Alexander Borbély
Mehr als Schlaf
Erinnerungen und Erkundungen eines
Schlafforschers
© 2019 Alexander Borbély
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback: |
978-3-7497-7887-4 |
Hardcover: |
978-3-7497-7888-1 |
e-Book: |
978-3-7497-7889-8 |
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Mehr als Schlaf
Erinnerungen und Erkundungen eines Schlafforschers
Alexander Borbély
INHALT
VORWORT
ANKUNFT IN DER SCHWEIZ UND JUGENDJAHRE
Frühe Reminiszenzen
Primarschule, Klavier und erste Liebe
Kindheit in Küsnacht
Bei den Pfadfindern
Familienferien und Reisen ins Ausland
Gymnasialzeit
Turnen und Sport
Militärdienst
DIE UNGAREN KOMMEN UND REISE NACH POLEN
Wer bin ich?
Ungarnaufstand 1956
Polen: Sprache und Land
STUDIENJAHRE
Wahl der Studienrichtung und vorklinisches Studium
Klinisches Studium und Praktika
Auslandsemester in Wien und Paris
Erfahrungen als Dorfarzt
Staatsexamen und Doktorarbeit
Wie weiter?
Selbstversuch mit LSD
KYBERNETIK
Die Kybernetik packt mich
Generelle Systemwissenschaft mit Ausstrahlung
Kybernetik als Laufbahn?
ERSTE GEHVERSUCHE IN DER FORSCHUNG IM PHARMAKOLOGISCHEN INSTITUT UND AM 'MIT'
Futterkonsum von Ratten
Radiotelemetrie
Forschungslehrjahre am MIT
Computerbasierte Analyse von Hirnpotentialen
GEMEINSCHAFT JUNGER FORSCHENDEN
"I.I.C." und Clurr
Weiterbildung
Neurobiologie Zürich
Lunch-Gruppe
ERSTE KONTAKTE MIT DER SCHLAFFORSCHUNG
NATO Summerschool
Europäischer Kongress für Schlafforschung
AUFBAU EINER FORSCHUNGSGRUPPE UND HABILITATION
Mehrkanalregistrierung und EEG-Telemetrie
Methodenzentrierte Forschung
Habilitation und Antrittsvorlesung
ZWEI PHARMAKOLOGISCHE STUDIEN
Amphetamin und Körpertemperatur
Serotonin und Verhalten
VERHALTENSFORSCHUNG
KÖRPEREIGENE SCHLAFSUBSTANZEN
Monnier und Pappenheimer
Inoué und Hayaishi
Eigene Experimente und Übersichtsarbeiten
LICHT
Kurze Hell-Dunkel Zyklen
Künstlicher Sommer und Winter
Dauerdunkel und Dauerlicht
Licht und Schlafforschung
SCHLAFENTZUG: GRUNDLEGENDE EXPERIMENTE BEI TIER UND MENSCH
Erzwungenes Wachsein
Ein grundlegendes Schlafentzugs-Experiment beim Tier
Erste Modelle
Ein grundlegendes Schlafentzugs-Experiment beim Menschen
DAS ZWEI-PROZESS MODELL
Vorgeschichte
Publikation in Human Neurobiology
Publikation in American Journal of Physiology
Vorstellung des Modells am Kongress in Zürich
KONTROVERSEN UM DAS ZWEI-PROZESS MODELL
SCHLAF UND DEPRESSION
DAS GEHEIMNIS DES SCHLAFS
WIE WIRKEN SCHLAFMITTEL AUF DEN SCHLAF?
Benzodiazepine und irreführende Werbung
Studien zu Wirkungen und Nachwirkungen von Schlafmitteln
Meine Rolle als Opinion Leader
HUMANSTUDIEN ZUM ZWEI-PROZESS MODELL
Akteure in Groningen und Zürich
Eine typische Schlafstudie: Langer Schlaf
Schlaf zur "falschen Zeit", Kurzschlaf und Nickerchen
Das Herz im Schlaf
Kurz- und Langschläfer
Selektiver REM Schlafentzug
Elimination des REM Schlafs
Ein exemplarischer Test des Zwei-Prozess Modells
Leben unter "zeitfreien" Bedingungen
TIEREXPERIMENTELLE STUDIEN ZUM ZWEI-PROZESS MODELL
Irene Tobler
Ist Prozess S unabhängig von Prozess C?
Rattenschlaf und Zwei-Prozess Modell
Bewegung, Licht, Serotonin: Was beeinflusst den Schlafdruck?
Schlafen wirbellose Tiere?
