Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim, die Autoren des Bestsellers Das ganz normale Chaos der Liebe, untersuchen in ihrem neuen Buch alle Arten von Fernbeziehungen: Ehen, die Kontinente und Kulturen verbinden, Chatroom-Tragödien, Skype-gestütztes Anstoßen, das Leben äthiopischer Arbeitsmigranten und vieles mehr. Ihr Befund: Die Weltgesellschaft hält Einzug in »Normal«-Beziehungen und »Normal«-Familien. Hier treffen die Verschiedenheiten der Sprachen, der Vergangenheiten, der rechtlichen und politischen Ordnungen aufeinander und nehmen Gesichter und Namen an. Und so gelingt im Kleinen mitunter das, woran die große Welt scheitert: das gelungene Zusammenleben über alle Grenzen hinweg.

Ulrich Beck lehrt Soziologie in London und Harvard, zuletzt erschienen von ihm Das deutsche Europa (2012) und Nachrichten aus der Weltinnenpolitik (es 2619).

Elisabeth Beck-Gernsheim lehrt Soziologie in Trondheim, Norwegen. Zuletzt erschien von ihr Wir und die Anderen (st 3872).

ULRICH BECK
ELISABETH BECK-GERNSHEIM

Fernliebe

Lebensformen
im globalen Zeitalter

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Suhrkamp

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013

© Suhrkamp Verlag Berlin 2011

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Göllner, Michels, Zegarzewski

 

eISBN 978–3-518–74650–9

www.suhrkamp.de

Inhalt

Einleitung

 

KAPITEL I

Wie Normalfamilien sich in Weltfamilien verwandeln

 

KAPITEL II

Zwei Nationen, ein Paar: Geschichten vom wechselseitigen Verstehen und Mißverstehen

 

KAPITEL III

Wieviel Ferne, wieviel Nähe verträgt die Liebe?

 

KAPITEL IV

Weltmarkt, Weltreligionen, Weltrisiken, Weltfamilien: Wie globale Schicksalsgemeinschaften entstehen

 

KAPITEL V

Heiratsmigrantinnen: Der Traum vom besseren Leben

 

KAPITEL VI

Hausarbeitsmigrantinnen: Mutterliebe aus der Ferne

 

KAPITEL VII

Schwindet die Männerherrschaft? Warum Frauen in Weltfamilien gewinnen

 

ZWISCHENBETRACHTUNG: Die Chancen der Globalisierung – Weltfamilien als transnationale Wirtschaftsunternehmen

 

KAPITEL VIII

Meine Mutter war eine spanische Eizelle: Über Kinderwunschtourismus und globale Patchwork-Familien

 

KAPITEL IX

Zusammen, aber getrennt: Modell Weltfamilien

 

KAPITEL X

Wie weltoffen sind Weltfamilien?

 

Literatur

 

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Im Mai 2011 meldeten Tageszeitungen die Trennung des aus der Ukraine stammenden und in Hamburg lebenden Boxers Wladimir Klitschko (35 Jahre alt, 1,98 Meter groß und 110 Kilo schwer) von der in Los Angeles beheimateten Schauspielerin Hayden Panettiere (21 Jahre alt, 1,55 Meter groß und 50 Kilo schwer). Der Grund der Trennung, so zitiert eine Zeitung die Schauspielerin, seien nicht die Unterschiede von Alter und Statur. »Wenn eine solche geografische Distanz zwischen einer Liebe steht, dann ist es halt doch sehr, sehr schwer.« In derselben Zeitung kritisierte Ingolf Gillmann unter der Überschrift Der Verriss die Schauspielerin, »die Fernbeziehung als Liebes-Aus-Grund« angeführt zu haben: »Liebe Leute, wenn ihr meint, eine Fernbeziehung sei schwierig, wie wollt ihr dann einen jahrelangen, täglichen Nahkampf überstehen?!«

Einige Tage zuvor stand in den Wirtschaftsteilen der großen Zeitungen aus aller Welt die Nachricht, Microsoft habe für 8,5 Milliarden Dollar in bar (5,9 Milliarden Euro) den Internettelefonanbieter Skype gekauft. »Microsoft will Skype mit seinen bestehenden Produkten rundum vernetzen . . . Mit Skype können Nutzer untereinander kostenlos über das Internet telefonieren, auch mit Videoübertragungen . . . Der Dienst hat nach eigenen Angaben mehr als 660 Millionen registrierte Nutzer«, so meldete die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10. Mai 2011.

Die Firma Microsoft scheint also an die Zukunft der Fernliebe zu glauben – immerhin ist dieser Erwerb der teuerste innerhalb der Firmengeschichte. Fernliebe in all ihren Formen ist auch das Thema des vorliegenden Buches. In Das ganz normale Chaos der Liebe haben wir gezeigt, wie die Individualisierung – im Zusammenwirken mit einer romantisierenden Idee von absoluter Liebe – die traditionellen Formen des Zusammenlebens aufgesprengt hat. Das klassische Familienmodell von Mann, Frau und einem oder mehreren Kindern wurde relativiert durch eine Vielzahl neuer Formen des Zusammenlebens. An die Stelle des Ehemanns tritt zunehmend der Lebensabschnittsgefährte, alleinerziehende Mütter oder Väter sind häufiger geworden, Patchwork-Familien, also neue Typen von Großfamilien, haben sich herausgebildet als Konsequenz aufeinanderfolgender Ehen und Scheidungen usw. In unserem neuen Buch öffnen wir den Horizont zum globalen Chaos der Liebe, mit allen Arten von Fernbeziehungen: mit binationalen Paaren, mit Heirats- und Arbeitsmigranten, mit Leihmüttern – und den ganz normalen Tragödien der Skype-gestützten Liebesbeziehungen.

