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Alan Dean Foster

 

 

 

VORPOSTEN DES COMMONWEALTH

 

Roman

 

 

 

 

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

 

Widmung

Nachwort

 

 

 

 

 

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Für

Lynette Harrington,

die um die Ecke wohnt

Ich esse, also bin ich.

Das war alles, was das Bewusstsein des Voms umschloss.

Es war nicht immer so gewesen, aber im Augenblick hatte der Vom keine Möglichkeit, sich das klarzumachen. Der mechanische Prozess des Erinnerns benötigte Energie, die er nicht übrig hatte. Das bisschen Strahlenenergie von der Sonne des Systems musste er vollständig für die Erhaltung des Lebenssinnes umwandeln.

Damit ihm das gelang, hatte der Vom eine ganz besondere Gestalt angenommen. Im Augenblick schwankte seine Dicke zwischen ein paar Millimetern und mehreren Mikron. Die Notwendigkeit hatte ihn schon vor Jahrtausenden dazu gezwungen. Vor wie vielen Jahrtausenden? Der Vom wusste es nicht und erinnerte sich nicht.

Er hatte die Energie dafür nicht übrig.

Das System war nicht immer tot gewesen. Einmal hatte der Planet ein einigermaßen erfolgreiches ökologisches System besessen: Wirbeltiere und wirbellose Tiere, Warm- und Kaltblütler, Nacktsamer, Pilze, Flechten, Lebewesen, die flogen, Höhlen gruben, krochen, rannten und schwammen. Beherrscht wurde es von einer sich nicht sonderlich abhebenden, doch gemäßigt intelligenten Rasse. Es begann zu sterben, als der Vom eintraf.

Was die Methode seines Eintreffens anging, so erinnerte sich der Vom weder an das Wann noch an das Wie. Er hatte eine undeutliche Vorstellung von früherer Größe, mit der verglichen sein jetziges Selbst weniger als ein Schatten war. In jenem Stadium hatte er tausend Sonnensysteme beherrscht.

Dann traf er in diesem ein und spielte mit der hier dominierenden Rasse. Seine ständigen angestrengten Bemühungen, eine geistige Assimilation mit einer anderen Lebensform zu erreichen, schlugen fehl, wie sie hunderttausendmal vorher fehlgeschlagen waren. Das hinderte den Vom nicht daran, es immer wieder zu versuchen.

Die Rasse wehrte sich heftig. Sie wurde konsumiert. Der Planet war reich an Lebenskraft primitiverer Art. Nachdem der Vom die der intelligentesten Wesen absorbiert hatte, machte er sich an die weniger intelligenten. Seine Gefräßigkeit arbeitete sich langsam durch das ökologische System bis hinunter zu den einfachen Pflanzen und Pilzen und sogar den Bakterien und Viroiden. Er tat es mit furchtbarer Gründlichkeit. Er fraß, bis der Planet saubergescheuert war. Dann bewegte sich nichts mehr auf seiner Oberfläche und in seinen Meeren außer dem Wind, dem Wasser und dem Vom.

Der gesättigte Vom ruhte sich lange Zeit aus. Dann sendete er in den Raum hinein. Das war ein immer erfolgreicher Trick, in Kontakt mit einer neuen intelligenten Rasse zu treten und Kontrolle über die merkwürdigen Fahrzeuge zu gewinnen, die nachsehen kamen. War der Vom erst einmal von unwilligen Dienern zu einem neuen Planeten gebracht worden, begann er seinen Fresszyklus von vorn.

Diesmal jedoch hatte der Vom zu lange gewartet. Die Rasse, mit der er Kontakt aufnahm, kam, aber diese Wesen waren stark – stärker als alle, die der Vom je zuvor kennengelernt hatte. Seine geistige Kontrolle schwankte. Zum ersten Mal in seiner wohlgeordneten Existenz geriet der Vom in Panik. Er vernichtete alle Wesen an Bord der sich nähernden Schiffe. Ein verhängnisvoller Fehler. Er enthüllte jener Rasse die wahre Natur des Scheusals, das mit ihr Kontakt aufgenommen hatte. Das nächste Mal schickte sie Robot-Kriegsschiffe mit einem einzigen, auf die Situation vorbereiteten Wächter. Der Wächter, einer ihrer gewaltigsten und fähigsten Geister, konnte nicht einmal von seiner eigenen Art verstanden werden. Nun versuchte der Vom, sich mit den Schiffen einer anderen Spezies in Verbindung zu setzen, aber raumfahrende Rassen waren in diesem Abschnitt der Galaxis selten. Die wenigen, die Schiffe schickten, wurden von den Robot-Beobachtern gewarnt und, wenn sie sich nicht wieder entfernten, zerstört. Der Vom verbrauchte bei diesen Anstrengungen die gespeicherte Energie und wurde immer schwächer. Seine Kraft und seine Fähigkeiten schrumpften. Viele der Robotschiffe wurden, da sie nicht länger nötig waren, von ihren Erbauern zurückgerufen. Ein großer Krieg mit einer anderen Rasse suchte das Zentrum der Galaxis heim.

Beinahe wäre der Vom entkommen. Ein heftiger Photonensturm zog durch diesen Raumabschnitt. Die wenigen noch übrigen Robotkontrollen fielen ihm zum Opfer. Sogar der Wächter wurde geschwächt. Der Vom gewann etwas Kraft von den seltsamen Lebensformen, die mit dem Sturm geflogen kamen, aber … nicht genug. Zu seinem äußersten Entsetzen musste der Vom feststellen, dass jede raumfahrende Rasse innerhalb seines reduzierten Einflussbereichs in dem Sturm ausgestorben oder untergegangen war. Hoffnungslosigkeit beschleunigte seinen geistigen Zusammenbruch.

Nun hatte der Vom reichlich Zeit, über seine Fehler nachzudenken. Er hatte den Planeten zu gründlich abgefressen, ihn von Leben völlig leergefegt. Eben für einen solchen Notfall hätte er soviel an Leben übriglassen müssen, dass es sich wieder vermehren konnte und eine funktionierende Ökosphäre aufrechterhalten blieb. Aber der Vom hatte sich einfach vollgestopft. Seit tausend Jahren gab es auf dem Planeten keine lebende Zelle mehr. So groß der Vom war, Leben konnte er nicht schaffen.

In der riesigen organischen Fabrik, die der Vom darstellte, schalteten sich die höheren Funktionen eine nach der anderen ab, bis nur noch ein ganz schwaches Lebensfünkchen blieb.

Eines Tages – der Vom wusste wegen des Vorhandenseins von Solarenergie, dass es Tag war – landete ein Schiff. Es war nicht groß, etwa in der Mitte zwischen einem Kurier und einem Zerstörer. Aber es war recht gut bewaffnet und sehr funktional, wie es alle Schiffe der AAnn waren.

Von Rechts wegen hatten die Reptilien in diesem Teil des Raums am Rand der Menschen-Thranx-Republik nichts zu suchen. Doch die Ungeheuerlichkeit des Nichts bildete ein ausgezeichnetes Versteck. Gelegentlich durchdrangen wagemutige Scouts auf der Suche nach unerforschten Systemen mit ausbeutbaren Rohstoffen – zuweilen waren es auch weniger ehrenhafte Missionen – den Menschen-Thranx-Kordon.

