© BoD Verlag Norderstedt

ISBN 9783754355428

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Umschlagillustration: Klaus Kandel

Umschlaggestaltung: Klaus Kandel

Die Rechtschreibung in diesem Buch entspricht den Regeln der neuen Rechtschreibung.

Books on Demand GmbH

Inhalt

1. Der Traum des Admirals

Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern!

Wütend starrte er auf die grellrote Schrift auf seinem Bildschirm, dabei unbewusst mit den Zähnen knirschend.

Er war sowas von enttäuscht. All die Mühen für die Katz. Oder doch nicht?

»Warum?«

»Der Theorie zufolge erzwingen die Handlungen von Zeitreisen unübersehbare Auswirkungen. In der Vorstellung von Multiversen können zur selben Zeit unzählige Zeitachsen nebeneinander existieren. Wenn ein Zeitreisender die Vergangenheit ändert, dann erschafft er damit ein Paralleluniversum und somit einen weiteren Zeitstrahl, der im Moment der Zeitreise entsteht. Sie haben eine Zeitmaschine gebaut, um ihre Vergangenheit zu ändern. Wenn die sich daraus ergebende Zukunft dann ihren Wünschen entspräche, würde es die Maschine niemals geben. Also, wie soll ihre Maschine Ihnen dabei helfen, sie zu ändern? Dies ist die Antwort!«

»Was passiert bei der Abspaltung des Zeitstrahles?«

»Von diesem Moment an beginnt auf ihrer Zeitebene eine neue Zukunft, einzig allein davon abhängig, wie Sie diese gestalten.«

»Nein, nein, ich meinte, was geschieht physikalisch?«

»Nicht berechenbar! Auf dem bisherigen Zeitstrahl gibt es keine Änderung! Mit ihrer Rückkehr in die Vergangenheit ändert sich jedoch die Zukunft auf ihrer neue entstandenen Zeitebene. Niemand wird es jemals bemerken, da kein Mensch die Zukunft kennt!«

Der angeblich allwissende Superrechner schwieg.

Es gab anscheinend nur eine Lösung: Personen in die Vergangenheit schicken und überprüfen, ob sich in seiner Zeit etwas änderte.

Wenn nicht, dann musste er diese Zeit verlassen und auf einer eigenen Zeitlinie diese seinen Vorstellungen und Wünschen entsprechend formen!

Nächstes Problem: Wie kam er an eine Zeitmaschine? Angeblich gab es eine in Charon.

Ob er unauffällig an die Konstruktionsunterlagen kam? Nach deren Bau existierten diese sicher noch unbeachtet in einem kaum geschützten Archiv.

Unauffällig zwei, drei Historiker beauftragen und das Ergebnis abwarten!

Die Sternenlords durften keinesfalls von seinem Vorhaben erfahren!

*

Sieben lange Jahre ...

Aber er hatte, was er wollte! Zumindest annähernd.

Drei Zeitkapseln für je eine Person und zusätzlich eine Luxusausführung mit einer großzügigen Ausrüstung.

Die einfachen Kapseln sollten sich nach Ankunft in der Vergangenheit spurlos zerstören, seine natürlich nicht!

Ohne es zu merken, unterlief ihm ein Fehler. Kapsel zwei und drei erhielten die gleichen Zeit-Zielkoordinaten!

*

»Verschwunden?! Drei voll ausgebildete Hüter, bisher noch ohne eigene Welt, sind spurlos verschwunden?«

Admiral Martens, Chef des Sicherheitsdienstes, schüttelte fassungslos den Kopf.

»Seit wann?«

Sein Adjutant musste zugeben, dass die verschwundenen Hüter vorgestern Abend zusammen ausgingen. Zu irgendeiner Feier. Niemand wusste wohin.

Hilflos zuckte der Offizier mit den Achseln.

»Wir sahen keinen Grund, sie zu überwachen. Heute Mittag war ein unwichtiger Vortrag angesetzt, dabei fiel ihr Fehlen auf.«

»Ist gut!«

Ein Wink des Admirals und sein Assistent verließ leise den Raum.

Den Kopf in die Hände gestützt, die Augen geschlossen, in tiefes Nachdenken versunken, blieb sein Chef zurück.

Nur ein Gedanke plagte ihn: ›Wie konnten drei hochrangige Offiziere so einfach verschwinden?‹

*

Die Entführung der Hüter verlief hervorragend!

Schlafend saßen sie in denn Zeitkapseln.

Wahrscheinlich blieb ihr Verschwinden nicht lange unentdeckt.

Also drückte er kurz entschlossen auf den Startknopf für Kapsel ›Eins‹.

Lautlos verschwand diese.

Auf zwölf Bildschirmen vor ihm liefen aktuelle Nachrichten. Eine Stunde geduldig ausharrend verfolgte er das Geschehen. Doch nichts wies auf eine Veränderung der Zeit hin. Auf seiner bisherigen Zeitlinie erbrachte er den Beweis:

›Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern!‹

Sir Cederik

Was für ein durchdringender, Gestank!

Eine Mischung, überwiegend aus Pferde- und Eselmist bestehend. Hinzu kam der Kot von Schafen und Hühnern. Die paar herumstreunenden Hunde fielen mit ihren Häufchen kaum ins Gewicht. Die Exkremente vieler Menschen hingegen schon.

Trotz der Latrinen an dem kleinen Fluss hinter den Zeltreihen, erleichterten sich einige, aus reiner Bequemlichkeit, wo es gerade ging. Andauernd sah man sich in Gefahr, in eine der Hinterlassenschaften treten, was außer ihm niemanden zu stören schien.

Den überwiegenden Teil des inzwischen niedergewalzten Grasbodens bedeckte Streu. An besonders üblen Stellen erneuerte man es regelmäßig, sodass der Boden nicht allzu glitschig ausfiel.

Das jährliche Ritterturnier des Herzogs!

Große prächtige Zelte mit bunten Fahnen in der ersten Reihe, mittig das Zelt des Herzogs und seiner Familie, eingerahmt von den Zelten des höheren Adels.

Dahinter erstreckten sich die deutlich weniger prunkvollen Unterkünften der Ritter und der niedrigen Stände. In der dritten Rehe lagen ungeordnet die Quartiere für Besucher, Gesinde, Handwerker wie Hufschmiede, Waffenschmiede, Sattler, halt alles, was man im Umfeld eines Turniers benötigte.

Vor den Zelten, durch eine zehn mannlängen breite Gasse getrennt, eine Bühne für die Zuschauer. Am Ende der Zeltreihen bauten Wirte wackelige Tische und Bänke auf, boten Essen und Trinken feil.

Von den Tribünen aus bot sich ein guter Ausblick auf das Turniergelände.

Ganz vorne fanden Einzelkämpfe in verschiedenen Sparten, wie Schwertkampf und Lanzenstechen, aber auch Massengefechte mit stumpfen Waffen statt. Dabei standen Mut und Geschicklichkeit an erster Stelle, schwere Verletzungen und Tote gab es trotz allem recht oft.

Die beliebteste Form des Turniers erfolgte als Zweikampf, bei dem zwei mit Lanze und Schild bewaffnete Ritter auf zwei Seiten einer Schranke aufeinander zu galoppierten. Sie versuchten sich gegenseitig aus dem Sattel zu heben oder zumindest einen Treffer am Schild oder Helm des Gegners zu landen. Fiel der von seinem Tier, kämpften sie mit dem Schwert weiter.