Wir unternehmen eine Zustandsanalyse dessen, was wir »Weltfamilien« nennen: Liebes- und Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Menschen, die in unterschiedlichen Ländern bzw. Kontinenten leben oder aus unterschiedlichen Ländern bzw. Kontinenten kommen. Solche Beziehungen können vielfältige Formen annehmen und aus den verschiedensten Motiven entstehen. Gemeinsam ist jedoch allen Varianten von Weltfamilien: Sie sind der Ort, an dem sich die Differenzen der globalisierten Welt im wörtlichen Sinn verkörpern. Die Weltgesellschaft stiftet in den Weltfamilien Gegensätzliches gleichzeitig: Unruhe, Verwirrung, Überraschung, Lust, Freude, Zusammenbrüche und Haß. Wir leben in einer Welt, in der der Liebste häufig entfernt und der Entfernte nicht selten der Nächste ist.

Der entscheidende Punkt ist damit: Weltfamilien unterscheiden sich zum einen von der nationalen Normalfamilie, wie sie lange Zeit insbesondere in Europa vorherrschend war, bestehend aus Personen, die dieselbe Sprache sprechen, denselben Paß besitzen, im selben Land zuhause sind und am selben Ort wohnen. Sie sind zugleich aber auch mehr und anderes als multikulturelle Familien, wie sie in Einwanderungsländern, etwa in den USA und Südamerika, selbstverständlich sind. Weltfamilien bilden vielmehr neuartige Mischungen aus Nähe und Ferne, aus Gleichheit und Ungleichheit, die Länder und Kontinente überspannen. Ob die Liebenden oder die Familienmitglieder es wollen oder nicht, sie werden im Binnenraum des eigenen Lebens mit der Welt konfrontiert. So gewinnen in Weltfamilien die Gegensätze zwischen Erster und Dritter Welt reale Gestalt, sie nehmen Gesichter und Namen an. Hier treffen die Verschiedenheit der Sprachen, die Verschiedenheit der Vergangenheiten, die Verschiedenheit der politischen und rechtlichen Ordnungen aufeinander.

Aber wenn wir von Weltfamilien sprechen, greifen wir damit nicht auf einen Begriff zurück, der angesichts der Vielfalt von Liebes- und Lebensformen in westlichen Ländern – gleichgeschlechtliche Paare, Alleinerziehende, Patchwork-Familien, Lebensabschnittsgefährten, Living-apart-together usw. – längst anachronistisch geworden ist? So könnte es dem westlichen Beobachter erscheinen. Aber in nichtwestlichen Kulturen hat der Familienbegriff weiterhin zentrale Bedeutung. In dem, was wir Weltfamilien nennen, treffen damit die gegensätzlichen Wertvorstellungen von Familie aufeinander. Hier entzünden sich Glaubenskriege, die das Herz des Alltags betreffen: was Familie ist und wer zur Familie gehört, wie Familie ist und sein soll, kurzum, was die »gute Familie« ausmacht.

Diese Glaubenskriege verkennen alle universalistischen Gesellschaftstheorien zum Thema Liebe, die von »der« Intimität in »der« Moderne sprechen – so Anthony Giddens (1993), Eva Illouz (2011), Niklas Luhmann (1982), so auch wir in Das ganz normale Chaos der Liebe (1990). Sie alle sehen nicht, daß das, was sie als Universalismus der modernen Liebe und ihrer Freiheitsparadoxien beschreiben, nur eine der möglichen Entwicklungsrichtungen erfaßt, nur diejenige nämlich, die sich unter den historischen, kulturellen, politischen, rechtlichen Bedingungen des Westens herausgebildet hat. Diese unerfüllten Versprechen der Vereinbarkeit von Freiheit, Gleichheit und Liebe sehen sich in jenen Glaubenskriegen um die »gute Familie« fundamental in Frage gestellt.

Auch ist der universalistische Ansatz auf einen engen thematischen Ausschnitt festgelegt: Liebe zwischen Frau und Mann, Frau und Frau, Mann und Mann – und vielleicht Kind. Während wir in diesem Buch den großen Bogen schlagen und auch die im nationalen und universalistischen Rahmen ausgeblendeten Themen – Liebe über geographische, kulturelle und politische Grenzen hinweg, Heiratsmigration, Mutterliebe aus der Ferne, Kinderwunschtourismus und globale Patchwork-Familien –, also das Themenspektrum der Globalisierung der Liebe ins Blickfeld rücken.

Eine Prognose über die Zukunft dieses Beziehungschaos im globalen Zeitalter ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt unmöglich. Allerdings zählen wir nicht zu den Pessimisten der Fernliebe, die behaupten, sie bedeute das Ende der Liebe, ihre Defizite in vielen menschlichen Dimensionen seien prinzipiell nicht abzustellen. Wir glauben, doch folgende Frage stellen zu können: Kann es sein, daß das, woran die große Welt scheitert, in den neuen Liebes- und Familienformen gelegentlich dennoch gelingt – die Kunst, mit und über Grenzen hinweg zusammenzuleben?

KAPITEL I
Wie Normalfamilien sich in Weltfamilien verwandeln

Die Kunst, die Belletristik, die autobiographischen Romane und Erzählungen haben einem neuen Thema Prominenz verschafft: bunt gemischten Liebes- und Familienbeziehungen, aufgespannt über Länder und Kontinente. Diese neuen Realitäten sind derart verbreitet und voller überraschender Aspekte, daß Erzähler und Dokumentaristen sich intensiv mit ihnen beschäftigen. Immer mehr Bücher umkreisen in manchmal komischen, manchmal anklagenden, manchmal ironischen, manchmal auch schrillen Tönen ähnliche Fragen. Es sind Geschichten von Liebe, Ehe, Elternschaft über Grenzen und Kulturunterschiede hinweg; Geschichten von gelingenden oder scheiternden Beziehungen; Geschichten darüber, wie die Gegensätze der Welt im Binnenraum der Familien ankommen. Hier drei gewichtige Beispiele.

