JENS KNOSSALLA

KNOSSI

KÖNIG DES INTERNETS

JENS KNOSSALLA

KNOSSI

KÖNIG DES INTERNETS

ÜBER MEINEN AUFSTIEG UND ERFOLG ALS STREAMER

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

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3. Auflage 2020

© 2020 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

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Fax: 089 652096

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Texte: Jens Knossalla, Julian Laschewski

Redaktion: Mirka Uhrmacher

Umschlaggestaltung: yunicu | Marcel Müller, Behrouz Ghaffari Haghi

Umschlagabbildung: Philipp Steffen

Satz: Helmut Schaffer, Hofheim a. Ts.

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

eBook: ePubMATIC.com

ISBN Print 978-3-96775-007-2

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96775-008-9

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96775-009-6

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

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Für Bubi

Inhalt

Einleitung

Die erste Grundfeste: Liebe dein Volk und vergiss nie deine Wurzeln

Die zweite Grundfeste: Sei dort, wo dein Volk ist

Die dritte Grundfeste: Unterhalte dein Volk

Die vierte Grundfeste: Kleide und nähre dein Volk

Die fünfte Grundfeste: Sei präsent und konsequent

Die sechste Grundfeste: Ehre deine Familie und deinen Hofstaat

Die siebte Grundfeste: Teile und herrsche

Die achte Grundfeste: Ein König ehrt das Glück

Gastbeiträge

Mutti

MontanaBlack

Sascha / unsympathischTV

Robin Schulz

Kim Dotcom

Sido

Inscope21

Pietro Lombardi

Slavik

Frauenarzt

Manny Marc

Einleitung

Gleich ist es wieder so weit. Das Schwert ist poliert. Der royale Mantel übergeworfen und die blitzende Krone sitzt stolz auf dem Kopf. Das Volk weiß: Jeden Augenblick tritt sein König auf. Sie jubeln, sie schreien, der Hype ist bis ins Mark spürbar. Die lebende Legende bereitet sich vor, live aus ihrem Schloss heraus die froh jauchzende Menge zu begrüßen.

Zehntausende Menschen warten darauf, von ihrer Hoheit unterhalten zu werden. Zehntausende Menschen, die alle dort draußen sind und den König anfeuern, wenn er wieder aufs Ganze geht.

Oh Baby, hier ist er. Der einzig wahre König: Knossi!

 

Ich liebe diesen Moment. Wenn der Countdown runtergezählt ist, gehen die Lichter und das Megafon an. Es ist an der Zeit, mein Volk zu begrüßen. Zu zeigen, wie sehr ich jeden Einzelnen von ihnen – von euch! –, wie sehr ich jeden von euch und eure Anteilnahme schätze. Denn ich kann mit felsenfester Überzeugung sagen: Ein Herrscher ist nur so gut wie sein Volk. Wer es als gütiger Gebieter nicht zu schätzen weiß, wie weit er dank seiner Gefolgsleute gekommen ist, verdient den Platz auf dem Thron nicht.

Daher sage ich’s euch, wie es ist: Auf den kommenden Seiten soll es nicht nur um mich gehen. Auch wenn ich der Typ mit der Krone bin, so gehört sie jedem von euch, weil ihr mich immer unterstützt und ständig an meiner Seite seid. Am liebsten würde ich mit dem Megafon in der Hand von den Dächern Baden-Württembergs brüllen, wie viel ihr alle mir bedeutet. Aber dann käme schon wieder die Polizei, und das brauche ich echt nicht noch mal.

Mein Hofstaat lässt die metaphorische Zugbrücke herunter, und ich lade euch ein zu einer royalen Reise durch mein kleines, aber feines Königreich. Auf dem roten Teppich betretet ihr die heiligen Hallen des Thronsaals und dürft die Geschichte des Herrschers, seiner Familie und seiner Gefolgsleute genauestens nachlesen.

Aber versteht mich nicht falsch. Das hier soll keine 600 Seiten starke Biografie sein, die meine ersten Schritte bis hin zu meinen tiefsten, komplexesten Gedanken beinhaltet. Für meine Lebensgeschichte lasse ich mir noch etwas Zeit. Einen Ratgeber »Wie werde ich möglichst schnell möglichst erfolgreich im Internet« wollte ich aber auch nicht machen. Solche Ratgeber sind in meinen Augen Quatsch. Ich möchte nicht so tun, als hätte ich allein die Weisheit mit Löffeln gefressen und könnte euch eine garantierte Erfolgsformel liefern. Gäbe es wirklich die eine ultimative Erfolgsformel, dann würde ich die doch nicht einfach so verraten!

