Diana Richardson
Slow Sex
Zeit finden für die Liebe
Aus dem Amerikanischen übersetzt
von Karin Weingart
Integral
Diana Richardson
Slow Sex
Zeit finden für die Liebe
Aus dem Amerikanischen übersetzt
von Karin Weingart
Integral
Der Revolution gewidmet,
die unsere Evolution einläutet.
Dank
Mein allerherzlichster Dank gilt Marc David, dessen Buch The Slow Down Diet wie durch eine göttliche Fügung in mein Leben kam und mich mehr inspiriert hat, als ich es je für möglich gehalten hätte. Dafür, dass er es mir erlaubt, seine Formulierungen zu verwenden und an verschiedenen Stellen immer wieder aus seinem Buch zu zitieren, fühle ich mich ihm sehr verbunden.
Mein aufrichtiger Dank gilt Ela Buchwald für ihren unermüdlichen Einsatz beim Durcharbeiten der deutschen Übersetzung, sodass meine Art des Sprechens und mein Ausdruck darin widerhallen. Ihre langjährige persönliche Erfahrung mit meiner Arbeit, ihre Assistenz in meinen Retreats, qualifiziert sie ganz besonders dafür.
Ich danke ihr von Herzen für ihre tiefe Verbundenheit und ihr außergewöhnliches Engagement.
Einleitung
Eine Kur gegen die Beschleunigungskrankheit
Da mir dieses Thema sehr am Herzen liegt, war ich hocherfreut, als mir mein Verleger vorschlug, in Anlehnung an die Slow-Food-Bewegung ein Buch mit dem Titel Slow Sex zu schreiben. Mein Partner Michael und ich bieten seit 1993 einwöchige Making-Love-Retreats an. In diesen Seminaren versuchen wir, Paaren einen neuen Zugang zum Sex zu vermitteln. Statt allzu aktiv zu sein, geht es darum, nicht so sehr auf den Orgasmus abzuzielen, sondern das Tempo zu drosseln und jeden Moment bewusst zu genießen, damit die subtileren Nuancen der Vereinigung nicht verloren gehen.
Kurz gesagt: Wir bringen den Paaren bei, wie sie eine entschleunigte Sexpraxis kultivieren können. Wir haben keinen Zweifel daran, dass Paare, die sich beim Sex mehr Zeit lassen und dabei jeden Augenblick bewusst genießen, mehr Sinnlichkeit, Sensitivität und Befriedigung erleben. Zudem fühlen sie sich danach in ihrer Zweisamkeit von der Liebe genährt und als Individuum gestärkt.
Eine Freundin von mir hat mich vor nicht allzu langer Zeit auf Marc Davids Buch The Slow Down Diet: Eating for Pleasure, Energy, and Weight Loss aufmerksam gemacht. Und tatsächlich, es stellte sich als ganz außergewöhnliche Informations-, Erkenntnis- und Inspirationsquelle heraus, und zwar nicht nur, wenn es ums Essen geht, sondern auch zum Thema Sex. Der diplomierte Psychologe Marc David ist von Beruf Ernährungsberater. Seine persönliche Yogapraxis machte ihn mit acht transsubstanziellen, das heißt »über die Materie hinausgehenden« universellen Stoffwechselverstärkern vertraut. Zwei davon sind Entspannung und Bewusstheit. Unmittelbar auf das Essen bezogen sind diese beiden Faktoren für Verdauung, Ernährung und die Balance eines angemessenen Körpergewichts entscheidend. Mit anderen Worten: Wenn wir unser Tempo so weit herunterfahren, dass wir uns bewusst sind, welche Lebensmittel wir zu uns nehmen – sie schmecken, genießen und uns auch die Zeit nehmen, uns am Esstisch zu entspannen –, dann nähren sie uns. Etwas ganz anderes passiert, wenn wir unbedacht etwas hinunterschlingen oder nebenher schnell etwas essen.
Als ich das las, war ich begeistert. Mir wurde klar, dass sich die Stoffwechselverstärker, die David für den Erhalt der Gesundheit, für Ernährung und optimales Körpergewicht empfiehlt, denen ganz ähnlich sind, die ich Paaren empfehle, die sich befriedigendere sexuelle Erfahrungen und eine liebevollere Beziehung wünschen. Die universellen Stoffwechselkräfte und ihre enormen Auswirkungen auf die menschliche Sexualität entsprechen exakt meinen persönlichen Erfahrungen. Genau wie uns unsere Lebensmittel besser ernähren, wenn wir langsamer essen, ermöglicht es Slow Sex, unsere sexuellen Beziehungen, unsere Herzen und Seelen zu nähren.