1. Der Blick in die Literatur: Komödien und Tragödien der Fernliebe

Marina Lewyckas Roman Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch handelt nur ganz am Rande von Traktoren, dagegen vor allem von einer Explosion. Die Explosion ist weiblich, mit Touristenvisum aus der Ukraine nach Großbritannien eingereist, nun zielstrebig auf Heirat, Wohlstandsteilhabe und Bleiberecht hoffend. »Zwei Jahre nach dem Tod meiner Mutter verliebte sich mein Vater in eine berückende blonde geschiedene Frau aus der Ukraine. Er war vierundachtzig, sie sechsunddreißig. Wie eine flauschige rosa Granate schoss sie in unser Leben, wirbelte trübes Wasser auf . . . und trat unseren Familiengespenstern kräftig in den Hintern« (Lewycka 2006: 7). Mit Energie, zärtlichen Verheißungen und Einsatz ihrer gesamten Weiblichkeit erreicht die Blondine aus Osteuropa ihr Ziel, den »Familien-Paß«: Heirat als Einlaßkarte in den bewachten Wohlstandsclub der westlichen Welt. »Sie will mit ihrem Sohn im Westen ein neues Leben beginnen, ein schönes Leben mit einem guten Job für gutes Geld und mit einem schönen Auto – auf gar keinen Fall ein Lada oder ein Skoda – und mit einer guten Ausbildung für den Sohn, Oxford/Cambridge, mindestens. Sie selbst hat ja . . . auch eine gute Ausbildung. Einen Abschluss in Pharmazie. Damit kann sie hier eine gutbezahlte Stelle finden, wenn sie erst richtig Englisch spricht. Bis es so weit ist, gibt er ihr Unterricht, und sie hält ihm das Haus in Ordnung und kümmert sich um ihn. Sie setzt sich ihm auf den Schoß und lässt ihn ihre Brüste streicheln« (ebd.: 8 f.).

Betty Mahmoodys Buch Nicht ohne meine Tochter (1988) ist ein autobiographischer Erfahrungsbericht, angesiedelt zwischen Iran und USA, Islam und dem Westen. Die Autorin, US-Amerikanerin, ist mit einem aus dem Iran stammenden Arzt verheiratet. Dieser beschließt, in seine iranische Heimat zurückzukehren, und lockt Frau und Tochter in den Iran, um sie gewaltsam dort festzuhalten. Betty Mahmoody fügt sich äußerlich, plant aber heimlich die Flucht für sich und die gemeinsame Tochter – ein Vorhaben, das nach achtzehn qualvollen Monaten und vielen hochdramatischen Szenen schließlich gelingt. Das Buch ist eine Liebe-schlägt-in-Haß-um-Tragödie, Mann versus Frau, Gewalt und Opferbereitschaft, Unterdrückung und Widerstand, Freiheit und Freiheitsberaubung. Am Ende die Wendung zum Guten, Mutter und Tochter aus dem Griff der dunklen Mächte gerettet, wieder angekommen in der amerikanischen Heimat. Mahmoodys Frauen- und Leidensgeschichte erzählt vom Tod einer Liebe zwischen den Welten, aus der Perspektive der einen Seite, aus dem Horizont der westlichen Frau, ihrer Wahrnehmungen, ihrer Hoffnungen und Enttäuschungen.

Jan Weilers Maria, ihm schmeckt’s nicht (2003) beschreibt in vielen Anekdoten Szenen einer deutsch-italienischen Familienkonstellation. Der Autor, selbst in einer solchen Konstellation lebend, erzählt von den Alltagskomödien, die auf den Bühnen der Familien aufgeführt werden, wenn zwei Menschen aus Mitteleuropa heiraten wollen, der Bräutigam aus der deutschen Mehrheitsgesellschaft und gehobenen Mittelschicht stammt, der Vater der Braut als Gastarbeiter aus dem armen Süden Italiens nach Deutschland kam. In der Serie der Ereignisse werden wiederum die Gegensätze der Welten erkennbar, hier jedoch in komödiantischer Form. Da trifft deutsche Gründlichkeit, Genauigkeit, Pedanterie auf das Temperament, die Improvisationskunst und Lebensfreude der Italiener, was Stoff für freudige wie andere Überraschungen abgibt, aber auch einen rauh-aber-herzlichen Charme hat. So klingt hier die Botschaft am Ende versöhnlich: Die Liebe ist stärker als die Gegensätze der Welten, sie baut Brücken über Gräben.

So unterschiedlich diese drei Bücher auch sind, sie fügen sich doch zu einer gemeinsamen Erzählung. Sie schildern – in je eigenen Ausschnitten und Brechungen –, wie die Weltgesellschaft Einzug hält in Normalfamilien, dort Unruhe stiftet, Verwirrung, Überraschung, Lust, Freude, Zusammenbrüche und Haß, wie die Turbulenzen, Unruhen, Aufregungen der Welt zum Bestandteil von Normalfamilien werden.

Alle drei Bücher haben die Bestseller-Listen erobert, Millionen-Auflagen erreicht und Übersetzungen in viele Sprachen erfahren. Dieser unerwartete Publikumserfolg dürfte verschiedene Gründe haben. Zum einen verfügen die Bücher, in der einen oder anderen Form, über autobiographische Grundlagen. Das wird umgesetzt in einen Erzählstil der Direktheit, die sich auf den Leser/die Leserin überträgt und ihn/sie fesselt. Hinzu kommt die Faszination, die aus der Verbindung von Exotik und Erotik entsteht und zusätzliche Würze durch Beilagen wie Situationskomik oder Bedrohungsdramatik erhält. Hinzu kommt erst recht, daß Themen dieser Art bei vielen an eigene Erfahrungen rühren, an damit verbundene Überraschungen, Freuden und Ängste: Der Schwager hat jetzt eine Frau aus Thailand; für die Pflege von Opa haben wir eine Frau aus Polen engagiert; unsere Patennichte ist neuerdings mit einem Theologen aus Togo zusammen. Wo liegt dieses Land eigentlich? Warum ist er hier? Liebt er sie wirklich, oder benutzt er sie nur als Eintrittskarte in die Erste Welt?

