Das Buch
Viele Frauen stehen heute finanziell auf eigenen Füßen. Aber es gibt immer noch die, die sich auf einen »Versorger« verlassen und darauf vertrauen, dass die große Liebe schon hält. Die Realität sieht leider anders aus. Nach einer Trennung verlieren häufig gerade die Frauen, die ihren Beruf für die Familie aufgegeben haben, ihre finanzielle Basis. Und auf lange Sicht droht ihnen sogar Altersarmut.
Die Autorinnen
Ein Mann ist keine Altersvorsorge
Warum finanzielle Unabhängigkeit für Frauen so wichtig ist
Kösel
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Copyright © 2015 Kösel-Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.
Covergestaltung: www.buerosued.de nach einem Entwurf von Weiss Werkstatt München
Covermotiv: Plainpicture / André Schuster
ISBN 978-3-641-13684-0
V004
www.koesel.de
Vorwort
1Brief an meine Schulfreundin
2Ein Riesenproblem und Zwergenschritte
Verliebt, verlobt, versorgt?
Die Kosten einer Hausfrauenehe
Liebe und Macht
Interview mit Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit
3Reden über die Zukunft
Wie passt ein Vertrag zur Liebe?
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Männer in Führungspositionen
Veränderungen beginnen im Kopf
Geld macht nicht glücklich, aber keines manchmal unglücklich
Kinder machen (vielleicht) glücklich
Warum wollen Männer seltener Kinder als Frauen?
Ist Feminismus von vorgestern?
4Fördern und Fordern – leider in entgegengesetzte Richtungen
Mit Steuern steuern
Ein Widerspruch in sich
5Es geht auch anders, und zwar besser
Deutschland – wenige Kinder trotz Familienförderung?
Österreich – Rückkehr zum traditionellen Rollenbild?
Gute Vorbilder: Schweden und Frankreich
6Armutsfallen für Frauen
Der traditionelle Weg in die Altersarmut
Scheiden tut weh
Nicht eheliche Lebensgemeinschaften
Liebe macht blind
Lieber unromantisch als arm
7Schluss mit Illusionen, Vorurteilen und Ausreden
Illusionen – sie helfen nicht weiter
Vorurteile – in Deutschland nicht auszurotten
Ausreden – darauf kann man verzichten
Mythos Rabenmutter
8Märchenprinzen gibt es nicht!
Interview mit Prof. Dr. sc. Uta Meier-Gräwe
9Mut zum Wandel für eine bessere Zukunft
Unsere Erwartungen an den Gesetzgeber
Unsere Erwartungen an die Arbeitgeber
Unsere Erwartungen an die Frauen
10Schöne Aussichten!
Interview mit Martina Helbing
Beispiele, die Mut machen
Interview mit Julia Wegener
Es ist Zeit für Veränderungen
Anhang
So sind und bleiben Sie finanziell unabhängig
Muster für einen Ehevertrag und einen Partnerschaftsvertrag
Wichtige Begriffe
Wichtige Adressen
Quellen
Dank
»… dass die Frau auch ökonomisch unabhängig sein müsse, um es körperlich und geistig zu sein, damit sie nicht mehr von dem Wohlwollen und der Gnade des anderen Geschlechts abhängig ist …«
August Bebel, Die Frau und der Sozialismus,
Zürich 1879
Frauen sind heute so gut ausgebildet wie nie zuvor. Sie können alles werden: Top-Managerin, Nobelpreisträgerin oder Bundeskanzlerin – wenn sie es wollen. Und trotzdem stehen immer noch die gleichen Fragen im Raum wie früher:
Die traditionellen Antworten:
Wir räumen in diesem Buch auf mit Illusionen, Vorurteilen und Ausreden, die überfällige Veränderungen blockieren. Anhand von konkreten Beispielen zeigen wir, was überholte Rollenvorstellungen im Leben von Frauen anrichten – und was die Politik seit Jahrzehnten dazu beiträgt. Und wir schreiben darüber, was alles anders werden muss, wenn es besser werden soll.
Denn: Über bestehende Verhältnisse immer bloß zu jammern, stabilisiert das System. Es wird sich nur dann etwas ändern, wenn sich Frauen und Männer engagiert dafür einsetzen. Wie das geht, lesen Sie in unserem Buch.
Helma Sick und Renate Schmidt
Liebe Jutta,
endlich komme ich dazu, dir wieder einmal zu schreiben. Ich hoffe, es geht dir gut und du und deine Kinder und Enkelkinder sind wohlauf.
Bei mir ist alles im grünen Bereich, über die altersbedingten Wehwehchen lohnt es sich nicht zu reden, so richtig alt fühle ich mich auch nicht, aber das geht uns Älteren wohl allen so. Obwohl, als meine Tochter 50 wurde, habe ich plötzlich gemerkt, so richtig jung kann man als Mutter einer 50-Jährigen eigentlich nicht mehr sein, umso mehr, als auch meine älteste Enkelin 30 geworden ist.
Als Großmutter sorge ich mich wie alle Großmütter dieser Welt – dir wird es nicht anders gehen – nun um die Zukunft vor allem dieser Enkelkinder. Vier Enkelinnen habe ich, eine im Teenager-Alter und drei erwachsene Frauen, dazu kommen zwei jüngere Stiefenkel meines Mannes. Die Jüngsten im Bunde sind mein Enkel Max und mein Urenkel Philipp, die beide noch im Kita-Alter sind.
Natürlich muss man als Großmutter aufpassen, nicht immer alles schlechter oder bedrohlich zu empfinden, was in der Gegenwart geschieht, und die Vergangenheit, also unsere Jugend, zu verklären. Aber es ärgert mich sehr, wie wenig junge Frauen aus ihren Chancen machen.
Als wir beide in die Grundschule gingen, damals hieß das Volksschule, war der Übertritt ins Gymnasium für Mädchen eine Seltenheit. Ich musste das zu Hause mit Hilfe meiner Großmutter noch erkämpfen. Du gingst in die Mittelschule, heute Realschule, und selbst das war für Mädchen nicht üblich. Wie sagte meine Mutter so schön: »Wieso willst du aufs Gymnasium? Du machst die Volksschule bis zum Ende (das war damals die 8. Klasse). Wirst dann Verkäuferin oder gehst ins Büro, sparst eine Aussteuer zusammen und heiratest dann eh!«
Als junge Frauen haben wir fest daran geglaubt, dass echte Gleichberechtigung für Frauen und Männer in nicht allzu ferner Zeit zu erreichen ist, wenn nur alle das wollen.
