SASCHA
Das Ende der Unschuld
Andy Claus
„Mit 22 zum ersten Mal von einem Freund mit in die Kölner Schwulenszene genommen, fühlte ich mich dort zu Hause. Ich fand Freunde, Gegner und Geschichten. Als ich zu schreiben begann, gab es nur ein Thema. Ich wollte über schwule Männer schreiben – gegen alle Widerstände, gegen das Vorurteil, dass Frauen nicht über Schwule schreiben können.
Die schwule Welt wurde zu meiner Welt. Ich wollte unterhaltsam und realistisch über sie schreiben. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, rein technisch oder aus einem wissenschaftlichen Aspekt heraus. Ich schreibe von der Basis aus und lege Wert darauf, einzelne Menschen in ihrem Umfeld zu begleiten, ihre Geschichte zu erzählen.“
Dieses Stricherdrama bringt dem Leser durch seine schonungslos ehrliche Erzählweise die desolate Welt am Rande unserer Gesellschaft nahe. Er begleitet er den jungen, naiven Sascha und schildert seinen brutalen Überlebenskampf.
E-book Ausgabe April 2012
Himmelstürmer Verlag, part of Production House GmbH, Hamburg
www.himmelstuermer.de
E-mail: info@himmelstuermer.de
Originalausgabe, September 2003
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages
Foto: TeeJott photography, Köln.
Teejott-photography@web.de www.teejott-online.com
Umschlaggestaltung: h plus p, Hamburg
ISBN 978-3-942441-27-8 ePub
ISBN 978-3-942441-27-8 PDF
ISBN 978-3-942441-27-8 PRCNachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages
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Umschlaggestaltung: h plus p, Hamburg
ISBN 978-3-942441-27-8 ePub
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ISBN 978-3-942441-27-8 PRC
Die Blechschlange wälzte sich über den Asphalt. Hinter den Windschutzscheiben der kleinen Autos sah man angespannte, aber auch von Tränen nasse Gesichter.
Die Entwicklung war eigentlich zu schön, um wahr zu sein, aber noch hatte man die Grenze nicht erreicht. Was, wenn doch noch etwas schief ging, jetzt, wo die ersehnte Freiheit fast greifbar erschien? Die Angst fuhr mit, als die Trabbis und Wartburgs sich langsam zum Tor in den goldenen Westen, zur Grenze, durchdrängelten. Auch wenn die Zukunft unsicher war, jeder glaubte fest daran, dass es nur besser werden konnte. Irgendwo in diesem Chaos saß auch die Familie Dombrowsky in ihrem Trabbi. Wie die anderen hatte sie allein für die Hoffnung, dass die Zukunft leichter zu ertragen sein würde, alles hinter sich gelassen. Sie nutzten die Möglichkeit, aus diesem Teil Deutschlands auszubrechen, das sie wie ein Gefängnis für Leib und Seele empfanden.
Überstürzt wurde ein Teil der Habe eingepackt, das meiste musste zurückbleiben. Aber was bedeutete das jetzt noch? Hier im Westen Deutschlands, wo jeder für die Erträge seiner Arbeit kaufen konnte, was er haben wollte, würde es kein Problem werden, neu anzufangen. Der Einsatz dafür war harte Arbeit und arbeiten, das konnten sie. So mussten die Träume einfach erfüllt werden, sie würden sich neue Freunde suchen, brauchten nie wieder Angst vor Spitzeln im eigenen Wohnzimmer zu haben. Die Zeichen der Zeit sprachen dagegen, lange nachzudenken.
Nun hatte auch der kleine, dunkelrote Trabbi den Grenzbaum erreicht, sie sahen in freundliche Gesichter, die Fernsehkameras surrten. Manfred Dombrowsky wurde am Fenster des Wagens gefragt, wie er sich denn fühle, und als er antwortete, spürte er einen riesigen Kloß im Hals. Mit feuchten Augen bestätigte er erwartungsgemäß, glücklich zu sein und seine Frau Angelika nickte dazu.
Sie rechneten damit, die erste Durststrecke schon bald zu überwinden, Manfred war Schreiner und die Familie würde der Allgemeinheit nicht lange zur Last fallen. Er verstand etwas von seinem Beruf, das konnte die Fahrkarte zu einem besseren Leben werden. So hofften sie wenigstens.
Der Wagen wurde durchgewinkt, im Taumel der neu erworbenen Freiheit mitten hinein in die Brandung von Menschen. Hinter ihnen blieben die Scherben dessen zurück, das ihnen alle Unabhängigkeit genommen und ihnen die Willkür aufgezwungen hatte.
Noch wusste man nichts von den harten Bandagen, den neuen und unbekannten Regeln, die ihnen der Westen als Gegenleistung für die ersehnte Individualität diktieren würde. Nur der Glanz war wichtig, die vordergründigen Verlockungen des Konsums ließen alle Zweifel zerplatzen wie Seifenblasen.
Manfred parkte wie alle auf dem großen Parkplatz - geschafft. Eingeschlossen von vielen anderen Kleinwagen stiegen die Dombrowskys aus. Sie redeten mit Fremden, als seien sie alle nur eine einzige, große Familie.
Sie kratzten die DDR-Plaketten wie ein letztes, entwürdigendes Brandmal ihres bisherigen Lebens ab. Manfred und Angelika fanden schnell Kontakt. Es wurde politisiert und polemisiert, jeder hatte viel zu sagen. Aber in einem waren sich alle einig - es würde nun aufwärts gehen, endlich auch einmal für sie. Tochter Inge und Sohn Alexander Dombrowsky sahen diese Entwicklung etwas anders. Sie waren nicht der Meinung ihrer Eltern, wollten nicht hierher. Sie fühlten sich übergangen und zugunsten einer ungewissen Zukunft aus dem Kreis ihrer Freunde gerissen.
Alexander, von allen nur Sascha genannt, wurde erst vor ein paar Tagen zwölf. Er verhielt sich seit der Abreise widerspenstig, ging bei jeder Gelegenheit in Opposition. Inge, knapp sechzehn, hatte sich halbwegs abgefunden. Sie würde jedoch, da war sie sicher, mit achtzehn nach Kemnitz zurückgehen - der Stadt, in der sie sich gerade das erste Mal verliebt hatte.
Ein Hotel inmitten von Berlin war die erste Station der Familie. Sie hatten es mit einiger Mühe erst gegen Abend erreicht. Beengt hausten sie in einem Zimmer. Das war nicht gerade dazu angetan, die Laune innerhalb der Familie zu verbessern. Die Eltern sahen darin allerdings nur die unvermeidbare Zwischenstation, die schnell zu überwinden sein würde. Es dauerte fast einen Monat, bis sie die nächste Unterkunft ansteuerten. Sie lag in Köln/Hürth, weit ab vom pulsierenden Leben der Großstadt Berlin. Dort bezogen sie ein weiteres provisorisches Heim, den Wohncontainer auf einem Parkplatz.