Solche Verbindungen, solche Fragen werden mehr und mehr zur Alltagserfahrung in Familien der Mehrheitsgesellschaft. In dieser Weise gelangen die Wirtschaftskrisen und Finanzmärkte Asiens, die Bürgerkriege und politischen Umbrüche Afrikas, die ideologischen Kämpfe und das ökonomische Auf und Ab Lateinamerikas ins eigene Wohnzimmer. Die Frau aus Thailand, der Mann aus Togo sitzt auf unserem Sofa, ist bei Geburtstagen dabei, spielt Fußball mit unserem Sohn und füttert den Opa. Jede(r) hat eine Schwiegertochter, einen Schwiegersohn, eine Schwester, einen Bruder, eine Cousine, einen Cousin, Nichten und Neffen, Enkelkinder usw., die unsere Sprache mit einem fremden Akzent sprechen, die deutlich anders aussehen als wir, deren Namen seltsam und beinahe unaussprechlich klingen. Da mag es mancher als erleichternd empfinden, wenn er/sie beim Lesen Szenen des eigenen Lebens wiederfindet, im Erzählen zugleich verfremdet und pointiert, durch die anekdotische oder dramatische Zuspitzung gesteigert. So wird das Verwirrende ein Stück weit begreifbar, erkennbar als eine Erfahrung vieler Menschen. Man sieht: Auch die anderen wissen nicht, wie sie mit der neuen Familienwirklichkeit umgehen sollen, wie das Aufeinandertreffen von Nähe und Ferne ganz eigene Pannen und Peinlichkeiten erzeugt, in denen alle jetzt mühsam lavieren. Der Publikumserfolg der beschriebenen Bücher liegt also auch darin begründet, daß sie den Irritationen, die mit den neuen »diasporischen« Familienwirklichkeiten einhergehen, einen weiteren Rahmen geben. Sie zeigen, in welcher Form das individuelle Schicksal ähnlich andere trifft, sie bieten Orientierung und Trost, praktische Lebenshilfe in den privat gewordenen Turbulenzen der Weltgesellschaft.

2. Neuland

Um die Turbulenzen, die das Aufeinandertreffen von Nähe und Ferne erzeugt, geht es auch in diesem Buch. Wir führen den Begriff »Weltfamilien« ein und machen ihn dann zur Grundlage, um die neue Familienwirklichkeit darzustellen. Unsere Fragen lauten: Wie läßt sich systematischer beschreiben und begreifen, was längst weitverbreitete Alltagserfahrung ist? Wie werden Liebe und Familie zum Schnittpunkt der Welt? Was geschieht, wenn nationale Grenzen und internationale Rechtsordnungen, Migrationsgesetze und die Trennlinien zwischen Mehrheitsgesellschaft und Minderheit, zwischen Erster und Dritter Welt mitten durch die Familie gehen? Was bedeutet es für Liebe und Intimität, wenn die Liebe zur Fernliebe wird, zur Langstrecken-Liebe über Länder und Kontinente hinweg?

Mit solchen Fragen betreten wir terra incognita, unerforschtes Gebiet. Zwar gibt es zahllose Untersuchungen, die den Wandel der Familie (vom nichtehelichen Zusammenleben bis zum Geburtenrückgang) zum Thema machen. Zwar gibt es Studien aus der Familienforschung und um so mehr solche aus der Migrationsforschung und Anthropologie, die sich mit globalisierten Familien befassen. Aber, das ist das Entscheidende, sie richten den Blick immer nur auf einen Ausschnitt der globalisierten Familienwirklichkeit (z. B. binationale Paare oder transnationale Adoption oder Fernbeziehungen). Wir dagegen nehmen deren Zusammenhang in den Blick. Deshalb haben wir den übergreifenden Begriff »Weltfamilien« geprägt. Mit ihm erkunden wir, was die verschiedenen Formen von Weltfamilien im Innersten zusammenhält. Wir untersuchen deren jeweilige Bedeutungen und Beziehungen, um Verbindungen und Gemeinsamkeiten ebenso wie Unterschiede und Gegensätze herauszufinden. Dies geschieht auf dem Weg einer »diagnostischen Theorie«.1)

Um es vorweg thesenhaft zu sagen: Weltfamilien tragen die Gegensätze der Welt in sich aus. Nicht alle Familien alle Gegensätze, aber alle einen Ausschnitt davon. Binationale Paare erfahren die Gegensätze zweier Nationen oder die Gegensätze von Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft. Migrantenfamilien erfahren die Gegensätze zwischen Erster und Dritter Welt, die globalen Ungleichheiten mitsamt ihrer kolonialen Geschichte, die bis heute in den Seelen der Lebenden weiterwirkt, bei den einen Nicht-wissen-Wollen, bei den anderen Wut und Verzweiflung erzeugend.

Um ein naheliegendes Mißverständnis zu vermeiden, eine Warnung: Wenn wir von Weltfamilien sprechen, meinen wir nicht Weltbürger, nicht die Kaste der gehobenen Bildungsbürger mit Kenntnissen in chinesischer Literatur, französischer Kochkultur, afrikanischer Kunst. Im Gegenteil, viele derer, die zu Weltfamilien in unserem Sinne gehören, sind weder weltgewandt noch weltoffen, weder versiert auf internationalem Parkett noch fließend mehrsprachig, und schon gar nicht umgibt sie der Duft der großen weiten Welt. Manche sind nie aus ihrem Dorf oder der Kleinstadt herausgekommen, manche provinziell und von allem Fremden verunsichert. Manche sind Teil einer Weltfamilie geworden infolge von Gewalt, Bürgerkrieg oder Vertreibung; oder in der Hoffnung, der Armut und Arbeitslosigkeit in der Heimat zu entkommen; andere durch Kontaktanzeigen im Internet oder die Zufälle der Liebe. Kurz, viele bilden mehr bis minder unfreiwillig den Teil einer Weltfamilie durch äußere Ereignisse und Zwänge, nicht aus Begeisterung und freier Entscheidung. Doch wie freiwillig oder unfreiwillig auch immer, den verschiedenen Varianten von Weltfamilien ist eines gemeinsam, eine Irritation: Sie passen nicht zusammen mit unseren bisherigen Vorstellungen von dem, was den Charakter der Familie ausmacht, was zur »Natur der Familie« gehört, immer und überall. Sie stellen einige unserer vertrauten, als selbstverständlich vorausgesetzten Grundannahmen von Familie in Frage.


