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© 2018 Peter Mersch
6., korrigierte Auflage
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
Printed in Germany
ISBN: 9783748104490
Die vorherrschende Vorstellung der Medizin ist, dass Menschen in erster Linie deshalb übergewichtig werden, weil sie mehr Kalorien zu sich nehmen als sie verbrauchen. Meist wird ihnen geraten, weniger zu essen – insbesondere vom Hauptenergieträger Fett – und sich gleichzeitig mehr zu bewegen – zum Beispiel durch Sport –, um die zu viel aufgenommene Energie zu verbrauchen.
Peter Mersch zeigt demgegenüber, dass es vor allem der aus evolutionärer Sicht noch nicht ganz ausgereifte Gehirnstoffwechsel des Menschen ist, der ihn unter den heutigen Lebensbedingungen zunehmend übergewichtig werden lässt. Denn unter der modernen Zivilisationskost kann das energiehungrigste und wichtigste Organ des Menschen – das Gehirn – die vielen, im Körperfett vorgehaltenen Kalorien nicht ausreichend nutzen, sodass Menschen selbst dann wieder hungrig werden, wenn sie längst überreichlich viel Fett am eigenen Körper tragen.
Ursache des Problems ist also weder die zu reichliche Fettspeicherung noch die mangelhafte Fettmobilisierung bei den Übergewichtigen, wie es die meisten Diäten und Ernährungsexperten behaupten, sondern die unzureichende Nutzung der in den Fettdepots gespeicherten Energien. Damit lässt sich insbesondere der epidemische Charakter der globalen Übergewichtswelle gut erklären.
Der Autor schließt seine Ausführungen mit einer Erläuterung verschiedener Lebensstilmaßnahmen und Ernährungsweisen zur Vermeidung und Reduzierung von Übergewicht, an deren Grundprinzipien er sich seit mehr als 20 Jahren selbst hält. In diesem Zuge analysiert er zahlreiche Ernährungsprogramme zur Gewichtsabnahme wie die Atkins-Diät, South-Beach-Diät, Lutz-Diät, ketogene Diät, anabole Diät, Dukan-Diät, 17-Tage-Diät, GLYX-Diät, Montignac-Methode, LOGI-Methode, Sears-Diät, Trennkost, Schlank im Schlaf, KFZ-Diät, Steinzeiternährung, FDH, Low-Fat etc. und beschreibt deren Eigenschaften und Wirkmechanismen.
Der folgende Text ist recht wissenschaftlich gehalten und dürfte an vielen Stellen nicht ganz einfach zu lesen sein. Zur Erleichterung des Verständnisses und als Einführung in die Thematik soll ihm deshalb eine kurze Zusammenfassung der Kernargumentation vorangestellt werden.
In der Medizin und den Ernährungswissenschaften wird heute mehrheitlich angenommen, dass Menschen in erster Linie deshalb zunehmen, weil sie mehr Energie (Kalorien) aufnehmen, als sie verbrauchen. Als Gegenmittel werden zwei natürliche Maßnahmen empfohlen:
Die Devise für Übergewichtige lautet gemäß solchen Vorstellungen also: Weniger essen (vor allem an Kalorien) und sich mehr bewegen (das heißt, mehr Energie verbrauchen)1.
Die evolutionär-systemische Analyse des vorliegenden Textes, die den Menschen als ein aus der Evolution hervorgegangenes, Energie verarbeitendes System betrachtet, zeigt hingegen, dass das zu kurz gedacht ist. Dabei wird zunächst auf der Tatsache aufgesetzt, dass der Mensch aus evolutionären Gründen zwei unterschiedliche Hauptenergiestoffwechselarten besitzt:
Unter den beiden Stoffwechselarten ist der Fettstoffwechsel der wesentlich leistungsfähigere, insbesondere was die Fähigkeit zur Speicherung von Energie angeht. Fast alles, was wir zu viel essen, wird im Körper in Form von Fett gespeichert. Kohlenhydratspeicher (Glukose, Glykogen) besitzt der Körper hingegen so gut wie gar keine (vergleiche dazu die folgende Abbildung gemäß Lochs2).
Mit anderen Worten: Bei einer 70kg schweren, gesunden, schlanken Person liegen ca. 81% der verwertbaren Körperenergien als Körperfett vor, ca. 18,4% als Proteine und nur 0,6% als Kohlenhydrate3.
