Ein Weihnachtsmärchen
Heinrich Seidel
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Es war einmal ein armer Student, der war recht einsam und allein und hatte keinen Menschen auf der weiten Welt, der sich um ihn gekümmert hätte. Und er hätte doch so gerne jemanden gehabt, den er so recht innig hätte lieben können.
Manchmal saß er wohl in den schönen Sommernächten, wenn der Mond schien, am offenen Fenster seiner kleinen Dachstube und schaute hinaus über die Dächer der großen Stadt, wie sie im Mondenlichte dalagen, und dann dachte er: ob wohl unter diesen Dächern ein Herz noch einmal für ihn schlagen möge, ob er in dieser großen weiten Stadt noch einmal jemand finden werde, der ihn so recht lieb habe, und den er so recht lieb haben könne vom Grunde seines Herzens. Und der Mond schien ihm voll ins Antlitz, und die Sterne blitzten hell hernieder. Ferne standen dunkel und schweigsam die hohen Kirchentürme, und das Rollen und Brausen der großen Stadt drang zu ihm herauf, der großen Stadt, darin er so ganz allein war.
Er war sehr fleißig und arbeitete wohl den ganzen Tag. Wenn dann der Abend kam, eilte er durch das Drängen und Treiben der Stadt ins Freie und freute sich an den lustigen Spielen der Kinder und über die fröhlichen Spaziergänger oder suchte sich eine einsame Stelle, um ungestört seinen Gedanken nachzuhängen.
Eines Tages im Sommer, als er so in der Dämmerung durch die Straßen ging, begegnete ihm ein Mann mit einem Hundekarren. Das war ein recht sonderbarer Mann. Er war nicht groß und etwas buckelig und trug einen langen, grauen Rock mit großen Taschen darin. Ein großer schwarzer Hut mit breiter Krampe verdeckte sein kleines graubärtiges Gesicht, so daß, wenn er mit seinen tiefliegenden, dunklen Augen jemanden ansehen wollte, er den Kopf ganz in den Nacken legen mußte. Er sah mit dem zugeknöpften langen Rocke und dem breitkrämpigen Hute beinahe wie ein riesiger Pilz aus.