HAYMON verlag
Roman
© 2011
HAYMON verlag
Innsbruck-Wien
www.haymonverlag.at
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ISBN 978-3-7099-7514-5
Umschlag- und Buchgestaltung, Satz:
hoeretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol
Coverfoto: Dragon30/photocase.com
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Kapitel I
Kapitel II
Lisa fährt für gewöhnlich, wenn sie die Firma um 16 Uhr verlässt, um zirka 16 Uhr 35 mit der U-Bahn unter ihrem Haus durch und denkt sich: Jetzt fahre ich unter unserem Haus durch. Aber nicht jedes Mal. Meist ist sie damit beschäftigt zu überprüfen, welche der Männer, die sie von der täglichen Fahrt kennt und die für sie als Männer in Betracht kommen, ihr wohlwollende Blicke zuwerfen und welche nicht. Wobei sie die Frage, warum der oder jener ihr keinen Blick zuwirft, am meisten beschäftigt. Hab ich die falsche Bluse an? Ist mein Make-up mangelhaft? Passt die Frisur nicht? Sehe ich abgehärmt aus? Vor allem aber interessieren sie die Blicke der Männer, die sie noch nie auf ihrer Heimfahrt gesehen hat. Heute, findet sie, kann sie zufrieden sein. Beim Aussteigen hat sie das Gefühl, gerade bei diesen einen guten Eindruck hinterlassen zu haben. Einer hat sie besonders lang angesehen und ihren Blick gesucht. Ein gut aussehender und gut angezogener Herr, deutlich jünger als ich, denkt sie, dem sie, und sie fühlt sich nahezu glücklich bei der Erinnerung daran, einen Blick auch gewährt hat, und geht, mit der Rolltreppe oben angekommen, obwohl sie nichts einzukaufen vorgehabt hat, über die Straße in den Supermarkt, um noch etwas einzukaufen.
Was hackst du schon wieder herum auf mir?, sagt Franz. Kaum komme ich bei der Tür herein, schon hackst du herum auf mir. Stell ich die Golfschläger einmal nicht dorthin, wo du willst, dass sie stehen, schon hackst du herum auf mir. Stehen ja sonst immer dort, oder? Und wenn einmal nicht, musst du nicht gleich herumhacken auf mir und sagen: Franz, wieso stehen die Golfschläger schon wieder dort, wo sie nicht stehen sollten? Und gleich darauf: Den Konrad wirst du sicher wieder nicht angerufen haben. Und immer dieser Vorwurf in der Stimme. Warum immer dieser Vorwurf in der Stimme? Ich hab den Konrad angerufen. Was fragst du mich nicht vorher, ob ich den Konrad angerufen hab? Bevor du mir vorwirfst, ich hätte ihn wieder nicht angerufen. Und dass ich sicher wieder nicht zur Geburtstagsfeier deiner Kusine gehen möchte. Warum sollte ich nicht wollen? Ich bin nur nicht gleich Feuer und Flamme. Muss ich denn immer gleich Feuer und Flamme sein, wenn es heißt, wir gehen zu deiner Kusine? Muss ich jubelnd bei der Tür hereinkommen und rufen: Endlich hat deine Kusine wieder Geburtstag, endlich können wir wieder zu deiner Kusine gehen? Und ich werde den Herrn Winter schon einladen. Ich weiß selbst, dass es nicht schlecht ist, den Herrn Winter einzuladen. Du musst mir nicht dauernd sagen: Lad endlich den Herrn Winter ein, der ist gut für dein Fortkommen. In der Früh sagst du es. Wenn wir telefonieren, sagst du es. Am Abend sagst du es. Ich bin gut in meiner Arbeit. Das weiß der Herr Winter. Da brauche ich ihn nicht ständig einzuladen. Das wäre doch kontraproduktiv, wenn er merkt, ich lade ihn nur deswegen ein, weil Umstrukturierungen ins Haus stehen. Weil ihn jetzt alle einladen. Ja, ich weiß schon, dass es andererseits wieder gut wäre, ihn gerade jetzt, wo ihn alle einladen, auch einzuladen. Aber ich muss mir das überlegen, sagt Franz. Ich muss überlegen, wie ich ihm das sage. Wann ich ihm das sage. Wann die Stimmung dafür am besten ist. Das kannst du nicht beurteilen. Das musst du schon mir überlassen. Vorpreschen, sagt Franz. Ich kann nicht so vorpreschen wie du. Ich mach das auf meine Art. Du brauchst nicht immer zu sagen: Wenn du das auf deine Art machst, dann wird nie was daraus. Es wird was daraus. Du brauchst nicht immer auf meiner Art herumzuhacken. Mir vorzuwerfen: Mit deiner Art wirst du nie etwas erreichen. Mir zu sagen: Du hast eine abturnende Art. Schon wie du auftrittst. Du brauchst mir nicht ständig aufzuzählen, was mir im Leben alles nicht gelungen ist, aufgrund meiner Art. Was mir im Leben nie gelingen wird. Es ist mir schon viel gelungen. Jawohl, auch wenn du es nicht gerne hörst: Mir ist im Leben schon einiges gelungen. Und nicht, wie du ständig behauptest, nur mit deiner Hilfe. Und es wird mir noch viel mehr gelingen. Du wirst sehen, was mir noch alles gelingen wird. Und zwar ohne deine