Sie schnüffelten umher, manchmal fanden sie etwas, und manchmal wurden sie von einer Kirchenpatrouille geschnappt. Dann gab es in vielen Nestern leere Plätze. Entdeckungen machten sie selten. Alle reisten ohne Genehmigung des Kaiserreichs. Derartige Aktivitäten waren durch den Vertrag mit der Republik verboten und deshalb natürlich völlig illegal. Aber da ein illegaler Handel nicht besteuert wird, machten die AAnn-Geschäftsleute, die eine erfolgreiche Exkursion unterstützt hatten, oft enorme Gewinne. Inoffiziell verzieh der Kaiser deshalb solche Unternehmungen.

Raketen flammten am Heck des kleinen Schiffs auf. Als Scout war es darauf eingerichtet, auf Planeten ohne Fährdienst zu landen. Kostspielig, aber notwendig. Natürlich konnte es nicht mit dem Interstellar-Antrieb (dem AAnn-Gegenstück zu dem fortschrittlicheren KK-Antrieb der Menschen-Thranx) landen. Wenn die gigantische künstliche Masse, die ein KK- oder ein ähnliches Antriebssystem erzeugte, mit der realen Masse eines Planeten zusammenstieß, musste irgend etwas zu Bruch gehen. In dieser Situation reagierte Materie unweigerlich. Und zwar heftig. Deshalb beförderten Fähren Passagiere und Güter von der Oberfläche zu den im Orbit befindlichen Schiffen. Ein Scout konnte jedoch zu seiner eigenen Fähre werden.

Das Fahrzeug kam dicht am südlichen Rand des Voms nieder. Diesem Abschnitt des Geschöpfes wurde plötzlich ein herrlicher Zustrom von Strahlenenergie zuteil. Der Vom spürte, dass sich in der Metallkapsel, die auf dieser Flammensäule schwebte, noch weitaus stärkere Energien in der Form reiner Lebenskraft befanden. Beinahe hätte er nach ihr gelangt. Dann überwand ein schwacher Verstandesfunke die niedrigen Instinkte.

Noch nicht! Noch nicht! Geduld! Außerdem brauchte er das unerwartete Energie-Geschenk für etwas Dringenderes.

Der Vom begann, sich aufzuwecken.

 

Erster Navigator Paayton RPHGLM kaute nachdenklich auf seinem Schwanz und blickte aus dem Bullauge der Kapitänskabine. Er sprach, ohne sich umzudrehen.

»Ja, Erhabener Kapitän, ich habe wirklich niemals etwas Ähnliches gesehen.« Die leuchtend roten Pupillen starrten ohne Blinzeln.

Der Erhabene Kapitän Laccota SJFD kratzte seinen Bauch an der Stelle, wo zwei Panzerplatten zusammenstießen. Er wandte sich seinem obersten wissenschaftlichen Ratgeber zu. »Carmot, an diesem Punkt beginnen Sie, sich die Credits zu verdienen, die Lord Ilogia – seine Schuppen seien dreimal gesegnet! – Ihnen gezahlt hat. Sie haben für vier Zeitlängen auf Ihrem Schwanz gehockt, während wir schwitzen mussten, um den Menschen-Thranx-Stachelschiffen auszuweichen.«

Carmot MMYM war kleiner als die anderen beiden. Tatsächlich war er die kleinste Eidechse an Bord. Sein Äußeres war ziemlich geckenhaft. Er schwärmte für grelle Panzerbemalung und hatte die (nach Meinung des Kapitäns) dekadente Gewohnheit, seine Schneidezähne rosa zu färben. Vor einer Million Jahren wäre er für einen angreifenden Stamm leichte Beute gewesen. Doch heute zählte Intelligenz mehr als Fänge und Klauen. Er besaß einen scharfen Verstand und ein ausgezeichnetes Gedächtnis, und keiner an Bord war so falsch wie er. Privat verabscheute Kapitän Laccota ihn. Beruflich hatte er vor ihm große Achtung.

»Das gefällt mir nicht«, sagte der Erste Beobachter schließlich.

»Sie werden nicht dafür bezahlt, dass Ihnen etwas gefällt oder nicht«, erklärte ihm Laccota geduldig. »Mit dem besten Willen der Welt erinnere ich Sie daran, dass Sie nur dafür bezahlt werden, den möglichen Profit von allem, auf das wir stoßen, abzuschätzen. Hier sind wir tatsächlich auf etwas gestoßen, hier in diesem eiverlassenen System.«

»Ich wiederhole: Das gefällt mir nicht! Ich verstehe es überhaupt nicht, und was ich nicht verstehe, gefällt mir nicht.«

»Eine Haltung, die von vielen geteilt wird«, stellte Laccota fest. »Sagen Sie uns, was wir hier haben, höchst-kompetenter-und-überbezahlter-Beobachter, und dann werde ich entscheiden, ob es uns gefällt oder nicht.«

»Zu Ihren Diensten, Erhabener Kapitän-der-Schiffe-mit-der-Schwanzspitze-fliegt.« Müßig knabberte Carmot an einer Klaue. »Als Fünfter Beobachter Plowlok während unseres üblichen Erkundungsorbits meine Aufmerksamkeit darauf lenkte, war meine erste Reaktion, dass ich mir im Geist eine scharfe Rüge zurechtlegte. Fünfter Beobachter Plowlok SFDVJ-UTVB ist noch jung, und wie alle jungen Raumerkunder neigt er dazu, von prosaischen Instrumenten eher phantastische als sachliche Informationen abzulesen. Diesmal hatte er jedoch einwandfrei recht.«

Carmot hörte auf zu knabbern und wies in die Richtung des Metallglas-Bullauges. »Edle Herren, da draußen haben wir eine organische Unmöglichkeit. Ein Gebiet lebender Schwärze, dünn wie Papier, das den Konturen des Landes auf mehreren tausend Quadrat-Cluvits folgt, jeder Senkung und Erhebung. Das ist natürlich absurd. Nirgendwo auf dem Planeten gibt es etwas Ähnliches, und, diese Hypothese wage ich aufzustellen, auch im ganzen System nicht. Es ist einzig in seiner Art. Es ist äußerst bemerkenswert. Es ist unmöglich …

Diese Eigenschaften, die es besitzt, edle Herren! Keine Strahlungsart, die wir erzeugen können, ruft bei ihm Beschädigungen oder sichtbare Reaktionen hervor. Mit komplizierten Instrumenten wird es vielleicht möglich sein – ich weiß es nicht. Die auf das Ding abgestrahlte Energie wird auch nicht reflektiert. Sie verschwindet einfach, wie die Messungen zu bestätigen scheinen, die wir an der Basaltschicht darunter vornahmen. Irgendwie absorbiert es in einem oder zwei Abschnitten seines Körpers die gesamte Strahlung oder entfernt sie aus dem begreifbaren physischen Universum …

Vor zwei Tagen verließen Erster Geologe Onidd CRCRS und ich das Schiff, um eine Aufgabe durchzuführen, die wir in unserer Unschuld das einfache Entfernen einiger Proben von dem Ding zu analytischen Zwecken nannten.«

»Viel Glück hatten Sie nicht, wie?«, murmelte Navigator Paayton, der immer noch auf seinem Schwanz kaute und aus dem Bullauge starrte.

»Überhaupt keins«, entgegnete Carmot trocken. »Als ich versuchte, das Ding zu berühren, zog es sich vor meinen Fingern zurück. Ich vermute, meine Überraschung wurde Ihnen über den Kommunit deutlich genug mitgeteilt.«

»Ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der Schimpfwörter waren so etwas wie eine Überraschung«, räumte Laccota ein.