Oft fochten sie den Wettkampf auch mit ›scharfen‹ Lanzen aus, weshalb es häufig zu Todesfällen kam. Der Sieger erhielt vom Verlierer dessen Waffen, Rüstung und Pferd.

Beim Ringstechen zeigten die Kämpfer alleinig ihre Geschicklichkeit. Sie galoppierten an einem Pfahl vorbei, dort hingen kleine Ringe, welche mit der Lanze ab zunehmen waren. Diese schwierige Übung war nur etwas für Ritter, die sowohl fest im Sattel saßen als auch sicher mit der Lanze umgehen konnten.

Beim Schießen mit Langbögen auf feststehende Ziele bewiesen die Männer ihre Treffsicherheit.

Das Turnier war nicht ausschließlich dem Wettkampf gewidmet, sondern trug auch zur Erbauung des Volkes bei.

Und dann gab es, direkt vor der Loge des Königs, eine zehn mannlängen im Geviert messende, mit Seilen abgetrennte Arena. Hier ging es einzig und allein um Leben und Tod!

Verbissene Kämpfe mit scharfgeschliffenen Schwertern, oder mit Messern, Lanzen sowie blanken Fäusten.

Beleidigungen, Rechtsstreitigkeiten, persönliche Feindschaften konnten hier in aller Öffentlichkeit endgültig geklärt werden. Allerdings kam es oft zu tödlichen Zweikämpfen, wenn ein Ritter einen anderen herausforderte. Entweder, um seine Stärke zu demonstrieren, oder den Ruf des am meisten gefürchteter Kämpfers zu erhalten.

*

Nachdenklich, die Wettkämpfe nur nebenbei verfolgend, saß er auf einer wackeligen Bank an einem nicht standfesten Tisch. Ein Krug Bier stand vor ihm, dazu ein saftiger Braten mit dunkler Soße und frischem Brot. Wieder einmal dacht er, vergebens wie immer, nach.

Wie hieß er wirklich? Er wusste es nicht. Genauso wenig wie und wo er herkam. Sein Leben begann im Wald.

Vor ein paar Jahren ...

In eine ihm selbst unbekannte Kleidung gehüllt, stand er unversehens in einem Wald. Die Bäume wuchsen weit auseinander. Drei Männer, nicht besonders sauber aussehend, kamen höhnisch grinsend auf ihn zu. Wegelagerer, Räuber, Diebsgesindel und Mörder.

Ihre Sprache? Kaum verständlich. Der erste sprang auf ihn zu, mit dem Schwert weit ausholend, in der löblichen Absicht, ihm den Kopf abzuschlagen. Für den Angreifer unvermutet stürmte er diesem entgegen! Blitzschnell unterlief er dessen Schwertarm, griff zu und der Mann segelte über ihn hinweg, mit dem Kopf voraus gegen einen Baumstamm, wobei sein Genick brach. Er bückte sich und nahm das Schwert auf, ruhig den beiden anderen Halunken entgegentretend.

Immerhin bremste der Anblick ihres regungslos am Boden liegen Kameraden ihren Schwung.

Vorsichtig, die Waffen vorgestreckt, kamen sie heran. Er sprang auf den Linken zu, wechselte aber im letzten Augenblick die Richtung und attackierte den rechten Angreifer. Dieser, völlig überrascht, verlor wortwörtlich den Kopf.

Rasch drehte er sich um und erledigte mühelos den fassungslos dastehenden, nichts begreifenden, dritten Banditen.

Reglos stand er einige Augenblicke da, über das Geschehen nachdenkend. Seit wann konnte er mit einem Schwert umgehen? Keine Ahnung. Wer war er? Woher kam er und wie lautete sein Name? Nicht der leiseste Hauch einer Erinnerung. Er hatte sein Gedächtnis verloren!

Wie sollte es nun weitergehen.

Die Frage klärte sich von selbst. Unversehens taumelte er gegen den nächsten Baum, sich unwillkürlich daran festhaltend. Grell zuckende Blitze, verwirbelte Farben füllten sein Blickfeld. Dann kam die Finsternis ...

Sekunden später blickte er in einen Raum mit völlig unverständlichen Einrichtungen. Glänzendes Metall, kleine bunte Lichtlein, seltsame Bilder ... erneute Dunkelheit.

Verblüfft sah er sich um. Auf dem feuchten Waldboden sitzend fand er sich wieder.

Was war das eben gewesen? Keine Ahnung. Also beschloss er das Vorkommnis zu ignorieren und wandte sich dem akuten Problem zu.

Seine ungewöhnliche Kleidung durch ortsübliche zu ersetzen.

Er zog sich aus und sah überrascht auf seine Hüften. Ein eng anliegender, Gürtel umschloss diese. Trotz mehrerer Versuche ließ sich der nicht öffnen. Das Material? Blausilbern, hochglänzend, aus einem ihm völlig unbekannten Metall. Was sollte es. Wie es schien, trug er den bisher unter seinen Textilien. Ab jetzt verdeckte ihn das Gewand des Räubers. Später blieb noch genug Zeit, um sich darum kümmern.

Bandit Nummer eins, welcher sich den Hals gebrochen hatte, trug eine einigermaßen sauber aussehende Oberbekleidung. Wie es darunter aussah? Egal, er brauchte auch diese, allerdings erst nach einer gründlichen Wäsche im nächsten Bach. Beim Entkleiden der Leiche fiel ihm ein schwerer, mit Münzen wohlgefüllter Beutel in die Hände, was ihn bewog, umgehend die weiteren Toten zu untersuchen. Mit einem durchaus erfreulichen Ergebnis.

Danach wickelte er die Messer und Schwerter er in ein Stoffbündel, klemmte sich alles unter den Arm und schritt in die Richtung, aus der die Angreifer kamen.

Knapp zweihundert Mannlängen weiter fand er ihre Pferde, sattelte sie ab und leerte die Taschen. Aus deren Inhalt stellte er sich eine ihm geeignet erscheinende Ausrüstung zusammen.

Rein nach Gefühl, er war kein Pferdekenner, sucht er sich das beste Tier heraus, versah es mit dem unauffälligsten Sattel ohne Zierrat und einem unscheinbaren Zaumzeug.

Es nahm an, dass die Tiere in der näheren Umgebung durchaus bekannt waren. Daher schien es ihm geraten, Ansiedlungen in weitem Umkreis in der nächsten Zeit tunlichst zu meiden.

Abgesattelt, ohne Zügel, ließ er die übrigen Pferde frei, irgendjemand würde sie einfangen und behalten.

Seines führte an einer Leine hinter sich her. An einem kleinen, nicht allzu kalten Bach wusch er gründlich die Kleidung des Toten. Vor allem die Hose. Später musste er sich unbedingt frische, ungetragene Wäsche kaufen. Garantiert ohne Läuse und sonstiges Ungeziefer!

Kräftig ausgewrungen, zog er, nach dem er die eigenen Sachen ablegte, die noch feuchten Textilien an.

Sein bisheriges Gewand, zusammen mit den ihm unbekannten Gegenständen, faltete er so klein, wie es ging. Anschließend wickelte er es in ein Tuch und verstaute alles unten in eine der Satteltaschen. Vielleicht konnte er sie irgendwann noch gebrauchen.

Danach ritt er los.

*

Wie lange war das her? Drei oder vier Jahre?

Unauffällig in einer Stadt in einem preisgünstigen Gasthaus einquartiert, erneuerte er zuerst seine Garderobe. Dabei kam er an einer Schmiede vorbei. Die bisher mitgeführten Waffen und Messer tauschte er gegen ein besseres Schwert ein. Mit dem Schmied kam er in ein Fachgespräch.

