Deputy Sheriff Teddy Bai stand schon ein paar Minuten gegen den Türrahmen gelehnt und sah in die Nacht hinaus, ehe er merkte, dass Cap Stoner ihn beobachtete.
«Nur mal Luft schnappen», erklärte Bai. «Ziemlich verqualmt da drinnen.»
«Sie sind so unruhig heute Abend», sagte Stoner, während er herankam und sich neben Bai in den Eingang stellte. «Junge unverheiratete Burschen wie Sie dürften doch eigentlich noch keine Sorgen haben.»
«Hab auch keine», entgegnete Teddy.
«Außer weiterhin ledig zu bleiben», bemerkte Cap, «das kann manchmal schon ein Problem sein.»
«Für mich nicht», antwortete Teddy und streifte den Älteren mit einem kurzen Blick, ob seiner Miene etwas zu entnehmen war.
Doch Stoner sah unverwandt nach vorn auf den Parkplatz des Ute-Kasinos und zeigte nur die linke Seite seines Gesichts, etwas buschigen Schnurrbart, kurz geschnittenes weißes Haar und die Narbe entlang des Wangenknochens, die, so erzählte er jedenfalls, von einer Schusswunde herrührte. Eine Frau, die er wegen Trunkenheit am Steuer festnehmen wollte, hatte plötzlich eine Pistole aus ihrer Handtasche geholt und auf ihn geschossen. Das alles lag jetzt schon über vierzig Jahre zurück. Damals war er erst neu bei der New Mexico State Police und hatte noch nicht begriffen, dass man, um zu überleben, vor seinen Mitmenschen auf der Hut sein musste. Jetzt war er Captain im Ruhestand und besserte seine Pension als rent-a-cop-Sicherheitschef des Southern-Ute-Spielkasinos auf. Teddy dagegen stand noch im aktiven Polizeidienst und arbeitete nur in seinen freien Nächten im Kasino.
«Was haben Sie dem betrunkenen Krakeeler am Black-Jack-Tisch gesagt?»
«Das Übliche», erwiderte Teddy. «Er soll sich beruhigen, sonst fliegt er raus.»
Cap gab keinen Kommentar. Er starrte hinaus in die Nacht. «Da drüben hat es eben geblitzt», sagte er und zeigte mit der Hand die Richtung. «War kaum zu sehen. Muss ziemlich weit weg gewesen sein, drüben über Utah. Wird auch langsam Zeit.»
«Ja», sagte Teddy knapp. Er wollte, dass Cap wieder ging.
«Wird Zeit, dass der Regen kommt», sagte Cap. «Heute war der Dreizehnte, oder? Wundert mich, dass so viele hier sind, um ausgerechnet an einem Freitag, dem Dreizehnten ihr Glück zu versuchen.»
Teddy nickte nur. Er wollte keinen Anknüpfungspunkt für eine Fortsetzung der Unterhaltung liefern. Doch Cap kam auch ohne aus. «Andererseits war gestern Zahltag, und sie müssen das Geld in ihren Lohntüten ja irgendwie unter die Leute bringen.» Er sah auf die Uhr. «Drei Uhr dreiunddreißig», sagte er. «Bald Zeit für den Geldtransporter, die Einnahmen abzuholen und zur Bank zu schaffen.»
Und, dachte Teddy, schon ein paar Minuten über die Zeit, zu der ein kleiner blauer Ford Escort auf dem westlichen Parkplatz hätte eintreffen sollen. «Ich werd mal draußen eine Runde machen, Diebe verscheuchen», sagte er.
Teddy entdeckte auf dem westlichen Parkplatz weder Diebe noch den kleinen Ford Escort. Als er zu der Tür mit der Aufschrift «Nur für Angestellte» zurückblickte, war Cap nicht mehr da. Ein paar Minuten Verspätung. Dafür konnte es tausend Gründe geben. Nicht der Rede wert.
Nach der Hitze des Tages empfand er die kühle Nachtluft hier auf dem Hochland als angenehm. Er verließ den erleuchteten Bereich, um den hochsommerlichen Sternenhimmel zu betrachten. Die meisten Sternbilder standen dort, wo sie seiner Erinnerung nach stehen mussten. Ihre amerikanischen Namen und auch einige in der Navajo-Sprache, die ihn seine Großmutter gelehrt hatte, fielen ihm sofort wieder ein. Doch von den Namen, die er von seinem Kiowa-Komantschen-Vater erfahren hatte, waren ihm nur zwei im Gedächtnis geblieben.
Dies war genau die Stunde, die seine Großmutter als die «tiefe dunkle Zeit» bezeichnet hatte, doch der Mond war in dieser Nacht erst spät aufgegangen und warf einen schwachen Schein, der die Umrisse des Sleeping Ute Mountain noch erkennen ließ. Irgendwo ertönte ein Lachen. Eine Autotür wurde zugeschlagen. Dann noch eine. Zwei Wagen verließen den östlichen Parkplatz und fuhren in Richtung Ausfahrt. Von den mit Nusskiefern bestandenen Hügeln hinter dem Kasino drang das klagende Geheul von Kojoten herüber.