»Hm, ja. Nachdem mehrere andere Versuche an verschiedenen Stellen des Rands fehlgeschlagen waren, trat ich zurück und sprang auf das Ding los. Die niedrigere Schwerkraft gab mir diesen Gedanken ein. Es zog sich mit unglaublicher Geschwindigkeit zurück, gerade als meine Stiefel auf seiner Oberfläche landen wollten …

Geologe Onidd bemerkte, dass das Ding an seinem neuen Rand merklich dicker geworden war. Daraus folgerten wir, dass es seine Substanz zusammenzog und nicht etwa einen rätselhaften Verschwindungsakt vollführte. Nun hakte Onidd seinen Strahler los und versuchte, ein Stück aus dem Hauptkörper herauszuschneiden. Das Ergebnis klärte uns über einiges auf …

Während das Ding sich hastig von jedem körperlichen Kontakt zurückgezogen hatte, gab es sich gar keine Mühe, dem tödlichen Strahl auszuweichen. Onidd konzentrierte ihn mehrere Zeitteile lang auf eine kleine Stelle. Es zeigte sich keine Wirkung. Das Ding zerriss nicht, brannte oder qualmte nicht und nahm auch sonst keine Notiz von einem enggebündelten Strahl, der die meisten Metalle durchschneiden und Panzerplatten bis zur Rotglut erhitzen kann. Ich kam Onidd mit meinem eigenen Strahler zu Hilfe. Wir hätten ebenso gut die Sonne beschießen können …

Jetzt zu der Frage, ob es lebendig ist, woran es einige Zweifel gegeben hat. Wenn es lebendig ist, so gehört es einer völlig fremden Art von Leben an, das sich einerseits gefallen lässt, aus nächster Nähe mit Energiestrahlen beschossen zu werden, andererseits aber der leichtesten körperlichen Berührung ausweicht.«

»Ihre Schlussfolgerungen!«, verlangte Laccota ungeduldig.

»Trotz allem glaube ich, dass es lebendig ist. Es mag sich von Sonnenenergie ernähren, obwohl ich keinen Hinweis auf eine Reaktion photosynthetischer Art gefunden habe und ganz gewiss keine Spur von Chlorophyll. Ich verstehe nicht, wie es auf andere Weise Nahrung gewinnen könnte. Der Basalt, der zum Vorschein kam, als es sich von uns zurückzog, ist genauestens untersucht worden. Er zeigt keine Anomalien und unterscheidet sich in nichts von den unberührten Proben, die wir anderswo sammelten. Im Augenblick wage ich noch nicht zu entscheiden, ob das Ding mehr tierisch als pflanzlich ist. Gut möglich, dass es sich hier weder um das eine noch um das andere handelt.«

»Und ihre Empfehlungen?«, fragte Laccota.

Carmot blieb lange Zeit stumm. »Abheben und so viele Parseks zurücklegen, wie diese alte Wanne hergibt.«

Die transparenten Nickhäute des Kapitäns flackerten. Sogar Paayton war beeindruckt genug, um von seiner unentwegten Betrachtung der Planetenoberfläche abzulassen und sich umzudrehen.

»Was Sie nicht sagen«, murmelte der Kapitän. »Und Ihre Begründung?«

Carmot antwortete schlicht: »Ich habe so ein Gefühl.«

»Ach nein! Sie haben so ein Gefühl. Ts-ts. Bei den Eierschalen meiner Vorfahren, wäre das ein interessanter Eintrag im Log. Lord Ilogia wird voller Verständnis und Mitgefühl sein. Sie haben ›so ein Gefühl‹. Abgelehnt. Erster alternativer Vorschlag?«

Carmot seufzte – es war ein langer, zischender Laut wie der einer zum Halt kommenden Dampfmaschine. »Schalten Sie sich in das nächste Intersystem-Relais ein. Benutzen Sie Langwelle. Brechen Sie ein, wenn Sie müssen. Setzen Sie sich mit dem nächsten Planeten in Verbindung, wo wir Landerechte haben – er wird natürlich unter Menschen-Thranx-Kontrolle stehen …«

Laccota sah den Navigator an. »Gibt es einen geeigneten Ort?«

Paayton setzte sein Computer-Gehirn in Gang. »Hm. Die Koloniewelt Regler, ein Menschen-Thranx-Außenposten, könnte … Ja, ich sehe da keine Probleme. Eine dünn besiedelte Welt, zum großen Teil noch in wildem Zustand, mit einer hauptsächlich auf die Städte konzentrierten Bevölkerung und beträchtlichem Tourismus. Die größte Fährstation ist sehr modern, aber nicht dazu ausgerüstet, mit etwas in der Größenordnung einer Flotte fertig zu werden. Keine Flottenstation im Orbit. Wir haben dort eine ziemlich große, sehr abgelegen liegende diplomatische Mission mit viel Platz. Das Wetter ist scheußlich, aber natürlich befindet sich die Station fast völlig unter der Oberfläche. Sie wäre das Richtige.«

»Setzen Sie sich mit ihr in Verbindung«, fuhr Carmot fort. »Teilen Sie den Leuten mit, wir brauchen den größten Frachter des Sektors zusammen mit fünf oder sechs der größten Fähren, von denen zwei der Max-Klasse angehören müssen, und etwa zwanzig Meilen flexibler Harmonie-Blechhaut mit einer großen Menge Zugkabeln. Natürlich auch Bedienungspersonal für das alles. Weiter mindestens einen großen Strahler hoher Intensität – es braucht kein militärischer zu sein, ein industrieller genügt auch. Er muss nur stetige Leistung erbringen, ohne alle paar Zeitlängen auszubrennen. Für alle Fälle sollen sie auch Ersatzteile einpacken.«

»Dann haben Sie vor, das Ding zu transportieren?«

»Ja, wenn wir es dazu veranlassen können, handliche Proportionen anzunehmen. So wie Paayton mit seinem unfehlbaren Gedächtnis uns die Station beschrieben hat, müsste es dort möglich sein, das Ding an einem Platz unterzubringen, wo es richtig behandelt und analysiert werden kann.«

»Wäre das nicht ziemlich riskant?«, warf Paayton ein. »Können wir eine geheime Arbeit direkt unter den Sensoren der Menschen und Thranx durchführen?«

»Riskant ist es schon«, gab Carmot zu. »Aber bis wir nicht sehr viel mehr über das Ding wissen, möchte ich es nicht auf einen Nestplaneten mitnehmen. Es ist eine unbekannte Größe voll grässlicher Möglichkeiten.«

»Wieder so ein Gefühl?«, erkundigte sich Laccota.