Weißt du noch, wie wir uns ausmalten, wie gut es sich in einer Welt leben ließe, in der Frauen alles offensteht, was für Männer selbstverständlich ist?
In der Bildung ist das gelungen. Heute machen mehr Mädchen als Jungs Abitur und schneiden bei allen Bildungsabschlüssen besser ab als diese. Und dann? Sie sind ein paar Jahre berufstätig, heiraten, bekommen Kinder und verschwinden dann aus dem Erwerbsleben, um Jahre später als Minijobberinnen oder Teilzeitbeschäftigte wieder aufzutauchen.
Du weißt, dass ich 1993 ein Buch geschrieben habe (Mut zur Menschlichkeit), 2002 das nächste (S.O.S. Familie, ohne Kinder sehen wir alt aus) und jetzt sitze ich am dritten zu einem ähnlichen Thema.
Mich ärgert es, dass ich mit wenigen Änderungen dasselbe schreiben könnte, dass sich also in mehr als 20 Jahren so wenig geändert hat.
Mich ärgert das als Großmutter und mich ärgert es als ehemalige Politikerin, weil wir Frauen immer noch vor inhumane Alternativen gestellt werden: Entweder wir leben den Teil von uns, der nach außen wirkt, haben also Erfolg im Beruf und machen Karriere. Oder wir leben den Teil von uns, der nach innen wirkt, kümmern uns also um Kinder und Familie.
Ersteres bedeutet den Verzicht auf Kinder, manchmal sogar auf Liebe, Letzteres bedeutet den Verzicht auf beruflichen Erfolg und häufig auf materielle Sicherheit, wenn die Ehe scheitert.
Männer werden vor solche Alternativen nicht gestellt, vielleicht auch, weil wir Frauen es bisher nie verlangt haben.
Im Gegenteil, die Männer sind mal wieder schneller als wir, haben erkannt, dass sie alleine den Lebensunterhalt einer Familie nicht mehr sicherstellen können, und erwarten von ihren Partnerinnen, dass sie möglichst gut verdienen (allerdings nicht unbedingt mehr als sie). Sie sind bereit, sich zumindest zeitweise um ihre Kinder zu kümmern, aber nicht auch noch um die banale Hausarbeit und auch nicht um den Preis, auf beruflichen Erfolg zu verzichten.
Also alles wie gehabt, wenn auch auf einem höheren (Bildungs-)Niveau.
Ich möchte für deine und meine Enkelinnen und Enkel erreichen, dass sie alle Möglichkeiten eines Lebens auch leben können, dass sie Zeit für ihren Beruf und ihre Familie haben, dass beides bei Frauen und Männern im Gleichgewicht ist und ihre Kinder davon profitieren.
Dazu sind natürlich nicht nur Änderungen im Privaten nötig, auch in der Politik und vor allem in der Wirtschaft muss sich einiges ändern: Wir dürfen uns von der Globalisierung und der damit einhergehenden Beschleunigung nicht unser Leben, schon gar nicht unser Familienleben stehlen lassen.
Derzeit stehen wir vor einer fatalen Wahl: Entweder wir entscheiden uns für eine (meist männliche) Lebensweise ohne familiäre, private und gesellschaftliche Pflichten, weltweit mobil und rund um die Uhr flexibel, mit allen Einkommens- und Karrierechancen. Oder für eine (meist weibliche) Lebensweise, die für Kinder und/oder alte Menschen sorgt, sich ehrenamtlich engagiert, die ortsgebunden ist, weil sich die Sorge um andere Menschen und Mobilität ausschließen, die nur eingeschränkt zeitlich flexibel ist, weil Kinder Anwesenheit brauchen – eine Lebensweise mit bescheidenem Einkommen und nahezu keinen Karrieremöglichkeiten.
Dieses Entweder-oder schadet uns allen: den Männern, weil sie nur einen Teil ihrer Lebensmöglichkeiten kennenlernen, den Frauen, weil sie ihre gute Bildung und Ausbildung nicht nutzen können, den Kindern, weil sie Zeit mit Mutter und Vater brauchen, der Gesellschaft, weil sie an (Lebens-)Werten verliert, und nicht zuletzt der Wirtschaft, weil die einseitige Fixierung auf Beruf und Karriere Kreativität und unkonventionelle Ideen erstickt und sie es sich nicht mehr leisten kann, auf weibliche Fachkräfte zu verzichten.
Frauen und eine zunehmende Zahl von Männern wollen ein bunteres Leben. Das kann doch in einem so reichen Land wie Deutschland keine Utopie sein!
Drück mir die Daumen, dass es uns gelingt, Veränderungen anzustoßen, und lass bald mal wieder von dir hören.
Herzlichst
Deine Renate
Seit 25 Jahren halte ich Vorträge zum Thema »Frauen und Geld«, in denen es darum geht, wie wichtig finanzielle Unabhängigkeit für Frauen ist, wie drastisch sich eine lange Berufsunterbrechung auf die Rente auswirkt, wie desaströs Minijob und lang andauernde Teilzeitarbeit sind usw.
Ich könnte den Ursprungsvortrag mit kleineren Änderungen heute noch halten, so wenig hat sich verändert. Und warum ist das immer noch so? Weil Männer den Fortschritt auf diesem Feld nicht unbedingt fördern. Sie haben ja viel zu verlieren.
Weil in fast allen Gremien, die etwas zu sagen haben, Männer sitzen, die von einer traditionellen Rollenverteilung profitieren. Sie haben damit schließlich jemanden, der ihnen den Rücken frei hält. Weil Frauen nicht an später denken und die Konsequenzen ihrer Lebensentscheidungen nicht sehen wollen. Aber auch, weil in den Medien die relevanten Themen oft sehr verengt diskutiert werden.