Auf der großen Straße weiter unten wurde ein Lastwagen heruntergeschaltet. Ein Pickup mit extragroßer Kabine fuhr auf den für Angestellte ausgewiesenen Parkplatz und hielt an. Gleich darauf ertönte ein schepperndes Geräusch, so als würde etwas ausgeladen.
Teddy drückte den Beleuchtungsknopf an seiner Timex. 3 Uhr 46. Der kleine blaue Ford hatte jetzt so viel Verspätung, dass er anfing, sich Sorgen zu machen. Ein Mann in einem Overall, eine Ausziehleiter unter dem Arm, trat in den Lichtschein. Er stellte die Leiter gegen die Kasinowand und kletterte ohne große Eile hoch aufs Dach.
«Was soll das denn jetzt?», sagte Teddy halblaut. Vielleicht ein Elektriker. Irgendein Defekt an der Klimaanlage. «Hey!», rief er und setzte sich in Richtung der Leiter in Bewegung.
In diesem Augenblick stiegen zwei weitere Männer aus dem Pickup. Sie hatten Drillichzeug an, offenbar Soldaten der Nationalgarde. Was trugen die denn da? Jetzt gingen sie eilig auf die Tür mit der Aufschrift «Nur für Angestellte» zu. Doch die Tür war von außen nicht zugänglich. Dahinter lag der Kassenraum, der sich nur von innen öffnen ließ, und zwar nur von einigen Leuten, die dazu befugt waren wie Cap Stoner.
In diesem Moment trat Stoner aus dem Seiteneingang. Er deutete auf das Dach und rief: «Was sucht der da oben? Wer zum Teufel …»
«Hey!», schrie Teddy und begann, auf die beiden Männer zuzulaufen, während er die Lasche seines Holsters löste. «Was …»
Die beiden blieben stehen. Teddy sah Mündungsfeuer, sah Cap Stoner hintenüberfallen und ausgestreckt auf dem Boden liegen bleiben. Die zwei fuhren zu ihm herum und brachten ihre Waffen in Anschlag. Er wollte gerade seine Pistole ziehen, als ihn die erste Kugel traf.
Sergeant Jim Chee von der Navajo Tribal Police fühlte sich ausgesprochen gut. Er war gerade von einem siebzehntägigen Urlaub zurückgekehrt und froh, von seinem Posten als amtierender Lieutenant in Tuba abgelöst und wieder in das heimatliche Shiprock versetzt worden zu sein. Außerdem hatte er noch fünf freie Tage vor sich. Ein Rest Hammelragout, den er gerade aus dem Kühlschrank geholt hatte, köchelte auf dem Propanbrenner leise vor sich hin, aus dem dampfenden Kaffeetopf stieg der köstliche Duft von frisch gebrühtem Kaffee. Aber das Beste war, diesmal erwartete ihn keinerlei Papierkram, wenn er wieder seinen Dienst antrat.
Während er seine Schale mit Essen füllte und sich Kaffee eingoss, verfolgte er nebenbei die Fernsehnachrichten, und was er erfuhr, steigerte noch sein Wohlbefinden. Seine Sorge, ja man konnte schon sagen Angst, dass er schon bald erneut gezwungen sein könnte, im unwegsamen Hinterland an einer vom FBI geleiteten Großfahndung teilzunehmen, hatte sich erledigt. Die Fernsehreporterin, die live vom Federal Court House berichtete, teilte mit, die Gangster, die die Spielbank auf der Southern Ute Reservation ausgeraubt hätten, seien inzwischen «vermutlich mehrere hundert Meilen entfernt».
Mit anderen Worten, sie hatten das Four-Corners-Gebiet um Shiprock verlassen und waren damit nicht mehr Chees Problem.
Die hübsche junge Reporterin auf seinem 17-Zoll-Bildschirm fuhr fort: «Wie wir von den an der Suche beteiligten Beamten erfuhren, ist es den drei Tätern offenbar gelungen, auf einer Ranch südlich von Montezuma Creek, Utah, ein kleines einmotoriges Flugzeug zu stehlen. Die Fahndung ist bereits eingeleitet, und das FBI bittet alle, die die Maschine gestern oder heute Morgen gesehen haben, um Mitteilung.»
Chee nahm einen Bissen von seinem Ragout, trank einen Schluck Kaffee und hörte aufmerksam zu, als das Flugzeug beschrieben wurde. Es handelte sich um einen bereits älteren dunkelblauen einmotorigen Hochdecker eines Typs, den die Armee in Korea und während der ersten Jahre des Vietnamkriegs für Aufklärungsflüge eingesetzt hatte, vor allem um feindliche Geschütze am Boden auszumachen. Die bereits erwähnten Beamten vermuteten, dass die Täter das Flugzeug aus dem Hangar des Ranchers entwendet und dazu benutzt hatten, die Gegend zu verlassen.