Nein, zwei verschiedene Eisen ineinander schmieden und falten, kannte dieser nicht. Woraufhin er sich das vorhandene Material genauer ansah. Und auch fündig wurde.

Ein großzügiger Geldbetrag in die Hand gedrückt und der Schmied zeigte sich bereit, zusammen mit ihm, am nächsten Tag ein neuartiges Schwert anzufertigen.

Wobei er sich wiederum im Stillen fragte, woher er die Technik des Faltens kannte.

Nach dem Schmieden kam noch das Thema Weichglühen, Schleifen und Härten hinzu. Alles in allem vergingen drei Tage. Danach besaß er eine hervorragende Waffe.

Nebenbei ließ er sich ein älteres, nicht besonders hochwertiges Schwert geben. Abschleifen, härten und vorsichtig anlassen ergaben eine ausgezeichnete Stichwaffe, ein Rapier. Demonstrativ führte er an einem mit Stroh gefüllten Sack dessen Gebrauch vor.

Der Schmied seinerseits, als er erkannte, wie erstklassig das gefaltete Schwert und der Stoßdegen wirkten, begann sofort weitere anzufertigen. Ohne Gesellen. Vorläufig sollte es sein Geheimnis bleiben.

Ihm war es gleichgültig und nach kurzer Zeit ritt er wieder los. Inzwischen, der Schmied erkundigte sich nach seinem Namen und Herkunft, legte er sich fest:

Er nannte sich Sir Cederik, genauer Ritter Cederik, vom gelben Fels am silbernen See. Viele Reitwochen entfernt von hier, weit im Nordosten gelegen. Als dritter Sohn eines einfachen Landadligen erhielt er zwar den Ritterschlag, aber mehr nicht.

Ein fahrender Ritter, mit nichts außer einem Pferd, dem Sattel und Schwert.

Natürlich akzeptierte man das sofort. Sein außergewöhnliches Wissen um Schwertschmiedetechnik, genügte zum Beweis für eine adlige Abkunft. Hinzu kam, dass er Lesen und Schreiben beherrschte. Normalerweise kamen diese Kenntnisse überwiegend nur in Klöstern und bei den Ratsschreibern vor. Papier erwies sich als selten und teuer. Hergestellt aus dem begrenzt vorhandenen Rohstoff Hadern, den Lumpen alter Kleider und Stoffe.

Unter dem lebhaften Bedauern des Schmiedes ritt er weiter, von Dorf zu Dorf, von Weiler zu Weiler, von Stadt zu Stadt.

Unterwegs erweiterte er sein Waffenarsenal um Bogen samt Pfeilen sowie um ein paar Wurfmesser und Wurfsterne.

Ab und an, wenn auf seiner Reise ein Turnier stattfand, beteiligte er sich daran. Allerdings trat er nur bei sportlichen Wettkämpfen wie Ringe stechen oder Bogenschießen an. Niemals bei Schwertkämpfen von Mann zu Mann an,

Die gewonnenen Preisgelder reichten ihm zum Leben. Des Öfteren verdingte er sich auch bei Kaufleuten, wenn diese mit ihren Handelsgütern unterwegs waren, als Wache.

Ein paarmal wurden sie von Wegelagerern überfallen, welche ihm dann freundlicherweise ihr Hab und Gut, vor allem aber ihre Börsen überließen.

Eines Tages ...

Eine Herberge in einer kleinen Stadt. Leise geflüsterte Worte:

›Der Schwarze Ritter‹.

Angeblich ein Hüne von einem Mann in einer schwarzen Rüstung. Das Visier stets geschlossen. Niemand sah je sein Gesicht. Dessen Kampftaktik war einfach: Mit roher Kraft hämmerte er fröhlich auf das Schild des Gegners. Dieser, überwiegend in der Defensive, ermüdete meist nach kurzer Zeit. Gab er rechtzeitig auf, behielt er zumindest sein Leben. Sein Pferd, seine Ritterrüstung und Waffen gingen jedoch an den Sieger. Weshalb es nach einiger Zeit es ein jeder vermied, gegen den praktisch unbesiegbaren ›Schwarzen Ritter‹ anzutreten.

Wenn sich kein Kämpfer fand, beleidigte er zwei bis drei beliebige, auf dem Turnier anwesenden Ritter, bis sie, um ihre Ehre zu retten, sich zum Zweikampf stellten. Geschlagen, gedemütigt und bar ihrer Habe zogen sie anschließend ab.

Laut und höhnisch lachend ritt der ›Schwarze Ritter‹, die erbeuteten Pferde im Schlepptau, mit unbekanntem Ziel weiter. Mit der Zeit nahmen immer weniger Ritter an den Wettkämpfen teil, meist umgehend verschwindend, wenn der Angstgegner auftauchte.

Dieses Turnier jedoch, veranstaltet vom Herzog, sollte das Problem lösen. Ein wahrhaft fürstlicher Preis von einhundert Goldgulden winkte dem Sieger. Garantiert würden sich, vom Gold geblendet, die kampfstärksten Ritter einfinden und den ›Schwarze Ritter‹ besiegen!

*

Aus diesem Grund saß er hier bei dem Turnier an einem Tisch, abwartend ob und wann der ›Schwarze Ritter‹ auftauchte.

Ein Raunen ging durch die Menge. Laute Rufe: »Er kommt, er kommt!«, zeigten das Nahen des mordlustigen Ritters an.

Hoch auf dem Ross, in aufrechter Haltung, ganz in Schwarz, kräftige Figur, unheilvoll und drohend aussehend. Allein bei dessen Anblick hatten die meisten Kämpfer schon die Hosen voll. Psychologische Kriegsführung sozusagen. Ihn beeindruckte der ›Schwarze Ritter‹ hingegen wenig.

Er winkte einen jungen Knappen, den Abzeichen nach zu urteilen bei niemandem im Dienst stehend, heran.

»Mein Name ist Ritter Cederik. Wenn Du noch frei bist, will ich dich gerne für ein paar Stunden in meinen Dienst nehmen. Bist Du daran interessiert?«

Fragend sah er den Jungen an.

Dieser erschrak für einen Moment, dann nickt der zögernd.

»Fein!«

Er reichte ihm eine Goldmünze und befahl:

»Gehe sogleich zum Turnierveranstalter und sage ihm, dass Ritter Cederik den ›Schwarzen Ritter‹ zum Schwertkampf herausfordert! Hast Du das verstanden?«

Er sprach recht laut, von den Umstehenden klar zu verstehen.

Entsetzt sahen ihn diese an. Was für ein Wahnsinniger! Er beschwor seinen Tod geradezu herbei.

Ungerührt ließ er die Kommentare und Warnungen über sich ergehen, sie nicht zur Kenntnis nehmend. Wozu auch?

An den Wirt gewandt:

»Ich hole mir nur meine Waffen, bis gleich!«

Gelassen schritt er zum Unterkunftszelt. Kaum drei Minuten später kam er zurück, in der Linken ein silbern glänzendes Schwert, in der Rechten ein für die fachkundigen Zuschauer ungewöhnlich kleines Schild. An seiner linken Seite baumelte sein Rapier.

Alles in allem wenig beeindruckend, zumal sie das bisher unbekannte Rapier an der Hüfte als Spielzeug einstuften. Soeben verkündete der Ausrufer lauthals die Herausforderung mit dem Hinweis, dass sich die Ritter umgehend in der Arena vor der herzoglichen Loge einzufinden hätten.