Nein, Spaß, ich würde sie euch verraten! Sofort, ohne nachzudenken. Aber es gibt sie einfach nicht. Jeder ist anders, jeder kann was anderes. Versucht bitte nie, andere zu kopieren, das wird euch nicht weiterbringen. Wenn man nur nachmachen würde, was andere erfolgreiche Leute tun, würde man niemals seinen eigenen Weg finden.

Daher glaubt bitte nicht, dass ihr durch dieses Buch direkt zum Streamer-Abitur kommt. Vielmehr möchte ich euch ein wenig hinter die Kulissen meiner Twitch- und Social-Media-Karriere entführen. Hierfür habe ich die für mich persönlich wichtigsten Grundsätze rausgesucht. Ich nenne sie »Die acht Grundfesten meines Königreichs«. Die sind sicher nicht eins zu eins auf andere Streamer übertragbar, jeder setzt ja seine eigenen Schwerpunkte. Aber diese Grundfesten haben nicht nur großen Einfluss auf meine Karriere gehabt, sondern sie spiegeln auch die Werte wider, die mir im Leben allgemein wichtig sind. Deswegen hoffe ich, dass ihr beim Lesen auch für euch etwas Nützliches daraus ziehen könnt. Ich glaube nämlich, dass es viel eher darauf ankommt, die richtige Einstellung zu haben, als einen vorgefertigten Businessplan zu befolgen.

Doch bevor wir damit überhaupt loslegen, möchte ich denjenigen unter euch, die mich gar nicht kennen, erzählen, wer ich eigentlich bin und warum die Krone im Internet mir gehört. Habt ihr da Bock drauf? Dann 1 in den Chat! Ach so, das hier ist ja ein Buch. In diesem Fall kritzelt einfach eine 1 irgendwo hier auf die Seite und lest weiter.

Ich wollte schon immer ein Publikum haben, das ich unterhalten kann. Das Internet hatte ich dabei zunächst gar nicht auf dem Schirm, sondern das Fernsehen war mein ultimatives Ziel. Anfang 2016 begann ich dann allerdings mit dem Streamen und hatte innerhalb einer Woche 500 Follower. Mag im Vergleich zu heute ein bisschen wie Peanuts klingen, bedeutete mir aber sauviel. Das war die Probierphase, in der ich noch gar nicht geplant hatte, die große Twitch-Karriere hinzulegen. Als ich dann sechs Wochen später mit über 200 regelmäßigen Zuschauern aufwarten konnte, ahnte ich aber bereits, dass auf dieser Plattform noch so einiges passieren könnte.

Nach dem ersten Jahr konnte ich 4000 Follower auf Twitch verzeichnen, die mir hauptsächlich dabei zugeschaut haben, wie ich Poker spielte. Doch ich wollte mehr. In mir brodelte es – und das nicht wegen des Mittagessens beim Griechen um die Ecke.

Ich stand ja sowieso gerne vor der Kamera, und die Möglichkeit, jederzeit auf Sendung gehen zu können – ohne vorher in einer Maske sitzen oder einen Aufnahmeleiter dabeihaben zu müssen –, war unfassbar verlockend. 200 regelmäßige Zuschauer klangen damals schon wie ein Traum. Dass es heutzutage manchmal weit über 40.000 pro Stream sind, ist für mich wirklich schwer zu begreifen. Die Motivation aber, maximale Unterhaltung bieten zu wollen, bleibt dieselbe.

Ende 2017 hatte sich meine Follower-Zahl auf 8000 verdoppelt. Ich habe mindestens jeden dritten Tag gestreamt. Der König sollte schließlich nie allzu lange von der Bildfläche verschwinden und sich ausreichend Zeit für sein Volk nehmen. Der erste Schock kam dann Anfang 2018: Kanalbann für 24 Stunden! Ich hatte blöderweise etwas vorgelesen, das gegen die Twitch-Richtlinien verstieß – unabsichtlich natürlich. Da merkte ich erst, wie viel Verantwortung ich mit mir herumtrug. Was ich im Stream sage, können alle möglichen Leute hören. Damit wollte ich nicht leichtfertig umgehen. Gleichzeitig wurde mir immer klarer, wie viel Potenzial in dieser Plattform steckt. Daher fasste ich den Entschluss, meinem Kanal die volle Aufmerksamkeit zu widmen.