Mir fällt seit Langem Folgendes auf: Wenn zum Beispiel in Talkshows das Thema »Krippen und Kindergartenplätze« diskutiert wird, sind sich alle schnell einig, dass diese ganz, ganz wichtig sind für das Prekariat, also die sogenannten bildungsfernen Schichten. Das ist zweifellos richtig. Ebenso richtig ist aber, dass auch die Kinder der Mittel- und Oberschicht enorm profitieren, wenn sie mit anderen Kindern zusammen sind. Sie lernen gesellschaftliche Vielfalt kennen und müssen Regeln des Zusammenlebens und Grenzen akzeptieren. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass es allen Kindern guttut, einen Kindergarten zu besuchen.
Wenn es um das Thema »Vereinbarkeit von Beruf und Familie« geht, ist gegen Ende der Sendung regelmäßig nur noch von den armen Alleinerziehenden die Rede, die (leider) arbeiten müssen. Natürlich trifft mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie Alleinerziehende besonders, aber doch nicht nur sie!
Bei diesem Thema geht es um ein generelles gesellschaftliches Problem von höchster Brisanz für weite Teile der Bevölkerung, für das Lösungen gefunden werden müssen. Es geht um drohende Altersarmut bei der Hälfte der Bevölkerung, den Frauen, ob ehemals alleinerziehend oder nicht.
Nicht nur in Talkshows, sondern auch in Artikeln und Kommentaren bekämpfen sich Vollzeitmütter und berufstätige Mütter. Der Supermutter, die offenbar vorhat, ihre vier Kinder bis zur Volljährigkeit zu betreuen, sitzt dann in Talkshows meist eine Karrierefrau gegenüber, die natürlich blendend aussieht, ihren Job spielend meistert und noch Zeit hat, ein Buch darüber zu schreiben. Dass sie das dazu dringend benötigte seltene Juwel – einen emanzipierten Partner – gefunden hat, versteht sich von selbst.
An der Lebenswirklichkeit vieler Frauen aber geht das alles vorbei. Denn Lebenswirklichkeit ist doch, dass heute jede dritte, in Großstädten jede zweite Ehe scheitert. Die Trennungszahlen bei nicht ehelichen Lebensgemeinschaften sind nicht bekannt.
Lebenswirklichkeit ist, dass es seit 2008 ein neues Unterhaltsrecht gibt, das leider von denen, die es vor allen Dingen angeht, also den Frauen, kaum zur Kenntnis genommen wird. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass es in der Regel lebenslange Unterhaltszahlungen nicht mehr geben kann. Die dem Gesetz zugrunde liegende Vorstellung ist, dass künftig jeder Mensch, ob Mann oder Frau, sich selbst versorgen können muss und dass dies nur mit bezahlter Arbeit möglich ist.
Und Lebenswirklichkeit ist, dass Altersarmut überwiegend bei Frauen zu finden ist. Die durchschnittliche gesetzliche Frauenrente in den westlichen Bundesländern liegt bei 606 Euro, die Männerrente bei 1.078 Euro. In den neuen Bundesländern sind es 894 Euro für Frauen und 1171 für Männer.
Deshalb sollten Frauen genauso wie Männer Beruf und Familie vereinbaren können. Denn nur mit bezahlter Arbeit sind eigene auskömmliche Altersrenten zu erreichen.
Die Diskussion in den Medien, dass so wenige Frauen in Führungspositionen zu finden sind, ist wichtig und richtig. Aber sie geht trotzdem an der Realität vorbei. Woher sollen weibliche Führungskräfte denn kommen, wenn Frauen vielfach in Teilzeit oder als Minijobberin arbeiten? Wenn sie also gar nicht die beruflichen Qualifikationen erwerben können, die in Führungspositionen gefragt sind? Wer Teilzeit arbeitet, wird kaum in die Führungsebene gelangen. Deshalb müssen Frauen arbeiten können und wollen. Sie könnten zum Beispiel nach einer Elternzeit vorübergehend in Teilzeit tätig sein, um später dann die Stundenzahl wieder zu erhöhen. Das Thema »Vereinbarkeit von Beruf und Familie« ist also vielschichtig und eine zentrale Frage im 21. Jahrhundert.
Im Februar 2016 veröffentlichte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Ergebnisse einer Repräsentativbefragung von mehr als ٣٠٠٠ Personen zum Thema Mitten im Leben. Wünsche und Lebenswirklichkeiten von Frauen zwischen 30 und 50 Jahren. Diese Studie kommt unter anderem zu folgendem Ergebnis: »Die Ehe wird für viele Frauen aufgrund bestehender Anreizstrukturen in ihren Folgen und Risiken abhängigkeitsfördernd und kann sich existenzbedrohend auswirken auch für die Familie im Fall von Berufsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit des Hauptverdieners. […] Für Frauen, die während ihrer früheren Ehe in einer (teil)traditionellen Rollenteilung lebten, entfalten sich vor allem nach Scheitern der Ehe die existenziellen Risiken: Diese Frauen haben große Probleme, durch eigenes Erwerbseinkommen ihren Lebensstandard zu halten oder überhaupt ihre eigene Existenz zu finanzieren.«
Dass entsprechende Lebensentscheidungen die genannten Folgen nach sich ziehen, verdeutlichen hier drei Beispiele von Frauenleben, wie sie vielfach zu finden sind:
»Es gibt da eine andere.
Ich will die Scheidung.«
Tübingen, Mitte der 80er-Jahre. Melanie (25) hat sich gerade zum Examen angemeldet. Im Sommer ist es so weit. Sie wird sich bei dem Münchner Sportartikel-Hersteller bewerben, bei dem sie bereits zwei Praktika absolviert hat. Melanie holt sich im Uni-Bistro einen Kaffee und strahlt, als hätte sie ihr Diplom als Betriebswirtin schon in der Tasche. Vom Tisch nebenan kommt ein attraktives Lächeln zurück. Thomas (30) hat sein zweites juristisches Staatsexamen gerade hinter sich und einen gut dotierten Job in einem erfolgreichen mittelständischen Unternehmen mit sehr guten weiteren Aufstiegsmöglichkeiten. Aber Thomas will noch mehr: Kinder, dazu eine Frau, die sich ums familiäre Management kümmert.