Gelassen begab er sich zur Kampfstätte. Das laufende Turnier wurde unterbrochen, alles strömte zum Kampfplatz. Jeder wollte den Verrückten sehen, welcher es wagte, sich freiwillig mit dem ›Schwarzen Ritter‹ anzulegen. Er lächelte dünn. Psychologisch war er bereits im Vorteil. Sein Kontrahent war auf einen sofortigen Kampf wohl kaum vorbereitet, müde von der Anreise, und besaß zudem keine Zeit mehr für irgendwelche Psychospielchen. Die Schaulustigen bildeten eine meterbreite Gasse, sodass er ungehindert zum Kampfareal kam. Sein Gegner war noch nicht da. Er begab sich zu der vom Eingang aus gesehenen rechten Seite. Noch ein Pluspunkt für ihn. Die Sonne in seinem Rücken blendete den Feind, während er diesen genau sah.

Es vergingen noch einige Minuten, ehe der ›Schwarze Ritter‹ die Arena betrat. Leicht verunsichert wirkend stellte der sich ihm gegenüber auf, ungefähr drei Mannlängen entfernt, das Schwert kampfbereit in der Rechten haltend. Wie er es erwartete. Sein Gegner würde eine winzige Zeitspanne benötigen, um weit auszuholen. Gut so!

Das Zeichen zur Kampffreigabe!

Noch während sein Widersacher ausholte und auf ihn zugehen wollte, sprang er mit einem gewaltigen Satz auf diesen zu, seinen Schild kraftvoll von unten nach oben hochziehend.

Mit einem weithin tönenden Scheppern flog dessen Helm vom Kopf. Der Schildrand versetzte ihm dabei zusätzlich einen harten Schlag auf die Nase, sodass ihm die Tränen in die Augen schossen, vorübergehend die Sehfähigkeit einschränkte. Einen Schritt zurück und das Rapier gezogen, die Spitze auf die gegnerische Kehle gerichtet.

Verblüfft nahm er das Ergebnis zur Kenntnis.

Sein Schwert fallen lassend, stand der ›Schwarze Ritter‹ taumelnd vor ihm, sich die heftig blutende Nase haltend.

Danach kam der Schock!

Der ›Schwarze Ritter‹ war eine kräftige Frau! Eine Amazone!

Überrascht trat er einige Schritte zurück. Wie sollte es weitergehen?

Die Zuschauer, von dem kurzen, unüblichen Kampf und der Enttarnung des ›Schwarzen Ritters‹ wie vom Donner gerührt, standen sprachlos da. Totenstille rund um!

Die Stimme des Herzogs brach den Bann und enthob ihn einer Entscheidung:

»Wachen! Bringt die Frau zu mir! Ritter Cederik, Ihr seid der Sieger! Bitte kommen Sie ebenfalls zu mir, betrachten Sie sich als meinen Gast!«

Auch recht.

Die Qualität des Essens und der Getränke würde sich von nun an deutlich verbessern.

»Das Turnier wird für heute unterbrochen! Morgen geht es weiter!«

Schau an. Der Ausrufer.

Aufgeregt, die Ungeheuerlichkeit lauthals diskutierend, zerstreuten sich die Zuschauer, was die Schankwirte, an deren Tischen es jetzt lebhaft zuging, erfreute.

*

Huldvoll empfing ihn der Herzog.

»Bitte nehmt zu meiner Rechten Platz. Sagt an, edler Ritter, wie lautet euer Name?«

»Eure Durchlaucht, ich heiße Sir Cederik vom gelben Fels am silbernen See! Viele Monde von hier entfernt, im Nordosten gelegen. Aber als dritter Sohn eines kleinen Landadligen ...«

Dies wurde sofort verstanden und akzeptiert.

Bewundernd erkundigte sich der Herzog:

»Euren Kampfstil, der Einsatz eines Schildes, nicht zur Verteidigung, sondern als Angriffswaffe, wo habt ihr dies erlernt?«

»Eure Durchlaucht, da wo ich herkomme, gibt es einen Klosterorden, welcher die Kunst dieser Kampfart, Bajiquan genannt, lehrt! Ziel besteht darin, einen Gegner, wie Eure Durchlaucht soeben gesehen hat, mit einem einzigen Schlag besiegen zu können. Die Techniken sind hart und kraftvoll und es bedarf vieler Übung, um einen Erfolg zu erzielen. Als einer der Meister des Ordens war es mir ein leichtes, den ›Schwarzen Ritter‹ herauszufordern und dessen Unwesen ein Ende zu bereiten!«

Interessiert hörte der Herzog zu. Anschließend wandte sich seine Aufmerksamkeit der trotzig dreisehenden, vor ihm stehenden Frau zu. Noch immer tropfte Blut aus ihrer sicherlich heftig schmerzenden Nase.

»Wer heißt Ihr?«

Sie antwortete nicht. Nachdem er erneut fragte und da er wiederum keine Antwort erhielt, wollte er nach dem Henker rufen.

»Sir Cederik!« Sein Knappe. Leise flüstert der ihm ein paar Worte ins Ohr. Begreifend nickte er, das Wort an den Herzog richtend.

»Sie brauchen nicht weiter zu fragen, Eure Durchlaucht. Diese Dame ist die Prinzessin Dorothea, eine der Töchter ihres Landgrafen Theoderich!«

Fassungslose Stille.

Obwohl in Deckung hinter Sir Cederik stehend, erblickte der Herzog den Knappen.

»Elsbeth? Du?«

Heute war anscheinend der Tag der Überraschungen. Sein Knappe war ein Mädchen! Bevor er sich noch von seinem Erstaunen erholte, fauchte der Herzog:

»Wie kommst Du dazu, dich so zu verkleiden?«

Und an ihn gerichtet: »Euer Knappe ist meine ungehorsame Tochter Elsbeth. Sie möchte unbedingt Ritterin werden!«

Grinsend, mit bezeichnendem Blick auf Prinzessin Dorothea antwortete er:

»Jetzt, Euer Durchlaucht, gibt es bereits zwei Anwärterinnen auf den Ritterstand. Sie müssten nur noch einen Orden für Ritterinnen gründen. Sicherlich freut sich Graf Theoderich, die Ordensleitung übernehmen zu dürfen. Da steht seine Tochter stets unter Aufsicht!«

Wenn Blicke töten könnten!

Anschließend, die Prinzessin ernst ansehend:

»Weshalb töteten Sie so viele Ritter? Sind Sie auf diese neidisch? Oder was sonst?«

Die Frau schluckte und druckste.

»Na, warum?«

Endlich bequemte sie sich zu einer Antwort:

»Ich hasse diese Lumpenkerle! Von wegen ›edle‹ Ritter! Nichts als dreckige Schweine. Einer hat mich vor Jahren ...!«

»Schon gut! Erwischten sie den Kerl wenigstens?«

»Bisher nicht, aber eines Tages ...«

Der Herzog bestimmte umgehend:

»Prinzessin! Sie kommen vorläufig in ritterliche Haft, solange, bis wir Sie ihrem Vater übergeben. Und Du Elsbeth, trägst ab sofort wieder standesgemäße Frauenkleidung! Gehe sogleich zu deiner Mutter! Wir zwei sprechen uns später noch!«

Woraufhin die Wachen Dorothea abführten und sein ehemaliger Knappe sich schmollend trollte.

»Ritter Cederik, meine Getreuen, wir begeben uns in mein Zelt und setzen uns zu Tisch! Lasst uns essen und trinken!«

*

Es wurde noch ein netter Abend.