Der erste Schritt besteht darin, die Einstellung zum Sex zu verändern. Denn eine andere Perspektive eröffnet dem Körper ganz neue Erfahrungen und gibt ihm Raum, sich auszudrücken. Normalerweise zwingen wir dem Körper unsere Vorstellungen auf. Wir wollen, dass er mitzieht und unseren Erwartungen und Wünschen in puncto Sex entspricht. Durch diesen Druck wird daraus ein hastiger, zielorientierter Akt, während sich der Körper eigentlich nach einem langsamen, ruhigen, lang ausgedehnten sexuellen Austausch sehnt. Statt viel zu machen, möchte der Körper einfach sein. Das setzt aber eine genaue Beobachtung des gegenwärtigen Augenblicks voraus. Beim Slow Sex tritt man einen Schritt zurück und beobachtet sich selbst, statt alles darauf auszurichten, einen Höhepunkt zu erreichen. Das heißt, man wird nicht so heiß, sondern bleibt eher im kühlen Bereich, denn Langsamkeit nimmt dem Sex die Hitze. Das ist gut, denn die zarten Wurzeln des Glücks und der Ekstase mögen lieber ein kühles Klima als ein heißes.
Deshalb ist auch keine sexuelle Erregung erforderlich, du brauchst nicht »heiß« zu werden. Stattdessen entdeckst du, wie es ist, sich in den Körper zurückfallen zu lassen, bewusster und entspannter zu werden, ohne irgendwas erreichen zu wollen. Um sich auf Slow Sex einzulassen, braucht man nicht viel Energie, und genau das ist sein großer Vorteil – Slow Sex funktioniert besonders gut in langjährigen Partnerschaften. Man kann auf Dauer nicht stets »heiß« aufeinander sein, deshalb ist es ganz natürlich, dass sich der Sex im Laufe der Zeit etwas abkühlt. Es gehören Reife, ein Zur-Ruhe-Kommen und Sich-auf-seine-Ressourcen-besinnen dazu. Diese Qualitäten finden wir in uns, nicht im Außen. Es liegt in der Natur der Hitze, dass sie sich abkühlt. Das Kühle dagegen ist nachhaltig und hat eine langwährende Qualität. Das macht Slow Sex zu einer Sexpraxis, die mit der Zeit wachsen, sich vertiefen und weiterentwickeln kann. Liebe und Harmonie werden erzeugt, und es entsteht eine Balance und persönliche Ausgeglichenheit zwischen den Liebenden.
In diesem Buch präsentiere ich den Slow Sex als eine Praxis für Paare von heute. Ihre Wurzeln stammen aus den alten spirituellen Traditionen Asiens – zum Beispiel dem indischen Tantra und dem Taoismus aus China –, die sich wiederum in zahlreichen westlichen sexuellen Bewegungen unserer Zeit niederschlagen. In einigen Schulen des Tantra werden bestimmte sexuelle Praktiken eingesetzt, um eine Erweiterung des Bewusstseins zu erreichen oder als Zugang zur Dimension des Göttlichen. Und im Taoismus werden Praktiken der inneren Alchemie mit dem Ziel kultiviert, den Körper zu stärken und die Gesundheit zu fördern.
»Der sexuelle Mystizismus hat sehr lange, reiche Traditionen, die viel älter sind als die Ursprünge des Christentums im Westen«, schreibt Arthur Versluis in seinem Buch The Secret History of Western Sexual Mysticism, »und allen Bemühungen der ›Orthodoxen‹ zum Trotz, ihn ein für alle Mal auszurotten, taucht der erotische Mystizismus immer wieder auf wie ein Phönix aus der Asche.« Versluis ist überzeugt, dass der sexuelle Mystizismus gerade heutzutage besonders attraktiv ist, weil er dem tiefen menschlichen Bedürfnis nach Verbundenheit entspricht – Verbundenheit mit einem Partner, aber auch mit der Natur und dem Göttlichen. In unserer modernen westlichen Kultur, in der Getrenntsein und Isolation vorherrschen, lässt die Erfüllung dieses Bedürfnisses zu wünschen übrig. Ich kann mit Sicherheit sagen, dass Slow Sex eine Praxis des sexuellen Mystizismus darstellt, die diese Isolation aufhebt und unsere Beziehungen auf sanfte Weise heilt und erneuert. Dem Sex wohnt ein höheres Potenzial inne – er vermag uns über die Dualität hinaus- und in eine spirituelle Einheit hineinzuführen, die uns uns selbst, der Natur und Gott näherbringt.