Wieder nahm Sascha die Behelfseinrichtung sauer zur Kenntnis und dachte an sein Zuhause in Kemnitz, wo er wenigstens sein eigenes Zimmer gehabt hatte. Er brauchte ein wenig Zurückgezogenheit, um seinen Phantasien nachhängen zu können. Sascha war schon immer ein Träumer. Er brauchte seine Illusionen wie die Luft zum Atmen. Gerade in dieser Zeit wollte er sich in seine eigene Welt, in der er alles tun konnte, zurückziehen. Die Enge des Containers gab ihm keine Möglichkeit dazu. Er glaubte den Versprechungen seines Vaters nicht, erkannte an dessen Beteuerungen nur dessen Ohnmacht den tatsächlichen Gegebenheiten gegenüber.
Die Wochen vergingen langsam, Sascha wurde immer mutloser. Er konnte der ganzen Situation nichts Positives abgewinnen und gab seine wehmütigen Gefühle an die ganze Familie weiter. So blieb es erst einmal, wie es war ... sie wurden vom Staat finanziell unterstützt. Auf ein menschenwürdiges Heim und Arbeit mussten sie weiterhin warten und das ließ das Selbstwertgefühl kentern wie ein löchriges Boot. Zu allem Überfluss liefen ihnen die verschiedensten Vertreter die Türe ein. Möbel sollten sie bestellen und Versicherungen abschließen. Jemand bot ihnen sogar eine Chinchillazucht als mögliche Existenzgrundlage an. Manfred jedoch ließ sich trotz seines Zwiespalts auf nichts ein. Er redete sich trotzig ein, er würde seine Chance in dem Beruf, von dem er etwas verstand, schon noch bekommen.
*
Inzwischen war es Dezember geworden, bald würde Weihnachten sein. Alle Geschäfte glänzten in einer nahezu überirdischen Pracht. Sascha stand nur davor und malte sich aus, wie es sein würde, wenn er sich etwas davon kaufen könnte. In dem Jungen wuchs ein stiller Hass auf diejenigen, die sich dies alles leisten konnten, und er zog sich noch mehr in sich zurück. Weder seine Familie noch andere Menschen kamen an ihn heran. Schon bald versuchte es auch niemand mehr. Zu heftig war der Widerstand des Zwölfjährigen.
Am Heiligen Abend saß man um den kleinen Tisch herum, die vier Kerzen auf dem Adventskranz brannten. Für einen Weihnachtsbaum war kein Platz in der engen Behausung und so gab man sich mit wenig schillerndem Lametta auf einem bereits die Nadeln verlierenden Kranz zufrieden.
Inge weinte. Sie hatte gerade ihre letzten Markstücke dafür ausgegeben, nach Kemnitz zu telefonieren. Dabei erfuhr sie, dass auch ihr Freund mit seiner Familie in den Westen ging. Niemand wusste, wo er geblieben war und für Inge bedeutete dies das endgültige Aus.
Angelika und Manfred hielten sich die Hand. Es wirkte wie das verzweifelte Festhalten an einer Familie, die zu zerbrechen drohte. Manfred begann wieder mit tröstenden Durchhalteparolen, aber niemand hörte ihm zu. Sogar seine Frau dachte nur an die Vergangenheit.
Gleich nach dem Essen hielt Sascha es nicht mehr aus. Er musste raus hier, weg von der Mutlosigkeit der anderen. Seine Familie konnte seine Melancholie nicht verscheuchen, weil sie selbst zu bedrückt war. Er wollte nicht zugeben, wie ihm zumute war. Wollte nicht sagen, dass er bereits frühzeitig erkannte, dass es ein Fehler gewesen war, alle Brücken zum früheren Leben abzubrechen. Mit dem Instinkt eines Kindes hatte er bereits erkannt, dass hier im Westen nichts anderes zählen würde als Geld. Geld, das er nicht zur Verfügung hatte und welches in seiner bisherigen Welt auch nicht so wichtig war. Schließlich waren seine Freunde wie er gewesen. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er jetzt bitter und verstockt auf die Zeit warten wollte, die ihm die Entscheidungsfreiheit geben würde, zurück in seine Heimat zu gehen.
Sascha wollte auf keinen Fall sentimental werden, deshalb verließ er den Kreis seiner Familie und ging hinaus. Ziellos lief er in der kalten Dunkelheit zwischen den Wohncontainern umher, und erst als er aus einem von ihnen ein Weihnachtslied vernahm, blieb er stehen. Er wollte wütend werden über die Emotionen, die das Musikstück in ihm wachrief. Trotzdem stahlen sich jetzt in seine fast schwarzen Augen Tränen.
Sascha lehnte seinen Kopf gegen eine der Wände. Die durchdringende Kälte des Metalls schmerzte. Mit dem Jackenärmel wischte er ärgerlich die lästigen Tränen weg. Da musste er jetzt ganz einfach durch. Aber er nahm sich vor, es seinen Eltern so schwer wie möglich zu machen. Sie sollten jeden Tag aufs Neue spüren, wie sehr er ihre Entscheidung missbilligte, wegen der er in einem reichen Land Deutscher zweiter Klasse sein sollte. Und dass er dies war, merkte er vor allem in der Schule. Am ersten Tag brachte der Rektor ihn in seine Klasse und Sascha sah, dass die anderen ihn musterten, die Köpfe zusammensteckten, tuschelten und lachten. Er stand neben dem Lehrer vor der Klasse, fühlte sich wie ein seltenes Tier im Zoo und war froh, als er sich nach der Vorstellung endlich hinsetzen durfte. Er bekam einen Platz ziemlich weit hinten.
Neben ihm saß der dreizehnjährige Marc. Er war ein Junge, welcher auf eine deutliche Art und wohl absichtlich kauzig wirkte. Seinen stämmigen Körper umschlotterte viel zu weite Armeekleidung und sein von Natur aus wohl blondes, kurz geschorenes Haar zierte ein eingefärbtes Leopardenmuster. Sascha wollte eigentlich keinerlei Kontakt mit dem scheinbaren Klassenfreak, erst recht nicht als er erfuhr, dass Marc wie er aus dem Osten stammte.
Aber auch zu den anderen Kindern fand er an diesem ersten Tag keine Annäherung. Man ließ ihn genau wie Marc links liegen. Er fühlte beinahe körperlich den Spott, den sie für ihn bereithielten und mit dem sie ihre Neugier kompensierten. Nach Schulschluss kam es zur ersten Konfrontation. Sascha war im Begriff, den Schulhof zu verlassen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Er drehte sich erstaunt um und sah sich Marc gegenüber.
„Ach, du bist es.“
Er gab seiner Stimme einen deutlich abwertenden Klang.
„Ja, ich. Wen hast du erwartet? Axel Rose? Was ist eigentlich mit dir los? Die ganze Zeit hast du nicht mit mir geredet, obwohl wir nebeneinander sitzen. Ein verblödetes Ja, ein dummes Nein, das war alles. Du hältst dich wohl für etwas Besseres.“
Sascha betrachtete Marcs abgefahrenes Äußeres und verzog geringschätzig das Gesicht.
„Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen? Du hältst dich wahrscheinlich für cool. Ich finde es ätzend, wie du aussiehst. Und nur, weil wir beide aus der DDR kommen, brauchen wir nicht unbedingt Freunde werden. Nimm das nicht persönlich. Ich will auch die anderen kennen lernen und wenn wir hier zusammen herumstehen, denken sie vielleicht, wir wollen mit ihnen nichts zu tun haben.“
„Wenn ich dir gleich die Fresse poliere, solltest du das dann auch nicht unbedingt persönlich nehmen. Was passt dir denn nicht an mir? Meine Haare? Die Klamotten? Ich will eben nicht rumlaufen wie die anderen Ärsche. Ich bin anders und will, dass man das gleich sieht. Anpassen tun sich schon genügend Leute. Außerdem siehst du mit Sicherheit schlimmer aus als ich. Dein Outfit wirkt, als hättest du es gerade eben von der Caritas bekommen. Wenig originell, Alter - echt.“
Sascha schwieg, also nahm Marc den Faden wieder auf.
„Du willst also den Wessis in den Arsch kriechen. Na, viel Glück, du wirst schon sehen, was du davon hast. Für die bist du doch nur der arme Ossi, mit so was kann man nicht befreundet sein, so was hält man sich höchstens als Haustier. Gewöhn´ dich schon mal dran ...“
Damit ließ Marc Sascha einfach stehen. Dieser schaute an sich herunter. Es stimmte, seine Sachen waren alles andere als modern. Die Stoffhose mit den ausgebeulten Knien wurde schon wieder etwas kurz, Sascha wuchs einfach zu schnell und war für sein Alter schon sehr groß.
Sein dicker, rostbrauner Pullover mit dem Schwedenmuster sah ebenfalls bereits ziemlich abgetragen aus. Es war kein Geld da und er nun einmal aus seinen Hosen herausgewachsen. Sascha zuckte die Schultern und machte sich auf den Nachhauseweg.
Dabei musste er an einer Gruppe Jugendlicher vorbei und erkannte unter ihnen einige aus seiner Klasse. Sein Herz klopfte heftig, er war schrecklich unsicher, trotzdem blieb er kurz stehen und versuchte ein überlegenes und doch freundliches Lächeln aufzusetzen. Er wollte so lässig wie nur möglich wirken. Damit schien er auch tatsächlich einen gewissen Erfolg zu haben, denn eines der Mädchen fragte ihn mit einem beinahe professionellen Augenaufschlag:
„Na, willst du mich nicht zum Eis einladen?“
Sascha wurde rot und dachte an die fünfzig Pfennige, die er in der Tasche hatte.
„Komm schon“, mischte sich einer der Jungs ein.
„Du willst doch wohl nicht mit so einem gehen? Guck dir mal an, wie der aussieht. Dabei sagen meine Eltern, die Ossis kriegen so viel Geld geschenkt, dass sie sich gleich ein Haus kaufen können, wenn sie herkommen. Aber die sind ja bescheuert, die wollen auch hier noch weiter so kommunistisch bleiben wie sie drüben waren.“
Zu Sascha gewandt fuhr er hochmütig fort:
„Was ist, kennst du die Bücher von Marx und Engels auswendig? Wollt ihr bei uns jetzt auch Kolchosen einrichten? Red’ doch schon oder sind wir dir nicht fein genug?“
Alle lachten und Sascha spürte, dass ihm die Tränen kamen. Aber er nahm sich zusammen und antwortete:
„Du bist ja total hohl. Ich bin kein Russe, wir hatten keine Kolchosen in der DDR. Und Geld lassen wir uns auch nicht schenken.“
Dann lief er los, als habe er es plötzlich sehr eilig. Er floh vor der Arroganz der anderen, weil er sich nicht wehren konnte. Es sah aus, als habe Marc Recht. Man wollte ihn hier nicht.
Schon am nächsten Tag überlegte Sascha, ob er nicht lieber die Schule schwänzen sollte. Er konnte diese demonstrative Verachtung nicht ertragen und malte sich aus, wie sehr es ihn aufwerten würde, wenn er Geld hätte. Sobald er Markenjeans trug, konnte er mitreden, das war sonnenklar. Aber vorerst sah es nicht so aus, als würde bald ein Wunder geschehen. So saß er weiter pleite neben Marc und kapselte sich vollkommen ab.
Er war froh, wenn er mittags wieder heimgehen konnte. Er hockte dann meist unter dem einzigen Baum am Parkplatz neben den Containern und machte seine Hausaufgaben. Es war ihm egal, dass die Erde unter ihm gefroren war. Es war ihn auch egal, dass die Leute ihn selbst hier komisch ansahen. Er fühlte sich einsam und wollte es auch bleiben. Jedenfalls redete er sich das ein.
*
Mit den Wochen pendelte es sich dann doch ein, dass Sascha sich mit Marc unterhielt. Er wollte nicht völlig allein dastehen. Er brauchte Solidarität, egal von wem. Er genoss es, wenn Marc als der Robustere der beiden sich nicht die Butter vom Brot nehmen ließ. Marc hatte für jede Attacke die passende Antwort parat. Obwohl sie sich mittlerweile nicht mehr ganz fremd waren und Sascha festgestellt hatte, dass Marc eigentlich ein guter Kumpel sein konnte, trafen sie sich bisher nur in der Schule. Heute jedoch lud Marc Sascha ein weiteres Mal für den Nachmittag ein. Sascha dachte an sein reizloses Zuhause und so kam es, dass sie sich diesmal gegen drei am Gürzenich trafen.
Sascha hatte sich bereits an Marcs schrilles Outfit gewöhnt. Aber die Blicke der Passanten, die Marc selbst nicht im geringsten interessierten, nervten Sascha doch sehr. Er wollte nicht auffallen, was in Marcs Nähe unmöglich war.
Allerdings ging es während ihres Treffens auch nicht um Marcs Kleidung, denn dieser ließ es sich nicht nehmen, Sascha in seinen Lieblingsjeansshop auf der Hohestraße mitzunehmen. Dort kaufte er trotz Saschas allerdings nur halbherzigen Protestes eine fliederfarbene, mit Fell gefütterte Collegejacke, Jeans, Stiefel und ein Guns n’Roses-Sweatshirt.
Dabei fiel Sascha ein weiteres Mal auf, dass Marc fast immer Geld bei sich hatte. Es war mal mehr, mal weniger. Nur ganz selten war er vollkommen blank. Bisher wagte Sascha noch nicht, Marc zu fragen, wie er an das Geld kam. Heute jedoch tat er es. Marcs Antwort war kurz und eindeutig:
„Ich gehe anschaffen.“
Sascha bekam kreisrunde Augen.