Das klang beruhigend, fand Chee. Je weiter weg, desto besser. Nach Kanada zum Beispiel. Oder auch nach Mexiko. Chee war alles recht, solange es nur nicht das Four-Corners-Gebiet war. Im Frühjahr 1998 hatte er an einer vom FBI geleiteten, ebenso ermüdenden wie erfolglosen Großfahndung nach zwei Polizistenmördern teilgenommen. Alles in allem waren damals schließlich Beamte aus mehr als zwanzig Strafverfolgungsbehörden des Bundes, der Einzelstaaten, Landkreise und verschiedener Reservationen im Einsatz gewesen und hatten sich wochenlang abgemüht, ohne eine Festnahme zu erreichen, bis das FBI die ganze Aktion plötzlich stoppte und lapidar verlauten ließ, die der Tat Verdächtigen seien «vermutlich tot». Es war eine Erfahrung, die Chee nicht noch einmal machen wollte.
In seinem Rücken klappte die kleine, an Gummischarnieren aufgehängte Luke, die er im unteren Teil der Wohnwagentür eingelassen hatte. Die Katze kam ungewöhnlich früh heute. Das konnte bedeuten, dass ein Kojote in der Gegend umherstreifte, nahe genug, um sie nervös zu machen, oder aber, dass er Besuch bekam. Chee lauschte. Im Fernsehen lief lautstark ein Werbespot für Handys, doch sein feines Gehör nahm trotzdem das schwache Geräusch eines Wagens wahr, der draußen auf der schmalen Piste langsam näher kam, die von seinem Trailer unter den Pappeln am Ufer des San Juan River zum U.S. Highway 666 führte.
Wer konnte das sein? Vielleicht Cowboy Dashee? Unwahrscheinlich. Cowboy war stellvertretender Sheriff von Coconino County und hatte heute Dienst. Chee schluckte eine Gabel voll Ragout hinunter, dann ging er zur Tür und zog den Vorhang zur Seite. Ein noch ziemlich neuer 150er Ford Pickup kam herangerollt und hielt unter dem am nächsten stehenden Baum. Am Steuer saß Officer Bernadette Manuelito und blickte starr geradeaus. Wie es bei den Navajos Sitte war, wollte sie ihm erst Zeit geben, auf ihre Ankunft zu reagieren.
Chee seufzte. Er war innerlich noch nicht bereit für Bernie. Ihm war klar, dass er früher oder später wieder eine neue Beziehung eingehen würde, aber wenn es nach ihm ging, eher später. Hinter seinem Rücken redeten die Kollegen darüber, dass Bernie in ihn verliebt sei. Das stimmte vermutlich, doch er wollte nicht darüber nachdenken. Er brauchte Zeit. Zeit, sich an die Erleichterung zu gewöhnen, dass er vom Lieutenant zum Sergeant zurückgestuft worden war. Zeit, um die Erstarrung zu überwinden, unter der er litt, seit er begriffen hatte, dass die Beziehung zwischen ihm und Janet Pete, seiner eleganten, klugen, betörenden, treulosen Freundin, endgültig zerstört war. Er wollte nicht schon wieder Komplikationen. Doch er öffnete die Tür.
Manuelito hatte offenbar dienstfrei, denn als sie aus dem Pickup stieg, sah er, dass sie nicht in Uniform war. Sie trug ein rotes Hemd, Jeans, Stiefel und hatte sich eine Baseball Cap der Cleveland Indians aufgesetzt. Sie sah hübsch und irgendwie etwas unordentlich aus – genau wie er sie in Erinnerung hatte. Doch sie wirkte bedrückt. Ihr Lächeln war angespannt. Chee verzichtete auf den Scherz, mit dem er sie hatte begrüßen wollen, bat sie stattdessen einfach herein und deutete auf den Stuhl am Tisch. Er selbst setzte sich auf die Kante seines Klappbettes und wartete.
«Willkommen in Shiprock», sagte sie.
«Ich bin froh, dass ich aus Tuba weg bin», antwortete Chee. «Wie geht es Ihrer Mutter?»
«Unverändert», sagte Bernie.
Im vergangenen Winter war ihre Mutter mehr und mehr im dunklen Nebel der Alzheimer-Krankheit versunken, und Bernie hatte darum gebeten, wieder nach Shiprock versetzt zu werden, um besser für sie sorgen zu können. Chees Transfer im Spätsommer hatte dagegen mit seiner Rückstufung zu tun. In Tuba brauchte man keinen zweiten Sergeant, in Shiprock schon.
«Eine furchtbare Krankheit», bemerkte Chee.
Bernie nickte, blickte ihn kurz an und sah dann rasch wieder weg. «Ich habe gehört, dass Sie oben in Alaska gewesen sind», sagte sie. «Wie war es denn da?»
«Sehr eindrucksvoll. Ich bin mit dem Schiff die Küste hochgefahren.» Er wartete. Bernie war bestimmt nicht hergekommen, um zu hören, wie er seinen Urlaub verbracht hatte.