1)

  

Wir schlagen eine Unterscheidung von erklärender und diagnostischer Theoriebildung in Zeiten des diskontinuierlichen sozialen Wandels vor.

Einige Autoren verstehen Theorie im Sinne einer Erklärung beobachtbarer Ereignisse und Phänomene, die zurückgeführt werden können auf generelle und universelle »Gesetze« des sozialen Handelns und Lebens. Sie beantworten »Warum-Fragen«. Dabei handelt es sich um eine Idee von Theorie, die aus der Praxis einiger »harter« Naturwissenschaften gewonnen wurde. Aber dies ist nicht das dominante Verständnis. Die Beiträge zur Gesellschaftstheorie, die heute international die größte Aufmerksamkeit finden, folgen einem anderen Muster. Ihr Ziel ist es, angesichts eines Chaos sozialer Ereignisse und Phänomene, die uns überrollen, einen konzeptionellen Orientierungsrahmen zu schaffen mit den Mitteln einer generalisierten Diagnose der sich historisch rapide verändernden gesellschaftlichen Verhältnisse. Genau zu diesem Zweck führen wir in diesem Buch den Begriff »Weltfamilien« ein. Dabei geht es uns nicht um »Zeitdiagnose« in alltagssprachlichen Begriffen, sondern um generalisierte, soziologische Beschreibungen, für die ein spezielles und präziseres Vokabular entwickelt werden muß – »multilokale Weltfamilien«, »multinationale Weltfamilien«, »Fernliebe«, »Heiratsmigrantinnen«, »Leihmütter« etc. (siehe S. 25 ff., 91 f.; Kapitel IX). Wir nennen diesen Typus »diagnostische Theorie«. Diese Richtung der historisch-induktiven Theoriebildung gewinnt besondere Relevanz in Zeiten schnellen und fundamentalen Wandels, wenn plötzlich nicht nur Alltagsmenschen, sondern auch Soziologen sich mit den Rätseln einer entstehenden neuen sozialen Wirklichkeit konfrontiert sehen und fragen: Wo sind wir, wo kommen wir her, und wohin geht die Reise? Das sind Zeiten, in denen die Frage: Verstehen wir noch die Welt, in der wir leben? sowohl im Alltag wie für Soziologen eine größere Dringlichkeit gewinnt als die Frage: Warum geschieht, was geschieht?

Doch der Zusammenhang dieser zwei Fragen muß präziser gefaßt werden: In Zeiten diskontinuierlichen sozialen Wandels setzen erklärende Theorien diagnostische Theorien voraus. Erst wenn es gelungen ist, die »innere Globalisierung« von Intimität, Liebe, Familie, Geschlechterverhältnissen, Hausarbeit, Geburt, Mutterschaft, Vaterschaft etc. in einem konzeptionellen Theorierahmen zu beschreiben und zu verstehen, kann die Warum-Frage neu aufgerollt werden. Erst dann wird es auch möglich, mit den neuen Brechungen der Welt und ihrer Widersprüche im Liebes- und Familienalltag der Menschen besser umzugehen.

3. Der Blick auf die Realität: Die Vielfalt der Weltfamilien

Wir erweitern das Panorama dessen, was Weltfamilien ausmacht, durch einen Blickwechsel. Nach den Beispielen aus der Literatur Beispiele aus der Realität, eine Beschreibung von Familienformen, die wir in der gesellschaftlichen Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts vorfinden.

Wenn Liebe und Fürsorge importiert werden: Die globalisierten Dienstmädchen

Weltweite Einkommensunterschiede machen es möglich: Wohlhabende Familien beschäftigen Haushaltshilfen, Kindermädchen und Pflegerinnen aus ärmeren Ländern. Zu diesen ärmeren Ländern gehören die Philippinen, ein Land, das kaum existieren könnte ohne die Gelder, die Arbeitsmigranten im Ausland an ihre Familien in der Heimat überweisen. Deshalb erfährt Arbeitsmigration staatliche Unterstützung und Förderung. Zum Beispiel so: Im Hafen der philippinischen Hauptstadt Manila werden Frauen auf einen Job als Dienstmädchen im globalen Kapitalismus vorbereitet. Bei den Frauen handelt es sich um ausgebildete Lehrerinnen, Buchhalterinnen, Tierärztinnen. Sie wissen, wie man Mathematik unterrichtet, eine Bilanz erstellt, eine Kuh kuriert. Jetzt bekommen sie gezeigt, wie man in reichen Ländern Betten macht, in einem amerikanischen Hotel zum Beispiel oder in einem italienischen Haushalt. Sie lernen, wie eine Geschirrspülmaschine funktioniert, und erfahren, mit welchen Spielsachen sich kanadische oder deutsche Kinder die Zeit vertreiben. Nach sechs Monaten sind sie »diplomierte Haushälterinnen«, steigen in ein Flugzeug und verdingen sich in reichen Industriestaaten.

Hinter den verschlossenen Türen der Privatheit und der Familie, die gegen die Wirren der Welt abschirmen sollen, vermischen sich die getrennten Welten der globalen Armen und der global aufstrebenden Mittelschicht. Lehrerinnen aus den Philippinen, Studentinnen aus Mexiko, Übersetzerinnen aus Ecuador, Juristinnen aus Ghana brechen auf in Länder, in denen Frauen heute Konzerne, Hochschulen und politische Parteien führen, um dort Arbeiten zu verrichten, die seit Jahrhunderten als Frauenarbeiten gelten: Sie putzen, sie kochen, sie kümmern sich um die Kinder und gebrechlichen Alten fremder Familien.