„Du gehst was?“
„Anschaffen, du Nase. Sexausverkauf. Guck nicht so blöd. Ich bin kein Außerirdischer.“
„Du lässt dich für Sex bezahlen? Wo ... wo lernst du denn die Frauen kennen?“
„Nicht Frauen, Alter! Männer! Das geht schneller, Frauen stellen zu viele Ansprüche. Ein Arsch ist schnell geknallt, ein Schwanz noch schneller gewichst, während man bei den Weibern noch irgendwelche mysteriösen G-Punkte finden soll. Und davon verstehe ich nichts. Das macht auch zuviel Arbeit. Ich lerne die Typen am Bahnhof und in bestimmten Lokalen ringsherum kennen. Sonst noch Fragen?“
„Männer?“
„Ja, das sind die aufrecht gehenden Tiere, die den Schwanz vorn tragen. Schon gehört?“
Sascha starrte Marc an. Er konnte nicht sofort begreifen, was er gerade erfahren hatte. Dann aber fragte er wie aus der Pistole geschossen:
„Bist du denn schwul?“
„Eigentlich kann man auch am Fließband stehen ohne ein Maschinenteil zu sein. Wieso, wäre es ein Problem für dich, wenn ich auf Männer stände?“
„Ich weiß nicht genau.“
„Okay, ja ich bin schwul. Wird sich zwischen uns deshalb was ändern? Du weißt, ich wollte immer dein Freund sein.“
„Ja - ich meine nein, es wird sich nichts ändern. Außerdem hätte ich ja gar keinen Ersatz für dich und dann wäre ich wieder allein“, sprach Sascha ungeniert aus, was er dachte.
„Na, danke vielmals. Besser einen perversen Freund als gar keinen. Und ich hatte mir eingebildet, du würdest mich ein wenig mögen.“
„Ich bin aber nicht schwul.“
„Mensch, halt die Klappe, Alter ... was hat das denn damit zu tun?“
„Ich meine ja nur ... ich verstehe das sowieso nicht. Du bist doch erst dreizehn.“
„Ich bin nicht erst dreizehn, sondern schon. Die Typen stehen auf Frischfleisch.“
„Das meine ich nicht. Wie kannst du jetzt schon wissen, ob du schwul bist. Hast du denn schon mal mit einem Mädchen - ich meine so richtig?“
„Nein. Aber das muss ich auch nicht. Ich weiß es eben, das hat sich so ergeben. Bei Mädchen fehlt was, mit dem ich mich sehr gut auskenne, wenn du verstehst, was ich meine.“
„Da fehlt nix, die haben was anderes. Ich interessiere mich sehr dafür. Und ich werde mich auch einmal damit auskennen. Ich wünschte, ich hätte schon ’ne Freundin.“
„Versuch’ nicht, mich umzudrehen. Für mich ist sicher, dass ich auf Männer stehe. Können wir jetzt von etwas anderem sprechen?“
Sie hatten mittlerweile die Domplatte erreicht, Marc erzählte, dass
dort einige seiner Freunde rumhingen. Es waren Punks und Junkies - Kids, die von Anfang an am Rande der Gesellschaft standen und sich damit arrangierten.
Sascha fühlte sich in dem unkonventionellen Haufen von Anfang an wohl. Es sollte in Zukunft außer seiner Familie die einzige Anbindung sein, die er in Köln hatte, denn die Clique akzeptierte ihn. Das war ein zu kostbares Gefühl für Sascha, als dass er es freiwillig wieder aufgeben würde.
Als er an diesem Abend nach Hause kam, hatte er einen Riesenkrach mit seinem Vater, der ihm den Diebstahl der neuen Kleidungsstücke unterstellte. Manfred nahm sich nicht die Zeit, Saschas Erklärung abzuwarten, er schlug sofort zu wie es in der letzten Zeit schon öfter vorgekommen war. Sascha war machtlos und auch Angelika konnte wie so oft nichts tun, sie weinte nur, was Manfred noch wütender machte.
Manfred reagierte auf seine Weise auf die menschenunwürdige Enge, in der niemand dem anderen ausweichen konnte. Er gab den Druck, unter dem er stand und auch den Frust, weil er einfach keine Arbeit fand, an die Familie weiter.
Wie auch nach dieser Aggression seines Vaters trieben die Umstände Sascha so oft wie möglich aus dem Container hinaus. Abends im Bett versank er in Wachträume, in denen er ein besseres Leben führte. Immer war er ein Held, der Schutzbefohlene aus der Gefahr rettete und dafür geliebt und geachtet wurde. Die Wirklichkeit jedoch sah auch weiterhin anders aus. Er bekam weder die Möglichkeit, sich bei irgendjemanden als Heros zu beweisen, noch brachte ihm jemand demonstrativ Liebe und Verehrung entgegen. Trotzdem traf er sich fast jeden Nachmittag mit Marc und der Clique auf der Domplatte. Bei ihnen glaubte er sich wenigstens gern gesehen. Er bekam natürlich mit, dass der eine oder andere von den Straßenkindern sich ansprechen ließ und anschließend für eine Weile verschwunden war. Er tauchte jedoch meist schon kurze Zeit später wieder auf und es gab Bier oder etwas zu essen. Marc sorgte dafür, dass Sascha nicht belästigt wurde. Trotzdem versuchte er immer wieder, ihn davon zu überzeugen, dass es gar nicht so schlimm sei, auf diese Weise für Kohle zu sorgen.
Sascha allerdings wollte sich gar nicht so genau vorstellen, wie die Realität aussah. Er wollte auch nicht wissen, was Marc und die anderen mit den Männern anstellen mussten, um ihr Geld zu verdienen. Wenn er abends im Bett lag, malte er sich zwar aus, wie es sein könnte, wenn er das Geld hätte. Dabei blieb die Weise, wie er solche Einkünfte erzielen sollte, für ihn allerdings weiterhin unvorstellbar. Trotzdem tastete er sich dabei unbewusst und kaum merklich immer näher an das Strichertum heran.
*
Dann kam der Tag, an dem Manfred schon mittags sauer heim kam. Er brüllte herum, ohrfeigte Sascha, weil dieser nicht sofort aufstand und ihm eine Flasche Bier holte.
Angelika, genauso mit ihren Nerven am Ende, schrie ebenfalls Sascha an, weil der beim Aufstehen versehentlich die Tischdecke mit sich riss, und dieser glaubte einen Augenblick, alles würde über ihm zusammenstürzen. Er rannte einfach hinaus zu seinem Baum, rutschte am Stamm hinunter und vergrub seinen Kopf in den Armen. Wie sollte er das weiter aushalten?
Eigentlich hatte er für den Mathematiktest lernen wollen, der am nächsten Tag anstand. Aber diese Arbeit konnte ihm nichts nützen, es würde weitergehen wie bisher und er sah keinen Sinn darin. Er wollte nur weg, weg aus dem Container und weg von seinen Eltern.
Und er brauchte Geld, schnell viel Geld, um sich das Leben so zu gestalten, wie er es sich vorstellte. Was nützte es, wenn er für einen guten Beruf lernte, der ihn erst in einigen Jahren aus dieser Misere herausholte? So schlich er später noch einmal hinein, schnappte seine Jacke und lief los Richtung Bus, um in die Innenstadt zu fahren. Er brauchte Marc jetzt, es tat schon gut, wenn er ihm sein Herz ausschütten konnte. Was machte es, dass sein Freund ihm auch nicht wirklich zu helfen vermochte?