Hierdurch ergibt sich das folgende Problem:
Ernährt man sich im heutigen Sinne normal beziehungsweise „ausgewogen“, wie es so schön heißt (mit reichlich Kohlenhydraten in den Mahlzeiten), dann stellt sich das Gehirn auf eine reine Glukoseversorgung ein: Es verlernt die Fähigkeit, Fettabbauprodukte zur Energiegewinnung zu nutzen. Die Aussage kann unmittelbar den einschlägigen medizinischen Lehrbüchern entnommen werden, auf die im Text verwiesen wird. Alle anderen großen Körperorgane (Muskeln, Leber, Darm, Herz, etc.) leben dagegen im Normalfall primär vom Fett. Lediglich bei Spitzenanforderungen (zum Beispiel bei sportlichen Betätigungen) und nach sehr kohlenhydratreichen Mahlzeiten wird – aus noch zu erläuternden Gründen – verstärkt auf den Kohlenhydratstoffwechsel zurückgegriffen. Es lässt sich deshalb durchaus argumentieren, dass der Gehirnstoffwechsel des Menschen aus evolutionärer Sicht noch nicht ganz ausgereift ist. Bei einem vollständig abgeschlossenen evolutionären Prozess würde sich nämlich das Gehirn – wie alle anderen großen und energiehungrigen Körperorgane – primär an den vom Fettstoffwechsel bereitgestellten Energien bedienen.
Stellen wir uns nun vor, Sie ernähren sich über viele Jahre ganz normal („ausgewogen“), wie es die meisten Menschen in unserer Gesellschaft tun. Wenn Sie bei einer Mahlzeit mehr Kalorien aufnehmen, als Sie aktuell verbrauchen können (was ja der eigentliche Sinn des Essens ist, sonst müssten Sie quasi permanent am Tropf hängen), dann wird die überschüssige Energie in Ihrem Körper mehrheitlich als Fett gespeichert (zum Beispiel über den Insulinmechanismus). Mit anderen Worten: Fast jede zu viel gegessene Kalorie landet schlussendlich in den Körperfettdepots.
Das Problem ist nun allerdings, dass der menschliche Körper – wie noch gezeigt werden wird – aus gespeichertem Fett anteilsmäßig nur sehr wenig Glukose (Kohlenhydrate) herstellen kann. Wer vorwiegend am Schreibtisch sitzt und sich kaum bewegt, der wird schon bald wieder sein energiehungriges Gehirn mit zusätzlicher Energie versorgen müssen. Die überschüssigen Energien der letzten größeren Mahlzeit können dafür jedoch nicht mehr genutzt werden, denn die sind mehrheitlich in den Fettdepots des Körpers gelandet und daraus kann – wie gesagt – kaum Glukose hergestellt werden. Folglich wird sich schon bald wieder ein Hunger auf Kohlenhydrate einstellen, und zwar zur energetischen Versorgung Ihres Gehirns. Essen Sie bei dieser Mahlzeit erneut mehr, als Sie aktuell verbrauchen können, landen auch diese überschüssigen Energien im Fettspeicher, wo sie für das Gehirn nicht länger nutzbar sind.
Man erkennt unmittelbar, dass Sie auf diese Weise leicht dicker und dicker werden können4. Der eine Ausweg aus dem Dilemma ist es, sich mehr zu bewegen, denn Muskeln leben primär vom Fett. Dies wird von den meisten Ärzten auch ausdrücklich empfohlen, allerdings ohne dafür eine schlüssige Erklärung zu geben. Der andere Ausweg lautet: Die Anwendung der im vorletzten Kapitel (Maßnahmen auf Seite →) angeführten Maßnahmen (zum Beispiel die Einhaltung einer kohlenhydratarmen Diät), sodass Ihr Gehirn es wieder lernt, Fettabbauprodukte direkt zur Energiegewinnung zu verwerten. Der Fachausdruck dafür ist: Wiederherstellung der Ketolysefähigkeit (beziehungsweise der Ketoadaption) des Gehirns.
1 Eine eingehende Begründung, warum das genannte Paradigma der Ernährungswissenschaften zur Entstehung von Übergewicht unzutreffend und die auf seiner Grundlage empfohlenen Maßnahmen im Allgemeinen unwirksam sind, findet sich in Taubes, Gary (2011): Why We Get Fat. And What to Do About It, New York: Anchor Books.