Zu den frühesten Befürwortern der zeitgenössischen spirituellen Sexualität gehörte Alice Bunker Stockham, eine der ersten Absolventinnen eines Medizinstudiums in den Vereinigten Staaten. 1903 veröffentlichte sie ihr Buch Karezza, Ethics of Marriage. Darin schreibt sie, dass den Fähigkeiten und Funktionen der Fortpflanzung eine viel tiefere Bedeutung und auch ein viel tieferer Sinn innewohne, als man gemeinhin annehme, und spricht auch von der körperlichen Vereinigung als freudvolle Kommunion zweier Seelen, die inneres Wachstum und Entwicklung fördere. Nun mag die spirituelle Komponente des Sex für viele von uns etwas ganz Neues sein, aber wir sehen doch, dass er im Laufe der Zeiten auf ganz unterschiedliche Weise und in unterschiedlichen Kulturen immer wieder mit höheren Zielen verbunden wurde – und zwar von alters her und bis auf den heutigen Tag.
Slow Sex führt zu einer Art spiritueller Ehe, die das intensive menschliche Bedürfnis nach Verbundenheit erfüllt und bei Paaren eine positive, verjüngende Energie erzeugt, die dann auch auf die Gesellschaft ausstrahlt. Slow Sex steht für einen wirklich praktikablen Weg zu einer liebevollen, zukunftsfähigen Menschheit, den wir als Mann und Frau zusammen gehen können. Ein kraftvoller Pfad, Frieden zu schaffen – für uns selbst und für die Welt.
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Slow Sex – eine körperliche und spirituelle Revolution
Slow Sex ist ein ebenso einfaches wie effektives Mittel gegen das ständig zunehmende Tempo unseres modernen Lebens, denn er bietet Paaren einen Ruhepol inmitten einer sich unablässig drehenden Welt. In den Seminaren, die mein Partner und ich anbieten, beobachten wir immer wieder, wie wohltuend sich schon eine einzige Woche mit entspannendem Slow Sex auf die Beziehung auswirken kann. Wir sind zwar überzeugt von der Kraft der Langsamkeit, manchmal jedoch fühlt es sich auch für uns so an, als würde die Welt sich in einem immer schnelleren Tempo um uns drehen.
Deshalb hat mich die Lektüre von Marc Davids The Slow Down Diet auch so fasziniert. David beschäftigt sich in seinem Buch mit der Langsamkeit in Bezug auf die Ernährung, mein Anliegen ist es, Langsamkeit in den Sex zu bringen. In Wirklichkeit aber sprechen wir beide von ein und demselben – nämlich von der Fähigkeit, ganz präsent und sich des gegenwärtigen Augenblicks voll bewusst zu sein. Wir können das Leben tatsächlich auf einer inneren, zellulären Ebene erfahren, anstatt hindurchzurasen, dass alles nur so verschwimmt.
Dafür, dass uns unser Essen tatsächlich ernähren kann, sagt David, spielen die unsichtbaren, »atmosphärischen« Faktoren – also die Art und Weise, wie wir essen – im Grunde eine größere Rolle als die eigentlichen biochemischen Substanzen, die wir zu uns nehmen. Zwei der acht universellen Stoffwechselverstärker, von denen er spricht, habe ich bereits erwähnt – Entspannung und Bewusstheit. Die anderen sechs sind Qualität, Rhythmus, Genießen, die Gedanken, der heilige Raum und die Geschichte.
