Saga
Julia – Ferienjob mit Islandpferden
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Published by Arrangement with Christiane Gohl.
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Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1997, 2021 Christiane Gohl und SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788728013014
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
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Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.
»Ich werde Reitlehrerin!« Julia nahm sich kaum die Zeit, ihr Fahrrad am Auslaufzaun abzustellen, so sehr brannte sie darauf, Kathi und Stephanie ihren Entschluss zu verkünden. Nach der schnellen Fahrt sah sie ziemlich wild aus: Das braune Haar hing ihr zottelig ins Gesicht und ihre Augen zeigten Tränenspuren. »Ob’s meiner Mutter passt oder nicht!«, fügte sie trotzig hinzu.
Kathi und Stephanie nahmen die Neuigkeit gelassen auf. Stephanie war gerade dabei, den Auslauf noch einmal zu misten, bevor sie die Pferde für die Nacht von der Weide holte. Kathi nahm den Sattel vom Rücken ihrer Warmblutstute Pretty Girl. Sowohl das Pferd als auch das Mädchen waren erhitzt vom Unterricht in der Reitschule. Die zwanzig Minuten Schritt bis zu Stephanies Offenstall hatten Pretty zwar etwas abgekühlt, aber ihr fuchsfarbenes Fell war immer noch schweißverklebt. Kathi würde ihr gleich eine Dusche mit dem Gartenschlauch gönnen. Julia sah ihre Freundinnen erwartungsvoll an. Eigentlich hatte sie mit begeisterten Reaktionen gerechnet.
»Wie kommst du denn auf die Idee?«, fragte Stephanie jetzt immerhin über die Schubkarre hinweg. »Wolltest du gestern nicht noch Journalistin werden?«
»Das war vor der Fünf in der Englischarbeit«, bemerkte Kathi scharfsinnig. »Du hast ganz schön Ärger gekriegt, was, Julia?«
Diese nickte. »Aber damit hat das gar nichts zu tun!«
»Wie kommst du denn an eine Fünf in Englisch?«, fragte Stephanie verwundert. »Du bist doch sonst so gut in dem Fach! Und deine Mutter . . .«
»Ja, meine Mami ist Übersetzerin, und deshalb sollten mir Sprachen ebenfalls leicht fallen. Hab ich mir gerade schon bis zum Erbrechen angehört! Aber meine Begabungen liegen halt woanders. Hallo, Coffee, mein Süßer!« Julia hatte sich an den Zaun gelehnt und war prompt von ihrem Connemara-Jährling Coffee entdeckt worden. Sofort war das kaffeebraune Fohlen auf seine Besitzerin zugetrabt. Julia begann es zu kraulen und war augenblicklich etwas besänftigt.
»Und wegen der verbauten Englischarbeit willst du jetzt die Schule verlassen und dich in eine Lehre als Pferdewirtin stürzen? Findest du das nicht etwas übertrieben?«, hakte Stephanie noch einmal nach.
»Das ist doch nicht wegen der Englischarbeit. Das habe ich mir schon lange überlegt. Ich weiß auch gar nicht, was daran so schlimm ist. Ich kenne viele, die Pferdewirt werden wollen!«
»Also ich studiere Informatik«, verkündete Kathi im Brustton der Überzeugung. Das rothaarige Mädchen war seit Jahren fasziniert von Computern.
»Aber Britta fängt gerade eine Lehre auf der Circle-Crown-Ranch an und Manuel wohnt bei Heisingers von der Escuela Andaluza . . .«
Britta war ein Mädchen, das Julia bei der Westernreiterin Annika kennengelernt hatte, und Manuel gehörte eigentlich zu einem Wanderzirkus. Vor kurzem hatten ihn die Besitzer eines Andalusiergestütes in einer Vorstellung reiten sehen und waren so begeistert, dass sie ihn kennen lernen wollten. Daraufhin hatten sie seiner Mutter angeboten, ihn während des Schuljahres bei sich wohnen zu lassen. So kam Manuel in den Genuss einer geregelten Schulausbildung und würde später auf dem Gestüt arbeiten können.
»Britta wollte schon immer Pferdewirtin werden. Außerdem hat sie bereits ihren Realschulabschluss. Und bei Manuel geht es wohl mehr um die Schule als ums Reiten. Der ist doch erst dreizehn oder so. Du übrigens auch, Julia. Insofern kannst du dir die Sache mit der Lehre noch in Ruhe durch den Kopf gehen lassen«, meinte Stephanie.