Er musste nicht lange nach Marc suchen. Dieser merkte ihm auch sofort an, dass etwas nicht stimmte. Sascha erzählte ein weiteres Mal von seinen Schwierigkeiten und bekam die Antwort, die er bereits genauso oft gehört hatte:
„Dann geh einfach nicht nach Hause. Ich tu das doch auch nicht mehr.“
„Aber die werden mich suchen und zurückbringen.“
„Ja und? Dann haust du wieder ab. Wo ist das Problem? In die Schule müssen sie dich schicken und von da kannst du jederzeit türmen. Du musst dir mal eins merken ... du bist erst zwölf. Dir kann niemand was.“
„Doch, mein Vater schlägt mich krankenhausreif und sie können mich ins Heim stecken.“
„Dann reißt du von dort aus. Keiner kann dich halten, wenn du es nicht willst. Denk an die Freiheit, die du dann hast. Niemand macht dir mehr Vorschriften. Du musst mal anfangen, dich durchzusetzen.“
„Und wieso kommst du dann in die Schule? Würde ich nicht machen.“
„Weil ich ein Abkommen mit meiner Alten habe. Sie lässt mich nicht suchen und tut so, als ob ich abends süß in meinem Bettchen liege, wenn ich dafür weiter in die Schule gehe. Ich kann im Gegenzug pennen, wo ich will und kein Übereifriger von irgendeiner Behörde muss sich um mich kümmern. So sind alle zufrieden. Das Jugendamt hat keine Arbeit mit mir, ich genieße meine Freiheit und auch meine Alte freut sich, wenn alles so stressfrei abgeht. Du weißt schon, warum.“
Natürlich wusste Sascha, dass Marcs Mutter in der Notunterkunft ihre Freier empfing. Es war ihr Recht, wenn ihr Sohn nicht heimkam.
„Und wovon soll ich leben?“
„Fragst du das im Ernst?“
„Ich weiß, ich soll anschaffen wie du. Meinst du denn, ich habe das Zeug dazu?“
Marc lachte laut auf.
„Das Zeug dazu trägst du in deiner Hose, Alter. Und so, wie du aussiehst - sie werden Schlange stehen. Sie stehen auf lange, schwarze Locken und dunkle Samtaugen. Versuchs doch einfach mal.“
„Was muss ich denn machen?“
„Ich erkläre es dir, wenn du willst.“
Marc fertigte zwei Freier ab, dann ging er mit Sascha in eine Kneipe und gab ihm dort einige Bier und ein paar Tipps aus. So, wie er es darstellte, würde es ein Kinderspiel sein und Sascha ging darauf ein.
Er würde es versuchen, aussteigen konnte er immer noch. Letztendlich kam ihm in seiner Situation jedes Leben lebenswerter vor als das, welches er momentan mit seiner Familie zusammen führte.
Trotz seiner Entscheidung dauerte es noch zwei Wochen, bis er tatsächlich diesen Schritt wagte. Zu Hause hatte es wieder Krach gegeben und es war schon zweiundzwanzig Uhr, als er Hals über Kopf vor Manfreds durch Alkohol bedingter Gewalttätigkeit floh.
„Ich geh nicht mehr zurück. Nie mehr.“
Marc fand das ganz okay, sie hatten schließlich schon oft genug darüber gesprochen, ob es irgendwo einen Ort gab, an dem Sascha übernachten konnte. Aber Sascha hatte bisher immer gekniffen, wenn es ernst wurde. Jetzt nahm Marc Saschas Äußerung, nicht heim zu wollen, beinahe schon nicht mehr ernst. Nun allerdings war der Zeitpunkt tatsächlich da und Marc brachte Sascha zu einem Haus nahe des Bahnhofs. Der Ältere wusste von einem Zimmer, das dort zur Verfügung stand. Irgendjemand hatte es gemietet, nicht einmal Marc wusste, wer das war. Fest stand nur, dass man im Monat für das 25 qm große, feuchte Loch tausend Mark zusammenbekommen musste. Die verschiedensten Kids wohnten zeitweise dort, jeder gab ab, was er konnte und einmal im Monat wurde das Geld abgeholt. War der Betrag nicht vollständig, warf man sie alle einfach auf die Straße. Allerdings passierte das so gut wie nie, weil das Zimmer eine Art kollektiver Besitz von fast zwanzig, nur zeitweise dort hausenden Jugendlichen war.
Als Sascha das Zimmer dann jedoch sah, blieb ihm die Sprache weg. Er hatte gedacht, der Container sei bereits schlimm, aber dies übertraf alles.
„Wenn du dich lieber irgendwann erschlagen lassen willst, weil dein Alter keine Arbeit findet, musst du ja nicht herkommen“, war Marcs einziger Kommentar.
Sascha atmete flach, um den abgestandenen Geruch nicht so intensiv wahrzunehmen und sah sich um. Ringsherum auf dem Boden verteilt lagen schmutzige Matratzen und Decken. Im diffusen Licht sah Sascha, dass nur zwei der Matratzen belegt waren. Überall standen Kerzen auf dem fleckigen Holzboden. Außer zwei wurmstichigen Stühlen gab es keine Möbel. Die Küchenzeile war demoliert, die Schränke waren teilweise ohne Türen und mit verschiedenfarbigen Krusten beschmiert. Quer durchs Zimmer hatte jemand eine Leine gezogen, auf der Wäsche hing und die Fenster waren mit alten Decken verhangen.
Direkt unter einem riesigen, grauschwarzen Wasserfleck an der Wand mit der teilweise in Fetzen herunterhängenden Tapete lag ein Mädchen, das Sascha nicht kannte. Neben ihr brannte ein Grablicht, das wie ein Orakel für die Zukunft der Kleinen wirkte. Der rote Schein beleuchtete einen Teelöffel, die daneben liegende Spritze und den abgeschabten Kunstledergürtel, der locker noch immer um ihren Arm hing. Als Sascha weiterging, kickte er mit dem Fuß ein Fläschchen Zitronensaftkonzentrat weg.
„Und wo soll ich hier schlafen?“, fragte Sascha kleinlaut.
„Hau dich irgendwo hin, ich bleibe heute auch hier. Das Klo ist übrigens unten am Ende des Flurs und da ist auch die Dusche.“
Sascha mochte sich gar nicht vorstellen, wie dieses Bad wohl aussehen würde, konnte aber nicht verhindern, dass er auf die Toilette musste. Er versuchte, den Grünspan, der die alten Bleirohre überzog, nicht zu sehen. Es fiel ihm schwer. Sein Blick fiel auf die verrostete Schiene, von der ein vergilbter Plastikvorhang hing. Die Ösen waren bis auf drei bereits ausgerissen. Jemand hatte mit mittlerweile verrostetem Draht versucht, das spröde Plastik nicht herunterfallen zu lassen.
Er warf einen Blick in den halbblinden, fleckigen Spiegel und konnte sich dort kaum erkennen. Eine nackte Glühbirne baumelte armselig von der Decke und beleuchtete eine schmutzige Toilette, deren zerbrochener Plastikdeckel in der Ecke daneben lag. Das graugelb verfärbte Waschbecken schien zum Aschenbecher umfunktioniert worden zu sein, der Abfluss wurde von durchweichten Kippen blockiert. Durch das provisorisch mit einer Alditüte abgeklebte Loch in der Fensterscheibe kam die Märzkälte herein. Sascha konnte sich nicht vorstellen, hier zu duschen. Und das sollte seine Zukunft sein?