2 Lochs, Herbert (2003): Hungerstoffwechsel,
http://www.dgem.de/termine/berlin2003/lochs.pdf, S. 5
3 In der Originalfolie von Herbert Lochs
(http://www.dgem.de/termine/berlin2003/lochs.pdf, S. 5) werden die Fettdepots einer fiktiven 70 kg schweren, gesunden und schlanken Person mit 15 kg und 141.000 Kcal (dies entspricht ca. 940 Kcal pro 100 g Körperfett) angegeben. Andere Quellen behaupten, der Organismus könne aus 100 g Körperfett nur noch ca. 700 Kcal an Energie gewinnen. Aus diesem Grund habe ich mich für die etwas konservativen Zahlen entschieden. In der obigen Tabelle ist die Gesamtkalorienzahl des Körperfett deshalb nur mit insgesamt 105.000 Kcal angegeben. Würde man die Originalzahlen von Lochs zugrunde legen, dann ergäben sich für eine 70kg schwere, gesunde und schlanke Person die folgenden Anteilsverhältnisse: Ca. 85% der verwertbaren Körperenergien liegen als Körperfett vor, ca. 14,5% als Proteine und nur 0,5% als Kohlenhydrate. Letztlich ändert dies an den Gesamtverhältnissen jedoch nur wenig, zumal jedes zusätzliche Kg Übergewicht das Pendel weiter in Richtung Fett ausschlagen ließe. Beispielsweise würde die gleiche Person mit zusätzlichen 15 kg Körperfett (insgesamt also 30 kg) und ansonsten unveränderter Konstitution gemäß der konservativen Rechnung bereits 89,5% der verwertbaren Körperenergien in Form von Fett mit sich herumtragen, gemäß der Loch’schen Originalrechnung sogar fast 92%.
4 Gary Taubes rechnet in Taubes, Gary (2011): Why We Get Fat. And What to Do About It, New York: Anchor Books, S. 71ff. vor, dass bereits ein durchschnittlicher täglicher Fettspeicherüberschuss von 20 Kilokalorien pro Tag ausreicht, um eine Person über die Jahrzehnte adipös (dick) werden zu lassen.
Die Medizin geht allgemein davon aus, dass das Gehirn bevorzugt Glukose, das heißt, Zucker – oder alternativ Laktat5 – zur Energiegewinnung nutzt6 7. Grundlage dieser Überlegung ist unter anderem die Tatsache, dass freie Fettsäuren die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden können.
Da das Gehirn nur über begrenzte Glykogenspeicher (Kohlenhydratspeicher) verfügt, es aber auch in Ruhe (zum Beispiel während des Schlafs) eine hohe Stoffwechselaktivität besitzt, muss eine konstante Glukosezufuhr über das Blut ins Gehirn gewährleistet sein.
Das Gehirn kann alternativ zur Glukose auch Ketonkörper – ihre Herstellung erfolgt in der Leber aus Fettabbauprodukten – zur Energiegewinnung verwerten. Diesen Vorgang nennt man Ketolyse. Nach Auffassung der Medizin geschieht dies aber nur in Ausnahmefällen, und zwar dann, wenn über längere Zeit keine ausreichenden Mengen an Kohlenhydraten über die Nahrung aufgenommen werden. In diesem Fall muss das Gehirn zunächst entsprechende Mengen eines bestimmten Enzyms herstellen, wozu es unter den Bedingungen der heute üblichen kohlenhydrat- und kalorienreichen Ernährungsweise in der Regel erst nach einigen Tagen in der Lage ist.
Leider scheint unter den Stoffwechselexperten der Medizin kaum jemand die Frage zu stellen, ob es sich bei der fehlenden Bereitschaft zur Ketolyse des Gehirns um einen Normalzustand oder eher um ein Defizit handelt.