»Nächsten Monat werde ich vierzehn! Und ich bin fest entschlossen! Außerdem will Petra auch Pferdewirtin werden.«
»Nur weil sie in Michael verliebt ist«, erwiderte Kathi. Michael hatte im Verein als Reitlehrer ausgeholfen, während Herr Holthoff verreist war. Er ritt einen edlen Lipizzanerhengst und war der Schwarm all seiner Schülerinnen.
»Ich meine es jedenfalls ernst!«, erklärte Julia und steckte die letzten wirren Haarsträhnen energisch unter das Gummiband, das ihren Pferdeschwanz zusammenhielt. »Ihr werdet ja sehen! Ich weiß auch gar nicht, was ihr dagegen einzuwenden habt. Stephanie, du hast doch selbst gesagt, dass ich begabt bin!«
»Ja, und wenn ich gewusst hätte, was für Flöhe sie dir ins Ohr setzt, hätte ich dir nie erlaubt bei ihr zu reiten!« Frau Wiegand, Julias Mutter, hatte sich Stephanie und den Mädchen unbemerkt genähert. Ihr Auto musste sie vor dem Haus von Stephanies Tante abgestellt haben und nun kam sie zu Fuß über den Plattenweg, der durch den Garten zum Stall und zu Stephanies Häuschen führte. Frau Wiegand sah genauso aufgewühlt aus wie ihre Tochter. »Reitlehrerin werden! Lehre als Pferdewirtin statt Abitur! Wenn ich das geahnt hätte . . .«
»Na und? Ich hab eben genug von der Schule! Ich will etwas Nützliches tun!« Julia stieß sich so heftig vom Zaun ab, dass Coffee erschrocken wegsprang.
»Prima!«, sagte Stephanie. »Dann hör jetzt auf die Pferde scheu zu machen und nimm dir gleich die Mistgabel. Einstreu auflockern, Mist wegfahren, Vorplatz fegen, Pferde reinholen und füttern! Ich unterhalte mich inzwischen mit deiner Mutter.« Stephanie drückte der verdutzten Julia den Mistfix in die Hand und ging mit Frau Wiegand zu ihrem Häuschen. Auf dem Rasenstück davor standen ein Tisch und ein paar Gartenstühle. Stephanie holte etwas zu trinken, während Frau Wiegand sich hinsetzte.
»Das ist ja schon kein Zoff mehr, sondern eine Familientragödie!«, grinste Kathi und griff nach dem Wasserschlauch. Coffee näherte sich fasziniert und bekam auch gleich eine Dusche ab. »Brauchst du auch eine Abkühlung, Julia?«
»Ihr seid doch alle blöd!«, bemerkte Julia. Ohne weiter auf Kathi zu achten wirbelte sie mit Forke und Besen durch den Stall. Manchmal nervte sie die Vernunft ihrer um ein Jahr älteren Freundin. Kathi schien immer genau zu wissen, was sie wollte und was richtig war. Auf jeden Fall tat sie so . . .Julia schüttete Futter in die Krippen. »So, Ponys, ihr könnt kommen!«
Die Pferde ließen sich das nicht zweimal sagen. Gleich nach Coffees milchkaffeefarbenem Köpfchen schob sich auch der dunkle Schopf des Reitponys Danny durch die Stalltür. Danny, ein älterer, dunkelbrauner Wallach, gehörte Stephanie und war – Coffee einmal ausgenommen – Julias Lieblingspferd. Auf ihm hatte sie die Anfänge der Westernreitweise kennen gelernt, ihre ersten Turniere bestritten und die Prüfung zum kleinen Hufeisen abgelegt. Hinter ihm erklang nun schnelles Hufklappern. Violetta, Coffees Mutter, hatte zu spät erkannt, was im Stall los war. Nun beeilte sie sich, damit niemand ihr etwas wegfraß. Violetta war eine hübsche, graufalbe Connemara-Stute. Sie war ein sehr gutes Westernpferd und es machte großen Spaß, sie zu reiten. Julia hoffte, dass ihr Fohlen Coffee einmal genauso gut gehen würde. Zuletzt trat Svaboda in den Stall. Die kleine Stute, ein Jahr alt wie Coffee, war zur Zeit fürchterlich überbaut und schien nur aus überdimensional langen Beinen zu bestehen. Trotzdem war Julia jeden Tag aufs Neue bezaubert von ihrer Schönheit. Ihr zierlicher Kopf mit den riesigen Augen und das goldglänzende Fell machten Svaboda zu einer ganz besonderen Erscheinung. Die kleine Stute war eine Kreuzung zwischen Araber und Achal-Tekkiner. Man hatte sie als Absatzfohlen aus Russland importiert und der Schock des langen Transportes wirkte immer noch in ihr nach. Svaboda war ängstlich und scheu, aber immerhin lief sie jetzt nicht mehr vor jedem Menschen davon. Sie hatte viel Vertrauen zu Stephanie und ging sogar allein mit ihr auf kurze Spaziergänge.