Im Wesentlichen vermittele ich auf meine Art etwas ganz Ähnliches: die Notwendigkeit, diese bedeutenden metabolischen Verstärker in den Liebesakt einzubeziehen. Dann wird der rein körperliche Austausch ganz natürlich zu etwas Spirituellem und Erfüllendem. Ich habe immer wieder beobachtet, dass die Erfüllung, die der Slow Sex mit sich bringt, wie ein Lebensmittel wirkt, das das Immunsystem stärkt. Dies wiederum hat einen verjüngenden Effekt, der sich positiv auf Vitalität, Kreativität und auf die Liebe auswirkt. Gleichzeitig verliert auch das Essen an Bedeutung, wenn wir Slow Sex praktizieren, weil wir auf ganz andere Art genährt werden und Erfüllung finden. Auf ganz natürliche Weise verlieren wir dadurch Gewicht und bringen unseren Organismus in Balance. Nicht durch Kalorien verbrennenden heißen Sex, sondern durch ausgedehnten, zutiefst befriedigenden, gefühlvollen Sex.
So schlage ich den Paaren zum Beispiel vor, sich beim Sex zu entspannen und jeden Moment ganz bewusst zu erleben. Schon diese beiden einfachen »Schlüssel der Liebe«, wie ich die universellen metabolischen Verstärker auch nenne, können aus einer möglicherweise kurzen und monotonen sexuellen Begegnung ein spannendes, ausgedehntes und inspirierendes Erlebnis machen. Wenn sich ein Paar auf die universellen metabolischen Verstärker einlässt, erschafft es dadurch eine außergewöhnliche Atmosphäre, die das Feld der Liebe, von dem es umgeben ist, verstärkt und erweitert. So bleiben Vitalität und ein inneres Strahlen nach einer solchen sexuellen Begegnung noch lange erhalten.
Eine ähnliche Dimension kann sich auch schon eröffnen, wenn nur einer der Partner auf die metabolischen Verstärker zurückgreift. Sensible Menschen erfahren in der Gegenwart einer authentisch spirituellen Persönlichkeit oft eine Art Übertragungsphänomen, das ihnen das Gefühl gibt, offener, lebendiger, größer und präsenter zu werden. Wenn einer der Partner nun im Sex das Tempo drosselt, wird sich der andere natürlicherweise in das ausgedehntere Energiefeld hineinziehen lassen, sich auf die universellen metabolischen Verstärker einlassen und sich mit ihnen verbinden. Je langsamer wir werden, desto mehr können wir entspannen und das Bewusstsein im gegenwärtigen Augenblick halten. Wenn wir uns immer mehr in der Langsamkeit üben, wird das alle anderen Bereiche unseres Lebens positiv beeinflussen.
Die übliche Definition des Stoffwechsels geht davon aus, dass es sich dabei um eine rein physische Funktion handele, um die »Summe aller chemischen Reaktionen, die im Körper ablaufen«. Marc David fasst diesen Begriff viel weiter. Für ihn ist der Stoffwechsel die »Summe aller chemischen Reaktionen im Körper plus die Summe all unserer Gedanken, Gefühle, Überzeugungen und Erfahrungen« (The Slow Down Diet, Seite 8).
David ist der Meinung, wir würden die metabolischen Verstärker, die es schon lange gebe, völlig vernachlässigen, weil:
Erstens sind wir viel zu schnell geworden, um sie zu bemerken, denn ihre chemische Wirkung wird nur aktiviert, wenn die erforderliche Langsamkeit erreicht ist. Zweitens stellen wir uns unter Stoffwechselverstärkern meistens so etwas wie ein Lebensmittel vor, eine Pille oder ein Nahrungsergänzungsmittel. Die acht universellen Anreger sind jedoch ganz anderer Natur. (The Slow Down Diet, Seite 9)
Marc David bezieht diese universellen Stoffwechselverstärker auf Menschen, die in Ernährungs- oder Gewichtsfragen professionellen Rat suchen. Er hat ihre Reaktionen auf seine ungewöhnlichen Vorschläge ausgewertet und dabei auch beobachtet, dass sich diese auf ihr gesamtes Leben auswirken. David schreibt:
Das Ergebnis ist: Je weniger die Leute tun, desto mehr erreichen sie. Die Personen, von denen ich spreche, hörten auf, gegen das Essen anzukämpfen, und fingen stattdessen an, es zu lieben. … Sie ließen sich nicht mehr schikanieren, weder von der Nahrungszufuhr noch von ihrem Körper oder irgendwelchen Vorstellungen anderer Menschen. Stattdessen übernahmen sie die Verantwortung für sich selbst und für kleine, aber tiefgreifende Veränderungen, die enorme Auswirkungen auf ihren Stoffwechsel hatten. Sie drosselten ihr Tempo und begannen, dem Leben zu vertrauen. (The Slow Down Diet, Seite 10)
Über die Menschen, die unsere Slow-Sex-Seminare besuchen, könnte ich genau dasselbe sagen. Wenn Paare lernen, sich beim Sex zu entspannen und im Augenblick zu sein, wird ihr ganzes Erleben dabei zu Nahrung für Körper, Herz und Seele. Ihr ganzer Stoffwechsel wird grundlegend beeinflusst und auch erhöht. Weil die acht universellen Stoffwechselverstärker, die David ausgemacht hat, für die Sexualität genauso gelten wie für unser Essverhalten, habe ich mich entschieden, dieses Buch genauso aufzubauen wie David The Slow Down Diet.