Der Herzog stellte viele Fragen, vor allem seine Waffen betreffend. Das Schwert und besonders sein Rapier erregten dessen Aufmerksamkeit. Er reichte die sie dem Herzog: »Eure Durchlaucht, darf ich sie ihnen schenken? Wenn Sie gestatten, lehre ich ihren Hofschmied, wie man solche Waffen anfertigt. Gerne unterweise ich auch einige von euren ›Jungen Herren‹ in deren Gebrauch.«

Zustimmend griff dieser hocherfreut zu.

»Meinen Dank, Ritter Cedrik! Ich werde ...!«

Der Herzog unterbrach sich.

Ein würdevoller Mann mittleren Alters, in einer kostbaren Jagdkleidung, gefolgt von zwei Bediensteten und mehreren Zofen, betrat das Zelt.

»Graf Theoderich! Willkommen! Bitte setzen Sie sich zu uns!«

Schau an, der Vater des bisherigen ›Schwarzen Ritters‹!

Das Gesicht des Grafen war wirklich sehenswert, als er begriff, wer der ›Schwarze Ritter‹ war und was er machen sollte.

Nach dem zweiten Humpen freundete er sich langsam mit der Idee an. Sie tranken auf den zukünftigen weiblichen Ritterorden. Und nochmal und nochmal ...

*

Am nächsten Tag, in der herzoglichen Loge, im Schatten unter einem Baldachin, ließ sich der Kater einigermaßen aushalten. Schadenfroh stellte er fest, dass es seiner Durchlaucht und dem Grafen auch nicht besser ging.

Das gestern unterbrochene Turnier ging weiter. Laut Veranstalter noch zwei Tage.

Vor sich hindösend saß er in einem leidlich bequemen Sessel. Vier Sitze entfernt thronten, in edle Roben gekleidet, die Herzogin und ihre Tochter. Plötzlich merkte er auf.

Einer der ›Jungen Herren‹ forderte ihn auf beleidigende Art und Weise heraus. Seufzend erhob er sich.

»Eigentlich sollte ich mit so einem Feigling, wie Ihr es seid, nicht in den Ring steigen! Gestern hattet Ihr beim Anblick des ›Schwarzen Ritters‹ noch die Hosen voll! Da du Jüngelchen mich herausgefordert hast, bestimme ich die Art des Kampfes, und zwar von Mann zu Mann ohne Waffen! Ohne Rüstung! Nehmt an oder verzieht Euch!«

Auch wenn es diesem nicht behagte, so musste er sich den Bedingungen fügen.

Immerhin schien er weitaus kräftiger zu sein als der schlanke Ritter.

Nach kaum einer Minute standen sie sich im Ring gegenüber. Mit einem lauten Kampfschrei warf er sich auf Sir Cederik. Sekunden später krümmte er sich schmerzerfüllt auf dem schmutzigen Boden. Sir Cederik wich ihm blitzschnell aus und stieß ihm zwei ausgestreckte Finger in die Nieren.

Erst nach einigen Augenblicken kam das Jüngelchen taumelnd wieder hoch. Mit hasserfülltem Blick schritt er langsam auf seinen Gegner zu. Dieser kam ihm unverhofft entgegen, zog ihn am Arm zu sich heran und wirbelte ihn durch die Luft. Krachend landete er erneut im Dreck. Immerhin, er versuchte es noch ein weiteres Mal. Ein wirklich guter Versuch. Wiederum lag er anschließend schmerzgekrümmt, diesmal mit einem gebrochenen Arm und ausgerenkter Schulter, schreiend da. Zwei Knappen mit einer Trage rannten herbei und luden den Verletzten auf, ihn eilends zum Heiler tragend.

Müde schritt er zur Loge zurück.

»Ihr hättet in mühelos töten können, sehe ich das richtig?«

»Jawohl, Herr Herzog. Aber so ist er ein abschreckendes Beispiel für andere Möchtegernherausforderer und ich bekomme jetzt bis auf Weiteres meine Ruhe!«

Dankend nahm er den ihm gereichten Krug mit einem kühlen Weißwein entgegen, einen kräftigen Schluck zu sich nehmend.

Ah, das tat gut!

Gelangweilt verfolgte er das Turnier, welches ab jetzt ungestört weiterging.

Zum Glück konnte er die Gedanken von Jungfer Elsbeth nicht lesen.

Die hatte inzwischen ihre Prioritäten neu festgelegt. Als gestern Abend alle noch halbwegs nüchtern waren, gründeten sie den ›Orden der weißen Lilien‹.

Hörte sich ausgezeichnet an. Dem Vernehmen nach war auch Dorothea, die Tochter des Landgrafen, damit einverstanden. Wunschziel abgehakt.

Ihr nächstes Ziel würde allerdings viel Geduld und Ausdauer erfordern.

Ritter Cederik! Wie es schien, hielt er sie für viel zu jung! Von wegen, zumindest wurde sie demnächst neunzehn! Unter der Knappenkleidung hatte sie ihre weiblichen Formen verborgen, aber nun ...

Zuerst musste dringend eine passende Rüstung her. Und so ein Schwert wie ihr Vater eines geschenkt bekam und auch ein Rapier. Zusätzlich benötigte sie Kampfunterricht. Immerhin konnte sie ab jetzt offen vorgehen, brauchte sich nicht mehr zu verstecken. Ein großer Vorteil!

Jungfer Elsbeth wirkte äußerst zufrieden!

*

Selbst das längste Turnier geht einmal zu Ende.

Auch wenn man überall einlud, viele Damen ihm eindeutige Angebote unterbreiteten, welche er stets freundlich aber bestimmt ablehnte, begann er sich zu langweilen.

Vier Tage nach dem Kampf gegen den ›Schwarzen Ritter‹ brachen sie endlich zur Residenz des Herzogs auf. Diese lag rund sechs Stunden zu Pferde vom Turnierort entfernt am Fuße einer Hügelkette.

Der Beschreibung nach handelte es sich um eine kleine Stadt mit einer Schlossburg, einer Mischung aus einem Schloss und einer befestigten Burg, von hohen Wehrmauern umgeben. Großräumig angelegt, sodass Stallungen, Gesindehäuser, Werkstätten für Schmiede innerhalb der Mauern Platz fanden. Raum für die fürstlichen Pferdeställe, einen Hühnerstall sowie den Hundezwinger war gleichfalls vorhanden. Hinter den Gebäuden strömte ein Flüsschen, von den Bergen kommend, vorbei.

Ein flacher Hügel, höchstens hundert Mannlängen hoch, lag in nicht allzuweiter Entfernung von der Burg entfernt.

Zwei Holzbrücken führten nördlich und südlich der Schlossburg zu den Übungsarealen für Ritter und Knappen, wie auch zu den Koppeln für Tiere, wie Schafe, Esel und Rinder.

Plötzlich fiel ihm ein, dass er den Namen des Herzogs bisher nicht kannte.

Auf Nachfragen erfuhr er ihn: Herzog Lynhardt von Schönburg.

Währen er inmitten der Gruppe dem Wohnsitz seiner Durchlaucht entgegen ritt, unterhielt er sich laufend mit anderen Reitern und Edelleuten. Dabei sammelte er unauffällig so viele Informationen, wie es ging, jedoch stets darauf achtend, den Damen aus dem Weg zu gehen.