Melanie vergisst Trainee-Programm und Dienstwagen. Warum denn nicht ein Leben als Ehefrau und Mutter mit statusträchtigem Haushalt? Die nur hin und wieder jobbt, um Geschenke für die Familie auch mal selbst bezahlen zu können?
Das Ende kommt kurz nach ihrem 55. Geburtstag. Da eröffnet ihr Thomas kurz und schmerzlos: »Es gibt da eine andere Frau. Sie erwartet ein Kind von mir. Ich will die Scheidung.« Unterhalt? Will er nicht zahlen, denn ihre drei Kinder sind längst aus dem Haus. Ein Ehevertrag, der sie finanziell absichern würde? Daran hat Melanie nicht im Traum gedacht. Damals, als alles so schön in Ordnung schien.
Sie heult sich bei einer Freundin aus. Für sie konnte Melanie immer mal als Aushilfe im Büro arbeiten. So hat sie wenigstens einige Übung am Computer und mit Internet-Recherchen. »Doll ist das natürlich trotzdem nicht«, sagt ihre Freundin. »Aber du könntest es mit einer Ausbildung zur Office Managerin versuchen. Immerhin sprichst du Englisch und Französisch und verstehst dich aufs Organisieren.«
Zwei lange Jahre dauert der Fernkurs. Dann erst wird man sehen, ob ein so später Einstieg gelingt. Ob und wie lange Thomas Unterhalt für seine Frau zahlen muss, ist im Gesetz nicht eindeutig geregelt und muss in einem langwierigen und kostspieligen Gerichtsverfahren geklärt werden.
Das Einzige, was Melanie jetzt auf ihrer Habenseite verbuchen kann, ist ihr eigener Rentenanspruch von etwa 200 Euro und die Rentenanwartschaft aus dem Versorgungsausgleich von Thomas, der ca. 750 Euro betragen wird. Nach Abzug des eigenen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags hat Melanie also eine monatliche Rente von ca. 850 Euro.
»Meine Frau muss nicht arbeiten.
Ich verdiene genug.«
Anna hat gute Noten in Biologie und Chemie. Aber sie will nicht studieren, sondern schnell rein ins Berufsleben, endlich ihr eigenes Geld verdienen. Deshalb beginnt sie 1977 nach Abitur und Berufskolleg in Hamburg als chemisch-technische Assistentin in einem Labor für Lebensmittelanalysen. Ein Freund ihres Chefs, Bereichsleiter einer Weingroßhandlung, kommt auffallend häufig vorbei. Der 30-jährige Harald und Anna sind sich schon nach kurzer Zeit einig: Wir beide lieben uns und wir wollen Kinder – warum also nicht gleich? Eine gute Kita wird sich dann schon finden lassen …
Als ihr Sohn Daniel drei Jahre alt ist, sieht sich Anna in ihrem Wohnviertel nach einer vernünftigen Ganztagsbetreuung um. Und wird angeguckt, als wäre sie aus einem Dornröschenschlaf erwacht. »Da hätten Sie sich mal melden sollen, als Sie schwanger waren«, bekommt sie immer wieder zu hören. Inzwischen erwartet sie aber schon ihr zweites Kind. Nach der Geburt von Lilly überlegen die Eltern deshalb, ob Anna länger pausieren soll als geplant. Sie liebt ihre beiden Kleinen über alles – und Harald ist stolz, dass sie bei seinem Gehalt von damals 6000 D-Mark nicht unbedingt mitverdienen muss. Lange Zeit bleiben sie eine glückliche Familie mit klar verteilten Aufgaben. »Bei uns ist’s eben ganz wie früher«, lacht Anna, wenn sie ihre berufstätigen Freundinnen trifft.
Jahre später dann der Anruf, der alles verändert: »Ihr Mann – kommen Sie schnell.« Harald hat einen Herzinfarkt, den er nicht überlebt. Weil Daniel und Lilly längst ohne sie klarkommen, versucht Anna mit 50 einen Neustart als CTA. Vergeblich. Der Beruf ist ein ganz anderer nach all den Jahren, und sie kennt sich mit den Computerprogrammen nicht aus. Damit sie überhaupt etwas zu tun hat, arbeitet sie stundenweise als Regalauffüllerin in einem Drogeriemarkt. Neben der Witwenrente von ca. 900 Euro (60 Prozent der Rente ihres Mannes abzüglich eigenem Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag) bleiben ihr noch zwei Lebensversicherungen, die ihr Mann abgeschlossen hatte. 100000 Euro fließen ihr daraus zu. Wenn sie die sicher (dafür gibt es derzeit etwa 2 Prozent) anlegt, kann sie den Fehlbetrag von geschätzten 800 Euro monatlich ungefähr 11,6 Jahre lang ausgleichen. Entnimmt sie nur 500 Euro monatlich, reicht das Geld ca. 20 Jahre. Im ersteren Fall ist sie 62 Jahre alt, wenn das Geld aufgebraucht ist, im letzteren 70 Jahre. Was macht sie dann?
Kommt sie selbst ins Rentenalter, erhält sie zusätzlich zur Witwenrente eine kleine Rente von ca. 300 Euro aus eigener Berufstätigkeit und Anrechnung der Kindererziehungszeiten.
Die Folgen einer falschen Entscheidung
30 Jahre lang war Agnes mit Hans-Dieter verheiratet, glücklich, wie sie immer wieder betont. Die zwei Kinder und sein gutes Einkommen als verbeamteter Chemiker verführten Agnes dazu, ihren einstmals erlernten Beruf als Direktrice nicht auszuüben. Warum auch? Die Vorteile überwogen doch: Die Familie, ihr ehrenamtliches Engagement im Kirchenvorstand und diverse Hobbys füllten sie voll und ganz aus.
Hans-Dieter aber war offenkundig nicht ganz so glücklich, denn vor acht Jahren verliebte er sich in eine sehr viel jüngere Frau und trennte sich von Agnes. Scheiden lassen wollten sich aber beide nicht. Hans-Dieter konnte so in der für ihn sehr günstigen Steuerklasse III bleiben, Agnes profitierte weiterhin von der Beihilfeberechtigung. Das heißt, als Ehefrau eines Beamten musste sie nur 30 Prozent ihres (privaten) Krankenversicherungsbeitrags selbst bezahlen, 70 Prozent bezahlte die Beihilfe.
