Die Autorin

Yvonne Westphal wurde im April 1989 als waschechter Widder geboren und hat die zwei großen Lieben ihres Lebens bereits in ihrer Jugend gefunden: Schreiben und ihren Ehemann, mit dem sie in der Nähe von Köln lebt und als Filmproduzentin arbeitet. Sie könnte ohne Urlaub, Schlaf und Zucker leben, aber nicht ohne ihre Familie, ihr Macbook und die Farbe rosa. Ihre Romane sind perfekt für alle, die an die große Liebe glauben und das laute, bunte Leben lieben. Mal verspielt, mal dramatisch, mal sexy – und (fast) immer über Bad Boys mit Herz und classy Girls mit Biss.

Das Buch

Alle sagen, Vanessa sei perfekt: Perfekte Haare, perfektes Abi, perfekter Instagram-Account. Aber niemand ist vollkommen. Vanessa hat Dinge getan, auf die sie nicht stolz ist. So etwas darf ihr nie wieder passieren. Erst recht nicht, dass sie sich in den attraktiven Kickboxer Sandro verliebt. Doch was, wenn er genauso viel Schuld und Schmerz verbirgt wie sie?

Sandro ist nicht glücklich. Aber das ist nur gerecht, denn zu viele Fehler pflastern den Weg, auf dem er hierhergekommen ist. Deswegen verbietet er sich, auch nur an Vanessa zu denken. Alle sagen, sie sei perfekt, aber Sandro sieht den Schmerz in ihrem Blick. Er täte nichts lieber, als ihr diesen Schmerz zu nehmen und ihr zu beweisen, dass sie es wert ist, geliebt zu werden.

Doch um jemand anders glücklich machen zu können, musst du dir zuerst selbst vergeben.


Von Yvonne Westphal sind bei Forever erschienen:
Du und ich und dieser Sommer
Du und ich und dieser Herbst
Du und ich und dieser Frühling

Yvonne Westphal

Du und ich und dieser Frühling

Roman

Forever by Ullstein
forever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever
Forever ist ein Verlag
der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Juli 2020 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020
Umschlaggestaltung:
zero-media.net, München
Titelabbildung: © FinePic®
Autorenfoto: © privat
E-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-532-6

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Widmung

Für alle, die immer wieder Fehler machen.
Ihr seid perfekt so, wie ihr seid.
Gebt jedem Tag die Chance, der beste eures Lebens zu werden.

Playlist


Unfaithful – Rihanna

Rescue Me – OneRepublic

Bonfire – Felix Jaehn feat. Alma

Rooftop – Nico Santos & Samantha Harvey

Hold It Together – Nico & Vinz feat. Willy Beaman

What Now – Rihanna

Satellite – Rise Against

Sucker – Jonas Brothers

Breathe – Astrid S

With Me – Sum 41

Bring Me Back to Life – Ht Bristol, Charlie Bannister, Vincent Steele & Nine One One

New Day – Nico Santos

Your Song – Rita Ora

http://bit.ly/duundich-Fruehling-Playlist

1 Brave Mädchen kommen in den Himmel


Vanessa

Ich hatte nie vor, meiner großen Liebe das Herz zu brechen.

Ich wollte auch nie die Träume meiner Mutter zerstören oder meine beste Freundin hintergehen. Genauso wenig, wie ich die elfte Klasse wiederholen, zwei Studiengänge abbrechen und meinen Vater an dreihundert Tagen im Jahr vermissen wollte.

Den Großteil meiner Kindheit und Jugend hatte ich die erste Geige gespielt, aber am Ende unfreiwillig festgestellt, dass das Leben nun mal kein Wunschkonzert war. Man bekam nicht, was man sich wünschte, sondern was man verdiente. Und Tatsache war, ich war einfach kein guter Mensch.

Ich verdiente es, seit Jahren Single zu sein, während manche Freunde aus meiner Schulzeit mit dreiundzwanzig schon heirateten oder Kinder hatten. Und ich verdiente es wohl auch, auf Hochzeiten eingeladen zu sein, die mir das Herz brechen würden.

»Oh mein Gott, wie wunderschön ist bitte diese Karte?«, rief in dem Augenblick Isabella aus der Küche, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Als ich ihre beschwingten barfüßigen Schritte auf den Dielen hörte, tat ich so, als wäre ich völlig in meinen Laptop vertieft. Es gelang mir ganze zehn Sekunden, in denen ich deutlich spürte, wie sie mich von der Küchentür aus ansah. »Hast du die gesehen?!«

Ich hob den Blick, hin- und hergerissen zwischen zweifelnder Sorge und liebevollem Spott, was darin endete, dass ich eine Augenbraue hob und gleichzeitig grinste.