Langsam lichtete sich der Wald. Einzelne Hütten und Scheunen, zwischen Feldern und Äckern stehend, zeigten, dass sie sich einer Ansiedlung näherten. Ein Hirte ließ seine Schafe grasen, Kühe weideten auf saftigen Wiesen, Hunde kläfften. In unmittelbarer Nähe pflügte ein Bauer, tiefe Furchen hinterlassend.

Die graue Linie am Horizont löste sich auf und erwies sich im Näherkommen als die Stadt, namens Alven an der Schlossburg.

»Sagt an, Junker Leonhart, weiß Er wie viele Bewohner Alven hat?«

Der links von ihm reitende Edelmann musste leider passen. Ein Knappe neben ihm meinte:

»Soweit ich hörte, Sir Cederik, sind es über zweitausend!«

Er bedankte sich höflich für die Auskunft. Eindeutig die größte Ansiedlung, die er bisher gesehen hatte. Schweigend ritt er weiter.

*

Alle Wetter!

Die Schlossburg erwies sich als geradezu riesig!

Und erst die Fläche des von den Wehrmauern umgebenen Burghofes. Nicht zu vergessen die außerhalb der Mauern liegenden Wirtschaftsgebäude. Wirklich beeindruckend.

Kaum dass sie das weit geöffnete Burgtor durchritten, kam zögernd ein junger Mann heran.

»Sir Cederik?«

Anscheinend war der sich ob seiner Person nicht sicher. Er nickte dem Mann freundlich bejahend zu.

»Ich heiße Georig. Der Herzog schickte gestern einen Boten und bestimmte mich zu ihrem Knappen. Bitte folgen Sie mir.«

Tat er doch gerne. Georig führte ihn zur Seite, wo bereits zwei Knechte und eine Magd sie erwarteten.

»Bitte steigen Sie ab. Die Knechte versorgen ihr Pferd und bringen ihr Gepäck nach. Die Magd geleitet Sie zu ihren Räumen im Südflügel. Ruhen Sie sich erst einmal aus. Zum Abendessen, in rund vier Stunden, hole ich Sie ab. Haben Sie noch einen Wunsch, Sir Cederik?«

»Ja! Kann ich vor dem Essen noch ein Bad nehmen? Ich fürchte, ich fing mir einen Floh ein!«

Georig lachte.

»Selbstverständlich können Sie zuerst baden. Die Zofe im Haus gibt ihnen frische Wäsche und sorgt dafür, dass ihre bisherige Kleidung gereinigt wird. Wir kennen das Problem. Ganz sicher sind Sie nicht der Einzige, welcher Flöhe bekam. Die Unterkunftszelte ...!«

Das hatte er, nachdem der Herzog ihn ein sein Zelt mit aufnahm, befürchtet.

Wie auch immer, jetzt war erst einmal Baden, Ausruhen und Essen angesagt. Und anschließend ab ins Bett und lange schlafen. In dem Zelt des Herzogs war er kaum zu Ruhe gekommen. Dauernd kam oder ging einer, musste auf die Toilette oder schnarchte gottserbärmlich. Und der Gestank erst ...

Hinzu kamen noch Kakerlaken und blutsaugende Stechmücken, die Flöhe nicht zu vergessen.

*

Überlegend stand er, Georig neben sich, vor der Schmiede. Betreten oder nicht? Nach einer ruhigen Nacht und einem ausgezeichneten Frühstück, wollte er sich zuallererst um ein Schwert und ein Rapier kümmern.

Kurzentschlossen trat er ein.

Freundlich begrüßte ihn der Schmied, wobei ein paar Gesellen neugierig zusahen.

»Guten Morgen Schmied, ich benötige ein Schwert und möchte es gerne mit Ihnen zusammen anfertigen. Zudem ein Rapier, ein ›stechendes‹ Schwert. Geht das?«

Fragend sah er sein Gegenüber an. Dieser zögerte einen Moment, nickte dann aber zustimmend.

»Bitte zeigen Sie mir ihre Metallvorräte.«

Ein kleiner Nebenraum mit hölzernen Regalen. Sehr schön! »Wie heißen Sie?«

»Man nennt mich Mirko!«

Nach einer kurzen Diskussion mit dem Schmied, wählte er zwei verschiedene Stähle aus.

Zurück in der Schmiede ließ er beide Stücke in eine Größe von ungefähr eine halbe Hand breit, zwei Finger hoch und eine halbe Elle lang schmieden. Diese bezeichnete er anschließend als Rohlinge.

Im nächsten Schritt legte er die Eisenteile übereinander und ließ sie auf vierfache Länge schmieden.

Dadurch ergab sich aus den zwei Stählen einer, aber mit zwei Schichten. Der Schmied musste jetzt darauf achten, dass die Stücke nur in die Länge, nicht in die Breite gingen.

Es dauerte einige Zeit, bis Mirko diese Schmiedearbeit beherrschte, wobei er seinerseits, wo es ging, mithalf. Einer der Gesellen trat hinzu. Abwechselnd hämmerten sie einträchtig auf das Metall ein.

Anschließend, rotglühend, wurde das Stahlstück in der Mitte gefaltet. Und erneut auf Länge geschmiedet.

Somit ergaben sich vier Schichten. Noch einmal gefaltet und es waren jetzt acht Lagen. Der Schmied war nahezu an den Grenzen seines Könnens angekommen, weshalb er ihn besorgt fragte:

»Schaffen Sie noch eine letzte Faltung?«

Seinen Gesellen gequält ansehend und erst, als dieser zustimmend nickte, gab er eine bejahende Antwort.

Die zwei Männer fuhren wieder mit der Arbeit fort. Inzwischen verging der halbe Tag. Deshalb bat er die beiden anderen Gesellen, weitere Rohschwerter an der zweiten Esse anzufertigen. Bereitwillig begaben sich diese ans Werk.

Gerade als er sich ein altes, angerostetes Schwert ansehen wollte, bemerkte er leichte Lichtblitze vor seinen Augen. Eiligst verließ er die Schmiede, um sich gleich darauf auf der neben der Eingangstür stehen Bank nieder zu lassen, bevor ...

Allmählich wurde die unbekannte Umgebung deutlich sichtbar. Was für ein Alptraum! Ein heller Raum, ein großflächiges Bild befand sich eine Mannlänge entfernt vor ihm, andauernd wechselnde Personen zeigend. Was für ein Spuk narrte ihn? Stimmen ... jemand rief ihn ... rief seinen Namen ... er hieß ... er hieß ... bunte, grelle Farbwirbel ... Schwärze!

Georig hielt ihn fest, sonst wäre er vermutlich von der Bank geglitten. Wieder eine dieser unerklärlichen Visionen! Verflucht sollten sie sein! Monatelang ließen sie in Ruhe. Aber jetzt, ausgerechnet in aller Öffentlichkeit. Ein solcher Anfall während eines Kampfes, dann hieß es gute Nacht! Und aus war’s mit Ritter Cederik!

Sein Knappe sah ihn besorgt an.

»Sir Cederik, geht es Euch nicht gut, seid ihr krank?«

»Nein, nein, vielen Dank! Seit Stunden habe ich nichts mehr getrunken und das in der ungewohnten, mörderischen Hitze und dem ohrenbetäubenden Lärm! Nur ein kleiner Schwindelanfall! Bitte, besorge mir einen Krug mit einem kalten, leichten Bier!«

Zweifelnd schaute Georig ihn an, ehe er losrannte.

Aus der Schmiede drang ein gleichmäßiges Hämmern. Wie es schien, bemerkten die Männer nichts. Gut, je weniger Zeugen, desto besser!