Kathi fütterte ihre Pretty draußen. Die hübsche Hannoveranerstute sollte nach der Reitstunde noch ein bisschen auf die Weide und erhielt dort auch ihr Kraftfutter. Kathi kam zu Julia in den Stall. »Die Brombeerbüsche an der Ecke von Stephanies Haus sind schon ganz schön dicht«, bemerkte sie.
Julia sah sie verständnislos an. »Und?«, fragte sie. »Planst du jetzt biologische Studien?«
»Ich dachte nur, dass man uns nicht sieht, wenn wir über die Weide gehen und von da aus zu den Büschen. Wir könnten gucken, ob sich schon Früchte entwickeln . . . und bei der Gelegenheit zuhören, was Stephanie mit deiner Mutter zu bereden hat!«
»Kathi, du bist genial!« Julia vergaß ihren Zorn. Die Mädchen fuhren den Mist weg und machten sich dann auf den Weg. Tatsächlich boten die Brombeerbüsche perfekte Deckung.
»Dann halten Sie es auch nicht für so eine gute Idee?«, fragte Frau Wiegand gerade. »Sie sagen doch immer, Julia wäre eine ganz begabte Reiterin.«
»Ist sie ja auch«, erwiderte Stephanie. »Aber deshalb muss sie das doch nicht gleich zu ihrem Beruf machen. Als ich in Julias Alter war, hab ich drei Schwimmwettkämpfe gewonnen. Und, bin ich deshalb Bademeister geworden?«
Frau Wiegand lachte. »Sie raten ihr also ab?«
Stephanie zuckte die Achseln. »Das ist so eine Sache mit dem Zu- oder Abraten. Einerseits ist Pferdewirt wirklich ein schwerer Beruf. Die Arbeitszeiten sind ungünstig, die Arbeit ist körperlich extrem anstrengend – schließlich sitzt man ja nicht nur auf dem Pferd, sondern mistet, lädt Heu und Stroh ab . . . Schlecht bezahlt ist der Job außerdem. Und dann die Leute, mit denen man teilweise umgehen muss. Zu jedem Pferd gehört schließlich ein Besitzer, und der hat manchmal unmögliche Wünsche und völlig falsche Vorstellungen. Also mein Traumberuf wäre das nicht! Andererseits kenne ich ein paar Frauen, die damit sehr zufrieden sind. Denken Sie nur an Annika.«
Annika war eine Westernausbilderin, in deren Stall eine Freundin von Frau Wiegand ihre Pferde untergestellt hatte. Sie hatte Julia vor drei Jahren die Reitgelegenheit bei Stephanie vermittelt.
»Aber ich kann Julia doch nicht erlauben, bei nächster Gelegenheit die Schule zu schmeißen und das einfach auszuprobieren!«, meinte Frau Wiegand verzweifelt.
Stephanie überlegte. »Ausprobieren ist vielleicht gar keine schlechte Idee«, sagte sie schließlich. »Wie wär’s mit einem Praktikum? Oder einem Ferienjob? Gleich jetzt in den Sommerferien!«
»Au ja!« Die begeisterte Julia vergaß ihre Deckung. »Ein Ferienjob bei Annika! Du musst sie gleich anrufen, Stephanie!«
Stephanie und Frau Wiegand fuhren zusammen. »Also, wenn du mich fragst, solltest du Spionin werden!«, sagte Stephanie, als die Frauen den Schreck überwunden hatten. »Deine wirklichen Begabungen liegen im Bereich des Nachrichtendienstes. Du kannst auch rauskommen, Kathi, ich sehe dich!«
Kathi und Julia machten es sich auf den Gartenstühlen bequem. »Annika lässt mich bestimmt kommen. Das wird absolut toll!«, freute sich Julia.