Schlaf im Tierreich
Schlaf und Hirntemperatur
Fazit
REGIONALE ANALYSE DES SCHLAF-EEGS
Vorne-hinten, links-rechts
Kartographie des Schlaf-EEGs als "Fingerabdruck"
Aufbau und Abbau des Schlafdrucks
Jenseits der Schlafstadien
Gebrauchsabhängiger, lokaler Schlaf
SCHLAFFORSCHUNG - RÜCKBLICK UND BETRACHTUNGEN ÜBER DEN SCHLAF
Blick zurück
Schlaf zwischen Freiheit und Schicksal
HANDYSTRAHLEN, SCHLAF UND GESUNDHEIT
Handystrahlen während des Schlafs verändern das Schlaf-EEG
Weitere Untersuchungen von Handy-Strahlen
Ich leite das Nationale Forschungsprogramm NFP 57
Lautstarke Kritik
Offene Fragen
KOMPLEMENTÄRMEDIZIN
Ich organisiere eine Lehrveranstaltung
Ein geschenkter Lehrstuhl für Naturheilkunde
Homöopathie: Gescheiterter Versuch am Nimbus zu rütteln
Komplementärmedizin und obligatorische Krankenversicherung
Zürcher Manifest
Placeboforschung
Placebo und Komplementärmedizin
Pioniere der Placeboforschung
Fazit
PSYCHIATRIE IM SPANNUNGSFELD VON SOMA UND PSYCHE
Psychologie in den Jugendjahren
Kontakte zur Psychiatrie
Schlafforschung und Psychiatrie
Placebowirkung von Antidepressiva
MEINE JAHRE ALS DEKAN UND PROREKTOR
Dekanatszeit
Beginn als Prorektor Forschung
Forschungskredit für den Nachwuchs
Life Science Zurich und Functional Genomics Center
Forschungsschwerpunkte
Berufungen
Fazit
VON DER NATURWISSENSCHAFT ZUR PHILOSOPHIE
MEIN STREIFZUG DURCH DIE WELT DER IDEEN
Jugendzeit und Philosophie
Nichtwissen: Ausgangspunkt meiner Erkundungen
Altes Leben, neues Leben: Mein Emeritus-Manifest
Alt-Prorektor und Alt-Forscher
Jahrzehntelange Selbstregistrierung
Rückblick auf 12 Jahre Selbststudium
Harald Atmanspacher
CUSANUS: WISSENDES NICHTWISSEN
DAS UNVERFÜGBARE IN WISSENSCHAFT UND THEOLOGIE
Dies-Reden von Hans Weder
Gespräche mit Theologen
MICHAŁ HELLER: DIE VERSTEHBARKEIT DER WELT
EVAN THOMPSON: BEWUSSTSEIN UND SCHLAF
GRUNDFRAGEN NACHSPÜREN
Das Unendliche: Unvorstellbar, doch mathematisch fassbar
Systembiologie: Denis Noble
Selbstorganisierende Systeme
Geist und Materie
Reduktionismus und Emergenz
Umdenken in der Naturwissenschaft: Hans Primas
Finalität und Autopoiese
Eins und Vieles
BLICKE ZURÜCK: WOHER KOMME ICH?
Tanten und Onkeln
Flucht aus Ungarn
Vaters Werdegang und zweite Karriere
Das Vermächtnis von Manfred Weiss
Die Grossfamilie trifft sich
Kontakte zu den Nachkommen
Borbély-Treffen in den Schweizer Bergen
Den Familienstammbaum führe ich weiter
Jüdische Vorfahren
Küsnacht: Schulkameraden im Seniorenalter
Die ungarische Sprache
CODA
VORWORT
“Wie schläft sich’s als Schlafforscher” werde ich zuweilen gefragt und in der Frage schwingt die Erwartung mit, der des Schlafs Kundige könne gewiss seine Einsichten auf den eigenen Schlaf anwenden. Allerdings kann ich nichts Spektakuläres berichten und lediglich zur Antwort geben, dass ich als Kurzschläfer mit 6 Stunden Schlaf auskomme und keine ernsthaften Schlafprobleme habe.
Schlafend habe ich ein Viertel Jahrhundert meines Lebens verbracht. Vier Jahrzehnte meiner Wachzeit habe ich der Erkundung dieses Zustands gewidmet. Mein Weg zur Schlafforschung und die Fragen, die mich als Forscher faszinierten, sind zentrale Themen meiner Ausführungen. Auf die Frage weshalb ich gerade den Schlaf als Forschungsgegenstand gewählt habe, pflegte ich als Grund anzugeben, die Funktion des Schlafs sei so komplex und vielschichtig, dass ich im Laufe meines Lebens sicher keine Lösung finden würde. Nur ein so anspruchsvolles Thema sei eine lohnenswerte Herausforderung. Lösbare Forschungsfragen brächten vielleicht Ruhm und Anerkennung, seien aber kein würdiges Ziel wissenschaftlicher Tätigkeit. Etwas Bravado steckte natürlich in meiner Antwort.