Denn immerhin kann festgestellt werden, dass die Ketolyse für das Gehirn eines Säuglings noch von entscheidender Bedeutung ist. Löffler und Petrides führen dazu aus8:
Im Gehirnstoffwechsel eines Säuglings werden zu einem weitaus höheren Anteil Ketonkörper verarbeitet als beim Erwachsenen. Infolgedessen können Säuglinge wesentlich geringere Blutglukosekonzentrationen (20 – 30 mg/dl = 1,2 – 1,8 mmol/l) ohne neurologische Ausfälle tolerieren als Erwachsene. Kurz nach der Geburt steigen die Aktivitäten der Ketonkörper verwertenden Enzyme ß-Hydroxybutyrat-Dehydrogenase und Succinyl-CoA-Acetacetyl-CoA-Transferase deutlich an, wodurch eine optimale Ausnutzung des hohen Fettanteils der Muttermilch möglich wird. Glukose kann jedoch auch beim Säugling nicht vollständig durch Ketonkörper ersetzt werden. Nach dem Abstillen und der Umstellung des Kleinkindes auf kohlenhydratreiche Nahrung fallen die Ketonkörper metabolisierenden Enzymaktivitäten wieder ab.
Daneben sind die Ketonkörper wohl auch für die Entwicklung der kleinkindlichen Gehirnsubstanz erforderlich, wie Forschungsarbeiten gezeigt haben wollen9.
Es ist bedauerlich, dass für die medizinische Fachliteratur Kinder nach dem Abstillen ausschließlich auf eine kohlenhydratreiche Nahrung umgestellt werden sollen, zumal dies unter Berücksichtigung der gesamten Entwicklungsgeschichte der Menschheit – wie im nächsten Kapitel dargelegt wird – wohl eher die Ausnahme gewesen sein dürfte.
Hier rächt es sich, dass der Körper den größten Teil der gespeicherten Energie aus ökonomischen Gründen in Form von Fett vorhält, das aber nur zu einem geringen Teil in Glukose zurückverwandelt werden kann (siehe die folgende Abbildung, in der dargelegt wird, dass aus einem üblichen Triglycerid mit drei gesättigten Palmitinsäure-Molekülen anteilsmäßig nur noch 6% Glukose gewonnen werden kann10).
Dies mag für Lebewesen mit einem gemessen an der Körpergröße kleineren Gehirn und folglich kleineren relativen zerebralen Energieanforderungen – zum Beispiel Schafen – angemessen sein11 12, für den Menschen mit seinem energiehungrigen großen Gehirn ist die Situation jedoch problematisch.
In Experimenten mit Ratten konnte nachgewiesen werden, dass deren Gehirn in Sauerstoffmangelsituationen (Hypoxie) bei ausreichender Versorgung mit Ketonkörpern länger überlebensfähig ist als bei reiner Glukose-Versorgung13. Einige Wissenschaftler vermuten deshalb, dass Ketonkörper eine besonders effiziente Energiequelle für ein auf diesen Energieträger eingestelltes Gehirn darstellen14.
Wie ich in diversen Artikeln15 und Büchern16 zur Migräne erläutert habe, kann die fehlende Bereitschaft des Gehirns zur Nutzung von Ketonkörpern (Ketolyse) in Energiemangelsituationen – beziehungsweise die zu einseitige Ausrichtung des Gehirnstoffwechsels auf den in der Zuführung eher instabilen Brennstoff Glukose – eine wesentliche Ursache für zerebrale Energiekrisen (und damit zum Beispiel für Migräne oder Epilepsie) sein17. Die fehlende Bereitschaft ist jedoch keineswegs naturgegeben, sondern sie wird durch die heute übliche kalorien- und kohlenhydratreiche Ernährungsweise, die keine Phasen längerer vergeblicher Nahrungssuche (beziehungsweise Fasten) mehr kennt, erst produziert. Oder mit den bereits erwähnten Worten Löffler und Petrides18:
Nach dem Abstillen und der Umstellung des Kleinkindes auf kohlenhydratreiche Nahrung fallen die Ketonkörper metabolisierenden Enzymaktivitäten wieder ab.
Es ist seit vielen Jahrzehnten bekannt, dass sich viele Formen der Epilepsie recht gut mit extrem kohlenhydratarmen Diäten wie der ketogenen Diät behandeln lassen19 20. Allerdings konnte wissenschaftlich bislang noch nicht eindeutig geklärt werden, welche Mechanismen für die positiven Wirkungen solcher Diäten auf die Epilepsie letztlich verantwortlich sind21. Untersuchungen deuten jedoch an, dass eine wesentliche Ursache in der Verbesserung der energetischen Versorgung der Zelle liegen könnte22:
These changes would be consistent with an increase in the effective available cellular energy.