»Das auch. Ich bin argwöhnisch gegen alles, was auf mehreren Tausend cluvits nacktem Felsen überleben kann, noch dazu auf einem Planeten, wo sonst nichts lebt, der jedoch offensichtlich anderes Leben tragen könnte. Ich bin argwöhnisch gegen jede organische Substanz, die an manchen Stellen dünner ist als meine Klauenspitzen und doch einen fortgesetzten Strahlenbeschuss hoher Intensität verträgt. Ja, ich habe wieder so ein Gefühl.«

»Ihre Phantasie nähert sich allmählich derjenigen, die Sie Ihren Assistenten fünften Grades zuschreiben, Beobachter. Trotzdem sehe ich keinen Grund dafür, einen Ihrer Anträge abzulehnen. Das werde ich einer höheren Autorität überlassen.«

»Damit verhalten Sie sich sehr gerecht, Erhabener Kapitän. Und sehr klug.«

 

Der Vom hatte seine Fähigkeiten in genügendem Umfang wiederhergestellt, um die Wesen, die zufällig bei ihm gelandet waren, abzuschätzen. Ihr Verstand war einfach, aber weit davon entfernt, primitiv zu sein. In seinem geschwächten Zustand zweifelte der Vom daran, ob er auch nur ein einziges Exemplar der Spezies kontrollieren könne, ganz zu schweigen von einer ganzen Schiffsladung. Bis auf weiteres musste er sich sehr, sehr vorsichtig verhalten.

G-e-d-u-l-d. Er hatte jetzt eine halbe Million Jahre, plus minus ein paar Jahrtausende, gewartet. Er war sich seiner bewusst, und das verlieh ihm Kraft.

Er konnte noch ein paar Tage länger warten.

 

Russ Kingsley war gerade in der richtigen Stimmung dafür.

Und wenn Russ Kingsley in der richtigen Stimmung dafür war, erreichte er für gewöhnlich auch, was er wollte. Erstens war er von beinahe klassischer Schönheit. Das wusste er, denn so stand es auf der Garantie der Kosmetiker. Sie hatten ausgezeichnete Arbeit geleistet. Nur wenige Leute besaßen die dafür notwendigen Mittel. Kingsleys Vater, der einer der fünf reichsten Männer auf Repler war, hatte Russ das neue Gesicht zum achtzehnten Geburtstag geschenkt.

Mit seinen augenblicklichen 180 Zentimetern war er zufrieden, obwohl er wünschte, die Chirurgen hätten noch vielleicht 10 Zentimeter mehr hinzufügen können. Trotzdem, man soll nicht zu gierig sein. Das Gesicht war perfekt proportioniert – gut ausgeformtes Kinn, gerade Nase, sinnliche, schmale Lippen, rotes Haar mit genau der richtigen Andeutung natürlicher Wellen. Er gab in seiner seegrünen, phosphoreszierenden Weste über passenden türkisfarbenen Seidenhosen eine exotische Erscheinung ab. Sein Aussehen war so gut, wie es für Geld nur zu kaufen war. Ebenso gut, dachte er bei sich, wie das eines Drei-D-Stars.

Replers exklusivster Fitness-Salon hatte seinen Körper mit eindrucksvollen, aber nicht übertriebenen Muskeln ausgestattet. Allerdings mussten die Physiologie-Techniker seiner Vorliebe für leckere Mahlzeiten wegen einen ständigen Kampf gegen einen im Entstehen begriffenen Speckbauch führen.

Ein Jammer, dass keiner dieser Schönheitsspezialisten etwas für Kingsleys Charakter hatte tun können.

Im Augenblick trieb er sich in der Hauptankunftshalle von Replerport umher und musterte die eben aus dem Raum eingetroffenen Passagiere. Ein Ventilator zog den Rauch des Algenkrauts in seiner Pfeife dachwärts.

Kingsley liebte die Abwechslung. Die meisten einheimischen Schönheiten von Repler City hatte er schon durch. Einige waren aufgrund seines Aussehens und seines Geldes willig gewesen. Einige waren unwillig gewesen, und da war ihm seines Vaters Namen zustatten gekommen.

Die hinterwäldlerischen Typen hatten wenig Anziehungskraft für ihn. Es machte zuviel Mühe, von einer Kleinstadt zur anderen zu springen. Und das Essen! Grauenhaft! Außerdem waren diese Gegenden so weit von der Hauptstadt entfernt, dass der Name Kingsley die Männer nicht beeindruckte. Sie waren glatt imstande, trotz schrecklicher Rachedrohungen zu schießen.

Die Passagiere des ersten Schiffs waren eine Enttäuschung gewesen. Bisher hatte das zweite nichts Besseres mitgebracht, ausgenommen vielleicht diese blonde Stewardess. Na ja, besser als nichts. Kingsley fühlte in seiner Jackentasche nach, ob der Zettel mit der Nummer darauf noch da war.

Ein Farbfleck am Ende des Erster-Klasse-Steigs zog sein Auge an. Er reckte sich lächelnd. Ja, das war eher etwas für ihn!

Das Mädchen war an der Sperre stehengeblieben und sprach mit dem Ausschiffungsbeamten. Deshalb hatte er sie bisher noch nicht entdeckt. Offensichtlich eine Bürgerin von einem anderen Planeten. Noch besser.

Sie trug einen leuchtend gelben Jumpsuit, der an ihr klebte wie Zitroneneis. Ihr einziger Schmuck war ein Band aus silbrigem Metall am Handgelenk. Nicht etwa, dass ein Ring für Kingsley einen Unterschied ausgemacht hätte, aber er zog eine einfache Angelegenheit einer komplizierten vor. Eine dunkle Tasche war an ihrem rechten Oberschenkel befestigt. Jettschwarzes Haar, umschlungen von einem gelben Band, fiel in einem einzigen dicken Zopf bis zu ihrer Taille nieder, wo ein zweites Band ihn festhielt. Kingsley schürzte missbilligend die Lippen. Die minoische Mode war seit Monaten passé.

Augen tiefblau, Teint sehr braun, wenig Make-up. Der Schnitt der Augen war entschieden schräg, die hohen Wangenknochen standen vor. Zumindest die Hälfte der Ahnen mussten Chinesen oder Mongolen sein, dachte Kingsley. Was er von dem Körper sehen konnte, war kurvenreich, um nicht zu sagen üppig. Die Linien wichen genau an den richtigen Stellen von der Senkrechten ab.

Nur die fünf Zentimeter, die sie größer zu sein schien als er, schufen ihm ein gewisses Unbehagen. Jetzt ging sie auf den Parkplatz der öffentlichen Verkehrsmittel zu, und Kingsley verließ den Zahltisch, um sie abzufangen.

Feinheiten waren nicht Kingsleys Stärke. Er setzte sein bestes Grinsen auf, das lauter perfekte Schneide- und Backenzähne zeigte (auch dafür hatte er Garantien), und sagte: »Hallo, Fremde!«

Der Blick, den sie ihm daraufhin schenkte, war leicht amüsiert, verriet aber sonst nichts.

»Selbst hallo, Eingeborener!« Die Stimme war ein verhaltener Sopran mit gerade einer Andeutung von terranischem Akzent.

Immer besser! Wusste nicht jeder, wie terranische Mädchen sind?

»Russell Kingsley, aber Sie können mich Russ nennen. Darf ich Sie mitnehmen? Meine Preise sind bescheiden.«

»Kitten Kai-sung. Sicher. Kommen Sie in der Nähe des …«, sie dachte kurz nach, »… des Hotels zur Grünen Insel vorbei?«

»Die Grüne Insel.« (Nicht stinkreich, aber gutbetucht – worauf es im Grunde jedoch nicht ankam.) »Ich fahre genau dorthin. Haben Sie Gepäck?«

»Es wird ins Hotel gebracht.«

»Na denn, kommen Sie!« Er versuchte, ihr einen Arm um die Schultern zu legen. Sie schüttelte ihn ab.

Hochnäsige Zicke, dachte er. Das würde er schnell ändern, wenn er sie erst einmal zum Turm gebracht hatte.