Schlaf und biologische Rhythmen sind eng verbunden. Zu Beginn meiner wissenschaftlichen Arbeit faszinierten mich die circadianen Rhythmen, die wie der Name sagt, die Tagesperiodik nur ungefähr einhalten, da sie ohne äussere Zeitgeber vom 24-Std. Rhythmus abweichen. Der Sitz der inneren Uhr im Gehirn war damals noch nicht bekannt, die biologischen Rhythmen lagen weit abseits des Mainstreams. Das änderte sich in den 70er Jahren, der Pionierzeit der Rhythmusforschung. Heute ist aus dem einstigen Randgebiet der Biologie eine nobelpreiswürdige Disziplin geworden. Mit dem Zweiprozess-Modell, das ich 1982 veröffentlichte, versuchte ich die Schlaf- und Rhythmusforschung zusammenzuführen. Die einfache Struktur des Modells trug dazu bei, dass es zu einem dominierenden Konzept der Schlafregulation wurde und zu zahlreichen Studien führte. Seinen Werdegang zeichne ich in diesem Buch nach. Jahrzehntelang stand die Forschung im Zentrum meines Lebens, sie war ein "way of life" und schlug sich in über 300 Publikationen nieder. Wenn ich hier etwas ausführlich über einzelne Forschungsprojekte berichte, spiegelt sich darin die Bedeutung, die sie für mich in der damaligen Lebensphase hatten.
Nicht nur in meinem eigenen Fachgebiet war ich in der Wissenschaft involviert, sondern auch als für die Forschung der Universität Zürich zuständiger Prorektor. Da die Universität damals ihre Teilautonomie erlangte, hatte ich im Prorektorat erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten. Auch darüber berichte ich.
Seit der Emeritierung gehe ich meinen philosophischen Interessen nach und betrachte auch den Schlaf unter einem weiteren Blickwinkel. Als Forscher war ich bestrebt diesen Vorgang mit neuen Techniken zu vermessen, um Mechanismen nachzugehen, die uns seinen Ursprung erschliessen könnten. Dieser Ansatz blendete aus, dass der Schlaf auch eine subjektive Erfahrung ist. Dieser Erlebnisvorgang kann nicht nur erfahren, sondern differenziert erfasst und beschrieben werden. So fordert der Philosoph Evan Thompson, dass eine neue "kontemplative Schlafwissenschaft" auch die durch Introspektion erlangten Einsichten einbeziehe. Die Frage des Schlafbewusstseins weist aber auf ein viel grundsätzlicheres Problem hin, nämlich auf die Beziehung zwischen Geist und Materie. Sind sie zwei Erscheinungsformen derselben Wirklichkeit? Namhafte Naturwissenschafter und Philosophen haben sich dazu geäussert; anhand ihrer Argumente versuche ich dieser Frage nachzugehen.
Der rationale Umgang mit den Grenzen des Wissens und die Möglichkeiten des Diskurses über das Unwissbare waren die Fragen, die in den letzten Jahren im Zentrum meiner Interessen standen. Sie lassen mich auch den wissenschaftlichen Fortschritt mit anderen Augen betrachten. Wir sind nicht nur seine Nutzniesser, sondern auch seine Gefangenen. Wir erheben Daten, beschreiben mit ihnen neue Sachverhalte und schaffen uns dadurch unwillkürlich eine begrenzte Lebens- und Begriffswelt. In meinem vor mehr als drei Jahrzehnten erschienenen Buch zitierte ich das warnende Votum von Martin Heidegger, dass gerade durch die Erfolge richtiger Feststellungen sich das Wahre entziehen könne. Diese Warnung hat mich begleitet.
Das vorliegende Buch ist nicht nur eine wissenschaftliche Lebensbilanz, sondern auch eine persönliche. Meine Herkunft und Familiengeschichte haben mich geprägt, ihnen nachzuspüren ist Teil meiner Sinnsuche. Im ersten und letzten Kapitel schildere ich den eigenen Lebensweg und jenen meiner Vorfahren.
Worüber ich nicht schreibe ist die Beziehung zu meiner jetzigen Familie. Ich bin in zweiter Ehe glücklich verheiratet und sehe häufig meine beiden Töchter und drei Enkel, die in der Nähe wohnen. Auch mit meinen Geschwistern und ihren Familien stehe ich in regem Kontakt. Sie alle führen ihr eigenes Leben und haben Anrecht auf Diskretion. Auch wenn sie im Buch nicht vorkommen sind sie ein wichtiger Teil meines Lebens. Dankbar bin ich meiner Frau Irene für die jahrelange Begleitung des Buchprojekts und die wohlwollend kritischen Kommentare zum Text. Meine Schwester Esther hat den Text minutiös Korrektur gelesen und dank ihrer sprachlichen Stilsicherheit vieles verbessert. Auch ihr danke ich.