«Ich weiß nicht, wie ich mit der Sache umgehen soll», begann sie und streifte ihn mit einem Seitenblick.
«Mit welcher Sache?», fragte Chee.
«Sie sind doch mit dem Überfall auf das Spielkasino dienstlich nicht befasst, oder?»
Chee sah Probleme auf sich zukommen. «Nein», antwortete er.
«Wie auch immer. Ich brauche einen Rat.»
«Ich würde sagen, Sie stellen sich am besten, geben das Geld zurück, legen ein umfassendes Geständnis ab und …» Chee hielt inne. Er wünschte, er hätte den Mund gehalten. Bernies Blick zeigte deutlich, dass dies nicht der geeignete Augenblick für faule Witze war.
«Kennen Sie Teddy Bai?»
«Bai? Ist das dieser Mietpolizist, der bei dem Überfall verletzt wurde?»
«Teddy ist stellvertretender Sheriff in Montezuma County», entgegnete Bernie kühl. «Den Job als Wachmann im Kasino hat er bloß nebenbei gemacht, und es sollte auch nur vorübergehend sein. Er wollte sich eben ein bisschen dazuverdienen.»
«Ich hatte nicht die Absicht …», begann Chee und schwieg dann. Ehe er nicht wusste, worum es eigentlich ging, war es klüger, sich mit Äußerungen zurückzuhalten. So sagte er nur: «Ich kenne ihn nicht persönlich.» Und wartete ab.
«Teddy liegt im Krankenhaus in Farmington auf der Intensivstation», sagte Bernie. «Er hat drei Schüsse abbekommen. Einen durch die Lunge. Einen durch den Magen. Einen durch die rechte Schulter.»
Bernie schien mit Bai ja gut bekannt zu sein, dachte Chee. Er selbst hatte alles, was er über den Fall wusste, aus Zeitung und Fernsehen, und diese Details über Bais Verwundung waren nirgendwo erwähnt worden. «Das San Juan Medical Center hat einen guten Ruf», sagte er. «Ich denke, er wird …»
«Sie glauben, dass Teddy in den Überfall auf das Kasino verwickelt ist», unterbrach ihn Bernie. «Das heißt, das FBI glaubt das. Sie haben einen Polizeibeamten vor seinem Zimmer postiert.»
Chee sagte nur: «So?» Und wartete wieder. Falls Bernie wusste, wie das FBI zu dieser Annahme kam, würde sie es ihm sagen. Alles, was er aus den Medien erfahren hatte, war, dass bei dem Überfall der Sicherheitschef des Kasinos getötet und ein Wachmann schwer verletzt worden war. Während der anschließenden Flucht hatten die Täter dann noch auf einen Polizisten geschossen, der sie in Utah auf dem Highway wegen überhöhter Geschwindigkeit hatte stoppen wollen.
Bernie sah aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen. «Das ergibt doch keinen Sinn», sagte sie.
«Ja, scheint mir auch so», stimmte Chee ihr zu. «Warum sollten sie auf ihren eigenen Mann schießen?»
«Sie denken, dass Teddy der Tippgeber war», fuhr Bernie fort. «Und dass die Gangster versucht haben, ihn umzubringen, weil er sie kannte und sie ihm nicht trauten.»
Chee nickte. Er fragte sie nicht, woher sie diese Informationen hatte, er konnte es sich denken. Selbst wenn sie mit diesem Fall nichts zu tun hatte, so war sie doch Polizistin, und wenn sie etwas erfahren wollte, dann wusste sie, an wen sie sich wenden musste.
«Klingt ziemlich schwach, finde ich», sagte er. «Auf Stoner hatten sie es doch auch abgesehen, und der war der Sicherheitschef. Der könnte doch genausogut der Tippgeber gewesen sein.»
Er stand auf, goss eine Tasse Kaffee ein und reichte sie Bernie. So hatte sie ein wenig Zeit, um über ihre Antwort nachzudenken.
«Stoner war sehr beliebt bei allen», sagte sie. «Jedenfalls bei denen, die schon Jahrzehnte dabei sind, so wie er selbst es war. Und Teddy hat früher schon mal in Schwierigkeiten gesteckt. Das liegt allerdings viele Jahre zurück. Er ist damals verhaftet worden, weil er einen Wagen gestohlen und eine Spritztour damit unternommen hat.»
«Die Sache kann ja nicht besonders schwerwiegend gewesen sein», kommentierte Chee, «sonst wäre der Bezirk wohl kaum bereit gewesen, ihn als stellvertretenden Sheriff einzustellen.»
«Die Tat fiel noch unter das Jugendstrafrecht», sagte Bernie.
«Dann kann man das heute aber nicht mehr heranziehen», bemerkte Chee. «Haben sie sonst noch etwas gegen ihn in der Hand?»
«Nicht wirklich», erwiderte Bernie.
Er wartete. Ihre Antwort deutete darauf hin, dass noch etwas kommen würde. Oder auch nicht. Vielleicht behielt sie es lieber für sich.