Das hätte noch ewig so weitergehen können, meinte Agnes. Aber, für sie völlig überraschend, verlangte Hans-Dieter nun doch die Scheidung. Seine junge Lebensgefährtin war schwanger und wollte unbedingt heiraten.
Und nun tauchen zwei Probleme auf: Hans-Dieter hat sich nicht korrekt verhalten, indem er weiterhin in der Steuerklasse III blieb. Voraussetzung dafür ist nämlich nicht nur, dass der Steuerpflichtige verheiratet ist. Er muss in den betreffenden Jahren auch mit seiner Ehefrau zusammengelebt haben. Hans-Dieter hätte also korrekterweise nach der Trennung sofort in die Steuerklasse I wechseln müssen. Jetzt kann es sein, dass er Steuern nachzahlen muss.
Und für Agnes wird das lange Festhalten an einer nicht mehr existierenden Ehe zu einem echten Problem. Denn mit der Scheidung verliert sie die Beihilfeberechtigung, das heißt, sie muss in ihrer privaten Krankenversicherung ab sofort den vollen Tarif bezahlen. Und das wird in ihrem Alter (62) richtig teuer!
Hätten sich die beiden vor acht Jahren, als sie sich tatsächlich trennten, auch scheiden lassen, wäre für Agnes noch der Weg in die deutlich günstigere gesetzliche Krankenversicherung offen gewesen.
Das Beispiel zeigt, welche Schwierigkeiten sich durch solche sogenannten abgeleiteten Absicherungen ergeben können. Denn sie funktionieren nur, solange eine Ehe hält. Und das ist heute in vielen Fällen nicht mehr gegeben.
Melanie, Anna und Agnes haben ihre Entscheidung, nicht berufstätig zu sein, vor 25 bis 30 Jahren getroffen. Sie gehören also einer Generation an, in der es der Normalfall war, dem Mann den Rücken frei zu halten und sich ganz der Familie zu widmen.
Wie hieß es sogar noch bis 1977 im Bürgerlichen Gesetzbuch unter § 1356: »Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.«
Also sind solche und ähnliche Lebensläufe bei Frauen dieser Generation sehr üblich und noch nachvollziehbar.
Aber wie sieht es heute aus? Erschreckendes zeigen die nachfolgenden Ergebnisse der Untersuchung »Die Generation Mitte – Lebenssituation, Hoffnungen und Sorgen der 30- bis 59-Jährigen« des Instituts für Demoskopie Allensbach vom Juli 2013. Die Studie stützt sich auf eine Repräsentativbefragung von 1420 Personen im Alter zwischen 30 und 59 Jahren. Unter der Rubrik »Berufsausstieg ist nach wie vor weiblich« wurde gefragt, ob wegen der Kinder auf eine (volle) Berufstätigkeit verzichtet wurde. Die Antworten sprechen für sich:
Von den zurzeit berufstätigen 30- bis 59-jährigen Frauen arbeiten lediglich
Dieses Stundenkontingent liegt deutlich unter dem der gleichaltrigen Männer. Entsprechend liegen die aufgelaufenen Rentenansprüche bei Frauen der mittleren Generation weiter unter dem Niveau der gleichaltrigen Männer.
Diese beruflichen Lebensläufe von Frauen hängen auch mit den gesellschaftlichen Leitbildern für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusammen. In Deutschland dominiert – anders als in anderen europäischen Ländern – die Vorstellung, dass sich beide Bereiche am besten durch eine Arbeitsteilung in der Familie vereinbaren lassen, bei der sich ein Partner auf den Beruf konzentriert, der andere auf die Familie. Dabei ist laut Umfrage die Rollenverteilung fest gefügt:
Betrachtet man diese Bestandsaufnahme der »Generation Mitte«, denkt man zunächst: Aber bei den jungen Frauen ist es doch wohl ganz anders?
Für die Studie »Frauen auf dem Sprung« des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) im Auftrag der Zeitschrift Brigitte wurden 2007 über 1000 junge Frauen zwischen 20 und 30 befragt. 2009 und 2013 erfolgte eine erneute Umfrage.
Das aufsehenerregende Ergebnis: Fast 90 Prozent der jungen Frauen möchten finanziell unabhängig sein, und zwar vom Partner und vom Staat. Gefragt ist eine gleichwertige Partnerschaft, das Modell des Mannes als Ernährer hat für sie ausgedient. Sie möchten ihr eigenes Geld verdienen. Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind ihnen wichtig.
Dieses Ergebnis ließ hoffen. Zwischen Anspruch und Realität klafft jedoch eine große Lücke. Finanzielle Unabhängigkeit kann es natürlich nur geben, wenn Frauen ihren Beruf ohne zu lange Unterbrechungen ausüben.
Leider ist jedoch festzustellen, dass es gerade unter gut ausgebildeten jungen Frauen in großen Städten eine Art Rückwärtsbewegung – einen »Backlash« gibt. Da ziehen sich zu viele Frauen wieder zurück auf die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter: Die Abhängigkeit vom alleinverdienenden Ehemann stellt anscheinend kein Problem dar. Sich im Beruf zu qualifizieren und zu beweisen, eigenes Geld zu verdienen, auf eigenen Füßen zu stehen, ist für sie kein Lebensziel.
Warum es diese Rückwärtsbewegung gibt, dazu existieren unterschiedliche Ansichten. Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit, Fachanwältin für Familienrecht in Berlin, hält in ihrem Buch Selbstverständlich gleichberechtigt eine überdurchschnittliche Anspruchshaltung von Frauen an sich selbst für den Beweggrund, der durch die Medien noch verstärkt wird: Wichtig ist ein stets perfektes Äußeres, dazu ein schlanker, durchtrainierter Körper. Natürlich hat diese Powerfrau einen tollen Job mit Supergehalt, ein gepflegtes Haus, mehrere Kinder, eine harmonische Ehe mit einem gut verdienenden Mann, der eine großartige Karriere hinlegt, und sie ist selbstverständlich die perfekte Geliebte. Außerdem kümmert sie sich noch um Freunde und die restliche Familie. Das sind Träume aus einer Fantasiewelt, die von einer Normalfrau nicht zu realisieren sind, sagt Peschel-Gutzeit.