Jedes Kapitel hat einen der acht universellen Stoffwechselverstärker zum Thema und bietet sowohl wichtige Informationen als auch entscheidende praktische Orientierungshilfen. Dass sich dabei einige der Informationen wiederholen, war unvermeidbar, da sich das große Thema Sexualität aus vielen verschiedenen Facetten zusammensetzt.
Im zweiten Kapitel geht es um Entspannung und ums Sein statt ums Tun beim Sex – weg von der Zielorientiertheit, die nur auf den Höhepunkt des Orgasmus aus ist, hin zu einem Liebesspiel, das den Dingen ihren Lauf lässt.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Bewusstheit, die es uns ermöglicht, unser höheres sexuelles Potenzial zum Ausdruck zu bringen. Mit ihrer Hilfe können wir den Körper innerlich zum Leben erwecken und uns auf die uns innewohnende sexuelle Vitalität einschwingen.
Das vierte Kapitel thematisiert die sexuelle Intelligenz des menschlichen Körpers. Unsere Genitalien verfügen über ihre ganz eigene Weisheit. Sie wissen am besten, wie sie sich vereinigen, wenn wir ihnen nur Raum und Gelegenheit geben, in ihrer eigenen Sprache miteinander zu kommunizieren.
Im fünften Kapitel geht es schwerpunktmäßig um die unterschiedlichen Rhythmen von Mann und Frau. Ich sehe in diesen polaritätsbedingten Unterschieden sich ergänzende Kräfte, die wir willkommen heißen, um den Sex auf eine höhere Ebene zu bringen.
Das sechste Kapitel konzentriert sich auf die Notwendigkeit, von der »Sensation« zur Empfindsamkeit zu kommen. Langsamkeit erhöht sowohl die Sensitivität als auch das Vertrauen in den Körper; darüber hinaus aktiviert sie die metabolische Kraft des Genießens.
Im siebten Kapitel befasse ich mich mit dem Denken und der Fantasie, die beide als Ablenkung wirken können. Das Denkvermögen kann jedoch auch positiv genutzt werden und so den sexuellen Stoffwechsel anregen.
Im achten Kapitel geht es um Empfindsamkeit und »Coolness« – Kühle – als Brücken zu den göttlichen ekstatischen Erfahrungen. Hier erläutere ich auch die heilenden und reinigenden Fähigkeiten unserer Genitalien.
Das neunte Kapitel konzentriert sich auf die uns angeborenen menschlichen Aspekte des Sex und auf die persönliche Geschichte der Individuen. Außerdem zeige ich darin, dass Slow Sex einen wichtigen Schritt in der menschlichen Evolution darstellt.
Jedes dieser Elemente stellt einen – oft überraschend einfachen und natürlichen – Schlüssel zur Transformation deines sexuellen Lebens dar. Wenn du eines der Kapitel liest, eine Einsicht daraus ziehst oder neugierig auf etwas wirst, kannst du es natürlich sofort mit deinem Partner in die Praxis umsetzen. Denk immer daran: Es geht nicht um das, was du tust, sondern darum, wie du es tust. In diesem Sinne ist es also kinderleicht, ohne größere Anstrengungen kleine, subtile Veränderungen vorzunehmen. Natürlich ist es nicht möglich, alle Aspekte auf einmal mit einzubeziehen und zu denken, man könne gleich beim ersten Anlauf alles »richtig« umsetzen. Manchmal ist es sehr einfach, diesen neuen Weg der Sexualität zu gehen, so als wäre es eine zweite Natur. Das ist aber eher die Ausnahme als die Regel.