Er schüttelte sich und ging zurück ins Zimmer, wo Marc auf ihn wartete. Sie mussten noch einmal zurück zum Bahnhof, denn Sascha wollte heute das erste Mal Geld verdienen. Es passte ihm zwar nicht, für diese dreckige Unterkunft zu zahlen, aber Marc hatte ihm schon im Vorfeld erklärt, dass er sich nicht davor drücken konnte.
Diejenigen, die beinahe ständig hier wohnten, achteten rabiat darauf, ihre Miete zusammen zu bekommen, es hatte oft Streit gegeben. Dabei ging immer die Sage um, dass nur einmal jemand versuchte, den bereits zusammengesparten Betrag aus der dafür vorgesehenen, verbeulten Blechdose zu entwenden. Man erwischte ihn und es war sicher, dass er es kein weiteres Mal ausprobieren würde, nachdem er zusammengeschlagen im Straßengraben aus seiner Ohnmacht erwachte. Also gab es für Sascha keinen anderen Weg, als sich Geld zu beschaffen.
„Ich glaube, jetzt ist es ein bisschen spät für den Bahnhof“, meinte Marc nach einem Blick auf seine Uhr. „Die machen dicht, und wenn die weißmützigen Bullen im Rudel unterwegs sind, traut sich sowieso kein Freier hin. Aber das ist kein Problem, gehen wir eben woanders hin.“
Sascha hatte ein merkwürdiges Gefühl in dieser ersten Nacht, in der er so lange unterwegs war und außerdem nicht vorhatte, überhaupt nach Hause zu gehen. Anders als Marc wollte er nicht mehr in die Schule gehen, denn dort würde man ihn naturgemäß zuerst suchen. Er war sich bewusst darüber, dass er von diesem Tag an ständig auf der Flucht sein würde, aber das war seine fragliche Freiheit ihm wert. Es musste einfach etwas passieren, und zwar jetzt. Außerdem konnte er sich etwas Besseres suchen, wenn er erst einmal gut verdiente. Wenn er wirklich soviel Geld machen konnte wie Marc gesagt hatte, war ein eigenes Zimmer bald kein Problem mehr. Es gab vielleicht einen Weg, die üblichen Mietverträge zu umgehen oder einen Volljährigen zu finden, der für ihn den Vertrag machte. Und eines wusste Sascha ganz genau - er würde sparsam sein, damit er niemals wieder ohne Geld dastehen musste.
Alles in allem stellte er sich die Zukunft noch um einiges einfacher vor, als sie wirklich werden würde und es war wohl seine Jugend, welche ihm diese Naivität verlieh.
*
Gleich im ersten Lokal fand sich jemand, der sehr an Sascha interessiert war. Er stellte keine Fragen, sondern bot dem Jungen sechzig Mark, damit dieser ihm möglichst sofort im Waschraum zur Verfügung stand.
Marc nickte Sascha kurz zu und dieser trank drei Apfelkorn hintereinander, um seine Hemmungen endlich loszuwerden. Der Freier bezahlte die Getränke, aber man merkte ihm an, dass er leicht ungeduldig wurde. Er nahm Saschas Hand und drückte sie gegen seine Erektion, um ihm klarzumachen, dass es außerordentlich dringend für ihn war. Sascha zog die Hand zurück, als habe er sich verbrannt. Auf was hatte er sich da nur eingelassen?
Marc gab ihm zwar Tipps, trotzdem wusste er immer noch nicht bis ins Detail, was da unten bei den Toiletten von ihm erwartet wurde. Er zögerte, aber dann war Marc neben ihm. So, dass nur Sascha es hören konnte, flüsterte dieser:
„Entweder, du gehst jetzt mit runter oder du kannst gleich wieder nach Hause fahren. Ich habe keine Lust, für dich mit anschaffen zu gehen. Blas’ ihm einen, kassiere die Kohle und komm wieder rauf. Und denk dran ... lass dich nicht knallen. Die riechen einen Anfänger auf hundert Meter und versuchen fast immer, einen reinzulegen. Los jetzt.“
Er stieß Sascha unsanft vom Barhocker, und als dieser auf seinen Beinen stand, war das der Startschuss für den Freier. Im nächsten Augenblick war er bereits Richtung Waschraum verschwunden. Sascha hatte es nicht so eilig, aber schließlich machte er sich doch auf den Weg und stiefelte hinterher. Der Freier, ein fülliger Mittvierziger, zog ihn sofort in die Kabine und schloss die Tür. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren öffnete er seine Hose, und Sascha sah sich unversehens seiner ziemlich kurzen, leicht gekrümmt aufwärts stehenden Männlichkeit gegenüber.
„Jetzt mach schon“, wurde er aufgefordert und als er immer noch nicht reagierte, drückte der Mann ihn an den Schultern in die richtige Höhe.
Das drohende Unheil nun direkt vor Augen wusste Sascha eines genau ... er würde das da nicht in den Mund nehmen können. Als der Freier dann so nah zu ihm kam, dass er nicht mehr ausweichen konnte, wollte er aufstehen. Aber es war zu spät. Die Hände des Mannes wühlten sich in seine langen, weichen Haare und er versuchte, ihm trotz Gegenwehr seine Erektion in den Mund zu schieben. Sascha wandte den Kopf ab, nahm eine Ausdünstung wahr, die er niemals vorher gerochen hatte und begann, sich zu ekeln. Er wollte etwas sagen, den Mann bitten, dass er aufhörte. Aber er hätte den Mund nicht aufmachen dürfen, denn nun konnte er nicht mehr sprechen.
Er würgte und versuchte verzweifelt, den Kopf wieder zu drehen, aber er wurde festgehalten. Schließlich spürte er den warmen Strom, der in seine Kehle lief und hatte plötzlich die Kraft, den Mann von sich zu stoßen.
Er schaffte es nicht mehr, sich zum Toilettenbecken umzudrehen, sondern übergab sich an Ort und Stelle. Dabei erwischte er die Hosenbeine und Schuhe des Freiers, der daraufhin nach ihm trat und ihn in die Seite traf. Schimpfend schloss er die Tür auf und wollte hinausgehen, aber Sascha war aufgesprungen, rannte an ihm vorbei und stieß ihn dabei gegen die Wand. Somit war er zuerst am Waschbecken und spülte seinen Mund aus. Dabei kam es ihm wieder hoch, sein Gesicht wurde krebsrot und die Augen tränten. Dann war plötzlich Marc da.
„Hey, was ist denn hier los?“
Sascha war nicht in der Lage, zu antworten. Dafür tat es der Freier, der am anderen Becken versuchte, seine Hose zu reinigen.
„Diese Niete musste kotzen, guck mal, wie ich aussehe.“
„Hast du schon gelöhnt?“
„Kannst du mir vielleicht mal sagen, wofür? Die Reinigung kostet mehr als sechzig Mark. Wenn die Flasche da nicht in der Lage ist, mir einen zu blasen, soll er es nicht anbieten. Von mir bekommt er jedenfalls keinen Pfennig. Ich zahle schließlich auch nicht für verdorbene Schweinekoteletts.“
Marc machte blitzschnell einen Schritt auf den Mann zu, griff ihm zwischen die Beine und drückte zu.