Stephanie guckte eher skeptisch. »Toll?«, fragte sie. »Bei Job dachte ich eigentlich an Arbeit.«
»Aber ich will ja arbeiten, ich . . .«
»Die Arbeit bei Annika kenne ich. Bei der ist alles so ideal, dass jeder nach fünf Minuten Pferdewirt werden will: reiner Privatstall, in dem jeder Pferdebesitzer selbst mistet, Reitunterricht nur für Fortgeschrittene mit eigenen Pferden, Berittpferde und Turnierteilnahme. Annika handelt nicht mit Pferden, hat keine Schulpferde, keinen Kinderreitbetrieb, keine Zucht . . . Die lebt wirklich nur vom Reiten. Außerdem ist das Ganze ein Einefraubetrieb. Annika braucht keine Hilfe. Wenn sie dich einstellt, dann macht sie das nur aus Nettigkeit, und es wird ein Reiturlaub mit etwas Mithilfe im Stall.«
»Aber wer gibt denn Mädchen wie Julia überhaupt einen Ferienjob?«, fragte Frau Wiegand. »Ich meine, schwer arbeiten dürfen die doch schon von Gesetz wegen nicht.«
»Wenn Sie mit dem Jugendschutzgesetz wedeln, gibt ihr natürlich keiner einen Job«, meinte Stephanie. »Ein bisschen Einsatz auch über die erlaubte Zeit hinaus erwartet jeder Stall. Aber Schwerstarbeit ist das trotzdem nicht. Viele Kinderreithöfe bieten Ferienjobs an. Die Arbeit besteht dann hauptsächlich aus der Beaufsichtigung der Kleinen, dazu etwas Misten, vielleicht ein paar Reitstunden geben, Betreuung von Ausritten . . . Da zählen die Mädchen keine Stunden. Das machen sie ja gern.«
»Oh ja, und wie!« Für Julia hörte sich das alles paradiesisch an.
»Natürlich nehmen sie die Mädchen in der Regel erst ab sechzehn«, sprach Stephanie weiter. »Aber ich denke, in Julias Fall kann ich ein paar Beziehungen spielen lassen.«
»Bei wem wollen Sie sie denn unterbringen?«, fragte Frau Wiegand.
»Na ja, ich dachte an so einen richtigen Mischbetrieb: Kinderferien, Reitkurse, Islandpferdezucht, Beritt – es ist sogar ein Ausbildungsbetrieb. Tobias ist Pferdewirtschaftsmeister.«
Julia und Kathi sahen sich an. »Gut Mahltrup«, sagte Julia. »Der Islandpferdehof von Tobias Weinlaub.«
»Und er hätte Stephanie wirklich fast geheiratet?« Kathi wollte die Geschichte von Gut Mahltrup und Tobias Weinlaub noch einmal hören. Julia kannte den Islandpferdehof und seinen Besitzer von einem Wanderritt im vergangenen Jahr.
»Wenn ich’s euch doch sage!« Julia sonnte sich im Interesse ihrer Freundin und ihrer Mutter. Kathi hatte die Wiegands im Anschluß an das Gespräch mit Stephanie nach Hause begleitet. »Er war ganz verrückt nach Stephanie und wollte ihr sozusagen den ganzen Hof zu Füßen legen – aber sie wollte ja nicht.«
»Kann ich ihr gut nachfühlen«, meinte Frau Wiegand. »Selbst wenn der Mann tatsächlich wie ein Filmstar aussieht – den Stress mit dem Riesenbetrieb möchte ich nicht haben! Kinderferien, Pferdezucht, Reitkurse . . . Da wäre eine Menge Arbeit an ihr hängen geblieben.«
»Aber jetzt hat er doch eine andere Frau«, sagte Kathi. »Oder nicht? Stephanie erzählte was von einer Silke.«
Julia nickte. »Sicher. Silke war auch mit auf dem Wanderritt. Die anderen Mädchen haben damals schon gesagt, Tobias sollte lieber sie heiraten. Und letzten Herbst hat er das dann auch gemacht.«
»Aus lauter Liebe wahrscheinlich«, murmelte Frau Wiegand. »Na, wie dem auch sei, ich bin jedenfalls froh, dass eine Frau auf dem Hof ist.« So ganz gefiel es Julias Mutter nicht, ihre Tochter sechs Wochen lang allein wegzuschicken.
Wie sich am nächsten Tag herausstellte, war Silke sehr erfreut über eine weitere helfende Hand auf dem Hof. Die Ferienzeit auf Mahltrup war immer hektisch, und diesmal kam hinzu, dass Silke nicht voll einsetzbar war. Im Herbst sollte sie ein Baby bekommen.