Hilfe. Jawohl, liebe Lisa, ohne deine Hilfe. Und du brauchst nicht ständig zu sagen: Reiß dich zusammen. Ich reiß mich schon zusammen. Auch wenn du es nicht siehst. Du siehst eben nicht alles, Lisa. Du brauchst nicht zu glauben, du siehst alles. Du wirst dich noch wundern, was mir alles gelingen wird. Du wirst noch von den Socken sein. Du glaubst, du kennst mich. Du kennst mich überhaupt nicht. Du schaust ja nur auf mich drauf. Nie schaust du in mich hinein. Du kannst ja gar nicht in mich hineinschauen, weil du ja immer nur auf dich schaust und in dich hinein. Bei allem, was ich tue, horchst du zuerst einmal in dich hinein: Bin ich zufrieden mit dem, was er tut? Tut er es so, wie ich es will, dass er es tut, oder tut er es so, wie ich es nicht will? Du redest ja immer nur mit dir selber, wenn du mit mir redest. Ist dir das noch nicht aufgefallen? Natürlich ist dir das noch nicht aufgefallen. Sonst würdest du ja merken, dass ich ganz anders bin. Du lachst! Du lachst dauernd. Wieso lachst du dauernd? Glaubst du mir nicht? Findest du wirklich alles so komisch, was ich sage? Wieso findest du es komisch, wenn ich sage: Mir ist schon viel gelungen, und es wird mir noch mehr gelingen? Wieso lachst du, wenn ich sage, ich werde den Herrn Winter schon einladen? Und es ist immer höhnisch, dein Lachen. Wie man bei Kindern lacht, wenn sie behaupten, sie könnten das oder jenes. Nur lacht man bei Kindern nicht höhnisch, sondern liebevoll und gerührt. Aber bei mir lachst du nie liebevoll oder gerührt, sondern immer nur höhnisch. Auch wenn du es abstreitest. Es ist immer ein durch und durch höhnisches Lachen. Mit dem du genauso auf mir herumhackst. Genau, dein Lachen ist ein einziges Auf-mir-Herumhacken. Ich möchte einmal, dass du lachst, wenn ich was sage oder tue, ohne dass es zugleich ein einziges Auf-mir-Herumhacken ist.
Ich hacke nicht auf dir herum, sagt Lisa. Und jetzt iss bitte fertig, bevor alles kalt wird.
Fünf U-Bahn-Stationen weiter, in der Nähe des Einkaufszentrum Nord, sagt Janine K., 35, bei der Franz sich sicher ist, als er ihr Foto zwei Tage später in den Zeitungen sieht, sie schon einmal gesehen zu haben, wo hab ich die schon einmal gesehen, sagt er zu Lisa, die hab ich doch schon einmal gesehen: Jetzt fick endlich, mir friert schon der Arsch ab.
Sie liegt vornübergebeugt auf dem Küchentisch ihrer Zimmer-Küche-Parterrewohnung mit heruntergezogener Unterhose, schaut in den Saft des Naturschnitzels vor sich, den sie nicht mehr hat auftunken können, und auf die Reiskörner, die darin herumschwimmen, und wartet darauf, dass ihr Ex-Lebensgefährte, Manuel F., 36, ihr endlich seinen Schwanz hineinsteckt.
Manuel F. ist an diesem Abend nach einjähriger Trennung plötzlich wieder aufgetaucht, mit sanften Augen, mit einer Bonbonniere und den Worten: Hast du Zeit, ich würde gern mit dir reden. Woraufhin er ihr beim Naturschnitzel erzählt, dass die Helga, derentwegen er Janine K. vor einem Jahr verlassen hat, ein Trampel sei, nichts gekocht habe, nur gesoffen und ihm ständig vorgeworfen, dass er Geld keines heimbringe, dafür aber täglich darauf bestehe, einen geblasen zu bekommen. Und dass er, Manuel F., in Wirklichkeit immer nur sie, Janine K., geliebt habe, nur sie die Frau seiner Träume gewesen sei, er aus ganzem Herzen bereue und wieder zurückwolle, um mit ihr, Janine K., ein gemeinsames Leben aufzubauen, eine regelmäßige Arbeit habe er, und dass Janine K. ihm verzeihen möge und ihn nicht zurückstoßen. Woraufhin sie ihn, zu Tränen gerührt, geküsst hat, er ihr in die Haare, auf die Brust und zwischen die Beine gegriffen hat, sie beide das Essen unterbrochen und zu keuchen begonnen haben, sie ihm dann mit den Worten: Du bist ein Trottel, aber ein lieber!, den Schwanz aus der Hose gezogen, ihn zuerst in den Mund genommen, dann wieder ausgespuckt hat, aufgesprungen ist, die Teller zur Seite geschoben, die Unterhose heruntergezogen und sich unter Rufen wie: Jetzt komm wieder zu Mami!, mit nacktem Hintern und mit dem Bauch voran auf den Tisch geworfen hat.
Was ist los mit dir?, ruft Janine K. Jetzt halt doch bitte die Goschen, Janine, sagt Manuel F. und wichst an seinem Schwanz herum, der nicht und nicht hart werden will, wie soll ich da hineinkommen zwischen deine fetten Schenkel von hinten. Dann nimm halt das Arschloch, sagt sie. Worauf er sagt: Das find ich schon gar nicht in diesem Fetthaufen. Woraufhin sie sich aufrichtet, sich umdreht zu ihm und sagt: Willst du mich jetzt ficken oder beleidigen?