Bascha Mika wiederum findet in ihrem Buch Die Feigheit der Frauen, dass es immer schon ein weibliches Erfolgsrezept war, sich abhängig zu machen. Es sei bequem, einen Weg zu wählen, den man kennt. Denn dann müsse man auf keine Privilegien verzichten, sich nicht auf unbekanntes Terrain wagen, wo Frauen möglicherweise kalter Wind um die Ohren pfeift.
Gerade junge Frauen, meint Bascha Mika, seien gefährdet. Sie halten sich für emanzipiert und cool und wählen dann doch ein Leben wie ihre Mütter und Großmütter.
Wieder andere, wie Manfred Zentner, Geschäftsführer des in Hamburg und Wien ansässigen Jugendmarktforschungsinstituts t-factory, meinen, dass die »erschöpften, doppelbelasteten Mütter«, die diese Generation von Frauen großgezogen haben, prägend wirken. Die Töchter hätten nun die Vorstellung, dass sie diese Art von Leben nicht möchten. Statt sich für andere Verhältnisse einzusetzen, klinken sich die jungen Frauen lieber aus und ziehen sich zurück.
Hatte also die französische Schriftstellerin, Philosophin und Feministin Simone de Beauvoir doch recht, als sie schon vor fünfzig Jahren sagte: »Frauen akzeptieren die untergeordnete Rolle, um den Anstrengungen aus dem Wege zu gehen, die mit der Gestaltung eines authentischen Lebens verbunden sind«?
Drei Frauen im Alter zwischen 20 und 30 stehen mit ihrem immer noch traditionellen Lebensentwurf für viele andere:
Ganz für die Familie da sein
Die 24-jährige Sina sitzt mit ihrer etwa dreijährigen Tochter neben mir im Sprechzimmer meines Arztes. »Toll, wie Sie das alles schaffen, mit Beruf und Kind«, meint die Arzthelferin, die ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass Sina berufstätig ist. Worauf die junge Mutter antwortet: »Aber mein Kind ist mein Beruf. Ich will doch keinen von diesen entfremdeten Jobs, wo ich meine Tochter nur morgens und abends zu sehen bekomme. Das war bei meiner Mutter so, und das hat mir gereicht. Mein Mann, der sorgt schon gut für uns, da tu ich mir das mit einer festen Stelle nicht an.«
Vor ihrer Ehe hat Sina als Sekretärin gearbeitet. Aber das wollte sie von vornherein nur vorübergehend machen. »Ganz für die Familie da sein«, das sei schon immer ihr Lebensziel gewesen, erzählt sie mir. Auch ihrem Mann, einem gut bezahlten Ingenieur, habe das von Anfang an gefallen: »Jetzt sind wir beide rundum zufrieden. Ich versorge meine Familie und den ganzen Haushalt wirklich gern. Und mein Mann ist froh, dass er so eine Frau wie mich hat.«
900 Euro mehr in der Tasche –
ohne große Anstrengung
Meine Physiotherapeutin Klara verabschiedet sich eines Tages von mir: »Ich werde heiraten. Mein Zukünftiger und ich, wir möchten bald ein Kind – und dann bleibe ich eh zu Hause. Es lohnt sich nämlich sowieso nicht, weiter zu arbeiten.« Ich habe wohl ziemlich verdutzt geguckt, denn Klara setzt sofort nach: »Robert hat es genau ausgerechnet. Er verdient ungefähr 55000 Euro im Jahr. Wenn ich nicht arbeite, hat er durch das Ehegattensplitting monatlich etwa 460 Euro mehr im Portemonnaie. Außerdem bin ich mit dem Kind beitragsfrei in seiner Krankenversicherung mitversichert. Und wenn ich vielleicht noch so einen 450-Euro-Job annehme, haben wir im Monat etwa 900 Euro mehr in der Tasche. Ohne dass wir uns groß anstrengen müssen.«
Zuerst Studium, dann Minijob
Nadja, 30, bittet mich in einem Shopping-Center um ein Interview für ein Marktforschungsinstitut. Wir kommen ins Reden. Nadja hat Soziologie studiert, doch die Arbeit als Kontakterin in einer Werbeagentur war ihr schnell zu stressig. Patrick, ihr jetziger Ehemann, kam deshalb wie gerufen. Sie schmiss ihren Job in der Agentur, die beiden heirateten und hatten bald ihre zwei Wunschkinder. Nadja blieb zu Hause und kümmerte sich auch noch um ihre Schwiegermutter, die nebenan wohnte. Erst als Patricks Firma Insolvenz anmeldete und ihm die Kündigung schickte, ging auch Nadja sicherheitshalber auf Suche – nach einem Minijob in der Marktforschung. Mehr war nicht drin für sie: »Ich bin beruflich einfach nicht mehr auf dem Laufenden. Wenigstens hat Patrick inzwischen wieder Fuß gefasst.«
Was Sina, Klara und Nadja später einmal, im Rentenalter, zu erwarten haben? Keine der drei jungen Frauen macht sich darüber früh genug Gedanken. Sie steigen aus, bevor sie überhaupt richtig eingestiegen sind. Offenbar betrachten sie die Ehe immer noch als Altersversorgungsmodell. Trotz hoher Scheidungsziffern, trotz geändertem Unterhaltsrecht.
Warum entscheiden sich immer noch so viele Frauen für diesen Weg, und warum ist ihnen trotz aller Lippenbekenntnisse finanzielle Unabhängigkeit nicht so wichtig?
Warum sehen viele Frauen die Möglichkeit, einen Beruf und Familie zu haben, nur als Belastung und nicht als Chance? Kinder brauchen nur für begrenzte Zeit eine Rundumbetreuung, ein Frauenleben aber ist unter Umständen lang. Eine heute 35-Jährige hat die Aussicht, mehr als 90 Jahre alt zu werden. Was macht sie in diesen vielen Jahren, wenn die Kinder längst aus dem Haus sind? Was ist, wenn die Ehe scheitert? Und, vor allem, wovon lebt sie?