Mit Fleiß, Ausdauer, Willen und einem Portiönchen Glück wurde mein Twitch-Kanal mit über einer Million Followern zu einem der größten und am schnellsten wachsenden Kanäle in Deutschland und war zeitweise schon in den Top 10 der am meisten abonnierten Kanäle weltweit. Innerhalb eines Jahres bin ich von unter 100.000 Instagram-Followern auf eine Million gekommen. Mein YouTube-Kanal hat die Eine-Million-Abonnenten-Grenze Mitte 2020 ebenfalls geknackt. Ihr seht also, auch wenn »König des Internets« nicht allzu bescheiden klingt, kann ich meinen, vom unabhängigen Jens-Knossalla-Komitee für staatlich geprüfte Königlichkeit verliehenen Titel mit Zahlen und Fakten verteidigen!

Wer mich kennt, weiß außerdem, dass bei mir alles mit einem großen Augenzwinkern passiert. Ich nehme mich selbst nicht zu ernst und kann über fast jeden Witz auf meine Kosten lachen. Und natürlich weiß ich auch, dass ich ein bisschen einen an der Waffel habe. Wer meine Stories auf Instagram schaut oder mir bei einem »ruhigen« Stream zuguckt, fragt sich da bestimmt: Ist der immer so drauf? Die kurze Antwort: ja.

Die lange Antwort könnt ihr auf den nächsten Seiten lesen. Denn auch wenn es mir im Blut liegt, zum Unterhalten gehört doch noch ein bisschen mehr, als nur die Webcam anzuwerfen und lustig zu sein. Ich war selbst etwas erstaunt zu sehen, wie alles, was ich bislang so gemacht habe, eigentlich miteinander in Verbindung steht. Man setzt sich ja doch eher selten hin und reflektiert in aller Ruhe, was man da gerade eigentlich tut. Dementsprechend habe ich diese Chance genutzt, meine Gedanken zu Papier zu bringen – beziehungsweise zu Papier bringen zu lassen, denn jeder großartige König hat schließlich einen eigenen Schreiber, der ihm loyal und zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Seite steht, um alles festzuhalten, was von größter Wichtigkeit für die Nachwelt ist. Was in den letzten paar Jahren alles passiert ist, ist nämlich wirklich wert, erzählt zu werden. Ihr werdet von wichtigen Menschen lesen, die mir wertvolle Ratschläge mit auf den Weg gegeben haben. Von Momenten, aus denen ich selbst gelernt habe und an denen ich gewachsen bin. Und ihr werdet lesen, was ich für relevant halte, wenn es darum geht, die eigenen Träume zu verwirklichen.

Einzig Drama und Beef werdet ihr vergeblich suchen. Ich bin ein Freund von positiver Energie und Ausstrahlung. Man sollte seine Kraft niemals in destruktives Verhalten stecken. Mir ist egal, wenn jemand was Dummes über mich sagt oder versucht, auf irgendeine Art und Weise jemanden zu provozieren. Aus so was halte ich mich raus. Ich stelle lieber sicher, dass alles, was ich und die Leute in meinem Umfeld unternehmen, einen positiven Effekt hat. Wenn ich anderen eine gute Zeit bereiten kann, habe ich alles richtig gemacht.

Wenn ich morgens aufstehe und weiß, heute Abend wird der Stream angeworfen, denke ich den ganzen Tag an nichts anderes und bin bis obenhin mit Vorfreude vollgepackt. Da ist dann gar kein Platz mehr für irgendwelchen negativen Kram. Wie kann ich bestmöglich unterhalten und gleichzeitig dafür sorgen, dass sich alle gehört und wertgeschätzt fühlen? Wie kann ich so vielen Menschen etwas zurückgeben, ohne die ich heute gar nicht dort wäre, wo ich bin?

Die Antwort darauf kann nur lauten: Indem ich mir den Arsch aufreiße. Indem ich in jedem einzelnen Punkt immer versuche, besser zu werden. Welche Punkte das sind? Darum soll es in diesem Buch gehen. Seht es als Rundgang durch unser Königreich, das wir gemeinsam aufgebaut haben. An jeder Ecke werden Ereignisse warten, an die ihr euch mit Freuden zurückerinnert, von denen ihr ein Teil wart – aber auch solche, von denen ihr vielleicht noch gar nichts gewusst habt. Und da der Weg, den ich die letzten Jahre über gegangen bin, ohne euch nicht derselbe gewesen wäre, ist dies nicht nur meine, sondern zugleich auch unsere gemeinsame Geschichte.