Aber, Janine, sagt Manuel F. zärtlich und küsst ihre Brüste, die nackt über den hinuntergeschobenen Büstenhalter hängen. Aber der steht ja gar nicht, sagt Janine K. und zeigt auf den Schwanz. Weil du dich so plötzlich umgedreht hast und mich anschaust, sagt Manuel F. Hat er sich erschreckt, der Arme, sagt Janine K. und will nach ihm greifen. Jetzt komm ins Bett, sagt Manuel F. und läuft voraus, da geht es leichter. Aber in einer halben Stunde kommt Melanie, sagt sie, da muss ich ihr das Essen richten. Wie alt ist sie denn schon?, sagt er. Die kannst du nicht ficken, sagt sie, die ist erst zehn. Spinnst du, Janine, sagt Manuel F., das ist meine Tochter. Als ob euch das nicht wurscht wäre, sagt sie, wenn es darauf ankommt. Ankommt?, sagt Manuel F., auf was ankommt? Auf euch, sagt Janine K., auf euch, auf wen denn sonst?
Jetzt gib ihn schon her, sagt Janine K., schlägt ihm die Hände weg, nimmt seinen Schwanz und lutscht ihn, bis er hart ist. Aber kaum lässt sie ihn los, wirft sich nach hinten aufs Bett und gibt die Beine auseinander, schon fällt er wieder in sich zusammen. Das heißt, er fällt nicht gleich in sich zusammen, sondern auf dem Stück Weg, das er bis zu Janine K.s offenen Schamlippen zurücklegen muss, sieht sie ihn sukzessive in sich zusammenfallen, und schon ist er, kommt er zwischen ihren Schamlippen an, und da kann Manuel F. noch so schnell mit dem stehenden Schwanz die Entfernung überwinden und ihn zwischen die Schamlippen hineinschieben wollen, nur mehr ein Fleischpatzen, der zwischen den Schamlippen herumliegt. Und auch wenn Janine K. den steifen Schwanz festhält und ihn zusammendrückt an der Wurzel, um das Zurückfließen des Bluts zu verhindern, ist er nach der Hälfte des Weges zu Nichts zerfallen.
Manuel, sagt Janine K. nach dem dritten Versuch, nicht bös sein, aber wenn du nicht kannst, wie sollen wir da ein gemeinsames Leben aufbauen? Worauf Manuel F. sagt: Wenn du dich bemühst, dann geht’s schon. Worauf Janine K. sagt: Du brauchst nicht eine, die sich bemüht, Manuel F., du brauchst eine Krankenschwester. Und: Die Frau, die ich jetzt kenne, kann das besser als du.
Welche Frau?, sagt Manuel F.
Die Frau, die ich kenne, sagt Janine K.
Du bist mit einer Frau zusammen?, sagt Manuel F.
Ja, sagt Janine K., und die kann das besser als du.
Eine Frau kann das besser als ich?, sagt Manuel F. Du fickst mit einer Frau, und die Frau kann das besser als ich?, sagt er.
Ja, sagt Janine K., was mach ich also mit dir da in meiner Wohnung, wenn du nicht kannst?
Ich kann, sagt Manuel F., aber du lesbische Drecksau bist unfähig.
Scherzbold, sagt Janine K. und lacht, du hast schon damals nicht können. Du hast noch nie richtig können. Der war ja damals schon zum Wegschmeißen, der Schwanz.
Lass meinen Schwanz in Ruh, sagt Manuel F.
Jetzt hab ich gehofft, bei dieser Schlampe von Helga hast du wenigstens das Ficken gelernt, sagt Janine K., ich lad dich zum Naturschnitzel ein in der Meinung, jetzt hast du es endlich gelernt, aber einen Dreck hast du. Du kannst ja noch viel weniger ficken als vorher.
Manuel F. drückt ihr mit beiden Händen den Hals zu. Janine K. strampelt. Sie gibt ihm einen Kinnhaken, dass er aus dem Bett fällt, springt selbst aus dem Bett und läuft in die Küche. Ehe sie die Wohnungstür erreicht, hat Manuel F. ihr eines der Küchenmesser in den Rücken gerammt. Sie fällt zu Boden. Sie dreht sich um und will etwas sagen. Er rammt ihr das Messer in die Brust. Es knirscht, als das Messer an einer Rippe abrutscht und zwischen den Rippen durch weiter in den Leib fährt. Als Janine K. den Kopf hebt, sie möchte noch immer etwas sagen, sticht er ihr in den Hals. Was sie hätte sagen wollen, geht in einem Röcheln unter. Er zieht das Messer heraus und rammt es ihr genau unterhalb des Kehlkopfs ein zweites Mal in den Hals. Um das Röcheln zu beenden, gibt er später zu Protokoll, und damit sie endlich die Goschen hält. Und als man ihn fragt, ob er Janine K., angesichts der Druckspuren an ihrem Hals, auch gewürgt habe, sagt er: Es ist sehr eng in der Küche. Wahrscheinlich bin ich ihr beim Hinausgehen auf den Hals gestiegen.
Was würdest du sagen, wenn ich dich mit einer Frau betrüge?, sagt Claudia.
Nichts, sagt Jack.
Das würde dir nichts ausmachen?, sagt Claudia.
Nein, sagt Jack.
Was, sagt Claudia, das würde dir nichts ausmachen, wenn ich sage, gestern hab ich mit einer Frau geschlafen und die war besser als du?
Nein, sagt Jack, denn wir lassen uns ja sowieso scheiden.
Wir lassen uns scheiden?, sagt Claudia.