Ein paar Minuten sitzenbleiben, danach weiter im Text. Just als er zurück in die Werkstatt wollte, kam Georig mit zwei Mägden im Schlepptau wieder an. Eine trug ein Tablett mit mehreren vollen Krügen, die andere brachte in einem Weidenkorb kaltes Fleisch, Schinken, Speck und Brot mit.

»Sir Cederik, die Schmiede sind sicherlich ebenfalls durstig und hungrig! Wir holen jetzt einen Tisch und noch eine Bank! Dann wird eine Essenspause eingelegt!«

Nach diesen Worten eilte Georig in die Werkstatt. Das Hämmern verklang, und freudestrahlend kamen die Männer heraus. Sie holten den zweiten Tisch und die Bank. Danach ließen sie sich zufrieden nieder. Die Krüge darauf gestellt und den Korb ausgepackt. Freudig langten alle zu. Er sorgte dafür, dass auch sein Knappe mit tafelte.

Nachdem der erste Durst gestillt war, wandte sich der Schmied an ihn:

»Sir Cederik, ich hörte bisher nie davon, dass man ein Schwert aus gefalteten Stahlsorten herstellt. Wozu dient das?«

Er lächelte.

»Durch die verschiedenen Schichten wird das Schwert einerseits überaus widerstandsfähig und anderseits bleibt es elastisch. Es bricht nicht gleich beim ersten Kampf. Ausgehärtet und wieder angelassen ist es jedem derzeit üblichen Schwert überlegen. Für heute machen wir Schluss! Morgen wird es fertig gefaltet, danach endgültig geschmiedet und geschliffen. Wir probieren es dann aus. Man kann es noch mehrmals falten, dadurch wird es noch belastbarer. Aber es gibt eine Grenze fürs Falten: Die Schichten müssen erhalten bleiben! Werden Sie zu dünn, kann es geschehen, dass sich diese gegenseitig durchdringen! Schwerter mit einer größeren Anzahl von Faltungen erfordern ein besonderes Geschick und es bedarf vieler Übungen, vom Zeitaufwand erst gar nicht zu sprechen!«

Gespannt hörten alle zu. Das Gesicht des Schmiedes wurde länger und länger. Er ahnte, was auf ihn demnächst zukam.

Die Edelleute, allen voran der Herzog, würden nach diesem Vortrag alle bessere Schwerter bekommen wollen.

»Ach, ja, das rostige Schwert, welches rechts hinter der Tür hängt, wem gehört es?«

»Niemandem, Sir Cederik, wenn Sie es möchten, können Sie es gerne haben!«

»Ja, danke! Ich werde es zu einem so genannten ›stechenden Schwert‹, einem ›Rapier‹ abschleifen.«

Er lachte, als er rundum die fragenden Gesichter bemerkte.

»Wartet es ab! Morgen seht ihr es dann und ihr versteht es auch besser, als wenn ich es jetzt nur beschreibe!«

Also übten sie sich in Geduld. Was blieb ihnen auch anderes übrig?

Der Landgraf kam mit seiner Tochter - ihre Nase war noch immer stark geschwollen, - vorbei und wollte sich dazu setzen. Ein dritter Tisch musste her. Natürlich sahen umstehende Ritter und Knappen die Versammlung und kamen neugierig angelaufen. Was wiederum weitere Tische und Bänke bedeutete.

Die ›kleine‹ Essenspause lief ein wenig aus dem Ruder und entwickelte sich zu einem spontanen Gelage, welches bis tief in die Nacht andauerte. Anfangs drehten sich die Gespräche nur um Waffen, ein Gebiet auf dem natürlich sich jeder für einen Fachmann hielt. Nach kurzer Zeit kamen jedoch immer mehr private Themen auf, zumal sich auch einige Frauen zu ihnen setzten. Wirklich, ein durchaus gelungener Abend!

*

Prüfend hielt er das gefaltete Material in der Hand.

Es war früh am Morgen, die Schmiede fachten ihre Essen an.

»Gut, Mirko! Jetzt ist dein Können als Schmiedemeister gefragt. Glaubst Du, dass es bis heute Abend schaffen wirst? Inclusive schleifen und polieren? Übrigens, wie härtest Du es aus?«

Mirko zeigte auf ein Holzfass mit Wasser:

»Das Schwert wird am frühen Nachmittag fertig sein. Die Gesellen falten nebenher weitere Rohlinge zu Rohschwertern! In Ordnung?«

»Im Prinzip ja, aber zum Aushärten brauchen wir ein schmales Gefäß mit Öl. Dieses stellen wir zur Kühlung in das Wasserfass. Anschließend lagern wir das Schwert zwei Stunden über einer Glut, um das Material zu entspannen. Geht das?«

Mirko nickte und griff nach dem Eisen.

Nächstes Thema: Rapier. Kritisch untersuchte er die rostige Waffe. Zufrieden stellte er fest, dass es nur in der Oberfläche angerostet war, nirgends durchgerostet. Jetzt war Abschleifen angesagt.

Zuerst schliff er den Rost weg und dann das Rapier auf Form. Die Dicke der Schwertklinge blieb, aber es wurde wesentlich schmäler, vor allem zur Spitze hin. Nach einer Stunde legte er es zur Seite und sah ein paar Minuten Mirko beim Schmieden zu. Langsam nahm das Schwert Gestalt an. Hier wurde er nicht gebraucht.

Er nahm das Rapier auf und steckte es in die Glut einer der Essen. Nach einiger Zeit, als in einem dunklen Rot glühte, nahm er heraus, um es ins Wasserfass zu tauchen. Ein kurzes Zischen und erzog es schnell zurück. Dies führte er jeweils im Abstand von zwanzig bis dreißig Sekunden mehrmals durch.

Auf die fragenden Mienen hin erklärte er:

»Man nennt das ›gestufte Abschreckung‹. Die Oberfläche wird kurzzeitig hart, die im Inneren des Werkstücks verbleibende Hitze bewirkt ein ›Anlassen von innen‹. Natürlich gibt es weiterhin die ›Vollhärtung‹. Allerdings braucht man zum anschließenden Anlassen eine Erfahrung, die ich nicht besitze. Wird das Schwert dabei zu heiß, verliert es seine Härte und wird erneut ›weichgeglüht‹ und man fängt wieder von vorne an!«

Der Schmied pflichtete ihm bei. Das kannte er.

Er untersuchte sein Rapier.

»Mirko, habt Ihr Polierpulver?«

Dieser nickte und winkte seinen jüngsten Mitarbeiter, eher noch ein Knabe denn ein Mann, zu sich, ihn Sir Cederik vorstellend. »Er heißt Jobst und poliert unsere Schwerter, Geben Sie ihm ihr Rapier«

Zusammen mit einer Münze reichte er dem Jungen die Waffe, welcher umgehend damit verschwand.

Die ungewohnte Hitze bewog ihn, sich für ein paar Minuten auf die Bank vor der Schmiede zu setzen. Der Tisch stand noch da. Gleich darauf kam Georig und brachte einen Krug mit kühlem Fruchtsaft. Ihn zu sich auf die Bank winkend, meinte er:

»Du bist kein einfacher Knappe! Gestern Nachmittag hast Du die Mägde geholt und für Trinken und Essen in erheblichem Umfang gesorgt! Also, wer bist Du?«

Bevor dieser antworten konnte, schleppte Jobst das Rapier an und reichte es ihm voller Stolz.

Nicht zu Unrecht, denn wie er auf den ersten Anblick erkannte, hatte der Kleine es hervorragend poliert.

