Vita Sackville-West ist nicht nur für ihr literarisches Schaffen, sondern auch für die wunderschöne Gartenanlage von Sissinghurst Castle berühmt. In diesem Buch beschreibt sie 25 ihrer Lieblingsblumen aus Sissinghurst, ihr Aussehen, ihre Besonderheiten und die optimalen Wachstumsbedingungen. Entstanden sind ebenso praktische wie poetische Porträts, die blumenbegeisterte Amateure genauso wie Gartenprofis inspirieren. Spielend gelingt ihr der Spagat zwischen nützlichem Fachwissen und kleinen literarischen Gartengeschichten.
»Blumen für Maler« nannte Vita die ausgewählten Pflanzen, charakterisiert durch eine ganz spezielle Schönheit. Ihre Texte liegen nun in neuer Übersetzung vor – wunderbar ergänzt um die eleganten und bezaubernden Aquarelle von Graham Rust.
Victoria Mary Sackville-West (1892-1962), genannt Vita, publizierte in ihrem Leben über fünfzig Bücher. Für den Observer schrieb sie jahrelang eine erfolgreiche Gartenkolumne. 1930 erwarb sie Sissinghurst Castle in Kent, wo sie zusammen mit ihrem Mann einen der schönsten Gärten Englands entwarf und anlegte.
Graham Rust (geboren 1942) studierte Zeichnen und Malen an der Polytechnic School of Art, der Central School of Arts and Crafts in London und der Woodbury School in Virginia, USA. Er ist international bekannt für seine Wandmalereien, Buchillustrationen und Trompe-l’œil-Kunst. Graham Rust lebt und arbeitet im englischen Suffolk.
Christel Dormagen (geboren 1943) studierte Anglistik und Germanistik. Sie ist Übersetzerin für angelsächsische Literatur und außerdem als Journalistin für Rundfunk und Printmedien tätig. Sie lebt in Berlin.
Meine Lieblingsblumen
Aus dem Englischen von Christel Dormagen
Mit zahlreichen farbigen Illustrationen
von Graham Rust
INSEL VERLAG
Der Text der vorliegenden Ausgabe erschien erstmals 1937 unter dem Titel Some Flowers. Text copyright © The Beneficiaries of the Literary Estate of Vita Sackville-West, 1937.
Die Originalausgabe des vorliegenden Bandes erschien 2014 bei National Trust Books, Großbritannien. Copyright © National Trust Books, 2014.
Die Zeichnungen der Rosa centifolia muscosa und der Rosa gallica wurden nach der ›White Bath‹ beziehungsweise der ›Tuscany Superb‹ angefertigt.
eBook Insel Verlag Berlin 2016
Der vorliegende Text folgt der 1. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4436.
Originalausgabe
© Insel Verlag Berlin 2016
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Umschlag: Rothfos & Gabler, Hamburg
Umschlagabbildungen: Graham Rust, Suffolk
eISBN 978-3-458-74506-8
www.insel-verlag.de
Vorwort
Hamamelis mollis
Zaubernuss
Iris unguicularis
Auch stylosa genannt
Kretische Schwertlilie
Iris reticulata
Netzblatt-Schwertlilie
Fritillaria imperialis
Kaiserkrone
Fritillaria meleagris
Schachblume
Tulipa clusiana
Damentulpe
Primula auricula
Aurikel
Punica granatum
Granatapfel
Verbascum
Königskerze, Cotswold-Sorten
Dianthus caesius
Pfingstnelke
Rosa moyesii
Mandarinrose
Rosa centifolia muscosa
Moosrose
Rosa mundi
Rosa gallica Tuscany
Abutilon megapotamicum
Auch vexillarium genannt
Schönmalve
Primula pulverulenta
Bartley strain
Mehlprimel
Primula littoniana
Orchideenprimel
Mutisia retusa
Lilium regale
Königslilie
Lilium giganteum
Riesenlilie
Zinniae
Zinnienarten
Tigridia
Tigerlilie
Gerbera jamesonii
Transvaal daisy
Gerbera-Art
Salpiglossis
Trompetenzunge
Lilium auratum
Japanische Goldbandlilie
Dieses Büchlein ist sehr persönlich und in der Zusammenstellung sehr subjektiv. Es stellt rund zwei Dutzend all der Pflanzen vor, die ich in meinem eigenen Garten gerne stehen habe. Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als gäbe es absolut nichts, was diese ausgewählten Exemplare miteinander verbindet. Ich kann aber hoffentlich erklären, dass dem nicht so ist. Das Buch wendet sich nicht an professionelle Gärtner, sondern an Amateure. Dieses Land ist ein Land der Gartenliebhaber, und es gibt unter ihnen sicherlich viele, die es einigermaßen leid sind, Jahr um Jahr haargenau dasselbe anzupflanzen wie ihre Nachbarn, und die sich nach etwas Neuem umschauen, das weder ihre Geldbörse noch ihre Zeit und ihre Kenntnisse strapaziert. Wir alle dürfen natürlich gern weiter unseren Goldlack und Rittersporn, unsere Lupinen und Löwenmäulchen pflanzen. Es liegt mir fern, diese treuen Verbündeten schlechtzureden; und dennoch kommt stets der Moment, in dem jeder echte Blumenliebhaber sich dem etwas weniger Üblichen und Offensichtlichen zuwendet. Und genau diese Art von Gärtnern habe ich im Sinn. Auch wenn alle Pflanzen, die ich beschreibe, nicht teuer sind und sich vergleichsweise einfach kultivieren lassen, besitzt jede von ihnen etwas, das sie, wie ich finde, besonders macht, und außerdem findet man sie nicht gleich in jedem Garten.