Lassen wir uns nicht scheiden?, sagt Jack.
Was du immer mit der Scheidung hast, sagt Claudia.
Jack lacht.
Du nervst mich allmählich, sagt Claudia, mit deinem andauernden Scheidenlassen.
Scherz, sagt Jack, trinken wir noch eine Flasche?
Ein ziemlich blöder Scherz, sagt Claudia.
Also, trinken wir noch eine Flasche oder nicht?, sagt Jack.
Meinetwegen, sagt Claudia, aber ich möchte trotzdem wissen, was du immer mit der Scheidung hast. Es vergeht ja kein Tag, wo du nicht von der Scheidung redest.
Du übertreibst, sagt Jack. Jeden Tag rede ich nicht von der Scheidung. Jeden Tag sehen wir uns doch gar nicht. Jeden Tag reden wir doch gar nicht miteinander. Und außerdem, sagt Jack zärtlich und nimmt Claudias Hand, unsere Partei sähe das gar nicht gern. Heuer hat sich der Chef scheiden lassen, also kann ich mich frühestens nächstes Jahr scheiden lassen. Wir sind eine christliche Partei.
Du kannst nur blöd reden, sagt Claudia, aber ich möchte wissen: Steckt was dahinter?
Wo dahinter?, sagt Jack.
Hinter deinem ständigen Reden von der Scheidung, sagt Claudia.
Nichts steckt dahinter, sagt Jack.
Wirklich nicht?, sagt Claudia. Sie beugt sich über den Tisch und schaut ihm in die Augen. Ich sag dir nur eins, sagt Claudia, wenn du dich scheiden lässt, räume ich dich ab wie einen Christbaum.
Was?, sagt Jack.
Auch nur ein Scherz, sagt Claudia und lacht.
Das wird dir sicher nicht gelingen, sagt Jack, meine Anwälte sind besser. Und du kannst putzen gehen.
Das werden wir ja sehen, sagt Claudia, wer wo putzen geht.
Du, sagt Jack, das weiß ich genau. Und ich weiß auch schon wo. Bei den Hammerschlags, die brauchen eh einen zweiten Haustrampel in ihrer Villa.
Das glaube ich nicht, sagt Claudia. Da wirst eher du bei mir den Rasen mähen für fünf Euro die Stunde. Denn das Haus bekomme todsicher ich, samt Garten, und natürlich das Haus am See.
Du bekommst überhaupt nichts, sagt Jack, außer einen Tritt in den Arsch.
Sehr fein, deine Scherze, sagt Claudia und lehnt sich zurück.
Wo wir uns doch eh scheiden lassen, sagt Jack und lacht. Aber was reden wir denn da, sagt Jack.
Genau, sagt Claudia, was reden wir denn da.
Trinken wir lieber noch eine Flasche, sagt Jack, wo es gerade so lustig ist. Wo ist denn der Kellner?
Sehr lustig, sagt Claudia. War es in deinem herrschaftlichen Elternhaus auch immer so lustig?
Noch viel lustiger, sagt Jack. Was wir gelacht haben. Meine Kindheit war eine einzige Lachorgie. Meine Eltern sind ja auch die lustigsten Menschen der Welt. Du kennst sie doch. Sind die nicht lustig? Du kannst dich ja auch nie halten vor Lachen bei unseren Soupers, sagt Jack, wenn du meinem Vater gegenübersitzt. Ist er nicht einer der Witzigsten? Einer der Beliebtesten? Überhaupt bei uns Kindern. Wenn er aufgetaucht ist, hat das Haus nur so gebebt vor Gelächter. Und die Weihnachten erst, sagt Jack, du kennst sie ja! Da bist du hinterher ja auch immer vollkommen fertig von dem Gelächter und dem hinreißenden Humor meines Vaters.
Ist schon gut, Jack, sagt Claudia, beruhig dich wieder.
Oder bei unserem letzten Familientreffen, sagt Jack, da hast du dich ja beinahe zu Tode gelacht.
Jack, bitte, sagt Claudia.
Meine Mutter und du in der Loggia, sagt Jack. Ich hab euch ja richtig brüllen gehört vor Lachen. Meine Mutter ist ja auch eine, die es gar nicht erwarten kann loszulachen. Die es gar nicht aushält, andere nicht zum Lachen zu bringen. Die ganz begierig darauf ist, dich zu sehen. Die auch ständig fragt: Wann kommt Claudia wieder? Claudia wird doch mitkommen? Und du bist ja auch immer begierig darauf, meine Mutter zu sehen. Du fragst ja auch immer: Wann darf ich endlich wieder deine Mutter sehen? Wann kann ich endlich wieder bei ihr in der Loggia sitzen und mit ihr brüllen vor Lachen. Oder ist es nicht so?
Claudia antwortet nicht. Er packt ihren Arm, reißt sie an sich. Oder ist es nicht so?, brüllt er.
Ja, sagt Claudia, es ist so. Und brüll nicht.
Er sinkt in seinen Sessel zurück. Er schweigt. Er nimmt die Serviette von seinen Knien, faltet sie und legt sie auf den Tisch zurück.
Plötzlich beugt er sich über den Tisch und sagt: Du wolltest doch wissen, was ich sagen würde, wenn du mit einer Frau schläfst?
Jetzt nicht mehr, sagt Claudia.
Das kann ich dir gern sagen, sagt er.
Nein, danke, sagt sie.