Damit würde sich eine schon länger geäußerte – und von mir geteilte23 – Vermutung bestätigen, dass eine Reaktivierung der Ketolysefähigkeit (Ketoadaption) des Gehirns dessen Zellen unempfindlicher gegenüber Schwankungen in der energetischen Versorgung machen kann.
These 1:
5 Schurr, Avital (2006): Lactate: the ultimate cerebral oxidative energy substrate? Journal of Cerebral Blood Flow & Metabolism (2006) 26, S. 142-152
6 Löffler, Georg/Petrides, Petro E. (Hrsg.) (2003): Biochemie und Pathobiochemie, 7. Auflage, Heidelberg: Springer Medizin-Verlag, S. 1054
7 Peters, Achim (2011): Das egoistische Gehirn. Warum unser Kopf Diäten sabotiert und gegen den eigenen Körper kämpft, Berlin: Ullstein
8 Löffler, Georg/Petrides, Petro E. (Hrsg.) (2003): Biochemie und Pathobiochemie, 7. Auflage, Heidelberg: Springer Medizin-Verlag, S. 1055
9 Morris AAM (2005): Cerebral ketone body metabolism, Journal of Inherited Metabolic Disease, Volume 28, Issue 2, Apr 2005, S. 109-121
10 Wood, Philip A. (2006): How Fat Works, Cambridge MA: Harvard University Press
11 Morris AAM (2005): Cerebral ketone body metabolism, Journal of Inherited Metabolic Disease, Volume 28, Issue 2, Apr 2005, S. 109-121
12 Lindsay DB/Setchell BP (1976): The oxidation of glucose, ketone bodies and acetate by the brain of normal and ketonaemic sheep, The Journal of Physiology, 1976 Vol 259, Issue 3, S. 801-823
13 Kirsch JR/D'Alecy LG (1984): Hypoxia induced preferential ketone utilization by rat brain slices, Stroke. 1984 Mar-Apr;15(2):, S. 19-23
14 Veech RL (2004): The therapeutic implications of ketone bodies: the effects of ketone bodies in pathological conditions: ketosis, ketogenic diet, redox states, insulin resistance, and mito-chondrial metabolism, Prostaglandins Leukot Essent Fatty Acids. 2004 Mar;70(3): S. 309-19
15 Mersch, Peter (2004): migräneinformation.de, http://www.miginfo.de
16 Mersch, Peter (2016): Migräne. Heilung ist möglich, Norderstedt: Books on Demand
17 Strahlman, R. Scott (2006): Can Ketosis Help Migraine Sufferers? A Case Report. Headache: The Journal of Head and Face Pain. Volume 46, S. 182
18 Löffler, Georg/Petrides, Petro E. (Hrsg.) (2003): Biochemie und Pathobiochemie, 7. Auflage, Heidelberg: Springer Medizin-Verlag, S. 1055
19 Mersch, Peter (2012): Der Fall Charlie Abrahams,
http://www.mersch.com/molmain/main.php?docid=231#mol267
20 Platte, Petra/Korenke, Christoph (2005): Epilepsie. Neue Chancen mit der ketogenen Diät, Stuttgart: Trias
21 Platte, Petra/Korenke, Christoph (2005): Epilepsie. Neue Chancen mit der ketogenen Diät, Stuttgart: Trias
22 Pan JW/Bebin EM/Chu WJ/Hetherington HP (2009): Ketosis and epilepsy: 31P spectro-scopic imaging at 4.1T, Epilepsia 1999; 40(6), S. 703-707
23 Mersch, Peter (2016): Migräne. Heilung ist möglich, Norderstedt: Books on Demand
Der Mensch ist über einen langen evolutionären Entwicklungsprozess aus dem Tierreich hervorgegangen.
Einige Anthropologen vermuten, dass die ersten menschlichen Wesen aus reiner Not die Knochen und Schädel von bereits erlegten und von Raubtieren weitestgehend verspeisten Tieren (Aas) mit groben Steinen aufschlugen, um an das wertvolle und sehr fetthaltige Knochenmark und das ebenfalls sehr fettreiche Gehirn zu kommen. Solche weichen Substanzen konnten sie ohne weitere Garungsprozesse und mit ihren ursprünglichen Pflanzenfresserzähnen verzehren. Die frühen Menschen bevorzugten demnach von Anfang an in erster Linie tierische Fette und erst an zweiter Stelle tierische Proteine.