»Sie haben noch eine Schülerin als Aushilfe für die Ferien, dazu eine Praktikantin und ihren Pferdewirtlehrling«, berichtete Stephanie. »Auch ein Mädchen. Du wirst also nicht allein sein. Das andere Ferienmädchen ist allerdings Isländerin. Für die musst du dein Englisch aufpolieren.«
Julia zog einen Flunsch. »Vielleicht kann sie ja ein bisschen Deutsch!«
»Auf jeden Fall möchte Silke, dass du am 14. Juni gleich nach der Schule anreist. Die meisten Ferienkinder kommen zwar erst am 15., aber so bleibt ihr noch ein Abend Zeit, um dich und die anderen Helferinnen einzuweisen. Coffee kannst du übrigens mitbringen!«
»Oh, wirklich?« Julia hüpfte vor Aufregung.
»Ja, er kann in die Junghengstherde. Eigentlich nehmen sie ja nur Islandfohlen, aber bei Coffee machen sie eine Ausnahme. Das heißt, er hat noch sechs Wochen Gnadenfrist vor dem Kastrieren.« Stephanie hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass Coffee Wallach werden musste, wenn Julia ihn weiterhin bei ihr unterstellen wollte. »Super! Fährst du uns hin?« Julia konnte den Antritt ihres Ferienjobs kaum noch erwarten.
Stephanie nickte. »Wenn nichts dazwischenkommt.«
Die letzten Wochen vor den Ferien vergingen quälend langsam. Immerhin war oft schönes Wetter und die Mädchen konnten viel im Gelände reiten. Stephanie gab Julia aber auch regelmäßig Reitunterricht auf Danny und Violetta und achtete darauf, dass sie keine Stunde bei Reitlehrer Holthoff versäumte. Bald konnte Julia ihr ständiges »Du darfst mich bei Tobias nicht blamieren!« nicht mehr hören. Zudem triezte Frau Wiegand sie mit Nachhilfestunden in Englisch und begründete das mit dem isländischen Mädchen: »Die ist bestimmt froh, wenn sie sich mit dir verständigen kann!«
Endlich kam dann doch der letzte Schultag. Julia hatte die abschließende Englischarbeit bravourös gemeistert und die Fünf erfolgreich ausgeglichen. Insofern fiel ihr Zeugnis recht gut aus und Frau Wiegand war zufrieden. Leider sorgte Stephanie für eine kleine Enttäuschung.
»Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich«, sagte sie, als sie gleich nach der Schule anrief. »Zuerst die schlechte: Ich kann dich nicht nach Mahltrup fahren. In der Redaktion von ›Sattelfest‹ ist eine freie Mitarbeiterin ausgefallen und jetzt muss ich zu dieser Hengstleistungsprüfung, über die sie unbedingt berichten wollen.« Stephanie arbeitete bei einer Pferdezeitschrift.
»Aber dann können wir doch Coffee gar nicht mitnehmen!«, jammerte Julia.
»Immer mit der Ruhe, es kommt ja noch die gute Nachricht. Tonia Hellwig fährt euch. Und sie nimmt ihren Bragi mit! Dann muss Coffee nicht allein in die fremde Herde.« Tonia Hellwig war eine Freundin von Stephanie. Ihr Islandfohlen Bragi war genauso alt wie Coffee.
»Das ist ja einsame Spitze!« Julia konnte ihr Glück kaum fassen. Der Ferienjob ließ sich wirklich gut an.
Tonia kam pünktlich eine halbe Stunde später und lud erst Julias Gepäck und dann das Fohlen Coffee ein. Auch Kathi wartete vor Stephanies Stall. Die Gelegenheit, einen Blick auf Mahltrup und den sagenhaften Tobias Weinlaub zu werfen, konnte sie sich nicht entgehen lassen. Coffee kletterte problemlos in den Hänger. Als er Bragi erkannte, musste man ihn eher bremsen als antreiben.
»Lässt du Bragi auch sechs Wochen auf der Junghengstweide? Oder länger?«, fragte Julia, als sie endlich auf die Autobahn fuhren.
»Nur solange du da bist und auf ihn aufpasst. Sonst hätte ich ihn nicht weggegeben. Solche Höfe wie Mahltrup haben zwar traumhafte Weiden, gute Zäune und all das, aber die Leute kümmern sich nicht groß um die Jungpferde. Wenn’s hochkommt, wird einmal am Tag kontrolliert, ob alle noch da sind. Bei der Haltung merkt keiner, wenn mal ein Fohlen krank wird.« Tonia war sehr gewissenhaft mit ihren Pferden.
»Ich werde auf Bragi Acht geben«, versprach Julia.