Ich freue mich darauf, sie mit euch teilen zu können, meine Freunde, und sage: rein in die Bücher!

Euer König

Jens »Knossi« Knossalla

Die erste Grundfeste: Liebe dein Volk und vergiss nie deine Wurzeln

Ein guter König muss sein Volk ebenso achten wie sich selbst, denn nur wenn das Volk glücklich ist und froh, erlangt auch der König Ruhm und Ehre. Wo immer er es vermag, möge er sich seinem Volke gegenüber erkenntlich zeigen, sich in Demut und Dankbarkeit üben und niemals vergessen, wo die Wurzeln seiner Herrschaft liegen.

 

Starten wir am besten ganz am Anfang. Wo fing meine Twitch-Reise überhaupt an? Das ist nur eine von vielen Fragen, die euch mit Sicherheit auf der Seele brennen. Keine Sorge, ich beantworte sie euch alle. Sonst wäre ich nicht König Knossi – der einzige wahre König!

Mein Ausflug in die Welt des Streamings – quasi modernes Fernsehen mit Interaktionsmöglichkeiten im Internet – begann im Jahr 2016. PokerStars hatte mich auf die DreamHack in Leipzig eingeladen, damit ich ein Pokerturnier mit einigen Influencern moderiere. Kurz vor Ende des Events und nach erfolgreicher Abmoderation warf der Counter-Strike-Shoutcaster Mase in den Raum, dass ich mit meiner Energie, meinem Auftreten und der Stimme eigentlich der perfekte Streamer wäre.

Auch zwei anwesenden YouTubern (Rewinside und Sturmwaffel, Küsse gehen raus!) fiel auf, wie gerne ich einfach die Leute unterhalte. Rewi drohte sogar, einen Tweet rauszuhauen und seine Community aufzufordern, mir pausenlos Nachrichten auf Twitter zu schicken, um mich richtig schön unter Druck zu setzen. Die Jungs waren sich sicher, dass Streaming meine Erfüllung wäre und ich mich wie zu Hause fühlen würde.

Wie recht sie haben sollten!

Das war der Tag, an dem Streaming für mich angefangen hat. Ich selbst hatte bis dahin zwar noch nie an diese Möglichkeit gedacht, denn Streaming verband ich immer mit Videospielen, und darin war ich nicht besonders gut. Aber ihre Worte haben mich ermutigt. Mit Webcam in der einen und Headset in der anderen Hand, setzte ich mich kurz nach dem Event an meinen Schreibtisch und machte mir Gedanken darüber, wie ich das jetzt anfangen wollte.

Zwei Tage lang habe ich recherchiert und mir alles angeschaut. Was brauche ich fürs Streamen? Wo geht das am besten? Welche Programme muss ich mir holen? Zu der Zeit hatte ich nur eine ganz alte Möhre als Laptop, der aber immerhin mit Webcam ausgestattet war. Also habe ich mich letzten Endes auf Twitch registriert, die Kamera angeworfen und meinen ersten Stream gestartet.

Lange überlegt habe ich nicht, sondern mir einfach »World of the Warcraft« besorgt. Schließlich haben das gefühlt alle damals gespielt. Dass das Spiel maximal bescheiden lief und eher einer Diashow glich, war mir egal.

Prompt war der erste Zuschauer da: Knüppel. Der Junge ist wirklich seit der ersten Stunde dabei, selbst heute noch, mittlerweile als einer meiner Mods. Und er war derjenige, der mir die allerersten fünf Euro spendete. Das konnte ich nicht glauben. Ein einziger Zuschauer, und der fand das so geil, dass er mir gleich Geld gegeben hat. Was habe ich mich damals gefreut! Ich musste es sofort meiner Mutter erzählen, die gar nicht verstanden hat, wovon ich spreche. Ihr Junge hockt vor seinem klapprigen Uralt-Laptop, streamt ein Spiel, von dem er gar keine Ahnung hat, und bekommt dafür einfach Geld?