Sie seufzte. «Die Angestellten des Kasinos sagen, er hätte sich anders verhalten als sonst. Sie sagen, er sei auffällig nervös gewesen. Anstatt die Gäste im Auge zu behalten, sei er immer wieder nach draußen auf den Parkplatz gegangen.»
«Ah so», sagte Chee, «ich fange langsam an zu verstehen. Das FBI glaubt natürlich, dass Bai auf das Auftauchen der Gangster gewartet hat. Für den Fall, dass sie seine Hilfe brauchten.»
«Aber das stimmt nicht. Er hat auf jemand anders gewartet.»
«Das lässt sich doch leicht klären. Wenn Bai wieder so weit hergestellt ist, dass er eine Aussage machen kann, dann erzählt er den Feds, auf wen er gewartet hat. Die prüfen das nach, und wenn seine Angaben bestätigt werden, ziehen sie den Polizisten vor seinem Zimmer wieder ab», sagte Chee. Doch insgeheim fürchtete er, dass das Ganze noch einen Haken hatte.
«Ich glaube nicht, dass er ihnen etwas erzählen wird», sagte Bernie.
«Oh. Das heißt, er wartete an dem Abend auf eine Frau, oder?» Er fragte nicht, woher Bernie diese Einzelheiten wusste oder warum sie sie nicht an das FBI weitergegeben hatte. Er fragte sie auch nicht, warum sie ihm das alles erzählte.
«Ich weiß nicht, was ich tun soll», begann Bernie wieder.
«Am besten nichts», riet Chee. «Wenn Sie mit Ihrem Wissen zum FBI gehen, werden die sofort fragen, woher Sie diese Informationen haben. Dann werden sie mit Bais Frau reden. Es wird Eheprobleme geben.»
«Teddy ist nicht verheiratet.»
Chee nickte. Es konnte alle möglichen Gründe geben, warum ein Mann versuchte geheimzuhalten, dass er gegen vier Uhr morgens von einer Frau abgeholt werden sollte. Doch ein unverfänglicher Grund fiel ihm auf Anhieb nicht ein.
«Sie werden ihm zusetzen, ihnen zu sagen, wer die Gangster sind», fuhr Bernie fort. «Sie werden einen Vorwand finden, der es ihnen erlaubt, ihn festzuhalten. Aber Teddy kann ihnen nichts sagen, weil er die Männer gar nicht kennt. Ich habe Angst, dass die Feds ihm dann irgendetwas anhängen, damit sie ihn nicht gehen lassen müssen.»
«Ich bin gerade erst aus Alaska zurück», sagte Chee, «deshalb weiß ich über die Ermittlungen so gut wie gar nichts. Aber ich wette, dass die beim FBI inzwischen eine ziemlich genaue Vorstellung haben, nach wem sie suchen müssen.»
Bernie schüttelte den Kopf. «Nein, ich glaube nicht», sagte sie. «Nach allem, was ich gehört habe, tappen sie zur Zeit wieder völlig im Dunkeln. Anfangs vermuteten sie einen politischen Hintergrund. Sie gingen davon aus, dass die Täter aus einer der rechtsgerichteten paramilitärischen Gruppen stammen. Aber die Ermittlungen in dieser Richtung haben wohl nichts erbracht. Im Augenblick haben sie keine konkreten Spuren, denen sie nachgehen könnten.»
Chee nickte. Das würde erklären, wieso die Feds die Öffentlichkeit so schnell über das gestohlene Flugzeug informiert hatten. Auf diese Weise wurde der für den Fall zuständige Agent vor Ort von Druck entlastet.
«Sind Sie sicher, dass Bai auf eine Frau gewartet hat? Wissen Sie, um wen es sich handelt?»
Bernie zögerte einen Moment. «Ja.»
«Und wären Sie bereit, das den Feds zu sagen?»
«Nur, wenn es unbedingt sein muss.» Sie stellte den Kaffee auf den Tisch zurück, ohne davon getrunken zu haben. «Wissen Sie, was mir durch den Kopf gegangen ist? Ich hab mir überlegt, dass Sie, bevor Sie nach Tuba versetzt wurden, lange Zeit hier gearbeitet haben und dass Sie bestimmt immer noch eine Menge Leute in der Gegend kennen. Die Feds denken, dass sie den Tippgeber schon kennen, deshalb werden sie sich nicht anstrengen, nach dem richtigen Mann zu suchen. Ich dachte, Sie könnten vielleicht herausfinden, wer vom Kasinopersonal tatsächlich den Gangstern geholfen hat. Falls sich das überhaupt herausfinden lässt.»
Jetzt zögerte Chee. Sein Kaffee war inzwischen kalt geworden, trotzdem nahm er einen Schluck. Er wollte Zeit gewinnen, um sich über seine widersprüchlichen Empfindungen klar zu werden. Bernies Vertrauen war schmeichelhaft, aber durch nichts gerechtfertigt. Und wieso verspürte er bei dem Gedanken, dass sie mit diesem Mietcop ein Verhältnis hatte, fast so etwas wie Enttäuschung? Eigentlich sollte er doch erleichtert sein. Stattdessen wuchs in ihm ein Gefühl von Leere und Verlassenheit.