Inzwischen machen Frauen, sonst auf den Arbeitsmärkten die Minderheit, weltweit mehr als die Hälfte der Migranten aus. Sie bilden »das weibliche Gesicht der Globalisierung« (Arlie Russell Hochschild 2000). Nirgends zeigt sich dies so deutlich wie in den Philippinen, einem Land, das Arbeitskräfte exportiert wie andere Länder Kaffee oder Kakao, einem Land, in dem vor 30 Jahren 12 Prozent der Auswanderer Frauen waren, heute sind es 70 Prozent.

Global entfaltet ein zeitgeschichtliches Gesetz seine Wirkung: Je mehr Frauen berufstätig und erfolgreich sind, desto mehr brauchen sie Hilfe im Haushalt. Diese Hilfe wird nicht mehr – wie in früheren Epochen – durch Sklaven oder Mägde geleistet, sondern durch den (Schatten-)Weltmarkt für billige Arbeitskräfte in einer radikal ungleichen Welt.

Es entsteht eine über Grenzen und Kontinente sich ausdehnende Verflechtung der Lagen und Schicksale. Die Frauen der arrivierten Mittelschicht, aufgerieben im Dauerlauf zwischen Beruf und Familie, suchen dringend Entlastung und greifen auf die Dienste der »weiblichen globalen Anderen« zurück. Die Frauen auf der anderen Seite der Welt brauchen dringend Geld, um ihre Familien ernähren zu können. Und eine gutausgebildete philippinische Lehrerin, die hier als globale Kinderfrau arbeitet, verdient ein Mehrfaches dessen, was sie bei einer regulären Beschäftigung in den Philippinen erwarten könnte – so sie dort einen Arbeitsplatz findet.

In der Folge werden Liebe und Fürsorge zur »Ware«, von einheimischen Frauen an andere delegiert, exportiert und importiert. Deshalb stellen globalisierte Familiendienste das »Gold der Armen« dar, eine weitere »Ressource«, die von den Reichen ausgebeutet werden kann. Daran verdienen auch die Armen, allerdings nur einen Bruchteil dessen, was »inländische«, »normale« Arbeiterinnen erhielten – und die Luft der weiten Welt lockt, ein imaginiertes Konsumparadies (Ehrenreich/Hochschild 2003; Hochschild 2003).

Wenn die Grenzen globaler Ungleichheit Weltfamilien spalten

In den Debatten um Migration wird meistens von einer eindeutigen Trennlinie zwischen legalen Einwohnern und illegalen Zuwanderern ausgegangen, zwischen den offiziell gemeldeten Sichtbaren und denen, die im Schatten leben. Wer in Kategorien des Rechts denkt, unterscheidet klar zwischen Legalen und Illegalen. Viele transnationale Familien sind eine Mischung aus legalen Staatsbürgern und ihren illegalen Verwandten, deren Leben vor allem die Angst vor Entdeckung bestimmt. Ein Beispiel – die Familie Palacio: Estrellitas Mutter ist in hochschwangerem Zustand von Mexiko über die Grenze gegangen, um ihrer Tochter das Privileg einer US-amerikanischen Geburt und damit einer US-amerikanischen Staatsangehörigkeit zu sichern. Estrellitas Schwager dagegen ist (wie es im Amerikanischen heißt) ein undocumented worker. Die Verschärfung der Einwanderungsgesetze in den USA hat einen Keil in die Familie getrieben. Während Estrellitas Status noch privilegierter wurde, ist bei ihrem Schwager die Angst vor Entdeckung noch stärker geworden. In der Familie Palacio, unter den sieben Geschwistern, ihren Ehepartnern und Kindern, finden sich amerikanische Staatsbürger qua Geburt, eingebürgerte Migranten, Personen mit befristeter Aufenthaltserlaubnis und undocumented immigrants.

Schon dieses Kurzportrait macht eine neuartige Form der »Schmelztiegel-Familie« deutlich: Diese ist nicht nur multi-national (und vielleicht auch multi-religiös), sondern auch »multi-(il)legal«.

Die Schöne Neue Welt der globalisierten Schwangerschaft und Geburt

Mehr als zwei Jahre wartete ein Ehepaar aus Deutschland auf seine von einer indischen Leihmutter ausgetragenen Zwillinge. Die deutschen Behörden stellten den in Indien geborenen Kindern keinen Reisepaß aus, weil nach deutschem Recht Leihmutterschaft verboten ist. Die Ämter in Indien – wo Leihmutterschaft legal ist – hielten die Kinder wegen der deutschen Eltern für Bundesbürger. Sie verweigerten den Zwillingen daher indische Reisedokumente. Der Vater, ein Kunsthistoriker, kämpfte verzweifelt vor deutschen und indischen Gerichten darum, seine staatenlosen Kinder mit nach Deutschland nehmen zu dürfen. Mit Erfolg: Die indischen Behörden stellten doch Pässe aus, und diese wurden dann mit Visa für eine Einreise nach Deutschland versehen (»ausnahmsweise« und aus »humanitären Gründen«, so das Auswärtige Amt). Die Eltern können ihre »eigenen Kinder« nun in Deutschland im Zuge eines internationalen Rechtsverfahrens adoptieren.

Hier zeigt sich: Familien werden nicht nur von der Globalisierung überrollt. Sie sind längst zu Handelnden geworden. Mit Hilfe der neuen Optionen, die die Fortpflanzungsmedizin bereitstellt, können Geburt und Elternschaft entkoppelt und – rechtliche Gegensätze zwischen Ländern nutzend – »ausgelagert« werden wie Arbeitsplätze. Die medizintechnologisch eröffneten Handlungsspielräume ermöglichen es, Zeugung, Schwangerschaft und Elternschaft voneinander zu trennen und separat – über nationale Grenzen hinweg – zu organisieren. Was früher schlicht Mutterschaft hieß, wird nun zerlegt in »Eispenderin«, »Leihmutter«, »soziale Mutter«. Der Versuch, diese verschiedenen Formen von Mutterschaft legal zu verbinden, wird oft zu einem Hindernislauf zwischen den Unterschieden und Gegensätzen nationalstaatlicher Rechtssysteme.