Sein Schweber war ein Phaeton Mark IV, das Neueste. Es ernüchterte Kingsley ein bisschen, dass das Mädchen keine Begeisterung über das schimmernde Fahrzeug zeigte. Nicht einmal ein kleines Oh! oder Ah! Sollte sie ruhig die Kühle spielen. Auch das würde er ändern.

Sobald er sich überzeugt hatte, dass alle Türen fest geschlossen waren, ließ er die starken Motoren an und zischte von der Station weg, wobei er Kies und Sand auf mehrere Fußgänger schleuderte.

Die Wolkendecke war immer noch ziemlich dicht, die Luft typisch warm und feucht. Hin und wieder pflegte ein leichter Nebel sich nicht eigentlich niederzusenken, sondern einfach in der Luft zu erscheinen. Auf Repler wurde in großem Ausmaß Holz verwendet, nicht nur weil der Planet mit ausgedehnten Weichholz-Dschungeln gesegnet war, sondern auch weil Holz einen natürlichen Vorzug gegenüber vielen Metallen besitzt. Es rostet nicht.

»Haben Sie vor, lange bei uns zu bleiben?«

»Das kommt darauf an. Ich bin zeitlich nicht eng gebunden.«

»Geschäfte?«

»Ein wenig. Hauptsächlich Ferien.«

»Eine weise Entscheidung. Vergnügen geht vor Arbeit, sage ich immer.« Er bog scharf nach links ab, verließ das Stadtzentrum und steuerte den Seehafen an.

Das Mädchen sagte mehrere Minuten lang nichts, blickte aber geraume Zeit aus der Plastikblasen-Kabine nach rückwärts. Wirst du ein bisschen nervös, Schätzchen?

»Zum Turm ist es nur eine Stunde«, erklärte er leichthin. »Wir besitzen eine eigene Insel. Das ist nichts so Außergewöhnliches, wenn Sie bedenken, dass Repler zum größten Teil aus Inseln besteht und nur sehr wenig an offenem Meer hat. Aber Westplace ist tatsächlich außergewöhnlich.«

»Westplace? Wir wollten doch zur ›Grünen Insel‹ fahren.«

»Nur theoretisch, Schätzchen. Glauben Sie mir, Sie werden den Turm vorziehen. Er hat ein paar interessante Extras, über die die Direktion einer gewöhnlichen Touristenfalle wie der ›Grünen Insel‹ staunen würde. Herrlicher Blick von oben, und die Zurückgezogenheit kann nicht übertroffen werden. Kann übrigens auch nicht gestört werden.« Er kicherte (das gehörte zu den Dingen, die die Kosmetiker nicht hatten ändern können). »Oh, jeder Besucher des Turms ist entzückt!«

»Davon bin ich überzeugt«, meinte sie trocken.

»Besonders von den interessanten Erfindungen, die ich in meinem privaten Wohnquartier installiert habe. Viele davon sind nach meinen eigenen Spezifikationen gebaut, wissen Sie.«

»Das kann ich mir vorstellen.« Eine Pause entstand. »Wie ich annehme, wollen Sie nicht wieder umkehren?«, fragte das Mädchen schließlich.

Er wieherte. »Nicht, solange ich mich noch in der Senkrechten befinde, Mädchen!« Er schaltete den Autopiloten ein und langte nach ihr. Nein, nicht üppig, aber die Brust, die seine linke Hand füllte, war mehr als zufriedenstellend. Da er zumindest einen halbherzigen Protest erwartete, war er überrascht (und ein bisschen enttäuscht), als sie ihm gestattete, sie weiter zu betatschen.

Sie schlug vor: »Lande da auf der kleinen Insel, die links von uns auftaucht … die so dicht bewachsen ist.«

»Kluges Kind«, grinste er. Innerlich geriet er aus der Fassung. Die machte ja überhaupt keine Umstände! Na schön, wenn sie es auf die Weise wollte …

»Dein Wunsch ist mir Befehl.« Er zog den Schweber in eine enge Kurve und wurde langsamer.

»Deine Schlagfertigkeit überwältigt mich«, sagte sie, aber er zog es vor, die Ironie zu überhören. Er hatte viel Zeit, um ihr das abzugewöhnen.

Er fuhr in eine kleine Bucht ein, wich einem treibenden Baumstamm aus und stellte die Motoren im richtigen Augenblick ab. Der Phaeton sank sanft auf den Sand nieder. Kingsley öffnete die Türen und ließ das Mädchen zuerst aussteigen, damit er beobachten konnte, wie sich der enge Anzug dabei über ihre vollkommene Kehrseite spannte. Dann folgte er ihr.

Kingsley ging an ihr vorbei, schloss ein Vorratsfach im Lee des Schwebers auf und begann, ein großes Paket herauszuziehen.

»Ein aufblasbares Zelt dieser Art hast du bestimmt noch nie gesehen. Es hat nämlich …«

»Mach dir keine Mühe.«

Er hielt mit dem Auspacken inne und sah zu ihr hoch. Sie grinste zurück.

»Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, aber obwohl du nicht schlecht aussiehst, haben offensichtlich kosmetisch gestaltete Gesichter etwas an sich, das mich aus der Stimmung bringt. Und noch wichtiger ist: Eine vorläufige psycho-emotionale Analyse weist auf geistige Disharmonie hin, was eine Bestätigung durch deine ständigen unreifen, geilen Blicke findet.«

»Ha?«

»Kurz gesagt, du reizt mich nicht, Sportsfreund. Und außerdem …« – sie machte sich daran, wieder in die Kabine des Schwebers zu klettern – »… hätte ich mich längst in meinem Hotel melden sollen.«

»Eine Sekunde, meine Hübsche. Weißt du, was das ist?« Jetzt täuschte er keine Höflichkeit mehr vor. Er hielt einen kleinen Gegenstand in der Hand. Sie warf einen Blick darauf.

»Es scheint mir ein batteriebetriebenes Secun-Vibramesser zu sein. Sehr wirkungsvoll. Es schneidet viele Metalle, die meisten Plastikmaterialien, dagegen Metallkeramik und noch ein paar andere Stoffe nicht. Lässt du mich vorbei?« Sie stand ihm jetzt gegenüber, die Hände in die Hüften gestemmt.

»Du bist vielleicht komisch! Aber das werden wir ändern. Da dein Gesicht nicht aus Metallkeramik oder ›ein paar anderen Stoffen‹ besteht, genügt dies Spielzeug, es scheußlich zu zerschlitzen. Ich würde lieber nett sein, aber wenn du es vorziehst, dich überreden zu lassen –«

»Okay, okay. Ich habe nur Spaß gemacht, Schätzchen! Du hast mich überzeugt.« Sie trat auf ihn zu, biss sich unsicher auf die Unterlippe und legte ihm beide Hände um den Hals. Ihre zitternden Lippen näherten sich seinen.

Kingsley schwirrte der Kopf. Er konnte sich nicht erinnern, sich auf den Boden gelegt zu haben. Das Blaue über ihm war zweifellos der Himmel, deshalb wusste er, dass er auf dem Boden lag. Ja, der Himmel war sehr blau mit wattigen weißen Wolken.

Sein Nacken tat ihm weh.

Er setzte sich auf und rieb die schmerzende Stelle. Der Phaeton trieb ein paar Meter vom Ufer entfernt auf dem Wasser. Das hochgewachsene Mädchen beugte sich aus der Kabine und sah zu ihm zurück.