Lebewesen nehmen Nahrung primär zur Erlangung energetisch verwertbarer Substrate auf („eat for energy“). Erst an zweiter Stelle folgt die Versorgung mit essenziellen Nährstoffen. Das Erschließen einer besonders energiereichen Nahrung stellt aus evolutionärer Sicht deshalb einen Vorteil dar.
Wie Forschungen zeigen, wurden in einer späteren Phase der Menschwerdung – nach deutlichem Intelligenzzuwachs und einigen technologischen, kommunikativen und strategischen Innovationen – vorwiegend Großlebewesen gejagt und erlegt, deren Fleisch einen hohen Fettanteil besaß. Auch heute lebende Naturvölker sind vor allem am Erlegen sehr fetthaltiger Großlebewesen interessiert24 25 26 27 28 29.
Anthropologen sehen sowohl in den geistigen Anforderungen bei der gemeinschaftlichen Jagd als auch in der spezifischen, sehr eiweiß- und fettreichen Ernährung den Grund dafür, dass sich das Gehirn des Menschen in den letzten 3 Millionen Jahren so bemerkenswert rasch (von 500 g auf fast 1.500 g) entwickeln konnte.
Man könnte es auch so ausdrücken: Als sich das Gehirn des Menschen über einen Zeitraum von 3 Millionen Jahren entwickelte, basierte sein Stoffwechsel auf einer Fett-Eiweiß-Diät. An diese Ernährung scheint das Gehirn sehr gut angepasst zu sein; dieser Ernährung verdankt es Wachstum und Leistungsfähigkeit; dieser Ernährung verdanken wir Menschen, dass wir uns aus dem Tierreich zum Menschen entwickelt haben.
Von der körperlichen Ausstattung her mögen wir Menschen überwiegend Pflanzenfresser sein, vom Gehirn her sind wir aber vermutlich in erster Linie Carnivore (Fleischfresser). Viele zum Teil sehr vehement geführte Diskussionen zum Thema konzentrieren sich meist zu stark auf die rein körperlichen Aspekte und ignorieren das Gehirn. Der Mensch unterscheidet sich aber von allen anderen Lebewesen primär durch sein Gehirn.
Der Anthropologe William Leonhard behauptet etwa, dass
die Vergrößerung des Gehirns mit großer Wahrscheinlichkeit erst stattgefunden haben kann, nachdem die Hominiden eine Ernährungsweise angenommen hatten, die ausreichend Kalorien und Nährstoffe
für dieses besonders wertvolle Organ lieferte30.
Und für die Anthropologen Leslie Aiello und Peter Wheeler31 war die Ernährung mit Fleisch eine regelrechte Hirnnahrung, und zwar aufgrund der dadurch erfolgten energetischen körperlichen Umverteilung: Fast 90 Prozent der gesamten Ruheenergie des Körpers werden von Herz, Leber, Nieren, Darm und Gehirn benötigt. Die Größen von Herz, Leber und Nieren sind direkt von der Körpergröße und -masse abhängig und unverzichtbar für das Pumpen und Reinigen des Blutes. Voraussetzung für ein größeres Gehirn war somit die Verkleinerung des Darmtraktes, wo nach dem Gehirn die meiste Energie verbraucht wird. Eine solche Verschiebung der Größenverhältnisse unter den Organen konnte von Aiello und Wheeler anhand von Messungen der wirklichen Organgewichte eines 65 kg schweren Menschen und Schätzungen der für Primaten gleicher Gewichtsklasse zu erwartenden Organgewichte tatsächlich festgestellt werden (siehe die folgende Abbildung). Die für den Menschen errechnete Reduktion des Darmtraktes lässt sich nur damit begründen, dass seine Nahrung gleichzeitig energetisch konzentrierter war, mehr Kalorien pro Einheit besaß oder teilweise außerhalb des Körpers vorverdaut wurde32.
Und tatsächlich lässt sich eine Tendenz zu immer ballaststoffärmerer, stärker konzentrierter und vorverarbeiteter Nahrung über die gesamte Geschichte der Menschheit beobachten. Die dabei bei der Verdauung eingesparten Energien konnten offenbar erfolgreich in die Entwicklung des Gehirns gesteckt werden.
Es ist fast so, wie im normalen Leben:
Beim Menschen hat sich diese Umverteilung der Prioritäten regelrecht in seine Körperstrukturen gebrannt.