Aber da das Game beschissen lief und ich zudem merkte, dass es gar nicht so wirklich was für mich ist, musste eine Alternative her. Ich erinnerte mich daran, dass die Jungs bei dem Event auf der DreamHack gesagt haben, ich solle einfach das streamen, was mir Spaß macht. Da auf Twitch aber blöderweise kein Content erlaubt ist, der was mit Brüsten zu tun hat, habe ich stattdessen mit Pokerturnieren losgelegt.

Es dauerte nicht lange, da kamen weitere Zuschauer hinzu, zwanzig bis dreißig dürften es gewesen sein, und die ersten Monate ging es nur um Poker. Wir haben sogar in unserer kleinen Community Turniere veranstaltet und sind gegeneinander angetreten. Das war so richtig mein Ding. Hier ging es nicht um den Wettbewerb, sondern der Spaß stand im Vordergrund. Sich zusammen im Internet treffen und gemütlich in der Runde pokern. Eine neue Welt eröffnete sich mir, und ich merkte sofort, wie viel es mir bedeutete, auf diese Weise mit anderen zu interagieren.

Ursprünglich hatte ich als absolut oberstes Ziel immer das Fernsehen vor Augen gehabt. Entertainer sein und ins Fernsehen kommen, das war mein Ziel. Ich liebte die Kamera einfach. Aber der enorme Vorteil des Streamings wurde mir sehr schnell klar: Dank des Chats konnte ich direkt mit meinen Zuschauern kommunizieren, Feedback kriegen, Fragen beantworten und über meinen Alltag quatschen. Ich verstand auf Anhieb: Die Community ist der Kern und das Herz des Streamings. Deswegen ist sie auch das Thema des allerersten Kapitels. Eine Streaming-Karriere startet und lebt einzig und allein durch die Leute, die zuschauen.

Damit sie gerne zuschauen, braucht es zum einen Inhalte, die sie interessieren, sowie zum anderen einen Streamer, der Bock hat, sie in seinen Stream miteinzubeziehen. Durch meine Vorerfahrung auf Turnieren, die teilweise auf Twitch gestreamt worden waren, wusste ich schon, dass ich mir Alerts einrichten sollte. Ich wollte, dass die Fanfaren erklingen und alle Bescheid wissen, sobald sich uns jemand Neues anschloss oder eine Spende reinkam. Bei der Einrichtung habe ich mich wie der Typ gefühlt, der den Buchdruck erfunden hat. Wegen mir ertönte auf einmal eine Glocke! Wir alle haben uns über jeden einzelnen Neuzugang gefreut.

Neben dem akustischen Willkommensgruß wollte ich die Leute im Stream aber auch direkt ansprechen. Sie sollten sich gesehen fühlen, und außerdem macht alles einfach viel mehr Spaß, wenn man nicht nur mit sich selbst redet. Ich konnte Nachrichten vorlesen, darauf antworten und mich richtig mit den Leuten austauschen.

Bei den Zuschauern kam das gut an. Immer mehr benutzten den Chat, und unsere Gespräche bekamen eine richtige Dynamik. Das war eine unglaubliche Erfahrung – und ist es auch heute noch. Aber besonders damals war das komplett verrückt. Einfach ein ganz neues Level an Interaktion. Das fehlt dem Fernsehen komplett. Klar, da werden auch mal Tweets vorgelesen, aber direkt für seine Zuschauer da zu sein und antworten zu können? Das gibt es nur im Netz.

Natürlich ist es bei dem einen oder anderen Format vielleicht nicht verkehrt, wenn nicht gleich jeder seinen Senf dazu abgeben kann. Wenn bei der »Tagesschau« ungefiltert ein Live-Chat laufen würde, wäre das schon irgendwie störend. Ganz allgemein gesagt bin ich mir aber sicher, dass Streaming das Fernsehen an vielen Stellen ablösen wird. Das sagt mir zumindest meine frisch polierte Kristallkugel. So geil es auch ist, in einem Studio zu stehen und vor zig Leuten zu moderieren, auf Twitch hat man so viel mehr Freiheiten und Möglichkeiten. Jeder darf mitentscheiden und kann aussuchen, was er gucken will. Das gibt es in der Form im guten alten TV schlichtweg nicht. Aber das ist ja nicht schlimm. Es entwickelt sich schließlich alles weiter, und ich bin heilfroh, Streaming für mich entdeckt zu haben.