»Tut mir leid, Mr. Kingsley! Auf der Liste hier neben der Zündung stehen mehrere private Komm-Nummern. Ich werde dafür sorgen, dass jemand herauskommt und sie abholt, bevor es zu kalt wird.«

Vielleicht schaffte er es bis zu dem Schweber, bevor sie davonfahren konnte. Er kam auf die Füße und raste wie ein Verrückter auf den Strand zu. Nach vier Sprüngen warf ihn ein unerträglicher Schmerz im Nacken in den Sand.

»Verdammt sollst du sein«, jammerte er. »Was hast du mit mir gemacht?«

»Deine Hitze abgekühlt!«, rief sie über das dumpfe Aufheulen der anlaufenden Rotoren zurück. »Er vergeht wieder. Frag das nächste Mal um Erlaubnis, ehe du zufasst!« Sie schloss die Tür und drehte den Schweber fachmännisch. Wellchen schlugen an den Strand.

Kingsley saß da und starrte ihr noch lange nach, als der Schweber schon längst hinter dem Horizont verschwunden war. Abwechselnd fluchte und stöhnte er.

Seine seegrüne phosphoreszierende Weste war voller Sand.

 

»Miss Kitten Kai-sung!« Der Junge am Empfang bemühte sich sehr, sie nicht anzuglotzen. Sie nickte. Der schmale Halbwüchsige versuchte, seinen Blick von der computergesteuerten Anmeldeliste zu ihrem Gesicht zu lenken, ohne sich auf dem dazwischenliegenden Terrain zu verweilen. Er versagte kläglich. Achtzehn, vielleicht neunzehn Jahre alt. Nur ein paar Jahre jünger als sie selbst. Aber nach der Art, wie er sie anstarrte, hätte man meinen können, er habe noch nie eine Frau gesehen.

Sie seufzte. Daran sollte sie inzwischen längst gewöhnt sein. Sie schenkte ihm ein verführerisches Lächeln.

»Und Sie sagen, das Zimmer habe eine schöne Aussicht?«

»O ja, gnädige Frau! Die beste im Hotel! Sie können fast den ganzen Hafen überblicken. Es ist hübsch hier. Sie sind weit entfernt von dem Lärm der Fährstation und der Docks.« Er zögerte und betrachtete statuenhaft die Anmeldeliste. »Und … äh … und wenn … Sie irgend etwas … äh … brauchen sollten, Miss Kai-sung … dann fragen Sie nach Roy. Das bin ich.« Er hatte in seinem winzigen Kabuff nicht genug Platz, um sich richtig in die Brust zu werfen, aber er probierte es.

Kitten streckte die Hand aus und berührte mit einem Finger seine Nasenspitze. Ihre Stimme sank um eine Oktave.

»Das werde ich bestimmt nicht vergessen … Roy.« Sie wandte sich zum Gehen.

»Oh, Miss Kai-sung!«

»Nennen Sie mich Kitten, Roy.«

Der Junge wuchs zehn Zentimeter. Pfui über dich, dachte Kitten mit einer Hälfte ihres Ichs. Wie entzückend, antwortete die andere Hälfte.

»Da wartet jemand oben in Ihrem Zimmer auf Sie. Er hat einen Diplomaten-Ausweis, deshalb konnte ich ihn nicht draußen halten. Sagt, er sei ein alter Freund. Er ist nicht menschlich.«

»Das geht in Ordnung. Ich erwarte ihn. Sein Name ist Porsupah, nicht wahr?«

»Ja«, erwiderte der Junge überrascht. »Dann kennen Sie ihn?«

»Ich bin seit fünf Jahren seine Mätresse. Diese Tolianer …« Sie rollte die Augen, als die Tür des Aufzugs sich schloss und einen fischäugigen Hotelangestellten unten zurückließ. Kitten lachte vor sich hin. Bis zum Abend würden neunzig Prozent des Personals über die »Fremde« auf Zimmer sechsunddreißig Bescheid wissen.

Das Zimmer lag am Ende des Flurs. Kitten drückte den rechten Daumen in die kleine Vertiefung links von dem Nummernschild. Die Tür verglich den Daumenabdruck mit der im Zentralcomputer gespeicherten Eintragung und glitt zurück. Die pneumatische Führung gab nur ein ganz schwaches Zischen von sich.

Kitten hatte eine kleine Suite. Sie war geschmackvoll eingerichtet, gerade in dem Ausmaß extravagant, wie es ihren angeblichen Mitteln entsprach. Von einer schwellenden Rundcouch an einem Ende des Empfangsraums sah man durch ein Panoramafenster das Meer. Das Wesen, das dort hockte, war der einzige nicht in diesen Raum passende Gegenstand.

Dieser Ehrenwerte gab Kittens Blick ungerührt zurück. Er maß etwas mehr als einen und ein Drittel Meter und ähnelte sehr einem zu groß geratenen, korpulenten Waschbären. Von diesem kleinen terranischen Säugetier unterschied er sich hauptsächlich durch sechs lange, geschickte Finger, massigere Unterarme und eine hohe, intelligente Stirn. Er hatte keine Augenringe, die Ohren waren scharf gespitzt und im Verhältnis zum Kopf größer als bei seinem terranischen Gegenstück. Die Hinterfüße waren mit Schwimmhäuten versehen.

Außerdem besaß das Wesen eine beißende Tenorstimme. Diese benutzte er bei Kittens Eintritt mit oft erprobter Wirkung.

»Wo zur geschwängerten feuchten Scheiße bist du gewesen?«

Kitten warf ihre Oberschenkeltasche auf ein Tischchen mit hiesigen Zeitschriften und einer Vase mit frischen grünen Blumen.

»›Geschwängerte feuchte Scheiße‹ … das gefällt mir, Pors. Deine Kenntnis dreckiger Schimpfwörter ist immer wieder herzerfrischend.« Sie ging durch das Zimmer zum Eingang des Schlafraums und lugte hinein. »Welch ein Wunder! Wie ich sehe, ist mein Gepäck vollständig und in einigermaßen heilem Zustand angekommen. Hast du dem Pagen wieder ein zu hohes Trinkgeld gegeben?«

»Ich war nicht hier, als deine Koffer gebracht wurden. Zweifellos hat ein Mechanismus sie transportiert.«

»Auf diesem Planeten, in dieser Metropole? Das möchte ich nicht so ohne weiteres annehmen.« Sie begann, ihren langen Zopf zu lösen. »Hier hat man überall den Eindruck, auf dieser Welt würde Sklaverei selbst heute noch Gewinn bringen. Oh, hör auf, mich mit deinen Blicken zu durchbohren! Ich komme zu spät, weil einer der hiesigen Playboys, überzeugt von seiner männlichen Unwiderstehlichkeit, versucht hat, mich zu verführen. Er hatte Visionen davon, merkwürdige Dinge mit meinem kostbaren Körper zu vollführen.« Das letzte Goldband glitt ab. Kitten schüttelte den Kopf, und ein obsidianschwarzer Wasserfall rieselte über ihren Rücken.

Porsupah schwieg und starrte sie weiter an. Plötzlich streckte sie die Hand aus und kitzelte seine Nase. »Na, regt dich das kein kleines bisschen auf?«

Porsupah nieste und versuchte, ihr auf die Finger zu klopfen, aber sie zog die Hand zu schnell zurück. »Langsam glaube ich, dich regt überhaupt nichts auf.« Kitten rückte wieder näher und streichelte den Pelz auf seinem Rückgrat, als sei er ein Schmusetier.