Bei der Evolution der Arten spielt nicht nur die (interspezifische) Konkurrenz zwischen verschiedenen Spezies eine Rolle, sondern die (intraspezifische) Konkurrenz unter den Individuen der gleichen Art mindestens genauso. Einige Anthropologen vermuten zum Beispiel, dass in vielen frühmenschlichen Kulturen nur das dominanteste Männchen das Recht besaß, die Weibchen der Population zu schwängern und seine Gene weiterzugeben. Ein größeres und mehr Energie verbrauchendes Gehirn ging zwar möglicherweise mit Geschicklichkeitsvorteilen einher, hätte aber zugleich einen Kräfteverlust des restlichen Körpers bedeutet, wenn die zusätzliche Gehirnenergie nicht an anderer Stelle eingespart worden wäre. Ein schwächerer Körper wäre jedoch bei der Erlangung der Stammesführerschaft von Nachteil gewesen. Ein größeres Hirn konnte deshalb nur zusammen mit Einsparungen bei anderen, für den Überlebenskampf weniger bedeutsamen Bereichen des Körpers – konkret: bei den Verdauungsorganen – entstehen, und zwar auch erst dann, als sich eine entsprechend leichter verdauliche Nahrung bereits durchgesetzt hatte.
Solche Erkenntnisse der Anthropologen haben letztlich brisante praktische Konsequenzen, die den Grundaussagen der modernen Ernährungsberatung fundamental widersprechen.
Es gilt heute als gesichert, dass Werkzeuge, Waffen, Jagdstrategien maßgebliche Trigger für die rasche Entwicklung des menschlichen Gehirns waren. Anthropologen wie Aiello, Wheeler und Leonhard sind jedoch der Auffassung, dass diese Faktoren für sich allein bei Weitem nicht gereicht haben, und sie machen dafür eine einfache und äußerst plausible Rechnung auf:
Wenn die gejagten Tiere nicht aus Fleisch und Fett, sondern aus der gleichen Substanz wie Bananen, Kohlköpfe und Kartoffeln bestanden hätten, dann hätte das menschliche Gehirn evolutionär nicht wachsen können, weil damit keine ausreichend konzentrierte Nahrung aufgenommen worden wäre, die langfristig die enorme energetische Bedarfsverschiebung zwischen Darm und Gehirn hätte bewirken können, die ja beim Menschen über mehrere Millionen Jahre tatsächlich stattgefunden hat. Das große Gehirn des Menschen ist demnach einerseits eine Folge der hohen geistigen Anforderungen bei der Jagd auf Tiere und andererseits der ungewöhnlich starken energetischen Konzentration (des hohen Kaloriengehalts) der dabei erbeuteten Nahrung.
Die moderne Ernährungsberatung behauptet demgegenüber beispielsweise33:
Merkmale einer ausgewogenen Ernährung sind abwechslungsreiche Auswahl, geeignete Kombination und angemessene Menge nährstoffreicher und energiearmer Lebensmittel. … Fett ist besonders energiereich, daher kann zu viel Nahrungsfett Übergewicht fördern. … Insgesamt 60-80 g Fett pro Tag reichen aus.
Und während sich weltweit aus praktischen Gründen immer mehr Fast-Food-Ketten durchsetzen, in deren Einrichtungen große Kalorienmengen im Rekordtempo aufgenommen werden können, empfiehlt der Ernährungsberater Martin Kunz gar eine Volumetrics-Diät, bei der bevorzugt Lebensmittel verzehrt werden sollen, die möglichst wenig Energie pro Volumen liefern34:
Der Traum aller Diät-Geplagten: große Mengen essen zu können und dabei nicht zu-, sondern abzunehmen. Mit dem Volumetrics-Konzept soll er in Erfüllung gehen. Der englische Begriff ‚Volumetrics‘ bezeichnet die Energiedichte von Lebensmitteln, also den Kaloriengehalt pro Gramm.
Bei der Volumetrics-Diät stehen vor allem Lebensmittel, die von Natur aus kalorienarm, dafür aber volumenreich sind, auf dem Speiseplan.
Damit stellt die Ernährungsberatung letztlich das Prinzip, das den Menschen in der Evolution erfolgreich und überhaupt erst zum Menschen gemacht hat, regelrecht auf den Kopf. Statt eine gehirnfreundliche, energetisch konzentrierte, darmentlastende und zeitsparende Nahrung zu propagieren, wird eine Diät mit vielen Ballaststoffen und geringer Energiedichte empfohlen.