Eine Studie des Bundesfamilienministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt deutlich: In den Monaten vor der Eheschließung machen sich Frauen und Männer Gedanken über die Wahl des Familiennamens und – natürlich – über die Vorbereitung des Hochzeitsfestes, eventuell noch über die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Das ist verständlich, und dagegen ist auch nichts einzuwenden.
Beunruhigend ist aber, dass gerade junge Leute nur wenig Ahnung von den rechtlichen Rahmenbedingungen und den Konsequenzen einer Ehe haben. Weit abgeschlagen steht zum Beispiel die Frage, ob ein Ehevertrag sinnvoll ist oder nicht. Viele wissen nicht einmal, dass es so etwas überhaupt gibt, geschweige denn, was man dabei beachten sollte.
Nur 11 Prozent der Verheirateten im Alter von 18 bis 29 wissen, was ein gesetzlicher Güterstand ist. Nur ein Viertel der Verheirateten hat sich vor der Ehe über steuerrechtliche, vermögensrechtliche, erbrechtliche, versorgungsrechtliche und unterhaltsrechtliche Aspekte informiert. Und die existenziellen Risiken, die Frauen in nicht ehelichen Lebensgemeinschaften eingehen, wenn sie aus dem Beruf aussteigen und sich der Familie widmen, werden meist ausgeblendet. Ganz offenbar lebt man erst einmal im Hier und Jetzt und will sich mit möglichen negativen Szenarien in der Zukunft nicht beschäftigen.
Nirgendwo ist mein Lieblingsspruch »Lieber jetzt unromantisch als später arm« besser angebracht als an dieser Stelle. Denn Entscheidungen für eine Partnerschaft, für Kinder, für einen Ausstieg aus dem Beruf haben nicht nur unmittelbare Folgen. Sie haben, gerade für Frauen, Auswirkungen auf das gesamte vor ihnen liegende Leben.
Wenn sich also junge Frauen mehr Gedanken machen würden über ihre Zukunft, über die langfristigen Folgen ihrer Entscheidungen und ihres Handelns, und wenn sie Partnerschaft und Familienplanung etwas nüchterner betrachten würden, wäre sicherlich vieles ganz anders.
Was Verzicht auf bezahlte Arbeit, also Abhängigkeit von einem Partner, letztendlich kostet oder kosten kann, haben die Beispiele von älteren und jüngeren Frauen gezeigt. Die andere Seite der Medaille sind die Kosten, die der gesamten Gesellschaft durch die Hausfrauenehe entstehen.
»Es geht Sie einen feuchten Kehricht an, wie meine Frau und ich unser Leben einrichten«, schrieb mir einmal ein Mann, nachdem ich mich in einem Artikel gegen das Ehegattensplitting ausgesprochen hatte.
In einem freien Land kann natürlich jeder sein Leben so einrichten, wie er oder sie das will. Dass uns das nichts angeht, gilt aber nur, solange es nicht von der Allgemeinheit mitfinanziert wird. Dies ist jedoch durchaus der Fall. Denn für jede Ehe, in der es einen Hauptverdiener (meistens der Mann) und eine Nichtverdienerin (also eine Hausfrau) oder Zuverdienerin gibt, werden wir als Steuer- und Rentenzahler und auch als gesetzlich Krankenversicherte ordentlich zur Kasse gebeten.
Ich zeige einmal am Beispiel eines typischen Lebenslaufs auf, wie das Subventionsmodell Ehe durch Ehegattensplitting, beitragsfreie Mitversicherung und Witwenrente finanziert wird: Hanna studiert, arbeitet ein paar Jahre, lernt dann Robert kennen, die beiden heiraten. Sie gibt ihren Beruf auf und arbeitet nur noch auf Minijob-Basis für 450 Euro im Monat. Ihr Mann sitzt Vollzeit im Büro. Was kostet das die Allgemeinheit?
Ein durchschnittliches Studium schlägt mit ca. 60000 Euro zu Buche! Der Staat finanziert die Ausbildung an Universitäten, weil das Geld – so zumindest die Idee – in einem anschließenden Arbeitsleben durch Steuer- und Sozialabgaben zurückkommen soll. Das Modell funktioniert in diesem Fall allerdings nicht, weil bei einem Minijob ja keine nennenswerten Steuern und Sozialbeiträge anfallen.
Ein verheiratetes Paar profitiert vom Ehegattensplitting. Ob die Eheleute Kinder haben oder nicht, spielt keine Rolle. Das Splitting ist besonders lukrativ, wenn einer der Partner gut verdient (meistens der Mann) und seine Frau wenig oder gar nichts.
Angenommen Robert, der Ehemann, hat ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 60000 Euro. Durch das Ehegattensplitting ergibt sich eine Steuerersparnis von jährlich 5882 Euro plus 323 Euro Solidaritätsbeitrag, macht insgesamt 6205 Euro, monatlich 517,08 Euro mehr in der Tasche. In 30 Jahren sind das 186150 Euro geschenkt vom Staat nur dafür, dass seine Frau nicht berufstätig ist.
Ein Argument, das dann oft zu hören ist: »Na und, die Frauen ziehen schließlich die Kinder groß …« Aber etwa 40 Prozent der vom Ehegattensplitting begünstigten Ehen haben keine Kinder – oder keine mehr – zu versorgen!
Hanna ist nicht berufstätig, also ist sie in der gesetzlichen Krankenversicherung ihres Mannes mitversichert, ohne dass ihm zusätzliche Kosten entstehen. Das heißt, nur ihr Mann zahlt Beiträge für seinen Verdienst, aber seine Frau hat den gleichen Anspruch auf ärztliche Versorgung wie er. Für die Berechnung dieses Vorteils habe ich den Extra-Beitrag zugrunde gelegt, den Menschen an die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung zahlen, die kein Einkommen haben, aber nicht kostenlos familienversichert sind: zurzeit 180,67 Euro im Monat. In unserem Beispiel summiert sich das in 30 Jahren auf 65041 Euro, die das Ehepaar nicht zahlen muss.
Nehmen wir einmal an, Hanna ist 63 Jahre alt, als ihr Mann stirbt. Er hat sich eine Rente von monatlich ca. 1600 Euro aufgebaut. Davon bekommt Hanna 60 Prozent Witwenrente (dieser Satz gilt für Ehen, die vor 2002 geschlossen wurden, inzwischen liegt er bei 55 Prozent). Das macht 960 Euro monatlich und lebenslang. Wenn Hanna noch 25 Jahre bis zu ihrem Tod bleiben, summiert sich das immerhin auf ca. 288000 Euro. Und das, obwohl sie selbst kaum etwas in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat.