Leutnant Porsupah war tolerant, aber als zum Schmusen geeignetes Objekt angesehen zu werden, war ihm doch zuviel. »Kennst du überhaupt keine Scham, Weib? Wir gehören nicht einmal der gleichen Spezies an!«

Von neuem zauste sie ihm das Fell. »Mittlerweile sind sämtliche Hotelangestellten überzeugt davon, dass wir etwas miteinander haben. Es dürfte dir schwerfallen, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Außerdem bist du ebenso ein Säugetier wie ich.«

Er konnte ein Lächeln nicht ganz unterdrücken. »Zwischen unseren Rassen gibt es Unterschiede.«

»Jedenfalls«, flüsterte sie ihm heiser zu, »könnten wir einiges fertigbringen, weißt du …«

Porsupah kreischte laut auf und versteckte sich hinter der Rundcouch. »Kai-sung, du bist unverbesserlich, du bist an Leib und Seele unanständig!«

»Das ist das Netteste, was ich seit vier Tagen gehört habe.«

Der Tolianer musste sich erst mit einigen halblaut und rasend schnell gesprochenen kräftigen Flüchen seiner Muttersprache Luft machen. Dann versuchte er es von neuem.

»Du weißt, dass wir bei Major Orvenalix einen Termin mit Gouverneur Washburn hatten. Nun musste der Major ihm absagen. Soviel ich weiß, sitzt er in seinem Büro, und aus seinen Gelenken dampft es. Deshalb rate ich dir dringend, dich in aller Eile passend herzurichten, damit wir auf dem Weg zu ihm sind, bevor er die lokale Polizei schickt, uns zu holen!«

»Pah!« Kitten sprang auf und drückte an der Portabar die Tasten für einen Drink. »Mit dem Major werde ich fertig. Möchtest du etwas?«

»Wie du sehr gut weißt, ist keine der Wirkungen, die Alkohol auf das System eines Tolianers hat, im mindesten erfreulich. Wenn es fermentierter Ropus oder Lymphe wäre …«

»Okay, trink etwas der Art, so ekelhaft es sich anhört.«

»Ich werde nicht trinken, wenn ich für eine Verabredung schon zu spät dran bin.«

»Pfui! Du bist schlimmer als unmöglich. Und hör auf, dir wegen Orvy-Dorvy Gedanken zu machen. Wir sind alte Freunde.«

»Das mag ja sein. Der Major hat einen Blick für wohlgestaltete Eiableger. Aber, wenn ich das einmal zart andeuten darf, in dieser Beziehung bist du entschieden mangelhaft ausgestattet, so gut du das in anderer kompensieren magst. Und ich möchte gern hören, wie du ihn ›Orvy-Dorvy‹ nennst.«

»Danke … wenn das hier das richtige Wort ist.« Kitten nippte an der rosa und gelben Flüssigkeit, die die Maschine zubereitet hatte. »Immerhin gibt es die Möglichkeit, die weiche Stelle, wo Thorax und B-Thorax zusammenstoßen, zu streicheln und …«

»Brrr!« Der Tolianer bedeckte die Augen. »Widerlich, obszön, ordinär! Keine Moral. Überhaupt keine! Wenn es möglich wäre, würdest du nicht einmal vor dem Geschlechtsverkehr mit einem Felsen zurückschrecken!«

»Schon gut, schon gut, beruhige dich! Hör zu, Pors, ich habe dich auch schon ein bisschen angesäuselt gesehen, du schlauer Schwanzkitzler, und du …«

»Nicht weiter! Hör auf! Beherrsche dich!«

»Und wirf deinen wolligen Körper nicht so auf den Polstermöbeln herum, denn auf die Weise lädst du dich dermaßen mit statischer Elektrizität auf, dass der erste Diplomat, dem du die Hand schüttelst, zwei Meter sonnenwärts geschleudert wird! Wenn du unbedingt einen Anfall bekommen musst, bleibe dabei bitte an einer Stelle.«

Porsupah versuchte es mit einer neuen Methode. Er ignorierte Kitten und formulierte im Geist Entschuldigungen, die er dem Major vortragen wollte. Aber etwas Gutes fiel ihm nicht gleich ein.

Endlich machte er Fortschritte, als seine Gedanken von einem schrillen, protestierenden Ruf aus den unteren Tiefen des Badezimmers zerrissen wurden.

»Und dabei bin ich so moralisch!«

 

Major Orvenalix, der Kommandant von Replers kleiner Streitmacht, war nach außen eine ruhige, gesammelte Person, und doch war er zu heftigen Gefühlsausbrüchen fähig. Allerdings gab er sich ihnen nur hin, wenn er allein war. Es wäre gar nicht gut, wenn die Mitglieder von Replers regierendem Rat erführen, wie weit ihre Sturheit ihn treiben konnte. Ebenso wenig wussten sie, dass der friedliche Kommandant gleichzeitig einen viel eindrucksvolleren Rang beim geheimen Nachrichtendienst der Vereinigten Kirche einnahm.

Repler brauchte einen Nachrichtendienstler von Orvenalix' Format wegen der kaiserlichen AAnn-Enklave, die ein paar hundert Kilometer über offenes Meer weiter südlich lag. Die Enklave war der letzte Überrest eines früheren Streits zwischen der Republik und dem Kaiserreich über die beiderseitigen Ansprüche auf Repler. Die AAnn hatten den Planeten eigentlich gar nicht haben wollen, aber für sie war es eine Sache der Selbstachtung, dass sie gegen alle territorialen Ansprüche anderer Rassen Einspruch erhoben.

Johann Replers Anspruch erwies sich schließlich als der stärkste. Die AAnn verlangten (und erhielten) jedoch die Souveränität über ein kleines Gebiet südlich der späteren Hauptstadt. Damit sollte die Kolonisierung beschleunigt und eine harmonische Besiedlung gefördert werden. Im einzelnen hatte die Republik sich gegen die Idee ausgesprochen, die Kirche war neutral geblieben, und die Menschen und Thranx, die sich bereits auf Repler angesiedelt hatten, dachten nicht daran, sich aufzuregen. Schließlich war der größte Teil des Planeten noch unerforscht, und die AAnn hätten auch eine geheime Station errichten können. Warum also nicht großzügig sein und sie ihnen geben?

Als die AAnn feststellen mussten, dass es ihnen nicht erlaubt wurde, die Raumfahrt-Anlagen in Repler City zu benutzen und dass der Felssockel der größten Insel in ihrer Enklave auch die kleinste eigene Fährstation nicht tragen würde, wäre ihnen die Lust beinahe vergangen. Aber die schwer errungene Konzession abzulehnen, kam erst recht nicht in Frage. Es hätte die AAnn-Diplomaten, die den Vertrag zustande gebracht hatten, lächerlich gemacht und für bestimmte Kreise den Todesstoß bedeutet. Diese Kreise sorgten nun dafür, dass auf der größten Landmasse eine mit allen Schikanen ausgestattete Station gebaut wurde. Wenigstens waren die Ozeanologen glücklich, eine Gruppe, die die meisten AAnn für geborene Idioten hielten. Die Heimatwelt der AAnn und die meisten ihrer Kolonien waren Wüstenplaneten. Diejenigen, die nach Repler abkommandiert wurden, waren – mit Ausnahme der Wissenschaftler – sehr unglückliche Reptilien.