Demgegenüber schreibt der polnische Arzt Jan Kwasniewski35:
In der Ernährung werden ballaststoffreiche Produkte ... empfohlen, die den Verdauungstrakt ‚reinigen‘ und der Verstopfung vorbeugen sollen. Ich dagegen halte Ballaststoffe wahrheitsgemäß für einen Bestandteil, der vom menschlichen Organismus überhaupt nicht verdaut und assimiliert wird, also für den Menschen ungenießbar und in der Ernährung unnütz ist.
Und weiter36:
Fleisch sollte nicht roh gegessen werden, sondern vor dem Verzehr maximal verarbeitet werden. … Es ist nicht vernünftig, den Verdauungstrakt zu Tätigkeiten zu zwingen, die gut und gern außerhalb dieses Systems erfolgen können. Er spart dann Energie …
Die Diskrepanz zwischen den hohen energetischen Anforderungen des Gehirns auf der einen Seite und den schwachen menschlichen Verdauungsfunktionen auf der anderen Seite erklärt auch, warum Empfehlungen für kohlenhydratreiche Ernährungsweisen im Allgemeinen einen verstärkten Konsum an Zucker und Weißmehl in der Bevölkerung zur Folge haben: Für ballaststoffreiche Diäten fehlen den meisten Menschen die entsprechend leistungsfähigen Verdauungsorgane.
These 2:
Die Ernährungsberatung befindet sich mit ihren Empfehlungen im Übrigen auch im Widerspruch zu grundsätzlichen ökonomischen Gesetzen: Wenn es beispielsweise gelänge, einen Automobiltreibstoff zu entwickeln, der einerseits in ausreichender Menge produziert werden kann und andererseits mehr Energie (Kalorien) pro Volumen bei gleichem Preis liefert, könnte man kleinere und leichtere Autos bauen, die zudem noch die niedrigeren Betriebskosten besäßen. Wäre für den neuen Treibstoff eine ausreichend flächendeckende Versorgungsinfrastruktur (Tankstellen) vorhanden, würden sich die Autos binnen kurzer Zeit gegenüber herkömmlichen Modellen durchsetzen.
Aus gleichem Grunde hat der fossile Brennstoff Mineralöl längst den fossilen Brennstoff Kohle überall dort ersetzt, wo Größe eine Rolle spielt: Mineralöl besitzt gegenüber Kohle eine höhere energetische Dichte und lässt sich zudem leichter und sauberer verbrennen.
Wo ökonomische Gesetze eine Rolle spielen, wird sich eine dichtere Energiequelle auf lange Sicht zwangsläufig gegen weniger effiziente Energielieferanten durchsetzen. So war es letztlich überall in der Natur auch. Die moderne Ernährungsberatung hat dieses eherne Gesetz der Evolution jedoch in das genaue Gegenteil verkehrt: Wir sollten Fett meiden, weil Fett die meisten Kalorien besitzt.
Dabei ist die hohe Energiedichte des Fetts einer der entscheidenden Gründe dafür, warum Lebewesen Energie überhaupt primär in Form von Fett speichern: Fett besitzt mehr Kalorien als Kohlenhydrate oder Proteine. Mit Fett als primärem Energiespeicher können Lebewesen bei der gleichen Menge an gespeicherter Energie leichter und wendiger und infolgedessen auch energiesparender konstruiert werden, als wenn ihr primärer Energiespeicher auf Kohlenhydraten oder Proteinen beruhte37.
So wie der Übergang zu einer Ernährung mit hoher Energiedichte maßgeblich zur Entwicklung des menschlichen Gehirns beigetragen hat, so sind umgekehrt auch gegenläufige Entwicklung vorstellbar, bei der das Gehirn auf lange Sicht keineswegs größer, sondern stattdessen zunehmend kleiner wird. Und in der Tat gibt es Anzeichen dafür, dass das Gehirngewicht des Menschen seit dem Ende der Altsteinzeit um durchschnittlich ca. 150 g zurückgegangen ist38. Empfehlungen für ballaststoffreiche Diäten von geringer Energiedichte stehen deshalb nicht nur im Widerspruch zu den grundsätzlichen energetischen Gesetzen der Evolution39, sondern sie könnten den Menschen auf lange Sicht auch wieder „zum Affen machen“.