»Nein, Isabella, ich hab die Karte blind aus dem Umschlag gezogen und auf den Küchentisch gelegt«, zog ich sie auf, woraufhin sie eine Grimasse schnitt, die ihr ovales Gesicht wie das eines niedlichen Meerschweinchens aussehen ließ. Das Sofa sank neben mir ein, als sie sich mit der Selbstverständlichkeit einer Hauptmieterin darauf fallen ließ und die mit getrockneten Blumen beklebte Karte mehrfach wendete.

»Gehst du hin?«

Mit einem tiefen Seufzer klappte ich den Laptop zu und befreite meine nackten Beine von der Kunstfelldecke, zupfte an dem weiten Ausschnitt meines Oversize-Pullis. Mir war plötzlich heiß.

»Ich denke schon.« Was blieb mir anderes übrig?

Isabella warf mir einen liebreizenden Wimpernschlag ihrer schokoladenbraunen Augen zu. »Also, falls du eine Begleitung brauchst, sag Bescheid! Ich wollte schon immer mal eine Hochzeit auf Mallorca erleben. Und was ist mit der hier?«

Während ich noch mit mir haderte, ob ich es wirklich ertragen konnte, dabei zuzusehen, wie mein Dad eine andere Frau heiratete und neben mir zwei weitere erwachsene Kinder bekommen würde, hatte Isabella die zweite Einladungskarte hervorgezogen. Sie inspizierte das roségolden geprägte Kraftpapier, befühlte die aufgeklebte Spitze und betrachtete das perfekte Paar auf dem Foto mit geradezu aufdringlicher Neugier.

»Krass, dass er dich einlädt.«

Mein Kopf ruckte herum, obwohl ich wusste, dass sie es nicht so herablassend meinte, wie es geklungen hatte. Ich hatte ihr nicht erzählt, was damals geschehen war, sondern nur, dass Milias und ich unsere jeweils erste Beziehung gewesen waren. Oh Gott, das war so lange her, und trotzdem erinnerte ich mich noch genau an den Tag, an dem wir uns endlich getraut und unsere Verliebtheit gestanden hatten – mit sechzehn auf der Skifreizeit unserer Klasse! Wie wir auf der Rückbank im Bus knutschend Schulgeschichte geschrieben hatten und fast zwei Jahre lang das Traumpaar der gesamten Schule gewesen waren.

Tja. Dann hatte ich alles kaputtgemacht und jetzt heiratete meine erste und einzige große Liebe eine andere.

»Ich meine, wenn ich mich von Sandro trenne, würde ich ihn bestimmt nicht zu meiner Hochzeit einladen«, nahm Isabella den Gesprächsfaden wieder auf, in dem sich meine Gedanken verstrickt hatten.

Ich hing noch einen winzigen Moment der Erkenntnis nach, dass Milias eben ein Traummann war, den man nur einmal im Leben fand. Dann wurde sein geistiges Abbild von einem anderen Mann abgelöst, dessen bronzefarbene Haut im Sommer nur geringfügig heller war als Milias’ italienische Bräune, aber einen geradezu hypnotisierenden Kontrast zu olivgrünen Augen und aschblonden Haaren bildete. Seine Statur war drahtiger und sein Gesicht schärfer geschnitten, aber sein Grinsen war genauso gewinnend, sein charmantes Selbstbewusstsein genauso anziehend.

Doch ich schob das Bild und alle Vergleiche mit Milias weit von mir. Denn dieser Typ war Isabellas Freund, und zwar seit fast einem Jahr. Und Isabella war nicht nur meine Mitbewohnerin, die mich in ihrer Wohnung aufgenommen hatte, sondern mangels Alternativen auch so etwas wie meine beste Freundin. Entschieden schüttelte ich den Kopf und konzentrierte mich auf Isabellas letzte Aussage, um endlich auch etwas zu diesem einseitigen Dialog beizutragen:

»Wenn du dich von Sandro trennen würdest, würde zu allererst deine Mutter ausrasten.«

Isabella lachte lahm. Unsere von Perfektion besessenen Mütter waren die erste Gemeinsamkeit gewesen, die wir im ersten Psychologie-Semester entdeckt hatten, als wir den Einfluss der Eltern auf die Psyche und Entwicklung ihrer Kinder untersucht hatten. Bei einer nahezu geisteskrank fanatischen Mutter, die heimlich die Pille abgesetzt hatte, um ihren Traummann festzuhalten, und einem nie erwachsen gewordenen Peter Pan, der sich seit zehn Jahren verzweifelt aus ihren Fängen zu lösen versuchte, hatte aus mir ja gar kein normaler Mensch werden können.