Nichts würde ich sagen, sagt er, sondern dich so lange durchficken, bis du nicht mehr weißt, ist der, der dir gerade das Arschloch zerreißt, eine Frau mit einem Handmixer oder ein Mann mit seinem Schwanz.
Sehr nobel, sagt Claudia.
Du wolltest es wissen, sagt Jack.
Jetzt weiß ich es, sagt Claudia.
Und ich hoffe, du merkst es dir auch, sagt Jack.
Sicher, sagt Claudia, das merke ich mir.
Dann ist es ja gut, sagt Jack. Kein Wein mehr, sagt er und steht auf, wir gehen.
Aber ob du das auch schaffst, sagt Claudia.
Was, sagt Jack, dich durchficken?
Ja, sagt Claudia.
Spielend, sagt Jack, und wenn nicht, engagier ich dir gern ein paar Schwänze aus der christlichen Parteijugend, die sind ordentlich ausgehungert, die schaffen das.
Du bist das Letzte, sagt Claudia und geht.
Ist doch wurscht, oder?, sagt Jack lachend. Wo wir uns eh scheiden lassen. Und hakt sich bei ihr ein.
Gleich am Anfang: Es freut mich ja so, dass ihr kommen konntet, wo Franz doch so viel zu tun hat, wie man hört, sagt Lisas Kusine Birgit und nickt Franz liebevoll zu. Und nachdem sie das Geschenk auf dem Geschenkstisch im Wohnzimmer abgelegt haben und ein Glas Sekt überreicht bekommen – den hat Thomas aus Paris mitgebracht, sagt Birgit, mit oder ohne Orangensaft? –, werden Franz und Lisa in den Garten geführt.
Hier unter der Terrasse hat Thomas die Sauna einbauen lassen, sagt Birgit und öffnet die Holztür.
Wunderbar, sagt Lisa. Ich liebe Sauna. Was ist denn das für ein Holz?
Und unseren Bioteich habt ihr ja auch noch nicht gesehen, sagt Birgit, von Thomas eigenhändig angelegt. Er hat ja keine Ahnung davon. Aber stundenlang hat er gegoogelt, ganze Tage bei den Nachbarn verbracht, die ja auch einen haben. Was ich mitgemacht habe, sagt Birgit. Ständig nur: Dieser Untergrund ist besser als jener, Fische oder keine Fische, Steg oder kein Steg, wie pflegt man ihn, was muss man machen, damit er nicht verschlammt.
Schaut wirklich toll aus, sagt Lisa. Aber einen Teich wollen wir eher nicht, sagt Lisa. Eher ein aufblasbares Bassin. Das heißt Robby wünscht es sich zu seinem zwölften Geburtstag.
Robby, sagt Birgit, wo ist Robby? Wieso ist er nicht mit?
Er hat Schularbeiten, sagt Lisa.
Er ist ja so gelungen, euer Robby, sagt Birgit, so aufgeweckt. Ich mag ihn gern. Und Corinne?
Die schläft sicher schon, sagt Lisa, hoffentlich, und der Babysitter sicher auch.
Apropos Baby, sagt Birgit und zeigt die ferngesteuerten Jalousien an den Terrassentüren, habt ihr das gelesen von diesem Joachim P.? So etwas von gefühlskalt. Das ist doch entsetzlich, oder?
Und das ist der neue Induktionskochherd, sagt Birgit in der Küche. Ich hab ja gesagt, nein, so etwas kommt mir nicht ins Haus. Induktionskochherd, was soll das sein, was soll ich damit, was kann der, was mein alter Herd nicht kann. Aber Thomas hat bestanden darauf. Ein Induktionskochherd muss her, du immer mit deinen altmodischen Ansichten, ihr kennt ihn ja, wie er redet, sagt Birgit, ein Induktionskochherd ist das Neueste und Beste am Markt.
Und, sagt Lisa, hat er Recht gehabt?
Und wie er Recht gehabt hat, sagt Birgit.
Denn wir überlegen ja auch, sagt Lisa. Besser gesagt, Franz will mir den unbedingt einreden fürs neue Haus, aber ich weiß nicht.
Franz hat Recht, sagt Birgit lachend, Franz weiß, was Frauen wünschen. Auch wenn sie selber noch nicht wissen, was sie wünschen. Hab ich nicht Recht, Franz?
Sie stößt ihn an, zwinkert ihm zu, Franz lacht, schaut Lisa an und lacht noch einmal. Genau, sagt er.
Und welche Type hättest du gern?, sagt Birgit zu Franz.
Ich weiß noch nicht, sagt Franz.
So einen wie den, hat er gemeint, sagt Lisa. Der wär der richtige für uns. Von dem schwärmst du doch schon die ganze Zeit, sagt Lisa, oder?
Oh, sagt Birgit, entschuldigt bitte, Roswitha und Tom sind da. Und läuft aus der Küche.
Was schaust du so, sagt Lisa.
Wie schau ich denn?, sagt Franz.
Was schaltest du nicht gleich. Was steigst du nicht gleich ein, sagt Lisa, wenn ich dir schon das Hölzl werfe.
Aber von einem Induktionskochherd war doch nie die Rede, sagt Franz, oder von einer Sauna.
Wurscht, sagt Lisa, jetzt war die Rede davon. Und du schaust nur, anstatt Interesse zu zeigen, anstatt mitzuspielen: Bei welcher Firma habt ihr die Sauna machen lassen? Telefonnummer? Adresse? Wir wollen sie nicht unter der Terrasse, denn das Haus in Brunn am Gebirge hat eine sehr große Terrasse. Da wollen wir lieber den Weinkeller. Bisschen reden, reden, reden, sagt Lisa, nicht so herumstehen und schauen und so tun, als wüsstest du von nichts.