Genauso froh bin ich über meinen Discord-Kanal, den ich 2019 gestartet habe. Mit dem Messaging-Dienst wollte ich eine Möglichkeit eröffnen, damit sich die Leute auch unabhängig vom Stream miteinander unterhalten konnten. Irgendwie war mir das schon immer am wichtigsten: anderen ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich wohlfühlen, auf Gleichgesinnte stoßen und einfach die Seele baumeln lassen können. Mittlerweile tummeln sich auf meinem Discord-Kanal neben mir selbst über 20.000 Leute, um gemeinsam die Streams anzuschauen oder einfach nur miteinander zu quatschen. Dabei entstehen Freundschaften fürs Leben, und sogar Paare sind da schon zusammengekommen! Erst letztens haben sich dort zwei Kerle gefunden, die mittlerweile ganz gebannt auf den imaginären Herzblatt-Helikopter warten, um ins Allgäu geflogen zu werden. Alles Glück der Welt, euch beiden!

Zu Beginn waren die Zuschauerzahlen im Vergleich dazu natürlich noch recht überschaubar. Ich konnte dafür aber in Ruhe lernen, wie alles funktioniert, konnte mit den Leuten der ersten Stunde quatschen und eine Beziehung zu der ganzen Sache aufbauen. Wäre die Kiste direkt so eskaliert wie einige Monate später, hätte ich den alten Laptop vor lauter Überforderung wahrscheinlich einfach zugeklappt und nie wieder angerührt. Aber so konnte ich mir die nötige Zeit nehmen, um alles nach und nach zu verstehen, und mich immer weiter mit der Technik hinter dem Streaming zu beschäftigen. Ich fand, dass es eigentlich schon richtig gut lief!

Als ich 2016 Twitch-Partner werden wollte, wurde ich allerdings erst mal belächelt: zu wenig Chatinteraktion, nicht genug Zuschauer.

Heute ist das kein so knallhartes Bewerbungsverfahren mehr, sondern ab einer bestimmten Zuschauerzahl wird automatisch der Affiliate-Status freigeschaltet, ab dem die Leute einen Streamer durch kostenpflichtige Subscriptions unterstützen können, und bei noch mehr Zuschauern schließlich der Partner-Status, bei dem man auch an Werbeeinnahmen beteiligt wird. Damals war es jedoch noch ein richtiger Auswahlprozess, durch den ich regelmäßig durchfiel. Aber das war mir egal. Jeden zweiten Tag habe ich meine Bewerbung hingeschickt und bin drangeblieben, bis der Support aufgegeben und mich endlich freigeschaltet hat.

Jetzt konnten die Leute meinen Kanal abonnieren und mich dadurch finanziell unterstützen. Knüppel war wieder der Erste, der sich offiziell Subscriber schimpfte, danach kamen immer mehr dazu. Knapp ein Jahr später waren es im Schnitt hundert Zuschauer, die uns beim Pokern zuschauten und unbedingt dabei sein wollten.

Kurzerhand rief ich ein Reallife-Event ins Leben, an dem alle teilnehmen durften, die Lust hatten. Wir haben uns in einem echten Kasino getroffen, das uns der Betreiber zur Verfügung gestellt hat, und einfach zusammen gepokert. Wunderschön spaßig, und natürlich habe ich das Ganze live übertragen. Knapp dreihundert Leute haben dabei zugeschaut.

Ihr seht schon, damals war es noch ein eher kleines Königreich, das wir unser Eigen nannten. Wir pokerten und quatschten so vor uns hin, und alles war sehr überschaubar. Das sollte sich jedoch schlagartig ändern, denn eines schönen Tages, im Februar 2019, entschloss sich der Kaiser von Twitch, uns einen Besuch abzustatten. Was ich so auf der Plattform getrieben habe, schien meinem heutigen Kollegen Marcel, besser bekannt als MontanaBlack, nämlich irgendwie gefallen zu haben.

Zu der Zeit war mir sein Name noch gar kein Begriff, auch wenn er einer der größten Streamer und YouTuber Deutschlands ist, der teilweise hunderttausend und mehr Zuschauer am Start hat. Aber ich hatte damals wirklich keine Ahnung von den ganzen Zusammenhängen und kannte einfach niemanden. Als Monte urplötzlich und ohne Vorwarnung meinen Stream hostete und damit all seine Zuschauer zu mir in den Chat schickte, verstand ich daher erst mal die Welt nicht mehr.