Mit der besonderen Eigenschaft meine ich etwas, das diese Blumen mit einigem Recht zu »Blumen für Maler« macht. Was bedeutet, dass ihre Schönheit, die auf den ersten Blick nicht dramatisch und effektvoll ist, sorgfältiger betrachtet und nach Kriterien bewertet werden will, die anders sind als die, nach denen wir, zum Beispiel, die Farbenpracht einer Blumenrabatte im Hochsommer beurteilen. Für dieses schmale Buch habe ich Pflanzen ausgewählt, die nichts mit dem zu tun haben, was wir unter einem »großen Garten« verstehen, auch wenn sie (zumindest manche von ihnen) dort ihren Platz finden mögen. Ich habe sie vor allem aufgrund ihrer Schönheit in Form, Färbung, Zeichnung und Struktur ausgewählt.
Insgesamt handelt es sich um Blumen, die man intensiv betrachten muss, um ihre Eigenheit und ihren Liebreiz wirklich zu erkennen und zu schätzen. Es sind Blumen, die Künstler voller Entzücken gemalt haben oder malen sollten.
Es ist sehr schwer, über Blumen zu schreiben. Das stellte ich allerdings erst fest, als ich selbst damit begann. Davor hatte ich stets nur gegen all die gewettert, die sich darin versuchten. Ich ertappte mich dabei, wie ich mich ständig über die unerträglich sentimentale Ausdrucksweise erregte, die sich offenbar automatisch bei allen noch so aufrechten und redlichen Gärtnern einstellt, sobald sie sich bemüßigt sehen, ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Gefühle anderen, weniger kundigen Menschen mitzuteilen. Es kam mir vor, als würden sie allesamt dasselbe schauderhafte Vokabular benutzen, das glatt ein eigenes Wörterbuch verdient hätte, so unvermeidlich, wie da immer wieder auf dieselben Formulierungen zurückgegriffen wird.
Es ist in der Tat sehr schwer, über Blumen zu schreiben.
Denken Sie nur daran – um mal konkret zu werden –, wie schwierig es ist, in normaler Sprache etwa die schlichte Tatsache auszudrücken, dass eine Blume gut riecht. Im gebräuchlichen Englisch gibt es keine andere Formulierung, mit der sich diese Eigenschaft ausdrücken ließe. Wenn wir sagen: »Sie riecht« (it smells), impliziert das automatisch, dass sie schlecht riecht. Also greifen wir notgedrungen anstatt zu dem ehrlichen Wort »Geruch« (smell) zu den gezierteren Ersatzbegriffen »Duft« (scent) oder »Parfüm« (perfume) – und beide vermitteln keineswegs, was wir meinen, wenn wir sagen, eine Blume rieche gut. »Gut riechen« ist aber zumindest eine ehrliche Formulierung, und weder »Duft« noch »Parfüm« noch »Odeur« (odour) noch »Wohlgeruch« (fragrance) können an dessen Stelle treten. Sie werden allesamt in jenes spezielle Wörterbuch für Blumen- und Gartenschriftsteller verbannt, in dem auch »malerisch«, »anmutig« und »zauberhaft« einen Ehrenplatz einnehmen.