Wieso?, sagt Franz. Ist denn das schon so sicher mit dem Haus in Brunn am Gebirge?
Was macht ihr in der Küche?, sagt Thomas. Toller Herd, oder?
Ja, super, sagt Franz, wo hast du den gekauft?
Aber das wird ja sicher was werden, sagt Thomas im Wohnzimmer, mit deiner Beförderung. Siehst du denn nicht, Schatz, sagt Thomas zu seiner Frau und rückt die Geschenke zusammen, um einem großen Geschenk Platz zu machen, der Geschenkstisch ist immer noch viel zu klein. Oder nicht?, sagt er zu Franz. Was soll denn einer Beförderung bei dir noch im Wege stehen?
Ja, ich weiß nicht, sagt Franz.
Bei deiner Qualifikation, sagt Thomas.
Ja, sicher, sagt Franz, aber du weißt doch …
Wie lang bist du jetzt im Rathaus?, sagt Thomas.
Zwölf Jahre, sagt Franz.
Zwölf Jahre?, sagt Thomas.
Ja, sagt Franz.
Und wie lang bist du jetzt schon auf diesem Posten?, sagt Thomas. Oh, sagt Thomas, ich glaub, es geht ans Gratulieren. Haben alle volle Gläser? Wo ist das Geburtstagskind? Bitte nachschenken. Kommt ihr bitte. Wo ist Birgit? Birgit, ruft Thomas, wir wollen dir zum Zwanzigsten gratulieren.
Hier bin ich, ruft Birgit. Aber wer ist dieser Herr? Mit zwanzig kenne ich diesen Herrn doch noch gar nicht, sagt Birgit.
Gelächter.
Gratulationen, Absingen von Liedern, Wangenküsse und das Auspacken der Geschenke.
Großartig hast du wieder gekocht, ruft Thomas beim Essen. Das hättest du mit zwanzig noch nicht können.
Dafür aber sicher etwas anderes umso besser, ruft einer vom Ende des Tisches.
Gelächter.
Du stehst vor einer Beförderung?, sagt Lisas Vater. Gratulation.
Ja, sagt Franz, aber …
Es wird auch schon Zeit, sagt Lisas Vater. Ein bisschen mehr Geld könntet ihr schon brauchen.
Ja, sagt Franz.
Lisa verdient ja gut, aber mein Grundsatz war immer, ein Mann muss mehr verdienen als seine Frau, dann ist die Ehe glücklich, sagt Lisas Vater. Wann ist es so weit?
Was?, sagt Franz.
Die Beförderung, sagt Lisas Vater.
Im nächsten Monat, sagt Franz, aber es ist noch nicht klar …
Sehr gut, sagt Lisas Vater. Das hast du gut gemacht. Zu Lisa hab ich immer gesagt: Der Franz ist tüchtig. In dem Franz steckt was. In dem Franz steckt viel. Feuere ihn an, motivier ihn. Er braucht das. Er neigt dazu, sich unter seinem Wert zu verkaufen.
Ja, sagt Franz.
Du hast zwei Kinder, sagt Lisas Vater, das kostet.
Ja, sagt Franz.
Und du hast Lisa. Sie ist eine Draufgängerin, sagt Lisas Vater. Was sie sich in den Kopf setzt, das schafft sie. Und du wirst es auch schaffen, sagt Lisas Vater.
Ja, sagt Franz.
Oder wirst du es nicht schaffen?, sagt Lisas Vater.
Doch, sagt Franz.
Richtig so, sagt Lisas Vater. Willst du noch Fleisch? Das ist heut besonders gut. Ich dürft eigentlich nicht, aber ich kann nicht nein sagen, sagt Lisas Vater und mustert die Bratenstücke vor sich, ehe er zusticht.
Du sollst nicht sagen: vielleicht, eventuell, du weißt noch nicht genau. Du sollst sagen: Ich werde Abteilungsleiter, und Schluss, flüstert Lisa.
Aber ich weiß es doch noch nicht, flüstert Franz.
Den anderen gegenüber weißt du es, flüstert Lisa. Sie schiebt ihm das Fleisch vom Tellerrand in die Mitte des Tellers. Und sei etwas verbindlicher, flüstert Lisa.
Aber ich rede doch, flüstert Franz.
Zu wenig, flüstert Lisa. Und lächeln, flüstert Lisa, dem anderen interessiert zuhören, Fragen stellen, in die Augen schauen und lächeln. Mehr lächeln. Du lächelst überhaupt nicht. Was hast du gegen meinen Vater?
Ja, sagt Bernhard, wir gehen nach Deutschland, Wuppertal. Ist doch toll, oder?
Aber du hast deinen Betrieb doch hier?, sagt Franz.
Dort entsteht etwas Großes, sagt Bernhard, und mein Know-how ist gefragt. Vor allem meine guten Beziehungen.
Deine guten Beziehungen?, sagt Franz.
Zu den Slowaken, sagt Bernhard. Da ist ein Vermögen drin.
Und dein Betrieb?, sagt Franz.
Gecancelt, sagt Bernhard. Ohne erstklassige Beziehungen zum Rathaus, keine Chance. Die fetten Aufträge, sagt Bernhard, kriegen immer die anderen.
Und was sagt Elke dazu?, sagt Franz.