„Das solltest du dir noch mal überlegen, du Wichser. Du hast doch abgespritzt, oder etwa nicht? Rück jetzt die Kohle raus.“
Der Mann wagte nicht, sich zu bewegen.
„Wird’s bald, du Sackratte?“ Der Griff wurde härter und Marc drehte sein Hand.
„Ist ja schon gut.“
Er zückte seine Brieftasche und gab Marc nun doch das Geld, dann ließ er die beiden allein. Sascha stand mit hängenden Armen und dem Rücken ans Waschbecken gelehnt einfach nur da und schaute Marc aus großen, rotgeäderten Augen an. Ihm war noch immer übel und er glaubte, er würde diesen Geschmack nie wieder loswerden.
„Was hast du gemacht, du Dummvogel?“
„Es war so eklig ... so ... eklig.“
Mehr brachte Sascha nicht heraus. Dafür begann er zu zittern. Marc sah ihn an und glaubte plötzlich, zu verstehen.
„Mensch, Sascha. Hat er etwa in deinen Mund gespritzt?“
Als Sascha nur nickte, fuhr er fort:
„Du bist ja wohl total bescheuert. Ich habe dir doch Gummis gegeben. Ich habe dir gesagt, mach’s niemals ohne Gummi. Das ist deine Lebensversicherung in diesem Job. Verdammt, warum hörst du nicht auf mich. Willst du dich denn umbringen?“
„Es tut mir leid, Marc. Wie machst du das denn immer, die sind doch viel stärker. Es ging alles so schnell und ...“
Übergangslos begann Sascha zu weinen. Lautlos, mit zusammengepressten Augen und offenem Mund stand er da. Marc ging unsicher einen Schritt auf ihn zu und strich zaghaft, fast scheu über seinen Oberarm.
„Ist schon gut, du Schaf. Das war wohl nichts. Natürlich schaffe ich es auch nicht immer, aber das ist meine Verantwortung und mein Leben. Bei dir ... Ach Scheiße, irgendwie bin ich wohl schuld. Lass mal, es wird schon werden. Komm, wir gehen nach oben.“
„Ich kann nicht, Marc. Die werden alle wissen, was passiert ist. Ich schäme mich so.“
„Quatsch mit Soße, komm mit. Ich werde dafür sorgen, dass die dich in Ruhe lassen. Für heute hast du wirklich genug.“
Nach einigen Minuten gingen sie dann gemeinsam hinauf. Sascha trank zwei Kölsch hintereinander, aber es half nichts. Der schale Geschmack auf seiner Zunge blieb. Erst als Marc, der ohne dass Sascha darüber sprach, mit der Problematik vertraut zu sein schien, mit Schokolade und Erdnüssen anrückte und sie das Zeug gemeinsam aßen, wurde es besser. Marc verschwand an diesem Abend dreimal, dann hatte er genug Geld zusammen, um mit Sascha über die nächsten zwei Tage zu kommen. Somit übernahm er ohne darüber zu reden erst einmal wie selbstverständlich die Ernährerrolle. Später dann gingen sie in das Zimmer, das in der nächsten Zeit auch Saschas Zuhause sein sollte. Letzterer hatte mittlerweile soviel getrunken, dass er sich lediglich noch auf irgendeine der schmutzigen Matratzen sinken ließ und sofort in einem unruhigen Schlaf fiel.
Das Erwachen am nächsten Tag war fürchterlich für Sascha. Er hatte Kopfschmerzen und noch bevor er die Augen öffnete, nahm er den Gestank wahr, der aus der Matratze direkt in seine Nase stieg. Er fuhr hoch und sah sich einen Augenblick lang um, als wisse er nicht, wo er sich befand. Genau gegenüber erkannte er Marc, der noch fest schlief und erinnerte sich. Er hatte plötzlich Angst vor dem, was noch kommen würde, fühlte sich isoliert und einsam. Er kroch hinüber zu Marc, setzte sich zu ihm. Scheu schob er seine Fingerspitzen unter den Rücken seines Freundes und hatte kurz das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Dann regte Marc sich. Er schlug die Augen auf und sein Blick fiel auf Sascha, der verlegen seine Hand zurückzog.
„Schon wach?“
„Marc, ich muss dir was sagen. Das mit gestern ... entschuldige, aber ich kann das nicht. Ich habe es wirklich versucht, es war scheußlicher als ich mir das jemals vorgestellt habe. Dabei hast du gesagt, es sei ganz einfach.“
„Na prächtig, jetzt gib mir die Schuld. Du wolltest raus bei deinen Eltern und ich bin nicht der Boss einer Brauerei oder so, um dir da einen Job anzubieten. Für mich war es auch nicht einfach am Anfang. Ich wurde schließlich auch nicht so abgebrüht geboren. Aber es wird besser mit der Zeit, das kannst du mir glauben.“
Sascha schüttelte den Kopf.
„Nein. Nein. Ich kann das nicht noch mal machen. Lieber gehe ich zurück nach Hause.“
„Dann schlägt dein Alter dich tot. Du warst eine ganze Nacht nicht da.“
Dieses Argument überzeugte Sascha vorläufig.
„Was soll ich denn machen?“
Er hatte wieder angefangen zu zittern, Marc setzte sich auf und wickelte sich und Sascha in seine Decke.
„Ich werde die Typen aussuchen. Du bist hübsch, da wird es ihnen genügen, wenn du ihnen einen runterholst. Mit der Hand, verstehst du? Wenn du willst, werde ich dabei immer in der Nähe sein, okay? Das wirst du doch schaffen, oder etwa nicht?“
Sascha zuckte die Schultern. Er wusste es nicht, er wusste gar nichts mehr.
„Ich muss trotzdem noch mal nach Hause. Ich möchte mir da eine Decke holen und ein Kissen, der Mief von der Matratze ist schrecklich.“
„Ach, du meine Fresse. Der kleine Prinz - kann einfach nicht auf der Erbse schlafen. Du bist ganz schön verwöhnt. Eins kann ich dir gleich sagen ... solche Empfindlichkeiten kannst du dir auf der Straße abschminken. Entweder Hiebe von deinem Alten und weiß bezogene Kissen oder frei sein und das bisschen Dreck. Sei froh, dass du nicht draußen am Rhein schlafen musst.“
„Aber ich kann mir doch zu Hause eine Decke holen, das tut doch keinem weh.“
„Und wenn sie dich schnappen?“
Sascha schaute vor sich auf den Boden. Er fühlte sich wie in einem bösen Traum, aus dem er einfach nicht erwachen konnte. Eigentlich war ihm beides ein Gräuel - ein Stricher sein konnte er nicht und nach Hause gehen wollte er nicht. Ein Zwischending gab es jedoch nicht für ihn, er musste sich wohl oder übel für eine Möglichkeit entscheiden.