Major Orvenalix saß in seinem fingerhutförmigen Sessel und sah Kitten und Porsupah böse an. Im Augenblick benutzte der Major seine mittleren Glieder als zweites Händepaar. Eine menschliche Gewohnheit imitierend, trommelte der Thranx mit allen vier mal drei Klauen auf den Tisch vor ihm. Das gab einen beträchtlichen Lärm.

Der Major war für einen ausgewachsenen männlichen Thranx von etwa durchschnittlicher Größe, die halbwegs zwischen der Kittens und der Porsupahs lag. Sein Thorax war ungewöhnlich breit und kräftig. Der schwarz und silberne Harnisch kündete weniger von seinem persönlichen Geschmack, der weniger konservativ war, als von seiner Stellung. Ebenfalls eine Folge seiner Stellung war die vorzeitige Purpurverfärbung der Chitinplatten, doch seine Fühler reckten sich noch gerade und stark in die Höhe. Und die großen Facettenaugen funkelten so hell wie die eines Jünglings.

Er hörte auf zu trommeln. Die nun eintretende Stille dröhnte lauter. Orvenalix sprach mit ruhiger Stimme.

»Sieh an! Unser großartiger Leutnant Kai-sung hat sich in seiner Güte herabgelassen, den Stab mit seiner Gegenwart zu beehren!« Der Major verbeugte sich ironisch. Das heißt, er neigte den Kopf und den B-Thorax. Kein Thranx brachte in seinen starren Panzerplatten eine richtig elegante Verbeugung zustande.

»Das können Sie sich schenken, Orvy!«

»Sie werden mich meinem Rang entsprechend anreden, Leutnant!«, brüllte er los und schlug mit einer echten Hand auf den Tisch.

»Jawohl, Sir«, erwiderte Kitten, die militärische Ausdrucksweise parodierend. »Jawohl, Major … Orvy!«

»SIE WERDEN …!« Orvenalix seufzte und ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. »Lassen wir das. Ich sehe schon, Sie haben sich nicht um ein Mikron geändert.«

»Sie sind heute schon der zweite, der mir das sagt. Im Ernst, Sir, wie ist die genaue Situation? Ich habe Sie mehr als ein Jahr nicht mehr gesehen. Aber damals als Dozent an der Akademie waren Sie längst nicht so gereizt. Sie können mir nicht erzählen, ein Jahr auf einem hinterwäldlerischen Planeten habe Sie so stark mitgenommen!«

»Sie lassen viele Begleitumstände aus, über die Sie nicht informiert sind, Kitten. Doch bevor wir uns meinen Problemen zuwenden, möchte ich Ihnen folgendes sagen: Sie sind nach hier für eine Aufgabe abkommandiert worden, die von Ihnen ein mit Maßen unternehmungslustiges und um lokale Gesetze unbekümmertes Verhalten verlangt. Aber, wie gesagt, mit Maßen. Sie sollen eine ziemlich wohlhabende junge Dame vorstellen, der man es, unabhängig und verwöhnt, wie sie ist, ohne weiteres zutraut, dass sie ihre Nase in alles steckt, was neue Abenteuer verspricht. Sie haben diesen Planeten aufgesucht, um die herrliche Sonne, das Bootfahren und Angeln und andere Vergnügungen zu genießen und sich mit billigen Souvenirs der exotischen Welt Repler einzudecken.«

»Sie reden wie eine Reisebroschüre, Major.«

»In meinem öffentlichen Amt werden dergleichen Banalitäten gelegentlich von mir verlangt. Meine Nestmutter würde sich meiner schämen, doch glücklicherweise ist Eurmet viele Parseks von hier entfernt …

Aber Sie, statt dass Sie hier eintreffen, ohne Aufsehen zu erregen, Sie ziehen vor den Augen der bevölkerten Fährstation mit dem berüchtigtsten menschlichen Playboy ab, den diese hinterwäldlerische Hauptstadt anzubieten hat. Er mag nicht das gleiche Format haben wie seine Gegenstücke auf Armela, Trix oder Perth, aber hier herum ist er allgemein bekannt. Als nächstes erscheinen Sie im exklusivsten Viertel der Stadt auf dem Familiensitz des jungen Mannes und übergeben seinem Kammerdiener – seinem sehr gesprächigen Kammerdiener! – die Schlüssel eines teuren Schwebers, der Eigentum des Playboys ist. Sie lassen sich eine öffentliche Verkehrskapsel kommen, und indem Sie sich von dem verdatterten Diener verabschieden, erwähnen Sie ganz nebenbei, sein Herr schmachte einsam auf einer Insel mit den und den Koordinaten. Darauf kehren Sie in die Stadt zurück, halten Einzug in Ihrem Hotel und sind, wie ich vermute, in aller Unschuld davon überzeugt, dass die Bevölkerung von Repler nichts von Ihren Mätzchen mitbekommen hat.«

Kitten wirkte ehrlich zerknirscht. »Ich bitte um Entschuldigung, Sir. Wie konnte ich wissen, dass der Kammerdiener es in der ganzen Stadt herumerzählen würde? Außerdem wurde mir erst klar, was er vorstellte, als das Gespräch zwischen uns schon zu weit gediehen war. Ich hatte geplant, die Schlüssel unter der Tür durchzuschieben, dazu einen Zettel mit der Erklärung, dass …«

Sie hielt inne. Orvenalix schüttelte missbilligend den Kopf. »Alles wäre soviel einfacher gewesen – und übrigens auch besser für Ihre Tarnung –, wenn Sie mit dem Gentleman den einfachen Akt einer nichtreproduzierenden Kopulation ausgeführt und ihm dann erlaubt hätten, Sie zurück ins Hotel zu begleiten.«

»Es wird kategorisch behauptet«, entgegnete Kitten, »dass das Ei, das sich zu früh vollstopft, seine Nachkommenschaft verleugnen wird.«

»Sie sind impertinent, aber wenn er so schlimm war … Sie waren immer gut in Saduriquil, Kurvenfee.«

»Nein, so etwas, Orvy! Dass Sie sich noch an meinen Spitznamen erinnern! Aber jetzt haben Sie Ihrem Thorax Luft gemacht, und da können Sie sich doch entspannen und uns erzählen, warum man uns aus unserer wissenschaftlichen Arbeit gerissen und hier mitten unter wilden Fischen und fischigen Wilden abgesetzt hat.«

»Diese Bemerkung würde der gute Gouverneur gar nicht gern hören«, grinste Orvenalix.

»Sag mal, woher weißt du, dass ich mit wissenschaftlicher Arbeit beschäftigt war?«, kläffte Porsupah.

»Ich habe im Hotel deine Tasche durchsucht. Bevor ich ins Schlafzimmer ging, um mich umzuziehen. Dein Abschlusszeugnis war drin und noch anderes diesbezügliches Material. Es stimmte gar nicht mit deiner Tarnidentität überein, Pors! Tch!«

»Nicht nur, dass du keine Moral hast«, schäumte der Tolianer, »du hast auch keine Skrupel!«

»Das ist eine Beleidigung! Ich habe die Brieftasche zurückgesteckt, oder?«

Ein langes Schweigen entstand. Porsupah, der die Ungewissheit nicht länger ertrug, steckte schließlich eine Pfote in die Tasche unter seinem Gürtel, um sich zu überzeugen …