In einer sensitiveren Gesellschaft wäre es genau umgekehrt, da wäre Slow Sex nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Wir aber haben grundsätzlich falsche Vorstellungen vom Sex, die uns von einer unschuldigen spirituellen sexuellen Erfahrung abhalten. Seit Generationen wird der Sex auf eine bestimmte Art praktiziert und propagiert. Deshalb ist es wichtig, um unsere kollektive Konditionierung zu wissen und sowohl uns selbst als auch dem Partner mit Geduld und Mitgefühl zu begegnen. Rechne aber nicht mit sofortigen Ergebnissen! Es geht mehr um ein Sichentfalten auf der Basis von Erforschen und Entdecken. So wirst du zum Pionier deiner eigenen inneren Welt. Fang einfach da an, wo du heute stehst – Missverständnisse mit eingeschlossen. Du öffnest dich einem Prozess, in dem du gewissermaßen alles verlernst, was wir ererbt haben, und dich auf den Weg der Wiederentdeckung des Echten und Wahren begibst. Jedes Mal, wenn du mit deinem Partner zusammenbist, machst du weitere kleine Erkundungsschritte, experimentierst und setzt das, was ihr bei eurer letzten Begegnung entdeckt (oder gelernt) habt, weiter um. So entfaltet sich ganz allmählich eine neue gemeinsame sexuelle Sprache.
Am Ende einiger Kapitel finden sich Übungen, die die Sensitivität und das Bewusstsein stärken. Sie stellen eine Möglichkeit dar, sich auf die zelluläre Wahrnehmung des Körpers einzustellen, sie zu stärken und zu fördern. Im letzten Kapitel habe ich alle vorherigen Informationen noch einmal zusammengefasst und um weitere Vorschläge ergänzt, mit denen du deine persönliche Slow-Sex-Praxis beginnen kannst.
Dieses Buch ist kein technischer Ratgeber, der dir sagt, was du tun sollst, vielmehr geht es eher darum herauszufinden, wie du es tust. Trotzdem findest du in den folgenden Kapiteln viele Informationen darüber, wie du vorgehen und die für ein wirklich erhebendes Erlebnis nötige Atmosphäre gestalten kannst. Vielleicht fällt dir auf, dass sich dein Verständnis vom Sex bereits beim Lesen beinahe unmerklich verändert. Und genauso muss es sein, finde ich. Das, worauf es am meisten ankommt, ist ein Wandel im Bewusstsein. Wir brauchen eine neue Vision vom Sex, die unsere Vorstellungen verändert beziehungsweise revolutioniert. Wenn unser Kopf etwas versteht, ist der Körper nur allzu gern bereit, sich dem anzuschließen.
Sobald ich anfange, im Detail über Sex zu sprechen, entschuldige ich mich meistens erst einmal, denn ich neige zu Verallgemeinerungen, die uns alle mehr oder weniger über einen Kamm scheren – als säßen wir, sexuell betrachtet, alle in einem Boot. Jeder von uns hat seine eigenen Erfahrungen und seine ganz persönliche sexuelle Geschichte. Daher ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass nicht alles, was ich schreibe, auf jede(n) zutrifft. Wenn etwas für dich nicht stimmig klingt, heißt das jedoch nur, dass es für dich persönlich auch nicht stimmig ist – nicht aber, dass es falsch wäre. Denn allgemein gesprochen ist alles, was hier über den Sex gesagt wird, wahr. Deshalb möchte ich dich einladen, Dinge, die sich für dich persönlich nicht richtig anfühlen, einfach wegzulassen. Bleibe gleichzeitig offen für das, wovon du dachtest, es wäre nichts für dich, und sei interessiert an dem, was für andere Menschen zutrifft.
Ob es uns gefällt oder nicht, unsere Sexualität wirkt sich auf unser ganzes Sein aus. Von dem Moment an, in dem wir in einer menschlichen Gestalt auf die Erde kommen, spürt jeder von uns den Einfluss, den der Sex auf ihn hat, auch wenn wir womöglich im Erwachsenenalter nur noch wenige oder gar keine sexuellen Kontakte mit anderen haben. Die konventionelle, allgemein anerkannte Geschwindigkeit, mit der wir Sex haben, begrenzt und reduziert die Erfahrungen, die wir in unseren wunderbaren und schönen Körpern machen können. Slow Sex dagegen versetzt uns körperlich und vom Bewusstsein her in die Lage, Liebe und Glück zu erzeugen, und nährt uns auf tiefsten Ebenen. Unser ganzes Leben kann sich dadurch verändern.