„Vielleicht hast du Recht und ich bin zu zimperlich. Es ist eben alles neu und ich kann nicht einfach so tun, als wenn es mir nichts ausmacht.“
„Danach hat man mich auch nicht gefragt. Noch nie.“
Sascha dachte kurz nach, dann fuhr er scheinbar leichthin fort:
„Ich weiß. Ich werde versuchen, mich mit all dem abzufinden. Und wenn ich Geld verdiene, kann ich mir eine Decke kaufen. Okay?“
„Wenn du Geld verdienst. Ja, wenn. Na, wir werden sehen - willst du einen Kaffee?“
Damit war das Thema augenscheinlich erst einmal vom Tisch und Marc setzte in einem verbeulten Topf Wasser auf, um mit der letzten, vorhandenen Filtertüte Kaffee zu machen.
Zucker oder Milch gab es nicht, deshalb schlürften sie das bittere Gebräu aus den abgestoßenen, großen Keramiktassen schwarz. Es war wenigstens warm und Sascha begann, sogar für solche, bisher nicht beachtete Alltäglichkeiten dankbar zu sein. Irgendwie war er eben doch schon auf dem Weg zu akzeptieren, dass dieses Leben der Preis für die von ihm gewählte Selbstbestimmung war.
Sie gingen zum Bahnhof wie jeden Tag. Marc begann ganz von allein, die Interessenten für Sascha abzuwehren. Er ahnte, dass Sascha nicht wirklich bereit war und hatte das Gefühl, ihn beschützen zu müssen. Er empfand viel für seinen Freund und bemühte sich ständig, dies nicht zu offensichtlich werden zu lassen. Statt Sascha bot er sich selbst an, was nicht immer auf die Gegenliebe der Freier stieß. Schließlich war der Unterschied zwischen dem feingliedrigen, kindlich schüchternen Sascha und seinem kompakten, respektlosen Freund beträchtlich. Trotzdem hatte Marc an diesem Tag vier Freier hintereinander und kam nach dem letzten ziemlich abgeschlafft wieder an. Er war fast den ganzen Tag unterwegs gewesen und drängte nun darauf, sich hinlegen zu können. Er sah reichlich mitgenommen aus. Sascha für seinen Teil mochte eigentlich noch nicht zurück in das Zimmer, aber das wollte er Marc nicht sagen. Schließlich hatte sein Freund für den gemeinsamen Lebensunterhalt der nächsten Tage gesorgt. Und so ging er mit. In einer Ecke des Zimmers stand eine große Kaufhallentüte, die Sascha erst gar nicht beachtete. Doch dann nahm Marc sie und warf sie ihm vor die Füße.
„Da - für dich, du Zimperliese. Damit du besser schlafen kannst.“
Sascha zog zwei Decken, ein Kissen und ein Handtuch aus der Tüte und musste schlucken. Marc hatte einen Teil des verdienten Geldes also dafür ausgegeben, ihm diese Sachen zu kaufen. Er versank in seinem schlechten Gewissen und wusste nicht, was er jetzt sagen oder tun sollte. Trotzdem begann er:
„Aber ...“
„Halt den Mund. Bedank dich bloß nicht. Ich habe dich schließlich hierher geholt. Ich bin dir das wohl schuldig. Jetzt komm, wir trinken noch ein Bier.“
Sie schoben die Matratzen zusammen und Sascha ertappte Marc dabei, dass er ihn merkwürdig ansah, als sie später nebeneinander lagen. Aber er wehrte sich nicht, als Marc ihn in den Arm nahm und sanft streichelte. Er hätte wahrscheinlich auch nichts gesagt, wenn Marcs Zärtlichkeiten eindeutiger geworden wären. Aber der Dreizehnjährige genoss nur Saschas Nähe und dieser war zu durcheinander, die neuen Erfahrungen sofort verarbeiten zu können.
*
Es war zwei Tage später, als Sascha ein Erlebnis hatte, das ihn so schnell nicht mehr loslassen würde. Marc war in der Schule und Sascha versuchte, lange zu schlafen. Ohne seinen Freund traute er sich nicht aus dem Zimmer, ständig hatte er Angst vor der Polizei, die ihn unzweifelhaft suchte und zu den Eltern bringen würde.
Es war gegen elf Uhr, als Sascha an diesem Morgen die Augen öffnete. Er hatte einen Kater, der ihm schwere Glieder und Kopfschmerzen bescherte. Vielleicht hätte er am Vorabend nicht ganz soviel Bier trinken sollen. Er wollte duschen um dieses abscheulich abgestandene Gefühl loszuwerden. Aber er bekam Streit mit der fülligen Hure von gegenüber. Sie drängte ihn einfach zur Seite, um selbst ins Bad zu gelangen. Als die Dusche dann später frei war, hatte Sascha nur noch kaltes Wasser. Er beeilte sich und fror trotzdem immer noch, als er bereits wieder auf seiner Matratze lag und sich bis über beide Ohren zudeckte. Mittlerweile waren alle anderen Kids unterwegs, er war allein im Raum und beschloss, die restlichen Kopfschmerzen zu verschlafen. Da er erst gegen vier Uhr ins Bett gekommen war, würde ihm das nicht weiter schwerfallen. Doch gerade, als er wieder im Begriff war, einzuschlafen, öffnete sich die Tür. Das Mädchen, das er am ersten Abend vollkommen stoned auf einer der Matratzen hatte liegen sehen, kam herein.
Mittlerweile hatte er ihren Namen erfahren, ihn aber wieder vergessen. Sie kam nicht sehr oft hierher. Sascha kümmerte sich nicht um das Mädchen und sie schien ihn ihrerseits ebenfalls kaum zu bemerken. Verstohlen beobachtete der Junge sie trotzdem und ihm fiel auf, wie weiß, fast durchscheinend ihre Haut war. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen und hatten einen fiebrigen Glanz.
Sie zitterte so stark, dass Sascha sich unwillkürlich fragte, wie sie sich spritzen wolle, als sie jetzt ihre Utensilien auspackte. Sie pulverte ein wenig der Shore auf etwas Alufolie und hielt das Feuerzeug darunter. Mit einem selbst gedrehten Röhrchen saugte sie die entstehenden Dämpfe dann in sich auf und murmelte dabei etwas von zuviel Laufmittel. Zwischendurch zog sie hastig an ihrer Marlboro. Zweimal wiederholte sie diesen Vorgang, erst dann war sie ruhig genug, eine Spritze aufzuziehen. Sie krempelte den Pullover hoch und Sascha sah die blauen, geschwollenen Einstiche, die sich beinahe auf ihrem ganzen knochigen Arm verteilten.
Sie begann, das Heroin zu kochen und zog es sich dann aus dem Löffel in die Spritze. Als sie schließlich den Gürtel umlegte und ihn mit den Zähnen festzurrte, war das der Moment, als Sascha sich die Decke über den Kopf zog. Er wollte nicht sehen, was jetzt folgte. Erst, als völlige Ruhe herrschte, tauchte er wieder auf. Das Mädchen lag auf der Matratze und bewegte sich nicht mehr. Es war wohl in erster Linie Neugierde, die Sascha aufstehen ließ, um nach ihr zu sehen. Er ging auf Zehenspitzen zu ihr hinüber. Vorsichtig kniete er sich vor ihr nieder und betrachtete das ausgezehrte, kaum noch kindliche Gesicht.