«Ich werde mich mal umhören», versprach er.
Im Speiseraum des Navajo Inn in Window Rock hielt sich nur ein einzelner Gast auf. Er saß, vor sich auf dem Tisch ein Glas Milch, ganz hinten in der Ecke und las im Gallup Independent . Sein Stetson aus dunkelgrauem Filz hatte schon bessere Tage gesehen. Joe Leaphorn blieb einen Augenblick in der Tür stehen, um den Mann zu betrachten.
Roy Gershwin sah älter und sehr viel verbrauchter aus, als er ihn in Erinnerung hatte. Aber schließlich war es schon einige Zeit her, seit sie sich zuletzt begegnet waren. Vor sechs Jahren hatte Gershwin ihm geholfen, einen Ranger des US-Forstdienstes zu überführen, der sein Gehalt dadurch aufbesserte, dass er auf Gershwins Weideland liegende Anasazi-Grabstätten plünderte. Es war die Zeit gewesen, als Leaphorn anfing, sich mit dem Gedanken anzufreunden, seinen Abschied zu nehmen. Doch die Bekanntschaft der beiden Männer reichte sehr viel weiter in die Vergangenheit, bis zurück in jenen Sommer, als Leaphorn, damals noch neu im Polizeidienst, einen von Gershwins Arbeitern unter dem Verdacht der Vergewaltigung verhaftet hatte. Gershwin hatte wütend protestiert, er habe einen Unschuldigen festgenommen. Er hatte Recht gehabt. Nach diesem schlechten Anfang war die Sache dann doch noch gut ausgegangen. Das war das erste Mal, dass er die tiefe, immer ein wenig barsche, vom Whisky aufgeraute Stimme des Ranchers gehört hatte. Als Leaphorn an diesem Morgen den Anruf erhielt, erkannte er diese unverwechselbare Stimme sofort wieder.
«Lieutenant Leaphorn», hatte Gershwin begonnen, «man hat mir gesagt, Sie seien jetzt im Ruhestand. Stimmt das? Wenn ja, dann dürfte ich Sie wohl eigentlich gar nicht behelligen.»
«Ja, das stimmt, Mr. Gershwin», hatte Leaphorn geantwortet. «Lassen Sie den Lieutenant also ruhig weg, und nennen Sie mich einfach Mr. Leaphorn. Ich freue mich, mal wieder von Ihnen zu hören.»
Seine Worte hatten ihn selbst überrascht. So weit hatten ihn also der Ruhestand und die Aussicht auf das, was vor ihm lag, gebracht. Der alte Rancher war nie ein Freund gewesen. Nur einer von den vielen tausend Menschen, mit denen er im Laufe seines langen Polizistenlebens zu tun gehabt hatte. Aber inzwischen war er froh über jeden Anruf, froh, überhaupt mit jemandem reden zu können.
Doch Gershwin schwieg. Eine ganze Weile lang. Schließlich räusperte er sich. «Ich vermute, Sie werden nicht sonderlich überrascht sein, wenn ich Ihnen sage, dass ich Sie sprechen möchte, weil ich ein Problem habe. Diesen Satz haben Sie bestimmt schon von einer Menge Leute gehört.»
«Das bringt die Arbeit bei der Polizei so mit sich», bestätigte Leaphorn. Vor zwei Jahren noch hätte so ein Anruf ihm nur ein ärgerliches Knurren entlockt. Heute nicht mehr. Daran war die Einsamkeit schuld.
«Also», fuhr Gershwin fort, «es gibt da etwas, von dem ich nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Ich würde gerne mit Ihnen darüber reden.»
«Na, dann fangen Sie mal an.»
«Es handelt sich um eine Sache, die man besser nicht am Telefon besprechen sollte», entgegnete Gershwin.
Sie hatten sich für drei Uhr im Navajo Inn verabredet. Jetzt war es wenige Minuten vor drei. Gershwin blickte hoch, sah Leaphorn herankommen, erhob sich und deutete auf den Stuhl gegenüber.
«Verdammt nett von Ihnen, dass Sie gekommen sind», sagte er. «Ich hatte schon Angst, Sie würden mir sagen, dass Sie aus dem Polizeidienst ausgeschieden sind und ich mich mit meinen Problemen an jemand anderen wenden sollte.»
«Wenn ich helfen kann, dann gerne», antwortete Leaphorn.
Sie brachten die üblichen Höflichkeitsfloskeln rasch hinter sich, sprachen dann über den kalten, trockenen Winter, die schlechten Weidebedingungen, die Gefahr von Waldbränden und waren sich einig, dass der Wetterbericht gestern Abend ganz danach geklungen hatte, als ob nun bald die Regenzeit einsetzen würde. Schließlich kam Leaphorn zur Sache.