Die ist nicht begeistert, sagt Bernhard. Aber wenn der Rubel rollt, und er wird rollen, sagt Bernhard, ist sie die Erste, die nicht mehr zurückwill. Du wirst sehen, Franz. Wenn es so weit ist, lass ich dich einfliegen mit Lisa. Oder hast du Flugangst?, sagt Bernhard lachend. Da trink, sagt Bernhard und schenkt Franz das Glas voll, auf mich! Auf deine Beförderung! Auf die Zukunft! Auf unsere Zukunft! Da geht die Post ab, sagt Bernhard, endlich. Er steht auf, bereits etwas schwankend, und ruft: Auf Franz und seine Beförderung! Und auf Wuppertal!
Unser Geschenk hat durchaus mithalten können mit den Geschenken der anderen, sagt Lisa im Auto, oder?
Ja, sagt Franz.
Schon, sagt Lisa, oder?
Ja, sagt Franz, es hat sehr gut ausgeschaut.
Find ich auch, sagt Lisa.
Ja, sagt Franz, unbedingt.
Es war zwar nicht so groß, ein bisschen kleiner, sagt Lisa, aber teuer. Sicher teurer als das von der Elke, sagt Lisa.
Aber es war wirklich eine Überraschung, sagt Franz.
Was?, sagt Lisa.
Das von der Elke, sagt Franz.
Unseres war keine Überraschung?, sagt Lisa.
Doch auch, sagt Franz.
Ich hab schon den Eindruck gehabt, sagt Lisa, dass Birgit überrascht war.
Sehr sogar, sagt Franz.
Hast du nicht den Eindruck gehabt?, sagt Lisa.
Doch, ja, sagt Franz.
Also ich hab schon den Eindruck gehabt, sagt Lisa, dass sie überrascht war.
Vor allem hat sie sich sehr gefreut, sagt Franz.
Ja?, sagt Lisa. Du meinst, sie hat sich sehr gefreut?
Und ob, sagt Franz.
Woran hast du das gemerkt?, sagt Lisa.
Was?, sagt Franz.
Dass sie sich gefreut hat, sagt Lisa.
Sie hat dich drei Mal geküsst, sagt Franz, Elke nur zwei Mal.
Das hast du bemerkt?, sagt Lisa lachend.
Sicher, sagt Franz, du nicht?
Natürlich hab ich das bemerkt, sagt Lisa. Ich hab mir noch gedacht, sie küsst mich drei Mal, was an sich schon ungewöhnlich ist, sagt Lisa, da bin ich aber neugierig, wie oft sie Elke küssen wird.
Hast du gedacht, vier Mal?, sagt Franz.
Lisa lacht. Mehr als drei Mal sicher nicht, sagt Lisa. Aber sie hat sie nicht drei Mal geküsst, sondern nur zwei Mal. Sind wir kindisch, sagt Lisa. Hast du eine Zigarette? Jetzt hätte ich Lust auf eine Zigarette.
Leider nicht, sagt Franz, ich rauche ja nicht mehr.
Aber hat man unserem Geschenk auch angesehen, dass es viel teurer ist?, sagt Lisa.
Sicher, sagt Franz.
Denn wenn schon teurer, sagt Lisa, dann sollte man auch bemerken, dass es teurer ist.
Das hat jeder bemerkt, sagt Franz.
Glaubst du?, sagt Lisa. Auch wenn du nicht mehr rauchst, sagt Lisa, Zigaretten könntest du schon eingesteckt haben.
Tut mir leid, sagt Franz, soll ich welche kaufen?
Nein, sagt Lisa. Also du findest schon, sagt Lisa, dass man es unserem Geschenk angesehen hat?
Ja, sagt Franz. Deine Mutter hat noch zu mir gesagt: Aber so etwas Teures hättet ihr nicht kaufen müssen.
Das hat sie gesagt?, sagt Lisa.
Ja, sagt Franz, hast du es nicht gehört?
Nein, sagt Lisa, wann hat sie das gesagt?
Gleich nachdem Birgit das Geschenk ausgepackt hat, sagt Franz.
Wieso hab ich das nicht gehört?, sagt Lisa. Da hätte ich mich den ganzen Abend gleich viel wohler gefühlt. Sie lacht.
Du bist zu weit weg gestanden, sagt Franz. Du bist näher bei Elke gestanden, und ich bin weiter hinten bei deiner Mutter gestanden.
Das stimmt, sagt Lisa.
Eindruck hat das Geschenk auf alle Fälle gemacht, sagt Franz. Nicht nur, weil es teurer war, sagt Franz. Du hast ja gehört, wie alle aufgestöhnt haben vor Überraschung.
Ja, sagt Lisa. Dabei hat sich Elke so bemüht, sagt Lisa. Am Telefon hat sie mir noch erzählt, wie verzweifelt sie herumgeirrt ist in der Stadt, um ein passendes Geschenk zu finden.
Dein Bruder geht nach Deutschland, sagt Franz, weißt du das?
Ja, sicher, sagt Lisa.
Mit der ganzen Familie, sagt Franz.
Warum nicht mit der ganzen Familie?, sagt Lisa.
Ist das nicht etwas überstürzt?, sagt Franz.
Was heißt überstürzt?, sagt Lisa. Wenn er dort die besseren Chancen hat? Warum sollte er nicht gehen? Das Eisen muss man schmieden, solange es heiß ist. Wer wagt, gewinnt. Dir vollkommen fremd, sagt Lisa, oder?