»Oh Mann, darüber hab ich noch gar nicht nachge– Scheiße!« Plötzlich saß Isabella aufrecht neben mir auf dem Sofa, sah hektisch auf ihre elegante Armbanduhr und strich sich mit beiden Händen die dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht. »Sie wollte ja gleich vorbeikommen! Oh Gott, und ich hab total vergessen, ihre Bluse aus der Waschmaschine zu holen. Die ist jetzt bestimmt total …«

»Keine Sorge«, unterbrach ich ihre Panikattacke, indem ich beruhigend eine Hand auf ihren Oberschenkel legte. »Ich hab die Wäsche heute Morgen rausgeholt und aufgehängt. Die Bluse ist bestimmt sogar schon trocken.«

Isabella blinzelte mich kurz an, strich sich dann erneut das Deckhaar aus dem Gesicht, diesmal erleichtert. »Krass, du bist echt die Beste, Vanessa.« Ich zwang mich die Mundwinkel zu heben, sagte jedoch nichts. »Moment, wie lange bist du denn schon wach?« Wieder sah sie auf ihre Uhr und diesmal tat ich es ihr aus Reflex gleich. Es war halb elf an einem grauen Samstag im Januar. Aber als ich gegen acht Uhr aufgestanden war, hatte noch die Morgensonne geschienen.

»Egal, ich muss mich anziehen«, entschied Isabella und erhob sich, ohne meine Antwort abzuwarten. »Und ich muss frühstücken. Hast du schon was gegessen?«

Ich schüttelte den Kopf, stand aber ebenfalls auf, um die Kunstfelldecke wieder zwischen die champagnerfarbenen Kissen zu drapieren und meinen Laptop in mein Zimmer zu bringen. »Nee, ich brauch nix.«

Ich hörte, dass Isabella hinter mir stehen blieb und sich auf den nackten Fußballen umdrehte. Als ich den Kopf hob, hatte sie das missbilligende Gesicht aufgesetzt, das sie von ihrer Mutter geerbt hatte. »Ist es wieder so weit, ja?«

Ich rollte mit den Augen, wütend auf ihre herablassende Anschuldigung, aber noch wütender auf mich selbst. Sie sorgte sich halt um mich. »Nein, ich hatte einfach keinen Hunger. Ehrlich! Aber ich hatte zwei Kaffee mit Hafermilch und einen Apfel«, führte ich Beispiele an, die eindeutig nicht auf jemanden mit Essstörung hinwiesen. Hoffentlich.

Isabella schien nicht ganz überzeugt und ließ noch einen kritischen Blick über meinen Körper wandern, wie um Bestätigung für meine Worte zu suchen – oder mich zu verhöhnen. Dann zuckte sie mit den Schultern und ging in die Küche, um sich einen Kaffee und eine Schüssel Cornflakes zu machen, womit sie im Bad verschwand. Und so lange brauchte, dass ich keine Chance mehr hatte, wenigstens meine Haare zu kämmen, bis es an der Tür klingelte.

»Vanessa, was für eine Überraschung!«, flötete Constanze mit maskenhaft versteinerter Miene, als ich die Tür öffnete.

Wer sonst? Ich wohne schließlich hier.

Aber ich versteckte meine Gedanken hinter einem Lächeln, während Isabellas Mutter meine Schultern festhielt, um mich mit zwei Wangenküssen in ihre Duftwolke einzuhüllen.

»Oh, du hast ein tolles Parfüm an dir«, sagte sie mit Gönnermiene, während sie in unsere Wohnung stolzierte wie ein Pfau. »Aber du zeigst immer noch zu viel Haut.« Jetzt ließ sie fast denselben missbilligenden Blick über mich gleiten wie ihre Tochter, und ohne dass ich es wollte, fühlte ich mich plötzlich unwohl mit der entblößten Schulter in Oversize-Pulli und den nackten Beinen in Kuschelsocken. »Du wohnst hier schließlich nicht alleine, und andere junge Frauen haben Beziehungen. Und damit meine ich echte, tief verbundene Beziehungen.«

Ich hätte sie vermutlich in dem Glauben lassen sollen, dass sie mir überlegen wäre, aber wie gesagt: Ich war einfach kein guter Mensch und ich war auch nicht sonderlich gut darin, mir Freunde zu machen. Also fragte ich sarkastisch: »Und ist jetzt mein Beziehungsstatus das Problem oder glaubst du ernsthaft, dass ein unförmiger Strickpullover eine echte, tief verbundene Beziehung gefährden könnte?«

Constanze blinzelte. Schloss den Mund, ließ dezent den Blick schweifen und sagte dann versöhnlich: »Nein, natürlich nicht. Das war nur ein gut gemeinter Rat.«

Ich tat mein Bestes, versöhnlich zurückzulächeln. Sie konnte nichts dafür, dass sie mich hasste, das war einfach die normale Reaktion der meisten Frauen auf mich. Es gibt nur sehr wenige von uns, die hübschen Geschlechtsgenossinnen ohne Ablehnung oder Neid gegenübertreten können. Deswegen machte ich ihr nicht wirklich einen Vorwurf, auch wenn ich mich selbst nach so vielen Jahren immer noch nicht vollständig gegen die nagende Kränkung wehren konnte.

Ich hatte nicht darum gebeten, in eine Welt von Äußerlichkeiten geboren zu werden, in der mich alle Jungs vergötterten und alle Mädchen verachteten. Ich hatte immer viele Bewunderer gehabt, aber nie wirklich Freundinnen, daher war ich Isabella unendlich dankbar für ihre Freundschaft. Und deswegen würde ich mich nicht mit ihrer Mutter anlegen. Und erst recht nicht über ihren Freund nachdenken.

»Willst du einen Kaffee?«

Constanze nahm mein Friedensangebot an, und während ich unsere Maschine bediente, kam endlich Isabella aus dem Bad, woraufhin ich mich wieder ins Wohnzimmer zurückziehen und in das Konzept für den Onlineshop vertiefen konnte, den ich im Moment betreute.

Als ich nach einer Stunde wieder in der Küche auftauchte, um mir etwas zu essen zu holen, rief Isabellas Mutter gerade in voller Lautstärke: »Papperlapapp!« Ich blieb irritiert neben dem Kühlschrank stehen, eine Hand untätig am Griff, und wechselte einen Blick mit meiner Mitbewohnerin, die höchst unglücklich aussah. »Nichts für ungut, mein Kind, aber Sandro ist mit Abstand der beste Fang, den du jemals gemacht hast! Er muss bloß aus dieser asozialen Schlägerszene raus, das ist alles. Glaub mir, Bella …«

Mir entglitt ein Schnauben, während ich jetzt doch die Kühlschranktür öffnete und den spärlichen Inhalt betrachtete, mir einen Sojajoghurt nahm und einen Löffel aus der Schublade zog. Als ich mich umdrehte, sah Constanze mir direkt in die Augen.

»Ist was, Vanessa?«

Ich erwog kurz, die Küche einfach wieder zu verlassen, aber alles an dieser Frau erinnerte mich so sehr an meine eigene Mutter, dass ich geradezu instinktiv zum Widerspruch anhob, um Isabella und ihrem Freund beizustehen: »Kickboxen ist ein ganz normaler Sport.«

»So wie Poledance?«, fragte sie spitz zurück und warf einen sehr eindeutigen Blick auf mein nacktes Bein, das ich aus Gewohnheit gegen den linken Oberschenkel gestemmt hatte wie in der Yoga-Baumposition. Ich verdrehte die Augen und stellte den Fuß wieder auf den Boden.

»Vanessa ist doch Ballerina, Mama«, ergriff nun Isabella ihrerseits Partei für mich, auch wenn das nicht stimmte. Ich hatte seit meiner Kindheit kein Ballett mehr getanzt, aber ich korrigierte Isabella nicht, um sie nicht vor ihrer Mutter bloßzustellen. Und, weil es Constanzes Meinung ohnehin nicht ändern würde.

Isabella warf mir einen mitleidigen Blick zu, aber ich versicherte ihr stumm, dass ich mich nicht beleidigt fühlte. Ich hatte ja genug Erfahrung mit chronisch unzufriedenen Müttern. »Außerdem geht es darum gar nicht! Ich weiß einfach nicht, ob wir noch lange zusammen sein werden«, lenkte Isabella das Gespräch schließlich wieder auf sich.

Moment mal, sprach sie gerade wirklich davon, ihre perfekte Beziehung hinzuschmeißen?

Ich sah sie verstört an, fing dabei aber erneut den finsteren Blick ihrer Mutter auf, die tonlos fragte: »Wieso, ist er fremdgegangen?«

Fuck it, das musste ich mir nicht geben! Und während Isabella noch empört »Nein, natürlich nicht!« rief, ließ ich die beiden einfach sitzen und verschanzte mich mit voll aufgedrehten Kopfhörern in meinem Zimmer.

2 Kein Sex ist auch keine Lösung


Vanessa

Ich kehrte erst wieder aus dem Musiktunnel zurück, als Isabella den Kopf durch die Tür steckte.

»Sorry, wenn du mich nicht klopfen hörst, ist deine Musik vielleicht ein bisschen zu …« Sie verstummte, als ich bereits abwinkte und den Kissenberg von meinem Bett auf den Boden schob, um ihr Platz zu machen. Sie setzte sich auf die Bettkante. »Sorry wegen meiner Mom.«

»Ach, nicht so schlimm«, wich ich aus und zog ein Bein in einen halben Schneidersitz. Ich wollte noch etwas ergänzen, aber da redete sie schon weiter.

»Kannst du mir einen Gefallen tun und Sandro nicht sagen, dass wir über ihn geredet haben?«

Ich stutzte, zuckte aber sofort zustimmend mit den Schultern. »Klar.« War ja nicht so, als würden wir viel miteinander reden. Sandro fiel wohl in die Kategorie verschlossener Bad Boy, der meistens eher stumm observierte als viel redete. Aber seine Augen bekamen immer einen warmen Glanz, wenn er Isabella ansah – die daran dachte, ihn zu verlassen. »Alles okay bei euch?«, fragte ich vorsichtig.

Jetzt zog sie auch ein Bein aufs Bett, legte das Kinn aufs Knie und wiegte sich sanft vor und zurück. »Keine Ahnung, Vanessa. Ich hab …« Sie unterbrach sich kurz, ersetzte den Rest des Satzes durch einen unwilligen Laut und setzte noch mal an. »Das klingt total bescheuert. Ich hab irgendwie das Gefühl …« Wieder eine Pause, in der ich deutlich sah, dass sie nicht auszusprechen wagte, was sie eigentlich sagen wollte.

»… dass er fremdgeht?«, stellte ich behutsam dieselbe Frage wie ihre Mutter.

»Nein, natürlich nicht! Wir reden hier immer noch über Sandro Stavaros, okay? Nicht über Tiago oder so.«

Da hatte sie recht, musste ich einräumen. Sandro gehörte zu der Sorte Mann, der jede Frau haben konnte. Aber ich hatte in den zehn Monaten, die er jetzt mit meiner Mitbewohnerin zusammen war, nicht ein einziges Mal erlebt, dass er eine andere Frau auch nur angesehen hätte. Und das machte die Beziehung der beiden in meinen Augen nur noch bewundernswerter und Isabellas Zweifel umso tragischer.

»Dass du Abwechslung brauchst?«, tippte ich also auf die nächstwahrscheinlichste Option. Ich sagte es vorsichtig, doch sie fuhr herum wie von der Tarantel gestochen, sodass ich sofort abwehrend die Hände hob und mich entschuldigen wollte.

»Merkt man das?« Ich wollte verneinen, aber da ließ sie schon die Schultern hängen und den Fuß von meinem Bett baumeln. »Wir hatten seit über einem Monat keinen Sex mehr.«

»Autsch!«, kommentierte ich. »Das ist ja fast länger als ich, und ich bin Single.«

»Danke, Arschkuh!«, schnaubte sie. »Und das ist länger als du, weil ich mich nämlich ziemlich gut daran erinnere, dass Nico vor drei Wochen abends um zehn vor der Tür stand.«

Ich verzog ertappt das Gesicht. Nico war damals mit achtzehn mein erster Freund nach Milias gewesen. Unsere Beziehung hatte ganze drei Monate gehalten, weil ich meinen ersten Freund einfach noch nicht überwunden hatte, aber na ja … hin und wieder verabredeten Nico und ich uns trotzdem noch. Wir redeten uns beide ein, dass wir nur nett plaudern wollten, aber eigentlich wussten wir jedes Mal ziemlich genau, wie der Abend enden würde. Immerhin musste ich mich so nicht durch Clubs knutschen, um ein passables Date zu finden.

»Okay«, nahm ich die Schuld auf mich und den Faden wieder auf. »Und geht das von deiner oder Sandros Seite aus?«

Sie warf mir einen sehr eindeutigen Blick zu, bei dem ich mit aller Kraft gegen die Hitze auf meinem Gesicht ankämpfen musste. Natürlich nicht von seiner Seite, denn dieser Typ verbrachte den Großteil seines Tages in testosterongeladenen Faustkämpfen.

»Bist du schwanger?«

»Vanessa!« Ihr Gesicht glich mittlerweile mehr einem runzligen Maulwurf, so sehr hatte sie die Augen zusammengekniffen und die spitze Nase gekräuselt. »Nein, ich hab … einfach keine Lust!«

Ich war froh, dass sie in diesem Moment Löcher in meinen flauschigen Hochflorteppich starrte, denn ich konnte nicht verhindern, dass mir die Gesichtszüge entgleisten. Sandro war so ziemlich der heißeste Typ, den ich kannte, dessen Körper wie aus Bronze gemeißelt aussah und dessen scharf geschnittenes Gesicht eine olympische Medaille zieren könnte – und sie hatte keine Lust?

»Vielleicht solltest du die Pille wechseln?«, schlug ich vor, um meine Gedanken abzulenken. Ich hatte schon vor Jahren aufgehört, diese künstliche Hormonschleuder zu nehmen, aus genau dem Grund, dass sie schleichend die Kontrolle über unseren Körper und unsere Gefühle übernahm – ganz zu schweigen von der Belastung für unser Abwassersystem.

Isabella warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, seufzte dann aber. »Ich weiß nicht. Vielleicht hab ich im Moment einfach nur zu viel Stress mit der Bachelorarbeit und der Entscheidung für einen Master-Studiengang und meiner Mom und dem Nebenjob …«

Ich hatte vergessen, dass sie schon den Bachelor machte – weil sie im Gegensatz zu mir Dinge durchzog und das Psychologiestudium nicht nach zwei Semestern abgebrochen hatte. Aber ich hatte nicht vergessen, dass ihr Studium und Nebenjob als Nachhilfelehrerin alles andere als anstrengend waren. Zumindest nicht, wenn man wie ich seit dem Abi gewohnt war, Nebenjob und ein eigenes Gewerbe neben dem Studium zu jonglieren. Doch ich verkniff mir jeden Kommentar darüber, zumal sie schon weitersprach.

»Vielleicht muss ich einfach mal wieder einen draufmachen. Die Jungs gehen heute Abend ins Ace, hast du Lust mal wieder mitzukommen? Vielleicht lernst du ja einen süßen Typen kennen.«

Ich schnaubte. In meiner Jugend war ich fast jedes Wochenende in Clubs unterwegs gewesen, hatte unzählige Kerle abgeschleppt und noch mehr Alkohol getrunken. Heute blieb ich lieber zu Hause, arbeitete an Blogartikeln und Konzepten und rief vielleicht Nico an.

»Bitte, bitte?«, fragte Isabella und fiel plötzlich gegen meine Schulter, zog einen Schmollmund und setzte einen Hundeblick auf. »Lena und Marc kommen auch.«

»Wow, Pärchenabend«, kommentierte ich wenig begeistert, woraufhin sie sich wieder aufrichtete und einen Finger hob.

»Santiago kommt übrigens auch! Und der scheint ja ziemlich scharf auf dich zu sein. Hattet ihr mal was?«

Ich starrte sie fassungslos an. »Nein! Santiago hat eine Freundin!«

So wie verdammt noch mal jeder in unserem Alter in der Lage war, eine funktionierende Beziehung zu führen. Jeder außer mir. Isabella zuckte bloß mit den Schultern, als wäre das ja kein Hindernis. Oder, als würde sie mir genau wie ihre Mutter zutrauen, ihn trotzdem abzuschleppen. Aber so war ich nicht!

Während ich noch mit mir selbst beschäftigt war, vibrierte Isabellas Handy. »Oh, das ist Sandro. Noch mal, das bleibt unter uns, ja?«

Ich zog eine Grimasse. Natürlich blieb das unter uns, warum sollte ich denn ihrem Freund erzählen, dass sie keine Lust mehr auf ihn hatte? Das musste sie ihm schon selbst sagen.

Strahlend nahm sie das Telefonat entgegen. »Hey Schatz!«

Ich stöhnte innerlich und gestikulierte zur Tür. »Könnt ihr das wenigstens draußen machen?«

Sie streckte mir die Zunge raus. »Nee, das ist Vanessa. Ich bin grad in ihrem Zimmer. – Grüße«, richtete sie mir aus.

Ich schüttelte den Kopf und ließ zurückgrüßen, aber das hörte Isabella wie immer nicht mehr, während sie in meinem Zimmer herumtigerte und unzusammenhängende Worte sprach:

»Nö … Ja … Na klar … Doch … Hm.«

Wow, was für ein tiefsinniges Gespräch. Ich schwang gerade das Bein vom Bett, um sie aus meinem Zimmer zu schieben, als Isabella flötete: »Klar kommt sie mit!«

»Nein, tut sie nicht!«, widersprach ich so laut, dass er es am anderen Ende hören musste.

»Hör nicht auf sie, sie kommt mit. Grüß Tiago von mir … Klingt super … Was, zwei Stunden?! Sagen wir drei? … Ich mich auch, ciao!«

»Santiago kann mich mal am Arsch lecken«, projizierte ich meinen Frust unfairerweise auf Sandros südamerikanischen Machokumpel und sah auf die Uhr. »Und in drei Stunden bin ich definitiv nicht fertig, weil ich um vier Kurs habe.«

»Oh ja, richtig. Yoga«, spottete sie.

»Pilates«, korrigierte ich. Bei meinem ersten Yogakurs wäre ich fast eingeschlafen. Am liebsten hätte ich weiter Ballett getanzt, aber in der Nähe gab es leider keine guten Studios, und irgendwas Körperliches musste ich einfach machen, sonst drehte ich durch.

Sie gab mir einen vergnügten, wenn auch etwas zu harten Klaps auf den Po. »Dann schnell, schnell! Heute Abend wird Party gemacht.«

Ich war mir immer noch nicht sicher, ob ich es allein zwischen all den Pärchen aushalten würde.

»Kann ich wen mitbringen?«, fragte ich in einem spontanen Impuls, wartete ihre Antwort jedoch gar nicht ab, sondern zog bereits mein Handy hervor, um der einzigen Frau zu schreiben, mit der ich das durchstehen konnte: Valeria Schwarzer, der kleinen Schwester meines Ex-Freunds.

Sandro

»Und?«, fragte Santiago, immer noch voller Adrenalin davon, dass er im Übungskampf gegen Marc gleich viele Punkte geholt hatte. »Was hat sie gesagt?«

Ich zog den Reißverschluss meiner Sporttasche zu. »Hat sich angehört, als würde sie mitkommen.«

»Geil«, kommentierte er, aber ich war mir da nicht so sicher. In zehn Monaten hatte ich Vanessa noch nicht ein einziges Mal auf einer Party gesehen. Santiago zog sich seinen Sweater über. »Die hat grad keinen Freund, oder?«

Ich fuhr mir beherrscht über das Gesicht. Ich liebte Tiago, aber heute machte er mich fertig. Andererseits konnte ich es ihm kaum verdenken: Seine Freundin Eva hatte vor drei Tagen fast ein Jahr Beziehung hingeschmissen.

»Ich glaube nicht. Frag sie doch einfach selber. Wir treffen uns in drei Stunden bei Ella. Ich fahre.«

Damit schulterte ich die Tasche und verließ die Umkleide, um draußen zu Marc aufzuschließen. Tiago holte uns schneller ein, als mir lieb war, drängte sich zwischen uns und hängte die Arme über unsere Schultern.

»Hey, Marc, mal ganz objektiv: Wie stehen meine Chancen bei Vanessa?«, fragte Tiago.

Mein engster Freund gluckste. »Vanessa, die Freundin von Bella? Ich schätze mal, so bei minus zehn?«

»Qué cabrón, so schlecht bin ich auch nicht!«

Das stimmte, Santiago war eigentlich ganz cool, wenn er nicht gerade Trennungsschmerz zu kompensieren versuchte, und sein südamerikanischer Latino-Charme ließ ihm die Herzen geradezu zufliegen. Aber Vanessa war nun mal …

Ich hielt meine Gedanken auf, bevor sie weiter wandern konnten – bloß, um sie eine Sekunde später aus Marcs Mund zu hören.

»Das sagt ja auch keiner! Aber sie ist einfach ultrakrass. Zehn von zehn, Mann. Frauen wie sie können sich jeden aussuchen, und ganz ehrlich: Wäre ich sie, würde ich dich nicht nehmen.«

Ich schüttelte belustigt den Kopf, mischte mich aber nicht ein. Gedanken über Vanessa Kaiser erlaubte ich mir nicht, aus reinem Selbstschutz. Denn Marc hatte recht, sie war verdammt heiß, und sie war intelligent genug, um zu wissen, wie sie auf Männer wirkte. Aber irgendwie … legte sie es überhaupt nicht darauf an, bewundert zu werden. Sie ging kaum aus, trug keine sexy Kleidung und nicht halb so viel Make-up wie andere Frauen – und das machte sie noch attraktiver. Himmel, sie war vermutlich die einzige Frau in meinem Umkreis, die mich noch nicht ein einziges Mal angeflirtet hatte – obwohl es auch zwischen uns hin und wieder diese irrationale Anziehung gab, wie eben zwischen Männern und Frauen, die einander attraktiv fanden. Eine Anziehung, die ich manchmal geradezu mit Händen greifen konnte, mit Fingern erkunden und Lippen kosten wollt–

Stopp! Ich hatte definitiv zu lange keinen Sex mehr gehabt. Entschlossen schob ich jeden Gedanken weit von mir und widmete meine Aufmerksamkeit wieder meinen beiden Sportpartnern, die sich immer noch lachend Beleidigungen zuriefen. Mochte sein, dass Vanessa überdurchschnittlich attraktiv war. Mochte sein, dass sie mich beeindruckte, seit ich sie zum ersten Mal gesehen hatte. Fakt blieb, dass das drei Tage gewesen war, nachdem ich eine Beziehung mit Isabella begonnen hatte. Und ich würde keinen Rückzieher machen, nie mehr. Wenn ich etwas anfing, dann zog ich es durch. Das war ich mir schuldig. Das war ich Jamie schuldig.

»Tiago«, warnte ich, als der gerade immer noch lachend die Linke vorschnellen ließ. Aber Marc war schneller, duckte sich und ich sah förmlich, wie sein Arm im Reflex zum Konter zucken wollte. Doch er bremste sich, bevor ich dazwischen gehen musste.

»Komm schon«, lachte Marc versöhnlich. »Das sind wir halt: Straßenjungs. Wir haben uns alle hochgearbeitet, aber wir werden trotzdem nie eine wie Vanessa kriegen. Die ist einfach drei Ligen über uns.«

Und jemand wie Vanessa würde nie einen Typen wie uns nehmen, fügte ich in Gedanken hinzu und hakte das Thema ab.

Tiago war anderer Ansicht: »Hast du nie Aladdin geguckt, Mann? Der kommt auch von der Straße und kriegt die Prinzessin.«

Marc konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Der hat auch ’nen Geist in der Flasche und ist keine Flasche ohne Geist.«

»Ihr guckt beide zu viele Disneyfilme«, beendete ich das Thema und verdrängte dabei jeden Gedanken an kleine Geschwister.

Tiago murrte eine spanische Beleidigung. »Dann halt nicht Vanessa, ist mir voll egal. Irgendwen muss ich heute Abend abschleppen, sonst sterbe ich. Ich hatte über eine Woche keinen Sex mehr, Mann!«

Ich schnaubte, sagte aber nichts dazu, zumal ich damit beschäftigt war, nachzurechnen, wie viele Monate es bei mir her war.

»Also um halb zehn im Ace?«, vergewisserte ich mich in Marcs Richtung, um mich endlich auf das Hier und Jetzt zu fokussieren. Er streckte den Daumen nach oben, dann stieg er in seinen neuen BMW und ich in meinen verbeulten Volvo. Der alte Kombi war keine Augenweide, weil sein Vorbesitzer ein kurzsichtiger Rentner gewesen war, aber er hatte einen großen Kofferraum, überall Airbags und eine erstaunlich gute Ausstattung – und vor allem war er günstig gewesen.

Ich startete den Motor, nachdem Santiago endlich eingestiegen war.

»Wusstest du, dass sie mit achtzehn eine Misswahl gewonnen hat?«

Ich blinzelte, weil es einen Moment dauerte, bis ich begriff, dass er von Vanessa sprach. Mein Blick streifte die aufblinkende Warnleuchte. »Nein, wusste ich nicht. Schnall dich an.«

»Total krass«, laberte Tiago weiter, tat aber wie geheißen, und die Warnleuchte samt Ton erlosch. »Sie hat elftausend Fans auf Instagram, aber vor zwei Jahren hat sie plötzlich aufgehört Modelbilder zu posten und ’nen Blog über gesunden Lifestyle gestartet. Dann hat sie bei irgend’ner Modemarke eine Kollektion rausgebracht und jetzt schreibt sie Konzepte für andere Blogs und Onlineshops. Alles neben dem Studium! Ganz schön viele Talente, oder?«

»Oder ganz schön inkonsequent«, kommentierte ich, bevor ich mich daran erinnerte, dass ich eigentlich nicht über Vanessa sprechen oder nachdenken wollte. Trotzdem musste ich mir die nächsten zehn Minuten lang anhören, wie perfekt sie in Santiagos Augen war – und was sie alles so in den letzten Jahren gemacht hatte.

»Alter«, realisierte ich plötzlich, als wir vor dem Wohnblock seines Vaters anhielten, spürte ein vertrautes Lodern im Bauch und spannte unwillkürlich die Muskeln. »Stalkst du sie etwa?«

»Wenn alles im Internet steht, ist es kein Stalken«, antwortete er mit seinem sonnigen Grinsen, schnallte sich ab und machte Anstalten seine Tasche aus dem Kofferraum zu holen.

Ich war schneller aus dem Wagen als er, hielt die Kofferraumklappe fest und schob mich dicht vor ihn, sah ihm finster in die Augen. Er war vielleicht schwerer als ich, aber ich war einen Kopf größer.

»Halt dich von ihr fern, Tiago.«

Eine Sekunde lang blitzte Kampfgeist in seinen braunen Augen, dann grinste er unverfänglich, ging rückwärts auf das schmucklose Mehrfamilienhaus zu und streckte dabei die Arme aus.

»Klar, aber ich kann nicht versprechen, dass sie sich von mir fernhält. Was soll ich machen, ich bin halt heiß.«

Das entlockte mir ein unwillkürliches Glucksen. Er war einfach unverbesserlich, erinnerte mich manchmal an einen Pitbull: gedrungener Körper, große Klappe und gefährliche Ausstrahlung, aber ein Herz aus Gold.

»Ich komme übrigens selbst zum Club, du kannst also den Nachmittag mit deiner Süßen verbringen.« Er grinste so breit, dass seine Augen zu Schlitzen wurden. »Vielleicht hast du ja Glück und Vanessa ist nicht da, dann habt ihr ein paar Stunden für euch. Für Sex zum Beispiel.«

Ich schüttelte belustigt den Kopf. Sex wäre in der Tat grandios, aber mit Glück hatte das nichts zu tun, höchstens mit Glücklichsein. Und dieses Recht hatte ich schon vor langer Zeit verspielt.