Die Fernliebe der Großeltern

Alex ist gerade drei geworden, voller Neugier und Tatendrang. Er liebt Müsli, Pommes und noch mehr seine Autos. Gestern hat er ein neues bekommen, einen großen roten Bus, und heute morgen hat er ihn gleich seinen Großeltern gezeigt. Diese lieben ihren einzigen Enkel über alles. Sie sehen ihn täglich: Jeden Morgen gibt es eine Viertelstunde, manchmal auch eine halbe Stunde »Großeltern-Zeit«, ein festes Ritual, hochgehalten und respektiert, Zeit nur für Großeltern und Alex.

Ganz normales Großfamilienglück? Nein und ja: Die Beteiligten leben Tausende Kilometer voneinander entfernt, die Großeltern in Thessaloniki, Alex in Cambridge, UK. Skypen holt Opa und Oma ins Kinderzimmer und bringt Alex nach Thessaloniki, während alle an ihrem Ort bleiben – Fernstenliebe als Nächstenliebe über alle Entfernungen und Grenzen hinweg.

4. Warum Weltfamilien das bisherige Verständnis von Familie auf den Kopf stellen

Die Seiten eines Atlas – mit den schwarz gezeichneten Grenzlinien, die die unterschiedlich farbigen Länder trennen – versinnbildlichen immer noch die geistigen und geographischen Landkarten, in denen die meisten Menschen die Welt wahrnehmen. Der Globus zerfällt in separate Nationalstaaten, und damit geht die Erwartung einher, jeder Mensch habe zu einem bestimmten Zeitpunkt oder während eines Zeitraums in einem und nur einem dieser verschiedenfarbigen Flecken seinen Platz. Zwischen Identität und Territorium besteht demnach eine eindeutige Entsprechung, und was immer davon abweicht, stößt auf Mißtrauen und Widerstände.

Richtig ist: Die Mehrzahl der Familien lebt überall auf der Welt nach dem Homogenitätsmodell der nationalen Staatsbürger-Familie – Mutter, Vater und schulpflichtige Kinder wohnen in ein und demselben Haushalt/Ort, haben ein und denselben nationalen Paß, ein und dieselbe nationale Herkunft und sprechen ein und dieselbe Muttersprache. Eine Verbindung, die im Normalverständnis zugleich notwendig und natürlich erscheint. Aber was wir heute erleben, paßt immer weniger damit zusammen: Zunehmend mehr Frauen, Männer und Familien brechen mit dem, was bislang naturähnliches Gesetz schien, und leben – teils gewollt, teils erzwungen – Formen einer Familiensolidarität, die Ferne und Fremde umfaßt.

Also lautet die Einstiegseinsicht für die Vermessung der neuen Liebes- und Familienlandschaften: Erkenne, daß für mehr und mehr Menschen drei existentielle Bindungen, die bislang eng zusammengehörten – an den Ort, die Nation, die Familie –, sich aus ihrer Verknüpfung lösen und separate Elemente werden. Die Auffassung, wonach Familien ihrem Wesen nach einem bestimmten Territorium zugehören, wird durch eine aktive Globalisierung von unten und innen überrollt. Wie transnationale Konzerne und transnationale Staaten (z. B. EU), so entstehen jetzt transnationale Familien. Und damit neue Fragen: Sind Weltfamilien ein Gegengewicht zum globalen Kapitalismus, ihm grenzübergreifende Netzwerke der wechselseitigen Unterstützung entgegensetzend? Hat Familie als gelebte Weltinnenpolitik eine Zukunft? Wie können die Gegensätze, die Nationen trennen, überbrückt, verschwiegen, aufgedeckt, ausgetragen, ausgehalten, vielleicht sogar in eine Chance verwandelt werden, sich von den Bornierungen der nationalen Herkunft zu befreien?

Die bislang geltenden Prämissen

Wenn von Familie die Rede war, vor allem von ihrem innersten Kern, von Vater-Mutter-Kind, war damit implizit oder explizit immer die Erwartung räumlicher Nähe und direkten Zusammenlebens verbunden. Diese Regel schloß Phasen zeitweiligen Getrenntseins nicht aus, und hier wie bei anderen Regeln gab es Ausnahmen (Seefahrer-Familien zum Beispiel), aber grundsätzlich galt: Familie war face-to-face-Beziehung und meinte physische Anwesenheit. Das zeigt ein Blick in die Geschichte bzw. Begriffsgeschichte.

Bei allem Bedeutungswandel, den der Begriff im Lauf der Jahrhunderte durchmachte, blieb ein Merkmal erhalten, nämlich die Bindung an einen gemeinsamen Ort. Ja, mehr noch: Anfangs war die Ortsbindung das entscheidende Merkmal von Familie. Im antiken Rom meinte familia nicht diejenigen, die qua Abstammung oder Heirat miteinander verwandt waren, sondern all jene, die den Besitz eines Mannes ausmachten und zur großen Hausgemeinschaft gehörten: Ehefrau, Kinder, Sklaven, Freigelassene und Vieh. Erst allmählich, erst zu Beginn der Neuzeit, setzte sich ein immer engerer Familienbegriff durch, der sich schließlich allein auf die »in einem Haushalt zusammenwohnenden, miteinander verwandten Personen« bezog (Mitterauer/Sieder 1980: 19 f.). Und was immer in den letzten Jahrzehnten an neuen Lebensformen hervorgetreten ist, im Verständnis von Familie herrscht weiterhin der gemeinsame Ort als ein entscheidendes Merkmal vor. Nach einer weitverbreiteten, bis heute nachwirkenden Definition besteht die amerikanische Normalfamilie (Standard North American Family) aus einem heterosexuellen Ehemann, einer heterosexuellen Ehefrau und deren biologischen Kindern, die unter einem Dach leben; wobei der Ehemann im allgemeinen als der primäre Brotverdiener gilt (Harris 2008: 1408). Alle Säulen dieser Definition von Normalfamilie hat die Wirklichkeit zum Einsturz gebracht: die Heterosexualität der Eheleute, die biologische Elternschaft, das Merkmal des männlichen Brotverdieners sowieso. Aber die Wesensbestimmung, wonach Familien unter einem Dach leben müssen, diese Ein-Ort-Prämisse der face-to-face-Beziehung und direkten Interaktion, wurde nie wirklich in Zweifel gezogen.