Sein Host spülte so viele Menschen an den Strand meines kleinen Königreichs, ich konnte es gar nicht fassen. Nicht nur, dass jemand mit seiner krassen Reichweite meinen Content geil fand, er sagte seinen Zuschauern auch, dass sie mir folgen und weiterhin bei mir einschalten sollten. Absoluter Ehrenmann!

Es wäre Quatsch zu behaupten, dass ich es ohne diesen Push in derselben Zeit geschafft hätte, so groß zu werden, wie ich es jetzt bin. Monte hat ganz klar den Startschuss gegeben. Aber von nichts kommt nichts, meine Freunde! Große Streamer hosten täglich kleine Kanäle. Wieso hat das bei mir dazu geführt, dass meine Zahlen dauerhaft durch die Decke gegangen sind?

Ganz ehrlich, ich weiß es auch nicht so genau. Ich kann nur vermuten, dass ich ein gutes Händchen habe und die Leute geblieben sind, weil sie sich durch meine Art unterhalten fühlten. Der Push hat mir ungeahnte Möglichkeiten eröffnet – für die ich Monte unendlich dankbar bin. Aber danach lag es allein an mir, diese Chance auch zu nutzen.

Und ich habe sie genutzt! Mit so viel Aufmerksamkeit im Nacken hieß es: reinklotzen! Ich habe meinen Content nicht verändert, weil ich es auf meine eigene Art schaffen wollte. Aber ich habe den Fokus immer stärker aufs Streamen gelegt. Es dauerte nicht lange, und die Zahl der Leute, die meinem Kanal folgen, stieg in den sechsstelligen Bereich. Wenn ich mir vorzustellen versuche, wie viele von euch tagein, tagaus dabei sind, sprengt das fast meinen Kopf. Ich kann mir zehn Leute vorstellen oder vielleicht auch noch hundert, aber danach hört’s eigentlich auf. Wie viel Platz würde eine Gruppe von eintausend Menschen in meinem Garten einnehmen? Würde sie überhaupt reinpassen? Bräuchte man für zehntausend Menschen einen ganzen Rathausvorplatz, oder wäre das noch zu wenig? Ich habe keinen blassen Schimmer, aber ganz gleich, ob ihr aktiv mit mir »ALGE« brüllt oder im Hintergrund zuschaut und euch bespaßen lasst: Ich feiere jeden Einzelnen von euch!

Damals schon, als nur eine Handvoll zugeschaut hat, habe ich mich über jeden gefreut. Bis heute bedanke ich mich daher für jeden Subscriber und für jede Spende – sofern es denn möglich ist. Manchmal hagelt es nämlich Alerts im Sekundentakt, und dann komme ich gar nicht mehr hinterher. Den Follower-Alarm musste ich mittlerweile sogar ausschalten. Ich bin kein Jäger – außer in »Modern in de Wor« –, der genau darauf guckt, wie viele Leute gefolgt sind, und sich davon verrückt machen lässt. Die Zahl ist für mich komplett unvorstellbar geworden. Vor allem liegt es aber daran, dass der Stream einfach explodieren und im schlimmsten Fall abschmieren würde, wenn bei allen Follows ein Alert käme. Das wäre so ein Gebimmel, dass selbst ich mein eigenes Wort nicht mehr verstehen könnte. Aber seid euch sicher: Ich weiß das alles sehr zu schätzen, und es macht mich unendlich glücklich.

Im Idealfall schaffe ich es, euch dieses Gefühl zurückzugeben. Diese unbändige Freude über jeden Stream und jede Minute, die wir zusammen live sind. Euer Spaß ist meine größte Motivation. Schon bevor der Stream losgeht, explodiere ich vor Vorfreude. Ich glaube, euch geht’s da ganz ähnlich, denn ich bin meist noch gar nicht offiziell online, und im Chat regnet es schon massenhaft Emotes. Neue Abonnenten kommen wie am Fließband dazu, und einige sind sogar bereit, mir ein bisschen – oder ab und an auch übertrieben viel! – Trinkgeld dazulassen.

Unfassbar! Da sitze ich einfach nur vor der Kamera, um euch zu unterhalten, und ihr gebt mir etwas von eurem hartverdienten Groschen ab. Einfach so. Das sind Momente, da würde ich mich am liebsten selbst irgendwo reinkneifen, um sicherzugehen, dass ich nicht träume.