»Georig, wir unterhalten uns später über dich. Jetzt zuerst, gibt es hier hölzerne Übungsschwerter?«

Mirko der Schmied hatte, seit Jobst wieder kam, zugehört.

»Einen Augenblick!«

Gleich darauf brachte er zwei Holzschwerter an.

»Kannst Du mit einem Schwert umgehen, Georig?«

Der nickte und bekam eines in die Hand gedrückt.

Er erhob sich und forderte den Knappen auf, ihn anzugreifen.

Georig schlug zu. Er fing den Schlag ab und stach gleichzeitig mit dem Rapier zu. Selbstredend nur zum Schein, um den Einsatz der bisher unbekannten Waffe zu zeigen.

Sein Knappe hielt verblüfft inne, als die Spitze des Rapiers auf seinen Hals zielte.

Natürlich stand bereits wieder eine Handvoll Zuschauer um sie herum, darunter der Landgraf.

Dieser erkannte sogleich den Vorteil eines Rapiers und wollte sofort auch eines.

»Schmied, ich besitze noch ein zum Abschleifen geeignetes Schwert! Meine Knappe bringt es Dir nachher!«

Er war nicht der Einzige welcher.

Zeit einzugreifen, fand er.

»Herr Graf, bitte geduldigen Sie sich noch ein wenig. Mirko muss zuerst mein Schwert fertig schmieden. Dieses Rapier schliff ich mir selbst ab. Nachher zeige ich einem der Gesellen, wie es gemacht wird. Danach kann der weitere anfertigen.«

»Einverstanden, Sir Cederik! Mein Sohn kann es mir später bringen!« Dabei zeigte er auf Georig. »Er ist hier am Hofe des Herzogs in der Ausbildung zum Ritter. Ich sende Ihnen zwei Schwerter, dann bekommt er auch gleich ein Rapier.«

Georig lächelte: »Danke, Vater!«

Und tiefernst an Sir Cederik gerichtet:

»Zudem noch vielen Dank, dass Sie Dorothea nicht töteten! Niemand von uns ahnte etwas von ihrem Doppelleben als ›Schwarzer Ritter‹. Früher oder später hätte sie einen Kampf und ich eine Schwester verloren!«

Grinsend fuhr er fort:

»Seitdem Sie ihr einen Nasenstüber versetzten, ist sie übrigens wesentlich zahmer geworden!«

*

Eines musste man Mirco lassen.

Das Schwert sah hervorragend aus!

Eine Hohlkehle auf beiden Seiten, wunderbar geschliffen und in Öl gehärtet.

Der Schmied hatte noch mehrere Griffe mit Parierstangen vorrätig.

Den Erl in einen Griff gesteckt und es ging los.

»Georig, bitte versuche, die Klinge zu biegen! Sie darf nicht brechen und wenn sie losgelassen wird, darf sie auch keine bleibende Verformung aufweisen!«

Der Knappe strengte sich an. Dennoch gelang es ihm nicht, das Schwert zu zerbrechen. Kräftige Männer boten sich an, doch nicht einer vermochte die Klinge zu beschädigen. Stets federte sie zurück.

Sie versuchten es anschließend mit mehreren normalen Schwertern. Eines brach und der Rest blieb leicht verbogen. Dies bedeutete nachschmieden!

Mirko seufzte. Klar war, dass er die von den Gesellen gefalteten Rohschwerter umgehend zu Schwertern verarbeiten musste. Die Edelleute und Ritter würden Schlange stehen.

Da er rechtzeitig mit dem Herzog ausgemacht hatte, dass Mirko die Waffen nur gegen Geld abgab, dürfte sich die Begehrlichkeiten in Grenzen halten. Trotzdem ...

Auch das Umschleifen in ein Rapier gestaltete sich für die meisten Kunden nicht mehr kostenlos.

Zufrieden verließ er die Schmiede. Sein Schwert und sein Rapier nahm er zum Bedauern einiger an sich. Er wollte nicht mehr ›nackt‹ herumlaufen. Vorher zeigte er noch einem der Gesellen, wie ein Rapier geschliffen wird.

Ab sofort hatte er sicherlich längere Zeit seine Ruhe. Fein!

Und jetzt erst einmal eine Kleinigkeit essen!

*

Gemütlich schlenderte er durch Alven.

In der Schmiede herrschte Hochbetrieb. Mirko konnte sich nicht mehr retten vor Aufträgen und wirkte ganz verzweifelt.

Da er hier nur im Weg stand, verzog er sich in Richtung Stadt zu einem Bummel.

Der Weg bis zum Marktplatz betrug höchstens vierhundert Längen. Ein einladend aussehender Gasthof mit Tischen und Bänken vor dem Haus, zog ihn magisch an.

Zufrieden aufseufzend ließ er sich nieder.

»Guten Tag! Was darf es sein?«

Eine Frau, altersmäßig Mitte Vierzig, sprach ihn freundlich an.

»Bitte einen Krug mit einem kühlen Bier! Danke!«

Eine Minute später stand das Getränk vor ihm. Durstig nahm einen langen Zug. Wirklich, ein süffiges Gebräu.

Für heute Nachmittag war Unterricht angesagt. Thema: waffenlose Selbstverteidigung. Einmal die rein sportliche Version, zum andern ein paar für den Angreifer durchaus schmerzhafte Aktionen.

Nanu, gegenüber, befand sich da nicht ebenfalls eine Schmiedewerkstatt?

Bedächtig trank er seinen Krug leer, bezahlte und erhob sich. Quer über den Platz lief er direkt zur Schmiede. Sich dabei gründlich umsehend, trat er ein. In der Esse brannte nur ein winziges Feuer.

»Guten Tag Schmied. Wie es scheint, habt Ihr nicht allzu viele Arbeit?«

Zögernd gab dieser zu:

»Für mich gibt es zur Zeit kaum noch eine Beschäftigung. Ab und zu wird ein Schwert gekauft, ansonsten nur kleine Teile wie Lanzenspitzen und Hufeisen.«

Betrübt sah der Mann vor sich hin.

Wenn er die zum Verkauf ausgestellten Waffen betrachtete, standen diese, was die Ausführung anbetraf, denen von Mirko in nichts nach.

»Komme bitte mit mir! Wie heißt Du?«

»Laurentz!«

»Mich nennt man Sir Cederik. Schließe deinen Laden und folge mir!«

Gemeinsam schritten sie nebeneinander zur Schlossburg. Im Vorhof angekommen ging er geradewegs zur dortigen Schmiede.

»Laurentz,« er deute auf die Bank, »setz Dich bitteschön!«

Dieser ließ sich zögernd nieder. Sieh an, Georig war auch da. Schöner Zufall, denn genau den brauchte er.

»Hole bitte Mirko und nimm bei uns Platz. Für das Gespräch nachher hätte ich gerne einen neutralen Zeugen!«

Mirko kam herbei und schaute beim Anblick von Laurentz verdutzt drein, setzte sich aber brav.

»Mirko! Deine Gehilfen stellen täglich mehrere Rohschwerter her, weitaus mehr, als Du fertig schmieden kannst! Und es werden viele weitere Schwerter benötigt. Um die Nachfrage auch nur einigermaßen befriedigen zu können, schlage ich Folgendes vor: Laurentz lernt heute, wie man die Rohlinge zu Rohschwertern faltet. Ab Morgen teilt ihr diese gleichmäßig unter euch auf und schmiedet sie zu Schwertern, einschließlich Polieren. Vorher zeigt