Aus ihrem Minijob bekommt Hanna außerdem noch eine eigene Minirente von ca. 70 Euro im Monat. Dafür hat sie ebenfalls nichts eingezahlt, sondern ausschließlich ihr Arbeitgeber hat Beiträge entrichtet.
Übrigens: Eigene Einkünfte der Ehefrau werden bei der Witwenrente gegengerechnet, aber nur dann, wenn der Freibetrag von 845,59 Euro (neue Bundesländer 810,22 Euro) überschritten ist.
Eine Angestellte, die 45 Jahre lang in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, bekommt unter Umständen weniger Rente als eine Witwe. Besonders drastisch wird das Beispiel, wenn ich Hanna mit einer kaufmännischen Angestellten vergleiche, die 45 Jahre lang berufstätig war. Hat diese Frau zum Beispiel ein monatliches Bruttogehalt von 2018 Euro bezogen, und beendet sie mit 63 Jahren ihr Berufsleben, kommt sie gerade mal auf eine Rente von 839 Euro. Dafür hat sie (mit dem Arbeitgeberanteil) insgesamt 216854 Euro in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt – ein nicht unerheblicher Beitrag zum Auffüllen jener Kasse, aus der die Hausfrauenehe subventioniert wird.
In unserer Beispielrechnung wird also insgesamt mehr als eine halbe Million Euro von den Sozialversicherungen und vom Staat, also von uns Beitrags- und Steuerzahlern, in das Modell Zuverdienerehe investiert.
Wer glaubt, diese sei ein Auslaufmodell für Oldies, täuscht sich. Wie oft sagen mir in meinen Beratungen gerade auch jüngere Frauen: »Mein Mann will nicht, dass ich berufstätig bin, weil sich das nicht rechnet.« Natürlich rechnet sich das nicht, bei derart großzügiger Subventionierung!
Der haarsträubende Widerspruch ist, dass das geltende Steuer- und Sozialrecht den Ausstieg aus dem Beruf belohnt. Dabei sind Frauen heute so gut ausgebildet wie nie zuvor. Die dringend benötigten Fachkräfte – sie sitzen vielfach zu Hause! Das ist eine Vergeudung wertvoller Ressourcen und ein volkswirtschaftlicher Unsinn ohnegleichen. Höchste Zeit also, nicht mehr zeitgemäße Subventionen zu streichen und das Geld dort zu investieren, wo es dringend benötigt wird: in Kinderbetreuungsmöglichkeiten, in Ganztagsschulen, in Bildung und für Familien ganz allgemein. Familien sind dort, wo Kinder sind. Also würden auch Alleinerziehende und nicht nur Verheiratete davon profitieren.
In anderen Ländern sind Ehegattensplitting, beitragsfreie Mitversicherung und Witwenrente längst abgeschafft, wenn es sie überhaupt je gegeben hat. Dort gilt fast durchgängig das Prinzip der individuellen Besteuerung und der gerechten Beitragsbemessung.
Auch bei uns kommt jede Expertenkommission zu dem Ergebnis, dass diese Maßnahmen teuer sind und nicht mehr ins 21. Jahrhundert passen. Und trotzdem wurden diese Leistungen bei uns bisher nicht abgeschafft. Weil es in den Reihen der Politiker mehr Männer als Frauen gibt. Und weil es sich dabei überwiegend um eine Generation von Männern handelt, deren Frauen meist nicht oder nur geringfügig erwerbstätig sind. Sie profitieren also von diesen Leistungen.
Außerdem wissen alle Politikerinnen und Politiker, dass sie bei Wahlen abgestraft werden, wenn sie diese alten Zöpfe abschneiden wollen.
Es ändert sich aber auch deshalb nichts, weil die Frauen sich nicht dagegen wehren. Obwohl sie wissen müssten, dass solche Modelle nur funktionieren, solange eine Ehe hält. Hält sie nicht, sind überwiegend sie die Leidtragenden.
Früher haben Männer ihre Macht durch körperliche Stärke demonstriert. Das kommt heute nicht mehr so gut an, deshalb wird Macht durch materielle Überlegenheit ausgeübt, ganz nach dem Motto: Von mir hängt das Wohlergehen, der Wohlstand unserer Familie ab.
Das haben Männer jahrhundertelang so gelernt und von ihren Vätern übernommen. So kann sich ein Mann durchaus vorstellen, eine gut verdienende Frau zu haben, aber auf keinen Fall eine, die besser verdient als er. Da geht es ihm übrigens ähnlich wie ihr: Frauen wollen zeigen, was sie können, wollen für ihre Arbeit auch materielle Anerkennung bekommen. Aber bei der Partnerwahl entscheiden sie sich überwiegend für einen Mann, der besser oder ebenso viel verdient wie sie.
Wenn der Arzt die attraktive Krankenschwester heiratet, ist das völlig normal, und auch seine Eltern werden ihn dafür nicht kritisieren. Wenn die Ärztin den attraktiven Krankenpfleger heiraten will, wird sie von Freundinnen und Freunden und von ihrer Familie zu hören bekommen, ob das denn nun wirklich sein müsse und ob sie nicht einen netten Arzt hätte finden können, besser noch einen Chefarzt.
Das ist im Übrigen die Crux der heute gut ausgebildeten Frauengeneration: Die Partnersuche konzentriert sich auf das gleiche Bildungs- und möglichst höhere Einkommensniveau. Aufgrund der guten Ausbildung der Frauen sinkt deshalb die Zahl der passenden Männer dramatisch. Daher haben Karrierefrauen jenseits der 35 ähnlich schlechte Heiratschancen wie männliche Hartz-IV-Empfänger.
Auch Frauen haben dies lange akzeptiert und eigene Machtstrukturen aufgebaut. Sie erklären sich zu den allein oder mindestens vorrangig Zuständigen für alles, was in der Familie und im Haushalt geschieht, nach dem Motto vergangener Zeiten »Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau«.