerkennen sollten. Die Götter in ihrer äußersten Not waren davon nicht abgeneigt. Sie feierten Merodach und als er mit Wein angetrunken war, begabten sie ihn mit allen magischen Kräften und lobten ihn: „Merodach, du bist unser Rächer, (über) das ganze Universum haben wir dir ein Königreich gegeben."4

Anfangs musste der Anblick seines schrecklichen Feindes sogar Merodach zum Stolpern bringen, doch nahm er all seinen Mut zusammen, ging ihr entgegen, fing sie in seinem Netz und zwang einen bösen Wind in deren offenen Mund: „Er ließ den bösen Wind eintreten, damit sie ihre Lippen nicht schließen konnte. Die Gewalt der Winde quälte ihren Magen und ihr Herz war niedergeschlagen und ihr Mund war verdreht. Er schwang den Schläger, er zerschmetterte ihren Bauch, er schnitt ihre Eingeweide aus, er hat ihr Herz überwunden, er band sie und beendete ihr Leben. Er warf ihre Leiche hin und stand darauf."5

Die Schlacht beendet und der Feind getötet, überlegte nun Merodach wie er die Leiche loswird. „Er stärkte seinen Geist, ersann einen schlauen Plan und er hat sie ihrer Haut wie ein Fisch entledigt, gemäß seinem Plan.“6