Eine andere Falle ist die Farbe. Nicht nur, dass Farben sich so gut wie gar nicht anschaulich in Worten wiedergeben lassen, sondern man muss, wenn der Begriff sich nicht dauernd wiederholen soll, zu Ausflüchten wie »Tönung« (hue) und »farbenprächtig« (colourful) greifen – wobei letzteres Wort ein Amerikanismus ist, dem ich mich verweigere. »Tönung« finde ich gerade noch zulässig, wenn man es nur sehr selten und besonders geschickt gebraucht; ansonsten unentschuldbar. Reginald Farrer nimmt unter den botanischen Schriftstellern, denen es gelingt, etwas von der Farbqualität einer Blume in Worte zu fassen, eine Sonderstellung ein; und prompt hat man ihm vorgeworfen, er sei zu poetisch und rhetorisch. Er war zugegebenermaßen ein sehr bewusster Stilist. Und doch zählen seine Beschreibungen zu den besten ihrer Art, nicht nur in sprachlicher Hinsicht, sondern auch, was ihre botanische Präzision angeht. Nehmen Sie, als Beispiel, seinen Bericht darüber, wie er zum allerersten Mal den Enzian erblickte, der heute seinen Namen trägt – und diese Passage ist nur eine unter all den vielen, die sich zitieren ließen:
»Und diese Schönheit! Nichts von ihrem Charakter und ihrer zukünftigen Geschichte hätte ich an jenem Tag ahnen können, als ich, in hingerissene Betrachtung versunken, vor der leibhaftigen Pflanze stand … ein zarter, feiner grasartiger Tuff, aus dem ein halbes Dutzend dünner, zittriger Stängel hervorragt – das ist Gentiana farreri, ziemlich unscheinbar und versteckt in den vielen Hochalmen des Da-Tung-Gebirges … Bis sie dann Anfang September zu blühen beginnt: Jeden Tag ereignet sich dann eine neue schmetternde Farbexplosion im Schoße der Wiesen. Denn jeder dieser schwächlichen Stängel endet in einer enormen, aufwärts gerichteten Trompete, prächtiger als alles, was die Gentiana gentianella zustande bringt, aber doch identisch in Stil und Form. Nur die Silhouette unterscheidet sich, der Kelch ist weniger bauchig, und er trägt außen kräftige dunkelviolette Streifen, die lange, spitz zulaufende Felder im blassen Blau des Immergrüns von Nanking-gelben Flächen trennen: Innen sind Trompete und Schlund weiß, aber der Mund und der weite, strahlende Zackenkranz sind von einem solch intensiv leuchtenden hellen Azur, dass eine einzige Blüte von einem Ende des Tals zum anderen herüberfunkelt. Von keiner anderen Pflanze, außer vielleicht der Ipomoea learii oder der Nemophila, kenne ich solch eine überwältigende Heftigkeit der Farbe: Sie ist wie der klare Himmel kurz nach Sonnenaufgang, grell und durchscheinend, als würde sie von innen beleuchtet. In den Hochgebirgswiesen brennt sie buchstäblich wie ein elektrischer Edelstein, ein hell glühender Türkis.«*
Sie müssen diese Art des Schreibens nicht unbedingt mögen; ich für mein Teil finde allerdings, sie hat eine Extravaganz und eine Bravour, die mir gefallen und etwas von der aufgeregten Begeisterung vermitteln, die den Autor beflügelt haben muss. Und sie gefällt mir umso mehr, als er trotz aller Aufregung nie seine Vergleichskriterien aus dem Blick verliert: »Von keiner anderen Pflanze, außer vielleicht der Ipomoea learii oder der Nemophila …« Er kann beides sein, akkurat ebenso wie extravagant.
Und dann ist da D. H. Lawrence. Lawrence kommt einem nicht unbedingt zuerst als Blumenschriftsteller in den Sinn, aber niemand war empfänglicher für die Schönheit der Blumen als er, und niemand konnte sie schöner in Worte fassen. Der Unterschied zwischen seiner und Farrers Art zu schreiben ist aufschlussreich: Farrer ist halb Dichter, halb Botaniker; Lawrence ist ganz und gar Dichter. Hier spricht er von der roten Anemone, die er bezeichnenderweise lieber »Adonisblut-Anemone« nennen möchte, während Farrer sie bei all seinem Lyrismus als »Anemone fulgens« bezeichnet hätte: