cover

Herausgegeben von

Thomas Ebinger I Thomas Böhme I Matthias Hempel

Herbert Kolb I Achim Plagentz

HANDBUCH

Konfi-
Arbeit

004.tif

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

1. Auflage

Copyright © 2018 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

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Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-24298-5
V001

www.gtvh.de

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Jugendliche im Konfi-Alter

LEBENSWELTEN und Bildungsorte von Konfis

Hansjörg Kopp

Jugendliche und MEDIEN

Jörg Lohrer

Religiöse ENTWICKLUNG

Sarah Demmrich

GENDER

Ellen Radtke

Konfirmation: SCHWELLENRITUAL und Biographisierung

Rüdiger Haar

Ausgangspunkte

Empirische BESTANDSAUFNAHME aus den Studien zur Konfirmandenarbeit

Wolfgang Ilg und Friedrich Schweitzer

THEOLOGIE der Konfirmation

Marcell Saß

Zum BEGRIFF »Konfi-Arbeit«

Herbert Kolb

Verantwortliche und Mitwirkende

GEMEINDELEITUNG und Konfi-Arbeit (Kirchenvorstände, Presbyterien, Kirchengemeinderäte)

Petra-Angela Ahrens und Achim Plagentz

EHRENAMTLICHE in der Konfi-Arbeit

Rainer Franke

GEMEINDEPÄDAGOGISCH-DIAKONISCH MITARBEITENDE in der Konfi-Arbeit

Nicole Piroth

PFARRER*INNEN in der Konfi-Arbeit

Achim Plagentz

Didaktik und Methodik

DIDAKTIK und Konfi-Arbeit

Hans-Ulrich Keßler und Kai Steffen

METHODEN in der Konfi-Arbeit

Thomas Ebinger

INKLUSIVE KONFI-ARBEIT entwickeln und gestalten

Wolfhard Schweiker

BIBELDIDAKTIK in der Konfi-Arbeit

Uta Pohl-Patalong

THEOLOGISIEREN in der Konfi-Zeit

Herbert Kolb

KIRCHENPÄDAGOGIK in der Konfi-Arbeit

Hartmut Rupp

ERLEBNISPÄDAGOGIK

Kai Steffen

STÖRUNGEN verstehen und nutzen

Rainer Franke

Ausgewählte Themen, Inhalteund Gestaltungsaufgaben

»Ein wirklicher Freund steht mehr zu dir als ein Bruder« – FREUNDSCHAFT als Thema in der Konfi-Arbeit

Tobias Beißwenger und Steffen Weusten

SCHÖPFUNG/Glaube und Naturwissenschaft

Martin Rothgangel

TOD – und was kommt dann?

Burkhardt Nolte

INTERRELIGIÖSE BILDUNG

Friedrich Schweitzer

SPIRITUALITÄT und Gebet

Iris Keßner

GOTTESDIENST

Karlo Meyer

TAUFE und Konfi-Arbeit

Christian Grethlein

ABENDMAHL in der Konfi-Zeit

Christiane Berthold-Scholz und Claudia Rudolff

MUSIK und Singen in der Konfi-Arbeit

Peter Bubmann

Neue MEDIEN in der Praxis

Stefan Mendling und Karsten Müller

Der KONFIRMATIONSTAG

Thomas Böhme und Anne Polster

Konfi-Arbeit und FAMILIE: Von der Konfi-Elternarbeit zur Familienorientierung

Michael Domsgen

LERNORT Gemeinde

Andreas Große und Herbert Kolb

Konfi-Arbeit und JUGENDARBEIT

Angelika Pfeiler und Matthias Hempel

KONFI-ARBEIT und Schule

Oliver Pum

Konzeptentwicklung und Organisationsmodelle

KONZEPTENTWICKLUNG und Jahresplanung: Organisationsformen der Konfi-Arbeit

Stefan Kammerer und Achim Plagentz

Zweiphasige Konfi-Zeit – konfirmierende Arbeit ab dem Grundschulalter (KONFI3)

Andreas Behr und Ute Mickel

FREIZEITEN und Camps in der Konfi-Zeit

Marcell Saß und Steffen Weusten

Hintergründe

GESCHICHTE der Konfi-Arbeit

Hans-Martin Lübking

KATECHISMUS

Johannes Ehmann

GEMEINDE- UND KIRCHENENTWICKLUNG:: Kirchentheoretische Aspekte der Konfi-Arbeit

Thorsten Moos

Kontexte

»Konfirmandenarbeit« in den evangelischen FREIKIRCHEN: Religionspädagogische Grundlagen – Lehrmaterialien – empirische Einblicke

Achim Härtner und Tobias Beißwenger

Die Vorbereitung von Kindern und Jugendlichen auf Firmung und Erstkommunion. Eine KATHOLISCHE PERSPEKTIVE

Angela Kaupp

JUGENDWEIHE, Segensfeiern und Konfirmation – Rituale im Kontext mehrheitlicher Konfessionslosigkeit

Emilia Handke

INTERNATIONALE PERSPEKTIVEN der Konfi-Arbeit

Henrik Simojoki

Provokationen

Tut ihnen keinen ZWANG an!

Stefan Mendling

Zur ZWANGSKOPPLUNG von Kirchenmitgliedschaft, Taufe und Konfirmation

Thomas Ebinger

Konfi-Arbeit als unübersehbare Provokation für eine ZUKUNFTSFÄHIGE KIRCHE

Thomas Schlag

Die Autor*innen

Vorwort

Mit diesem Sammelwerk liegt nun nach 1984 und 1998 das dritte Handbuch zur Arbeit mit Konfirmand*innen vor. Versuchte das erste »Handbuch für Konfirmandenarbeit«, eine Orientierung »über den gegenwärtigen Stand und die Aufgaben des Konfirmandenunterrichts« (HKA 1984, 7) zu geben, so entstand das zweite »Handbuch für die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden« »im Kontext einer neuen politischen, sozialen und kirchlichen Situation« (HAKK 1998, 9). Reflektiert das erste Handbuch demnach einen bis dahin mehr als 10 Jahre dauernden Reformprozess in der Konfirmandenarbeit, so stellt sich das zweite Handbuch den Herausforderungen, die sich mit den Stichworten Pluralisierung und Individualisierung umschreiben lassen.

Diese Herausforderungen bestehen unverändert bis auf den heutigen Tag. Die Konfi-Arbeit hat sich den sowohl gesellschaftlichen wie auch kirchlichen Veränderungen gestellt durch eine methodisch-didaktische und organisatorische Dynamisierung. Unter Fortführung des Ende der 60er Jahre begonnenen Reformprozesses hat sich die Konfi-Arbeit in den letzten 20 Jahren weiter ausdifferenziert. Exemplarisch seien hier das Theologisieren mit Konfirmand*innen, die Rolle der Teamer*innen und die Bedeutung von Konfi-Camps genannt.

Das nun vorliegende dritte »Handbuch Konfi-Arbeit« bietet auf dem Hintergrund quantitativer und qualitativer Studien der vergangenen mehr als 10 Jahre einen empirisch begründeten Einblick in den aktuellen Stand der Konfi-Arbeit.

Von Anfang an war die Arbeit an den Handbüchern eng verbunden mit der Aus- und Fortbildung in der Konfi-Arbeit, und zwar in einem mehrfachen Sinne: in der Beobachtung der Praxis vor Ort und der Aufnahme von Neuansätzen, deren didaktischer Reflexion sowie der anschließenden Weitergabe in Aus- und Fortbildung. Alle Handbücher sind darum angebunden an den Kreis der Aus- und Fortbildner*innen für Konfi-Arbeit in den (religions-)pädagogischen Instituten der Landeskirchen. Diese bilden die Arbeitsgruppe »Konfirmandenarbeit« der »Arbeitsgemeinschaft der Leiter Pädagogischer Institute und Katechetischer Ämter« (kurz: ALPIKA).

Aus diesem Kreis heraus hatte sich in den 70er Jahren der Verein »ku-praxis« als Träger der gleichnamigen Zeitschrift gegründet. Gemeinsam mit dem Comenius-Institut zeichnete der Verein verantwortlich für die Herausgabe der beiden ersten Handbücher. Nachdem sich der Verein im Jahr 2013 aufgelöst hatte, ging die Initiative für eine Neuauflage des Handbuchs von der AG Konfirmandenarbeit der ALPIKA aus, die nunmehr in Kooperation mit dem Comenius-Institut dieses dritte Handbuch verantwortet. Alle Herausgebenden sind Mitarbeiter landeskirchlicher Institute oder des Comenius-Instituts. Viele der Dozent*innen für Konfi-Arbeit in den landeskirchlichen Instituten sind auch als Autor*innen an diesem Handbuch beteiligt.

Allen Autor*innen gilt unser herzlichster Dank. Sie haben unentgeltlich an diesem Sammelband mitgewirkt und somit durch ihre Bereitschaft den Grundstein für dieses Projekt gelegt. Gedankt sei auch den beteiligten Instituten, die ihren Mitarbeiter*innen die Mitwirkung im Rahmen ihres Dienstauftrags ermöglicht haben. Und nicht zuletzt bedanken wir uns beim Gütersloher Verlagshaus, das eine dritte Auflage des Handbuchs in sein Programm aufgenommen hat.

Konfi-Arbeit genießt zu Recht hohe Aufmerksamkeit und Wertschätzung in den Gemeinden und zunehmend auch in der Religionspädagogik. Wir hoffen, dass dieses Werk dazu beiträgt, sie auf allen Ebenen fachlich qualifiziert zu gestalten und neue Impulse für die Weiterentwicklung zu geben.

Im Mai 2018

Die Herausgeber

Einleitung

Sie halten ein Handbuch in der Hand. Was soll dieses leisten? Zunächst einmal das, was man von jedem Handbuch erwartet: Zwischen zwei Buchdeckeln findet man einen Überblick über ein Wissensgebiet. Dieser soll ausreichen, um die Herausforderungen der Praxis zu bewältigen und bei Bedarf einen schnellen Zugang zu weiteren Wissensquellen zu ermöglichen. Dies ist besonders wichtig im Rahmen der Ausbildung. Kein Mensch liest ein Handbuch von vorn bis hinten durch – obwohl wir nichts dagegen hätten. Vielmehr soll es bei aufkommenden Fragen und Problemen auf wenig Raum fundierte Antworten bieten. Für alle, die sich – zum Beispiel im Rahmen einer wissenschaftlichen Hausarbeit – vertieft mit einem Thema beschäftigen wollen, sollen die einzelnen Artikel einen guten Einstieg bieten.

Das Handbuch Konfi-Arbeit ist angesiedelt an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis. Möglichst viel von dem, was die wissenschaftliche Religionspädagogik empirisch herausgefunden oder praktisch-theologisch an Perspektiven entwickelt hat, soll Pfarrer*innen, Haupt- und Ehrenamtlichen in ihrer Konfi-Arbeit in den Gemeinden Anregungen und Hilfestellung geben. Umgekehrt hoffen wir, dass mancher Artikel, der praktische Fragen aufgreift und Erfahrungen bündelt, auch die Wissenschaft zu weiterem Nachdenken inspiriert. Immer noch findet die Konfi-Arbeit im Verhältnis zu ihrer Bedeutung für kirchliche Arbeit zu wenig Beachtung in der wissenschaftlichen Religionspädagogik, wie diese insgesamt in der wissenschaftlichen Theologie eine eher untergeordnete Rolle spielt. Der Lernort Schule dominiert die Religionspädagogik in der universitären wie der praktischen Ausbildung.

Demgegenüber rangieren bei Kirchenvorständen Konfi- und Jugendarbeit an erster Stelle der gemeindlichen Aufgaben. Dabei ist das Ziel, dass Jugendliche in der Konfi-Zeit Gemeinschaft erfahren sollen, für Gemeindeleitung gleichbedeutend mit dem Wunsch, den christlichen Glauben an die nächste Generation weiterzugeben. Gleichzeitig fokussieren sich in der Konfi-Zeit wie in einem Brennglas wichtige Fragen heutigen Christseins: Was sind zentrale Glaubensinhalte? Wie wird der Glaube in meinem Leben relevant? Wofür stehen wir als Kirche, als Gemeinde ein? Welche Art von Gemeinschaft ist attraktiv und lebensdienlich?

Eine organisatorisch und methodisch vielgestaltige, im Team durchgeführte Konfi-Arbeit trägt dem Rechnung. Diesem Anliegen ist dieses Handbuch in seiner Gesamtstruktur wie seinen jeweiligen Beiträgen verpflichtet.

Zentrale Veränderungen in der Konfi-Arbeit

Seit der letzten Auflage des Handbuchs 1998 hat sich viel geändert. Wer Jugendstudien verfolgt, weiß, wie schnell sich Einstellungen und Interessen Jugendlicher ändern können. Auch die kirchliche Arbeit hat sich spürbar gewandelt. Überall hört man von Strukturanpassungsprozessen und der notwendigen Konzentration. Allen Botschaften vom Wachsen gegen den Trend zum Trotz ist deutlich geworden: Kirchliche Arbeit wird sich deutlicher als bisher mit kleiner werdenden Gruppengrößen arrangieren müssen. Die Konfirmation und damit die Konfi-Arbeit gehören immer noch zu den stabilsten (volks-)kirchlichen Traditionen. Zugleich ist die Teilnahme an der Konfi-Arbeit heute mehr denn je Ausdruck einer individuellen Entscheidung von Jugendlichen. Darum steht die Konfi-Arbeit vor der Herausforderung, aus sich selbst heraus attraktiv zu sein, indem sie auf jugendliche Lebenswelten eingeht und einen wertvollen lebensrelevanten Beitrag zur Entwicklung des Glaubens und der Persönlichkeit Jugendlicher leistet.

Wenn wir recht sehen, haben sich in den vergangenen 20 Jahren in mindestens fünf Bereichen deutliche Änderungen ergeben, auf die dieses Handbuch reagieren und die Fachdiskussion bündeln will:

Die Individualisierung hat in vielen Lebensbereichen weiter zugenommen, auch im Bereich von Glauben, Kirche und Religion. Vorgaben von außen werden immer weniger ungefragt übernommen. Eltern legen weniger Wert auf eine religiöse Erziehung ihrer Kinder. Durch die Digitalisierung sind völlig neue Informationsmöglichkeiten hinzugekommen. Die Antwort auf viele Fragen ist oft nur eine Google-Suche weit entfernt; allerdings ist die Qualität der Antworten, die man so bekommt, extrem unterschiedlich. Schon lange gilt das, was der/die Pfarrer*in sagt, nicht mehr als unhinterfragbare Wahrheit. Im Bereich der Theologie hat sich die Einsicht durchgesetzt, dass es nicht nur eine – nämlich die universitär durchreflektierte – Theologie geben kann, sondern dass die Theologie der Kinder und Jugendlichen einen eigenen Stellenwert hat. Der vielfach eingeforderte und vielerorts erfolgreich umgesetzte Perspektivenwechsel in der Konfi-Arbeit findet im Theologisieren mit Konfis seine konkrete Anwendung und Fortführung.

Die Öffnung des Konfi-Unterrichts hin zu einer weit verstandenen Konfi-Arbeit und damit hin zu Arbeitsformen und Angeboten der Jugendarbeit ist weithin selbstverständlich geworden. Die Mitwirkung und Schulung von Teamern, die bewusste Vernetzung von Angeboten der Jugendarbeit mit der Konfi-Arbeit, die Beteiligung derselben Personen und Berufsgruppen in beiden Feldern wird an vielen Orten erfolgreich praktiziert. Allerdings lässt sich auch feststellen, dass in vielen Gemeinden selbstständige Angebote für Jugendliche nach der Konfirmation gar nicht vorhanden sind. Hier kommt der Konfi-Teamerarbeit die wichtige Aufgabe zu, Jugendlichen Perspektiven für eine konkrete Beteiligung an kirchlichen Lebensvollzügen zu eröffnen.

Unsere Gesellschaft hat sich weiter pluralisiert, auch was die Zugehörigkeit und das Verbundenheitsgefühl zu einer Religionsgemeinschaft angeht. Die Zahl der Konfessionslosen hat deutlich zugenommen, genauso wie die Zahl von Angehörigen anderer Religionen, insbesondere des Islam. Unter ihren Altersgenossen sind Konfirmand*innen heute nicht nur in traditionell katholisch geprägten Regionen in einer Minderheitssituation, so dass die Teilnahme an der Konfirmation an Selbstverständlichkeit verliert. Die Entstehung kirchlicher Segensfeiern im Osten Deutschlands ist eine spannende Entwicklung, die wohl noch nicht an ihr Ende gelangt ist.

Die Didaktik der Konfi-Arbeit hat sich spürbar wegbewegt von einer katechismusorientierten Unterweisung hin zu Ansätzen, die anknüpfen an die Lebenswelt von Jugendlichen und die Lebensrelevanz der in der Konfi-Zeit bearbeiteten Themen betonen. Noch zu wenig umgesetzt ist meist das damit verbundene Anliegen echter Partizipation, dass Konfirmand*innen sich bei der Auswahl von ihnen entsprechenden Themen und Arbeitsformen einbringen können. Erfreulich ist jedoch, dass sich der Trend weg von einer instruktiven Didaktik hin zu konstruktivistischen Ansätzen in den Materialien und Unterrichtsbausteinen und an vielen Orten in der Praxis der Konfi-Arbeit zeigt.

Noch nie waren wir so gut informiert darüber, wie die Situation der Konfi-Arbeit konkret aussieht. Dies verdanken wir vor allem den bundesweiten empirischen Studien zur Konfirmandenarbeit, die von der Universität Tübingen aus koordiniert und angestoßen wurden. Diese empirischen Daten-Schätze haben wir versucht für die verschiedenen Felder der Konfi-Arbeit fruchtbar werden zu lassen.

Zum Sprachgebrauch

Schon in den Titeln der bisher erschienenen Handbücher wird das Ringen um die richtigen Begriffe deutlich. Wir haben uns für »Konfi-Arbeit« entschieden, weil wir diesem Begriff am ehesten zutrauen, sowohl geschlechtergerecht als auch alltagstauglich zu sein. In vielen Gegenden Deutschlands ist die Rede von »Konfi« längst üblich, sowohl als Bezeichnung des Gruppentreffens als auch als Bezeichnung für die Personen.

Gendersensibles Umgehen mit Menschen beginnt bei der Sprache, erst recht wenn es um die Pubertät und den Übergang von der Kindheit zur Jugend geht. Deshalb wird bei Personen mit dem Gender-Sternchen daran erinnert, dass es außer Mann und Frau eine Vielfalt an Geschlechtsidentitäten gibt.

Zum Aufbau

Ganz bewusst beginnt das erste Kapitel bei den Jugendlichen selbst. Wie sind sie? In welcher Welt leben sie? Was prägt sie und ihren (Bildungs-)Alltag? Welche Bilder der Vergangenheit, die in den Köpfen der Leitenden sind, stimmen heute so nicht mehr?

Das Kapitel »Ausgangspunkte« gibt eine kompakte Übersicht über empirische Ergebnisse, die Theologie der Konfirmation und reflektiert zentrale Begriffe.

Es folgt der Blick auf »Verantwortliche und Mitwirkende« in der Konfi-Arbeit. Dies sind längst nicht mehr ausschließlich Pfarrer*innen. Trotz ihrer wichtigen Rolle stehen sie bewusst am Schluss des Kapitels nach der Gemeindeleitung, den Ehrenamtlichen und den Gemeindepädagogisch-diakonisch Mitarbeitenden.

Sozusagen das Herz-Stück des Handbuchs stellt das Kapitel »Didaktik und Methodik« dar, in dem die zentralen Erkenntnisse und Perspektiven aus Theologie und Pädagogik zusammengestellt werden.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aber doch mit bewusster Schwerpunktsetzung auf teilweise bisher Vernachlässigtes sind danach ausgewählte »Themen, Inhalte und Gestaltungsaufgaben« in einem Kapitel zusammengefasst. Moderne Konfi-Arbeit lässt sich nicht auf die unterrichtliche Bearbeitung eines curricular festgelegten Themenkanons eingrenzen. Zum einen weitet sich das Feld von Themen, wenn man die Lebensrelevanz für Jugendliche in den Blick nimmt. Die in diesem Abschnitt versammelten Beiträge zu inhaltlichen Themen sind darum exemplarisch zu verstehen. Zum anderen stellen aus performativ-didaktischer Perspektive alle Themen der Konfi-Arbeit zuallererst eine Gestaltungsaufgabe dar: Wie feiern wir Gottesdienste, Abendmahl und Konfirmation so, dass sie sich auch didaktisch für die Konfirmand*innen erschließen? Schließlich sind auch kontextbezogene Gestaltungsaufgaben wie zum Beispiel die Elternarbeit oder die Verknüpfung mit der Jugendarbeit so zu bedenken, dass sie mit dem didaktischen Konzept der Konfi-Arbeit verbunden sind.

Eine immer wichtiger werdende Herausforderung sind die Konzeptentwicklung und die Auswahl passender Organisationsmodelle. Welche Grundmodelle sind möglich und sinnvoll? Wie können durch Konfi-Camps und Freizeiten Schwerpunkte gesetzt werden? Hierzu gehört auch die zweiphasige Konfi-Zeit mit Beginn im Grundschulalter, die als Konfi3 zunehmend Verbreitung findet.

Ein Handbuch wäre nicht rund ohne Hintergründe und Kontexte. Bewusst oder latent orientieren sich konkrete Gestaltungen von Konfi-Arbeit – durch Übernahme oder Abwehr – an traditionellen Ausrichtungen und Formen, die hier dargestellt werden. Ebenso wird ein Blick über den konfessionellen und nationalen Tellerrand geboten.

Drei Provokationen beschließen das Werk, in denen innerkirchliche Selbstverständlichkeiten hinterfragt werden und Mut gemacht wird, die sich heute schon abzeichnenden Entwicklungen der nächsten Jahre aktiv mitzugestalten.

Wichtige Orientierung für die Konfi-Arbeit in den Gliedkirchen der EKD bieten die jeweiligen Rahmenordnungen und Kirchengesetze, die inzwischen häufiger als früher erneuert werden. Eine aktuelle Übersicht findet sich auf den Seiten der ALPIKA Konfirmandenarbeit unter www.konfi-arbeit.de.

Hinweise zur Nutzung des Buchs

Verweise auf andere Artikel in diesem Handbuch erfolgen mit einem Kurztitel, der im Inhaltsverzeichnis durch KAPITÄLCHEN besonders hervorgehoben ist.

Häufiger zitierte Werke wurden wie folgt abgekürzt:

Abkürzungsverzeichnis

Handbuch Konfirmandenarbeit:

HKA 1984:

Handbuch für die Konfirmandenarbeit, Gütersloh 1984.

HKA 2/1985:

Handbuch für die Konfirmandenarbeit, Gütersloh 21985.

HAKK 1998:

Handbuch für die Arbeit mit Konfirmandinnen undKonfirmanden, Gütersloh 1998.

Reihe »Konfirmandenarbeit erforschen und gestalten« zu den bundesweiten Studien:

KAEG 1, 2009:

Schweitzer, Friedrich/Elsenbast, Volker, Konfirmandenarbeit erforschen. Ziele – Erfahrungen – Perspektiven, Gütersloh 2009.

KAEG 2, 2009:

Cramer, Colin/Ilg, Wolfgang/Schweitzer, Friedrich, Reform von Konfirmandenarbeit – wissenschaftlich begleitet. Eine Studie in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Gütersloh 2009.

KAEG 3, 2009:

Ilg, Wolfgang/Schweitzer, Friedrich/Elsenbast, Volker, Konfirmandenarbeit in Deutschland. Empirische Einblicke, Herausforderungen, Perspektiven, Gütersloh 2009.

KAEG 4, 2010:

Schweitzer, Friedrich/Ilg, Wolfgang/Simojoki, Henrik, Confirmation Work in Europe. Empirical Results, Experiences and Challenges. A Comparative Study in Seven Countries, Gütersloh 2010.

KAEG 5, 2010:

Böhme-Lischewski, Thomas/Elsenbast, Volker/Haeske, Carsten/Ilg, Wolfgang/Schweitzer, Friedrich, Konfirmandenarbeit gestalten. Perspektiven und Impulse für die Praxis aus der bundesweiten Studie zur Konfirmandenarbeit in Deutschland, Gütersloh 2010.

KAEG 6, 2015:

Schweitzer, Friedrich/Maaß, Christoph H./Lißmann, Katja/Hardecker, Georg/Ilg, Wolfang, Konfirmandenarbeit im Wandel. Neue Herausforderungen und Chancen. Perspektiven aus der zweiten bundesweiten Studie, Gütersloh 2015.

KAEG 7, 2015:

Schweitzer, Friedrich/Niemelä, Kati/Schlag, Thomas/Simojoki, Henrik (Eds.), Youth, Religion and Confirmation Work in Europe. The Second Study, Gütersloh 2015.

KAEG 8, 2016:

Schweitzer, Friedrich/Hardecker, Georg/Maaß, Christoph H./Ilg, Wolfgang/Lißmann, Katja, Jugendliche nach der Konfirmation. Glaube, Kirche und eigenes Engagement – eine Längsschnittstudie, Gütersloh 2016.

KAEG 9, 2017:

Beißwenger, Tobias/Härtner, Achim, Konfirmandenarbeit im freikirchlichen Kontext. Der Kirchliche Unterricht in der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland. Ergebnisse der bundesweiten Studie 2012-2016, Gütersloh 2017.

KAEG 10, 2017:

Schweitzer, Friedrich/Schlag, Thomas/Simojoki, Henrik/Tervo-Niemelä, Kati/Ilg, Wolfgang (Eds.), Confirmation, Faith, and Volunteerism. A Longitudinal Study on Protestant Adolescents in the Transition towards Adulthood. European Perspectives, Gütersloh 2017.

KAEG 11, 2018:

Ilg, Wolfgang/Pohlers, Michael/Gräbs Santiago, Aitana/Schweitzer, Friedrich, Jung – evangelisch – engagiert. Langzeiteffekte der Konfirmandenarbeit und Übergänge in ehrenamtliches Engagement. Empirische Studien im biografischen Horizont, Gütersloh 2018

KUP:

Schriftenreihe KU-Praxis, Gütersloh 1972ff.

KGS:

Keßler, Hans-Ulrich/Nolte, Burkhardt, Konfis auf Gottsuche. Praxismodelle für eine handlungsorientierte Konfirmandenarbeit; versehen mit einer Prise Theorie und einer Material-CD-ROM, Vollst. überarbeitete und erweiterte Neuausgabe, Gütersloh 2009.

AKP:

Conrad, Jörg/Ebinger, Thomas/Hinderer, Martin/Wildermuth, Bernd, anknüpfen – Praxisideen für die Konfirmandenarbeit, Stuttgart 22013.

AKUP:

Zeitschrift »anKnüpfen« bzw. »anKnüpfen update«, Religionspädagogisches Institut Baden, Pädagogisch-Theologisches Zentrum Stuttgart (Hg.), Stuttgart 1997ff.

12TH:

Rat der EKD, Konfirmandenarbeit, 12 Thesen des Rates der EKD, 2013.

Jugendliche im Konfi-Alter

Hansjörg Kopp

Lebenswelten und Bildungsorte von Konfis

  1. Was die Lebenswelt von Konfirmand*innen konkret prägt, hat großen Einfluss auf die Konfi-Arbeit. Die verschiedenen Lebenswelten milieusensibel aufzugreifen ist Chance und Herausforderung zugleich. Dafür ist es wichtig, eine bewusste Haltung zu entwickeln. Neuere qualitative Studien geben wichtige Hinweise.

Lebenswelten und Bildungsorte

Lebenswelten und Bildungsorte bedingen sich wechselseitig in hohem Maße. Betrachtet man z.B. den Bildungsort Internet und im Speziellen die Nutzung von Video-Kanälen, so werden sehr unterschiedliche Motive erkennbar: Wer folgt welchen Youtubern, wer will einen bei Youtube gesehenen Tanz erlernen, wer informiert sich über ein mögliches gesellschaftliches oder politisches Engagement?

Klar ist: »Die Persönlichkeitsentwicklung eines oder einer Jugendlichen wird demnach weder durch seine/ihre Anlage noch durch seine/ihre Umwelt determiniert, sondern sie entfaltet sich in einem ständigen Wechselspiel zwischen den beiden Größen.«1

Lebenswelten

Mindestens drei Ebenen2 von Prägungen Jugendlicher gilt es zu bedenken, versucht man die Rahmenbedingungen des Aufwachsens von Jugendlichen zu verstehen: 1. Gesellschaftliche Trends, darunter auch sog. Megatrends wie Digitalisierung, Klimawandel oder Globalisierung. 2. Ein spezifisch die junge Generation betreffender Erfahrungshintergrund. Darunter ist z.B. das Phänomen der sog. »Digital Natives« zu verstehen. Als solche werden alle bezeichnet, die nach der Erfindung des Internets, also ab den 1990er Jahren geboren sind. Die 3. Ebene fokussiert verschiedene Lebenswelten. Hier geht es um Kategorien der Differenzierung innerhalb einer Generation.

An sich bezeichnet der Begriff Lebenswelt die menschliche Welt in ihrer Vorwissenschaftlichkeit. Diese grenzt sich ab von einer theoretisch bestimmten wissenschaftlichen Weltsicht. Aktuell findet er vor allem im Kontext konstruktivistischer Theorieansätze Verwendung. Im vorliegenden Text orientieren sich die Ausführungen zum Begriff »Lebenswelten« an der Verwendung des Begriffs innerhalb der Forschungsergebnisse des SINUS-Instituts, das in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung innerhalb der Jugendforschung gewonnen hat.

Mit Lebenswelten werden genauso wie mit der spezifischen Verwendung des Begriffs Milieu »Facetten sozialer Ungleichheit«3 beschrieben. In »einer hochindividualisierten Gesellschaft [wird] soziale Zugehörigkeit nicht allein von schichtspezifischen Merkmalen geprägt«4. Milieus sind zu verstehen als Gruppen Gleichgesinnter, die durch ihre gemeinsame normative Grundorientierung (z.B. Werte) und ihre ähnliche soziale Lage verbunden sind. Da »die Entwicklung und Ausformung der soziokulturellen Kernidentität in diesem Alter (14-17 Jahre, Erg. H. K.) noch nicht abgeschlossen ist«5, hat das SINUS-Institut für diese Alterskohorte zuletzt von der Verwendung des Begriffs Milieu abgesehen. Der Begriff Lebenswelten ist treffender, weil er der Dynamik der Lebensphase mit allen auch entwicklungspsychologisch zu begründenden sprunghaften Entwicklungen und Veränderungen Raum gibt. »Jugendliche sind in soziologischer Perspektive Pioniere in der Entwicklung einer Lebensführung, die auf die jeweils neuesten kulturellen, ökonomischen und sozialen Veränderungen der Gesellschaft reagieren.«6

Lebenswelten sind somit zu verstehen als »real existierende Gruppierungen mit gemeinsamen Sinn- und Kommunikationszusammenhängen in ihrer Alltagswelt, mit vergleichbaren handlungsleitenden Konzepten des im Leben Wertvollen und Wichtigen sowie ähnlichen Vorstellungen von Lebensqualität.«7

Dieser Definition gilt es im Weiteren zu folgen, ohne dabei aus dem Blick zu verlieren, dass das SINUS-Institut Lebenswelten von 14-17-Jährigen beschreibt, in der Konfi-Arbeit der Großteil der Jugendlichen 13 bis 14 Jahre alt ist, die gesamte Altersspanne sogar von 12- bis zu den 15-Jährigen reicht. Dies ist deshalb im Blick zu behalten, weil sich die Unterscheidungsmerkmale zwischen den Lebenswelten aufgrund von veränderten Rahmenbedingungen und größer werdenden Möglichkeiten mit zunehmendem Alter immer stärker ausdifferenzieren.

SINUS-Lebenswelten

Im SINUS Milieu- bzw. Lebensweltmodell werden immer drei Facetten der Alltagswirklichkeit: Lebensstil, Werte und Soziale Lage zugrunde gelegt. Auf Basis von Interviews werden daraus die entsprechenden Lebenswelten modelliert. Weil sich unsere Gesellschaft dynamisch weiterentwickelt, unterliegt das Grund-Modell selbst einer ständigen Überprüfung und Aktualisierung.

Die sieben Lebenswelten der SINUS-Jugendstudien 2012 und 2016 lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:8

Typologien

Für die Studie »Brücken und Barrieren – Jugendliche auf dem Weg in die evangelische Jugendarbeit«9 wurden fünf Motivationstypen hinsichtlich eines möglichen Engagements Konfirmierter in der evangelischen Jugendarbeit modelliert, die mit dem Sinus-Lebensweltmodell in Verbindung stehen:

Bildungsorte

»Die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden ist ein zentrales Bildungsangebot der evangelischen Kirche.«10 Damit wird die Konfi-Arbeit als Bildungsort definiert, was nicht allein im Hinblick auf ihre Inhalte, sondern auch auf ihre Potenziale in non-formalen und informellen Bildungsprozessen zu verstehen ist: Integrationspotenziale, Gemeinschaftspotenziale sowie Verantwortungspotenziale.

»Formale Bildungsprozesse finden beispielsweise im Schulunterricht, in bezahlter Nachhilfe oder in einem Theaterprojekt einer Jugendkunstschule statt. Bei Aktivitäten in der Clique oder im Jugendzentrum, bei Gesprächen im Familienalltag, beim Umgang mit Medien oder beim Training im Fitnessstudio laufen informelle Bildungsprozesse ab, lernen Kinder und Jugendliche informell.«11 Derartige Bildungsorte sind zahlreich. Für Konfirmand*innen sind dies z.B. Familie, Peergroup, Jugendarbeit (kirchliche und nichtkirchliche), Sozialraum oder die Medien – TV und Internet. Kaum zu überschätzen ist freilich auch der Einfluss des zentralen Bildungsortes → SCHULE, dessen Bedeutung in den letzten Jahren eher noch zugenommen hat.

Eltern

Das Elternhaus hat weiterhin große Bedeutung für Jugendliche. Das bezieht sich nicht nur auf die aktive Einflussnahme der Eltern auf die Jugendlichen z.B. in der Erziehung. Die enge Verbindung zwischen Lebenswelten, sozialer Lage im Elternhaus und Zugängen zu formalen und non-formalen Bildungsorten ist offensichtlich. Leider haben finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen, die vom Elternhaus vorgegeben sind, automatisch unmittelbare Auswirkungen auf »Erreichbarkeit und Inanspruchnahme von non-formalen Bildungsorten und somit auch auf informelle Lernwelten«12 von Jugendlichen.

Die erste Milieuorientierung erfolgt im Elternhaus. Kinder und Jugendliche erfahren und erleben hier auf besonders intensive Art und Weise Lebensstil und Werteorientierung. Ausdifferenzierung von Wertvorstellungen und Lebensmotiven unter Erwachsenen zeigen an, wie heterogen dieser Lernort und gleichzeitig wie einflussreich die Lebenswelt darauf ist. Deshalb sollte eine lebenswelt- bzw. milieusensible Elternarbeit in der Konfi-Zeit besondere Aufmerksamkeit erfahren.

Die bundesweiten Konfi-Studien haben, wie zu erwarten war, einen starken Zusammenhang zwischen der Religiosität des Elternhauses und der Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement in Abhängigkeit vom Elternhaus und seiner Religiosität festgestellt.13

Freunde

Der Freundeskreis, auch Peergroup genannt, ist ein weiterer wichtiger Lernort. Hier sind in der Regel die für den Einzelnen persönlich relevanten Themen, die zur Meinungsbildung führen, verortet. In manchen Lebenswelten ist die Sorge vor einem negativen Imagetransfer groß,14 wenn man sich für die »falschen« Themen interessiert oder gar engagiert. Die hierarchische Struktur ist in manchen Lebenswelten ein wichtiger Faktor. In anderen ist es wichtig, Cliquen zu haben, die vor allem gemeinsam feiern wollen. Manchmal dient der Freundeskreis nur als Ort der Inspiration, aber der Jugendliche selbst macht sich von diesem bewusst nicht abhängig.

Medien

Pierre Bourdieu und viele weitere Forscher sehen im Fernsehen eine Bildungsinstanz ersten Ranges.15 Diese These aus dem Jahr 1998 muss heute natürlich dahingehend erweitert werden, dass das Internet dem Fernsehen vor allem in jüngeren Generationen als Bildungsinstanz den Rang abgelaufen hat. Erst 2007 brachte Apple das erste iPhone auf den Markt. Heute gibt es in Deutschland mehr Smartphones als Einwohner, auf denen man mehr als eine Million verschiedene Apps installieren kann.

Auch beim Thema Mediennutzung und -konsum hängen Lebenswelt, Milieuzugehörigkeit der Eltern und Bildungsort untrennbar zusammen. Daraus ergibt sich, wer Programme und Medien auswählt, wie lange und zu welchen Bedingungen sie genutzt werden (→ MEDIEN-PRAXIS).

Weitere Bildungsorte

Die Besuchsfrequenz und Relevanz weiterer Bildungsorte ändert sich ständig und lässt sich leicht aktuell abrufen z.B. zum Thema Sport unter www.dosb.de, zum Musikunterricht unter www.musikschulen.de oder zur Mediennutzung in der JIM-Studie unter www.mpfs.de.

Die veränderten Rahmenbedingungen des Aufwachsens, die hohe Geschwindigkeit, mit der Veränderungen erfolgen und Trends wieder veralten, prägen das Aufwachsen der heutigen Jugend noch stärker als vergangene Generationen. Multioptionalität ist einer der Container-Begriffe, um die Gesamtsituation im 21. Jahrhundert zu beschreiben. Eine Folge ist, dass sich Bildungsorte nicht nur schnell verändern, sondern sich ihre Zahl im vergangenen Jahrhundert merklich vergrößert hat. Konfimand*innen sind permanent herausgefordert, Entscheidungen darüber zu treffen: »Was mache ich, was lasse ich?«

Bedeutung für die Konfi-Arbeit: Grenzen und Potenziale des Lebenswelt-Modells

Was bedeuten die beschriebenen Phänomene, Lebenswelten und Typologien zusammen mit den damit verbundenen Chancen und Herausforderungen für die Konfi-Arbeit?

Bei allem Potenzial der Lebenswelt-Perspektive ist eine richtige Einordnung erforderlich: Erkenntnisse aus der Milieu- und Lebensweltforschung sind eine hilfreiche »Brille«. Sie liefern Deutekategorien, reduzieren Komplexität, aber sie allein zeichnen nie ein umfassendes Bild eines Menschen. »Eine wirklich jugendsensible Arbeit darf (derartige) Modelle in der Tat nur als Hilfskonstruktionen und im Bewusstsein ihrer Grenzen nutzen und nicht als Abziehbild der Wirklichkeit verstehen. Wir brauchen noch viel mehr eine persönlichkeitssensible Jugendarbeit«16, resümiert Michael Freitag. Dem ist auch im Hinblick auf die Konfi-Arbeit uneingeschränkt Recht zu geben.

Vor allem die Lebenswelt-Perspektive eignet sich als Analyse-Tool. Sie und der Blick auf die Bildungsorte und ihre Potentiale helfen bei der Differenzierung, schulen die Sensibilität in der Wahrnehmung und im Umgang mit Konfirmand*innen, weil sie Verstehens-Kategorien liefern. Doch geben sie selbst leider keine Handlungsempfehlungen. Welche Auswirkungen also daraus gewonnene Erkenntnisse haben, welchen Nutzen diese besondere Perspektive bringt, hängt davon ab, wie stark Engagierte in der Konfi-Arbeit selbst bereit sind, das eigene Handeln daran zu reflektieren und gegebenenfalls neue Wege zu gehen. Hierzu exemplarische Vertiefungen:

Differenzierung

Die Unterschiedlichkeit von Lebenswelten und die Vielfalt von Bildungsorten, die sich ja durch die unterschiedliche »Nutzung« von Bildungsorten nochmals vervielfacht, sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass in der Konfi-Arbeit mehr Differenzierung als bisher üblich wünschenswert ist. Dabei gilt es natürlich, die Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, zu denen etwa Zeitverdichtung im Pfarramt oder kleiner werdende Konfi-Gruppen gehören. Wechsel der Unterrichtsorte, Arbeit in Groß- und Kleingruppen, Methodenvielfalt, verschiedene Formen der Auseinandersetzung mit Themen seien als Stichworte genannt. Wie wäre es z.B., manche Themen die Konfirmand*innen selbst vorbereiten zu lassen und sie dabei zu unterstützen? Wie wäre es, sie Zugang, Methodik und Ort selbst wählen zu lassen und so Zugang zu bekommen zu den von ihnen präferierten Lebenswelten? Außerdem kann die Arbeit mit einem Team helfen, noch besser in der Gruppe zu differenzieren und der Verschiedenheit der Konfirmand*innen gerecht zu werden.

Alltagsbezug der Themen

Bei der Themenauswahl und der Bearbeitung derselben ist zu berücksichtigen, dass die Alltagsrelevanz vieler Themen innerhalb der Lebenswelten sehr unterschiedlich bewertet wird. In der Konfi-Arbeit kommt erschwerend hinzu, was die 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD in kaum zu überbietender Deutlichkeit aufzeigt: Die Indifferenz in Glaubensfragen und Religion als »Nicht-Thema« nimmt in vielen Familien weiter zu.

Die Lebenswelt-Perspektive zeigt die Verschiedenheit der Interessen Jugendlicher deutlich auf.17 Exemplarisch hierzu als Übersicht eine Zusammenstellung von lebensrelevanten Themen für Jugendliche aus Brücken und Barrieren in Verknüpfung zu den SINUS-Lebenswelten.18 »Holzschnittartig« wird angezeigt, welche Alltagsthemen bei welchem Typen in welcher Lebenswelt prägend sind. Weitere Vertiefungen finden sich z.B. auch in der aktuellen SINUS Jugendstudie.19

Spaß-Motivierte

Benefit-Motivierte

Religiös-Motivierte

Gemeinwohl-Motivierte

Distanzierte

v.a. prekäre, materialistisch-hedonistische und teilweise adaptiv-pragmatische Jugendliche

v.a. adaptiv-pragmatische und expeditive Jugendliche

v.a. kon-
servativ-bürgerliche
und sozial-
ökologische Jugendliche

v.a. sozial-
ökologische, konservativ-bürgerliche, adaptiv-pragmatische Jugendliche

v.a. materia-
listisch-hedonistische, experimen-
talistisch-hedonistische, prekäre und expeditive Jugendliche

  • Zukunft
  • Ausbildung
  • Jungs/
    Mädchen/
    Beziehungen
  • Wochenende/
    Partys
  • Sportliche (Miss-)Erfolge
  • Regeln, Pflichten, Verbote
  • Alleinsein, Langeweile
  • Welt-
    geschehen
  • Poesie, Mode, Design
  • Kreativität
  • Menschen, Psychologie
  • Zeitstress bzw. -konflikte
  • Mode, Aussehen
  • Wochenende, Partys
  • Geringes Leistungsver-mögen/
    geringe Leistungs-bereitschaft anderer
  • Engagement
    für andere
  • Glaube
  • Ausbeutung/
    Schutz der Natur
  • Probleme in der Welt
  • Leid anderer Menschen
  • Gemeinschaft und Ausgrenzung
  • Sinn des Lebens
  • Kirche, Religion und Gott
  • Engagement
    für andere
  • Glaube
  • Ausbeutung/
    Schutz der Natur
  • Probleme in der Welt
  • Leid anderer Menschen
  • Gemeinschaft und Ausgrenzung
  • Sinn des Lebens
  • Weltge-
    schehen
  • Poesie, Mode, Design
  • Kreativität
  • Menschen, Psychologie
  • Jungs/
    Mädchen/
    Beziehungen
  • Auto, Motor und Sport
  • Aktuelle, sensations-
    geladene Ereignisse

Beziehung zu Konfi-Eltern

Wer den Konfi-Eltern in ihrer Vielfalt der Lebenswelten und der damit verbundenen Verschiedenheit bewusst begegnet, wird an mancher Stelle vor große Herausforderungen gestellt – die Soziologen sprechen von »Ekelschranken«, sie sind zu verstehen als Distinktionsgrenzen anderen gegenüber – und an anderer Stelle auch heilsame Begegnungen erfahren, weil durch intensive Beziehungen zu den Konfi-Eltern die Konfirmand*innen wesentlich besser verstanden werden können.

Elternbesuche sind eine hervorragende Möglichkeit, um mit Konfi-Eltern in Kontakt zu kommen. Menschen aus dem prekären Milieu versuchen meist, Besuch zu Hause zu vermeiden, schließlich wird dort die persönliche finanzielle Situation mit ihren Auswirkungen auf die Gestaltungsmöglichkeiten des Wohnraums sichtbar. Manchmal führt sogar die scheinbar notwendige Ausrichtung einer kostspieligen Feier fürs eigene Kind dazu, dass Kinder gar nicht zur Konfi-Zeit angemeldet werden.

Heterogenität von Teams

Dass es sinnvoll ist, Konfi-Arbeit im Team zu gestalten, ist spätestens jetzt – trotz der damit verbundenen Herausforderungen – offensichtlich. Freilich nicht zuerst als Entlastung für Pfarrer*innen, sondern besonders wegen der Heterogenität der Konfi-Gruppe. Derartige Teams sollten dann im Idealfall auch eine Vielzahl der SINUS-Lebenswelten repräsentieren. Dies verstärkt die Komplexität der Arbeit im Team und die damit verbundenen Herausforderungen, gibt aber mehr Jugendlichen aus verschiedenen Lebenswelten die Möglichkeit, Gleichgesinnte zu finden.

Ein Hinweis auf die übliche Milieuverengung im Pfarramt darf hier nicht fehlen.20 Die in den meisten Fällen prägendste Person der Konfi-Zeit gehört auch selbst einem Milieu an.

Fazit: Haltung als Schlüssel

Entscheidend für eine gelingende Konfi-Zeit ist – das zeigen alle hier zitierten Untersuchungen – die offene, zugewandte Haltung dem mir Fremden gegenüber. Wir brauchen ein mutiges Zugehen auf andere, um deren Bildungsorte wertzuschätzen und Trennungen zwischen Lebenswelten zu überbrücken.

Weiterführende Literatur

CALMBACH, Marc u.a., Wie ticken Jugendliche 2016? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland, Wiesbaden 2016. Online verfügbar unter http://www.springerlink.com/content/978-3-658-12533-2 (abgerufen am 07.01.2018), oft auch als Sinus U18 bezeichnet.

KOPP, Hansjörg u.a. (Hg.), Brücken und Barrieren – Jugendliche auf dem Weg in die Evangelische Jugendarbeit, Stuttgart 2013.

1 K. Hurrelmann, Vorwort, in: Calmbach 2016, 8.

2 Vgl. T. Künkler, Jugend – Kultur – Glaube. Eine kurze Skizze der heutigen Jugendgeneration, in: W. Haubeck/W. Heinrichs (Hg.), Neue Generation – neue Kirche. Eins in Christus durch alle Generationen? (Theologische Impulse 28), Witten 2016, 7-25.

3 Calmbach 2016, 28.

4 A.a.O., 29.

5 Ebd.

6 A.a.O., 10.

7 A.a.O., 29.

8 www.sinus-akademie.de/fileadmin/user_files/Presse/SINUS-Jugendstudie_u18_2012/%C3%96ffentlicher_Foliensatz_Sinus-Jugendstudie_u18.pdf (abgerufen am 13.07.2017).

9 Kopp 2013.

10 Erste der 12 Thesen des Rats der EKD zur Konfirmandenarbeit 2013.

11 www.dji.de/sonstige/medien-und-kommunikation-alt/wissen-a-z/wissen-a-zkinder-und-jugendberichte/bildung-bildungsorte-und-lernwelten-definition-ziele-und-inhalte.html (abgerufen am 07.01.2018).

12 W. Mack, Non-formale Bildungsorte und informelle Bildungswelten, in: Y. Kaiser u.a. (Hg.), Handbuch Jugend. Evangelische Perspektiven, Opladen 2013, 184f.

13 KAEG 8, 2016, 76-81.

14 Vgl. Kopp 2013, 36ff.

15 P. Bourdieu, Über das Fernsehen, Frankfurt/M. 1998, 23.

16 Kopp 2013, 353.

17 Ausführlich a.a.O., 66 u.a.

18 Zusammengestellt aus Kopp 2013.

19 Für den Zugang zu theologischen Themen hilfreich ist auch H. Hempelmann, Handbuch Taufe. Impulse für eine milieusensible Taufpraxis, Neukirchen-Vluyn 2013.

20 Vgl. H. Hempelmann u.a., Auf dem Weg zu einer milieusensiblen Kirche, Göttingen 2016, sowie »Zur Bedeutung Mitarbeitender in der Evangelischen Jugendarbeit« in: Kopp 2013, 246ff.