«Und was hat Sie nun den ganzen Weg hierher nach Window Rock geführt?», wollte er wissen.
«Ich habe gestern im Radio gehört, dass das FBI die Ermittlungen wegen des Überfalls im Ute-Spielkasino in den Sand gesetzt hat. Wissen Sie was darüber?»
Leaphorn schüttelte den Kopf. «Was die Polizeiarbeit angeht, so bin ich inzwischen ganz draußen. Ich weiß nicht, wie weit sie mit ihren Ermittlungen sind. Aber es wäre ja nicht das erste Mal, dass eine Untersuchung ins Stocken gerät.»
«Im Radio haben sie gesagt, dass nach einem Flugzeug gesucht würde», sagte Gershwin. «Aber die Burschen wissen höchstens, wie man Drachen steigen lässt. Die hätten es nie geschafft, ein Flugzeug auch nur vom Boden hochzubekommen.»
Leaphorn hob die Augenbrauen. Das Gespräch fing an, interessant zu werden. Nach allem, was er zuletzt gehört hatte, war es noch nicht gelungen, die Täter zu identifizieren. Doch Gershwin war vielleicht gekommen, um ihm etwas über sie zu erzählen. Bald würde er mehr wissen.
«Möchten Sie etwas trinken?», erkundigte sich der Rancher und winkte dem Kellner. «Wirklich ein Jammer, dass ihr hier noch Alkoholverbot habt. Vielleicht eins von diesen Pseudo-Bieren?»
«Einen Kaffee, bitte», sagte Leaphorn.
Der Kellner brachte ihm eine Tasse, und Leaphorn trank einen Schluck. Gershwin nippte an seiner Milch.
«Ich kannte Cap Stoner», sagte er. «Man darf seine Mörder nicht davonkommen lassen. Diese Leute stellen eine Gefahr dar, solange sie frei herumlaufen.»
Er schien auf eine Reaktion zu warten.
Leaphorn nickte.
«Besonders die beiden Jüngeren. Die sind halb verrückt.»
«Das klingt, als ob Sie sie kennen», bemerkte Leaphorn.
«Ja, ziemlich gut.»
«Haben Sie das schon dem FBI gesagt?»
Gershwin betrachtete nachdenklich sein Glas Milch, nahm es in die Hand und schwenkte es langsam herum. Sein langes, schmales Gesicht war von unzähligen Fältchen durchzogen, die Haut ledrig, Folge eines mehr als siebzigjährigen Lebens unter glühender Sonne und in trockener, von Sandstaub erfüllter Luft. Er richtete seine hellen, blauen Augen auf Leaphorn und schüttelte den Kopf.
«Es gibt da ein Problem», sagte er. «Wenn ich das FBI informiere, dann ist das früher oder später überall herum. Meiner Erfahrung nach früher. Sie würden mir Fragen stellen wollen und entweder zu mir hoch auf die Ranch kommen oder aber versuchen, mich über Sprechfunk zu erreichen. Und Sie wissen ja, wie der funktioniert – jeder, der will, kann mithören. In dieser Hinsicht ist der Sprechfunk wirklich eine Verschlechterung gegenüber dem alten Sammelanschluss.»
Leaphorn nickte. Die nächste kleine Gemeinde von Gershwins Ranch aus musste, wenn ihn sein Gedächtnis nicht trog, entweder Montezuma Creek oder Bluff sein. Der Mann hatte Recht. Besuche von gut gekleideten FBI-Agenten würden mit Sicherheit nicht unbemerkt bleiben, und dann würde unweigerlich das Gerede losgehen.
«Erinnern Sie sich noch, wie die Sache im Frühjahr ’98 ausging?», fuhr Gershwin fort. «Das FBI hat irgendwann erklärt, dass die Männer, nach denen man gefahndet hatte, tot sind. Aber die Leute, die damals der Polizei Hinweise gegeben oder sonstwie geholfen haben, achten bis heute darauf, dass die Türen verschlossen und ihre Gewehre geladen sind und dass die Hunde draußen Wache halten.»
«Ich nehme Ihre weiteren Ausführungen jetzt einfach mal vorweg», bemerkte Leaphorn, «und Sie sagen mir, ob ich richtig liege. Sie möchten, denke ich, dass das FBI die Männer fasst, doch es soll nicht bekannt werden, wer den Hinweis gegeben hat, weil so eine Polizeiaktion auch schief gehen kann. Und deshalb wollen Sie, dass ich …»
«Egal, ob das FBI die Männer nun fasst oder nicht», unterbrach ihn Gershwin, «die haben jede Menge Freunde. Sie nennen sich die Rights Militia und pochen auf die Einhaltung der in der Bill of Rights verbrieften Rechte. Sie verlangen, dass die Leute vom Forstdienst, dem Bureau of Land Management und dem Park Service die legitimen Ansprüche der Menschen hier beachten. Sie wollen ihr Land so bewirtschaften, wie sie es für richtig halten, und sich nicht durch Verordnungen die Lebensgrundlage entziehen lassen.»