Bei Robby brennt noch Licht, sagt Franz beim Einparken.
Wann hab ich gesagt, dass du schlafen gehen sollst?, schreit Lisa in Robbys Zimmer. Wie lang, hab ich gesagt, darfst du Computer spielen?, schreit Lisa. Und wie spät ist es jetzt?, schreit Lisa. Drei Tage Spielverbot!, schreit Lisa. Drei Tage, und wenn ich dich erwischen sollte, schreit Lisa, eine ganze Woche. Ist das klar?, schreit Lisa. Ob das klar ist?
Trinken wir noch einen Cognac, sagt Lisa im Wohnzimmer. Sie lässt sich ins Sofa fallen, streift die Schuhe ab, legt die Füße auf den Tisch.
Ich bin ziemlich fertig, sagt sie, du nicht?
Franz bringt zwei Gläser mit Cognac, reicht eines Lisa.
Lisa nimmt einen Schluck und schaut vor sich hin.
Wieso haben wir keine Zigaretten im Haus?, sagt Lisa. Wieso kaufst du keine? Es geht ja nicht in erster Linie um mich, sagt Lisa, aber wenn wir Gäste haben? Und wir haben doch oft Gäste, oder?
Tut mir leid, sagt Franz.
Lisa schweigt, bewegt ihre Zehen.
Was ich dir noch erzählen wollte, sagt Lisa.
Ja?, sagt Franz.
Ach, nichts, sagt Lisa. Eigentlich nicht wichtig. Gehen wir schlafen, sagt Lisa und trinkt das Glas aus.
Willst du noch einen?, sagt Franz.
Nein, sagt Lisa und steht auf.
Oder vielleicht doch, sagt Lisa und setzt sich wieder.
Franz holt die Cognacflasche und schenkt ein.
Es ist schon komisch, sagt Lisa.
Was ist komisch?, sagt Franz.
Was mir meine Mutter erzählt hat, sagt Lisa.
Heute?, sagt Franz.
Ja, sagt Lisa.
Was?, sagt Franz.
Dass ihr vorige Woche, Papa war ja noch auf Kur, sagt Lisa, das Warmwasser ausgefallen ist. Sie hat versucht, es selber wieder hinzukriegen, aber es ging nicht. Da hat sie Bernhard angerufen, der auch gleich gekommen ist, ein paar Handgriffe und alles hat wieder funktioniert. Das war aber nicht das Entscheidende, sagt Lisa.
Sondern?, sagt Franz.
Wie sie mir das erzählt hat, sagt Lisa.
Wie?, sagt Franz.
Vollkommen außer sich, sagt Lisa. Stell dir vor, der Bernhard war da. Stell dir vor, ich hab angerufen und schon war er da. In einer Viertelstunde. Er hat sogar das Abendessen unterbrochen. Stell dir vor, mitten im Essen ist er aufgestanden und zu mir gekommen. Er hätte ja auch erst in einer Stunde kommen können oder am nächsten Tag. Er hätte ja auch sagen können: Wir sind gerade beim Essen, ich muss die Kinder zu Bett bringen, ich komme morgen. Aber nein, der Bernhard nicht, der Bernhard ist sofort gekommen. Und das sagt sie mir mit Tränen in den Augen, sagt Lisa. Das musst du dir vorstellen, sagt Lisa. Meine Mutter steht da und erzählt mir mit Tränen der Rührung in den Augen, dass Bernhard gleich vom Essen aufgestanden ist und zu ihr gekommen.
Lisa nimmt die Flasche und schenkt sich noch einmal Cognac ein.
Da kann ich noch so oft in der Nacht kommen und ihr schmerzstillende Pillen bringen, sagt Lisa. Da kann ich, während Papa auf Kur ist und sie ihr gebrochenes Bein hat, mitten im Schul- und Arbeitsstress, noch so oft mit dem Auto ausrücken und sie ins Krankenhaus bringen, nicht ein Mal, sondern drei Mal in der Woche. Da kann ich noch so sehr ständig parat sitzen und auf ihren Anruf warten: Ich brauch ein Achtel Butter, ich hab kein Brot mehr daheim, könntest du mir nicht vom Supermarkt eine Packung Nudeln bringen, könntest du mir nicht einen Kaffee bringen, mir ist der Kaffee ausgegangen und Renate kommt zu Besuch. Da kann ich noch so sehr tun, was sie will, sagt Lisa, das ist alles selbstverständlich für sie. Da gibt es kein Wort der Anerkennung, kein Wort der Einsicht, dass es für mich ja nicht leicht ist, neben Kindern, Beruf, Haushalt auch noch sie zu versorgen. Kein Wort. Nicht ein einziges Wort. Geschweige denn eine Träne. Aber kaum kommt der Herr Sohn ein Mal vorbei, um ihr das Warmwasser einzuschalten, schon ist das für sie der Himmel auf Erden. Schon kann sie sich nicht mehr halten vor Begeisterung. Schon wird sie nicht müde, das an die große Glocke zu hängen: Mein Sohn ist gekommen, was hab ich nicht für einen prächtigen Sohn, stellt euch vor, extra ist er vom Essen aufgestanden, der Arme, um zu seiner Mutter zu kommen! Wenn das nicht einen Haufen Tränen wert ist! Aber das, was ich für sie tue, und zwar nicht ein Mal, sondern ununterbrochen, sagt Lisa, das war dieser Alten noch nie eine Träne der Rührung wert.