«Sie wollen mir also die Namen der Männer nennen, und ich soll sie dann ans FBI weitergeben. Und was soll ich antworten, wenn die mich fragen, woher ich die Information habe?»
Gershwins Mund verzog sich zu einem Grinsen. «Das Problem habe ich natürlich auch gesehen. Deshalb habe ich die Namen auf einem Zettel notiert. Aber bevor ich Ihnen den überlasse, müssen Sie mir Ihr Ehrenwort geben, mich aus allem herauszuhalten. Lehnen Sie ab, nehme ich den Zettel wieder mit. Falls Sie zustimmen und wir Ihr Versprechen mit einem Handschlag besiegeln, lasse ich ihn hier auf dem Tisch liegen, wenn ich gehe, und Sie können ihn mitnehmen, wenn Sie wollen.»
«Sie meinen also, Sie können mir trauen?»
«Aber sicher», sagte Gershwin. «Ich habe ja meine Erfahrung mit Ihnen. Wissen Sie noch – der Ranger damals? Außerdem kenne ich noch eine Reihe anderer Leute, die Ihnen vertraut haben, ohne es zu bereuen.»
«Warum ist es Ihnen so wichtig, dass diese Männer gefasst werden?», wollte Leaphorn wissen. «Geht es Ihnen um Rache für Cap Stoner?»
«Ja, aber nur zum Teil», antwortete Gershwin. «Diese Burschen sind mir einfach unheimlich. Jedenfalls einige von ihnen. Ich habe selbst eine Weile bei diesen Miliz-Geschichten mitgemacht, gleich zu Anfang, nachdem ein paar Männer dazu aufgerufen hatten, sich gegen die Behörden zu wehren. Aber im Laufe der Zeit wurden sie immer unberechenbarer.»
Gershwin hatte das Glas gehoben, um den letzten Schluck Milch auszutrinken, doch jetzt setzte er es wieder ab. «Diese Mistkerle vom Forstdienst führten sich auf, als ob die Berge ihr Privatbesitz wären», sagte er. «Wir haben hier gelebt, so lange wir zurückdenken können, und auf einmal durften wir unser Vieh nicht mehr weiden lassen. Durften kein Holz mehr schlagen. Durften keine Elche mehr jagen. Und die Bürokraten vom Bureau of Land Management waren noch schlimmer. Die haben uns behandelt, als wären wir Leibeigene. Anfangs ging es nur darum, uns beim Kongress Gehör zu verschaffen, damit diese Schreibtischhengste endlich mal wieder daran erinnert wurden, wer für ihr Gehalt aufkommt. Doch dann tauchten irgendwann alle diese Spinner und Ausgeflippten auf, die Brücken sprengen und Gewalt ausüben wollten. Da habe ich angefangen, mich zurückzuziehen, und das passte einigen von ihnen überhaupt nicht.»
«Und für den Überfall auf das Kasino sind Leute von der Rights Militia verantwortlich? Man kann also sagen, er hatte einen politischen Hintergrund?»
Gershwin zuckte die Schultern. «Nach allem, was ich gehört habe, beschäftigte man sich schon seit Monaten mit dem Gedanken, einen Überfall zu begehen, um sich mit dem erbeuteten Geld für den Kampf gegen die Regierung in Washington zu rüsten. Aber ich glaube, dass zumindest einige der Männer privat dringend Geld brauchten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.» Er lächelte ironisch. «Es gibt bei der Militia einige, die es grundsätzlich ablehnen, zu arbeiten. Vermutlich würden sie den Überfall als politische Aktion bezeichnen. Aber wer weiß? Vielleicht haben sie tatsächlich vor, Gewehre, Munition und Sprengstoff zu kaufen.»
«Ich frage mich, wie hoch die Beute wohl war», sagte Leaphorn.
Gershwin leerte sein Glas. Er stand auf und zog ein zusammengefaltetes Stück Papier aus seiner Hemdtasche. «Hier ist der Zettel mit den Namen. Geben Sie mir Ihr Wort, dass Sie mich nicht reinreiten?»
Leaphorn hatte inzwischen in Gedanken alles schon einmal durchgespielt. Wenn er das FBI über das Gespräch unterrichtete, würden sie Gershwin befragen. Der würde selbstverständlich alles abstreiten. Ergebnis – gleich null.
«Legen Sie ihn hin», sagte er.
Gershwin ließ den Zettel auf den Tisch fallen, warf eine Dollarnote neben sein Milchglas, nickte Leaphorn zum Abschied zu und ging nach draußen.
Leaphorn trank einen Schluck Kaffee. Dann nahm er das Papier und faltete es auf. Auf dem Zettel standen drei Namen, jeweils mit einer kurzen Beschreibung dahinter. Die beiden ersten, Buddy Baker und George Ironhand, sagten ihm nichts. Am dritten blieb er hängen. Everett Jorie. Den Namen hatte er schon mal gehört.