Die Dach-Metapher schließt die nationale Zugehörigkeit ein: In der Rede von »der« Liebe, »der« Ehe, »der« Familie ist ganz selbstverständlich mitgedacht, daß die so miteinander verbundenen Menschen derselben Nation zugehören, dieselbe Muttersprache sprechen, dieselben Pässe besitzen und dementsprechend dieselben Staatsbürgerrechte genießen.

Was aber, wenn es das gemeinsame Haus oder gemeinsame Dach nicht mehr gibt, nicht oder nur selten Zeiten der gemeinsamen Anwesenheit? Kann man dann noch von Familie sprechen, oder existiert in diesem Fall keine Familie oder eine neue Form von Familie? Was, wenn kein gemeinsamer Haushalt mehr besteht, sondern mehrere Haushalte in mehreren Ländern? Was, wenn zur Familie Menschen unterschiedlicher Nationalität und kontinentaler Herkunft zählen? Wenn also ein Dach, ein Ort, ein Haushalt, eine Nationalität nicht mehr zu den grundlegenden Prämissen einer Familie gehören – ist diese Bezeichnung dann noch angemessen? Was heißt unter diesen Bedingungen familiäre Heimat und Herkunft? Wie wird das Paradox »globaler Intimität« lebbar?

5. Der Begriffsschlüssel: Zur Definition von »Weltfamilien«

Wir haben bisher von Weltfamilien (oder auch Fernfamilien, Globalfamilien) gesprochen und sie von Nationalfamilien (oder auch Nahfamilien, Lokalfamilien) unterschieden. Was aber sind Weltfamilien eigentlich? Wie kann man sie bestimmen? Wie sind sie zum Zentrum einer neuen diagnostischen Theorie und empirischen Forschung zu machen, die die globalisierten Landschaften von Intimität, Liebe, Elternschaft, Scheidung usw. erkunden?

Weltfamilien sind Familien, die über (nationale, religiöse, kulturelle, ethnische usw.) Grenzen hinweg zusammenleben; in denen das, was nach der vorherrschenden Definition nicht zusammengehört, zusammengehört. An die Stelle der Bindekraft vorgegebener Traditionen tritt aktives Vertrauen, soll gelingen, was im gängigen Verständnis nicht gelingen kann: der/die »fremde Andere« wird zum Liebsten und Nächsten.

Zwei Grundtypen lassen sich unterscheiden. Unter Fernliebe und Weltfamilien verstehen wir erstens Paare oder Familien, die getrennt über verschiedene Nationen oder Kontinente hinweg zusammenleben, aber derselben Herkunftskultur (Sprache, Paß, Religion) angehören (multilokale Weltfamilien). Ein Beispiel dafür ist die Hausarbeitsmigrantin, die von den Philippinen kommt, dort Mann und Kinder hat, aber in Los Angeles arbeitet, um mit ihrem Verdienst die Familie daheim zu ernähren (siehe dazu Kapitel VI). Unter Fernliebe und Weltfamilien verstehen wir zweitens solche Paare oder Familien, die am selben Ort zusammenleben, deren Mitglieder jedoch aus unterschiedlichen Ländern bzw. Kontinenten kommen und deren Verständnis von Liebe und Familie wesentlich durch diese Herkunftskulturen geprägt ist. Hier können wir uns als Beispiel eine Familie vorstellen, in der der Mann US-Amerikaner ist, die Frau Chinesin, die mit ihren Kindern zusammen in London leben (multinationale bzw. multikontinentale Weltfamilien).Gemeinsam ist jedoch beiden Varianten von Weltfamilien: Sie sind der Ort, an dem sich die Differenzen der globalisierten Welt im wörtlichen Sinne verkörpern. Ob die Liebenden oder Familienmitglieder es wollen oder nicht, sie werden im Binnenraum des eigenen Lebens mit der Welt konfrontiert.2)

Diese Definition ist einfach und unmittelbar verständlich. Sie hat allerdings, schaut man genauer hin, einen Mangel: Sie greift zu kurz. Sie kann die Vielfalt der Weltfamilien nicht erfassen. Schnell fallen uns Beispiele ein, die nicht oder nur mit erheblichen Verbiege-Aktionen in unser Definitionsschema passen. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Wie ist die zweite oder gar dritte Generation von Zuwanderern aus anderen Ländern bzw. Kontinenten zu betrachten, insofern diese mit Partnern/Partnerinnen aus der Mehrheitsgesellschaft Familien gründen?

Hier kommt unsere schöne, einfache Definition offensichtlich an ihre Grenzen. Deshalb schlagen wir folgende Ergänzung vor: Ob solche Fälle einer Weltfamilie zuzurechnen sind, hängt davon ab, ob über Ländergrenzen bzw. Kontinente hinweg dauerhafte existentielle Beziehungen zur »anderen« Herkunftskultur aktiv gepflegt werden. Das ist beispielsweise schon dann der Fall, wenn Großeltern in Istanbul und Enkeltöchter in Ulm sich jeden Morgen sehen und viele Geschichten erzählen – über Skype. Weil eine enge, regelmäßige, emotional wichtige Verbindung zwischen den Kulturen besteht, erscheint es uns sinnvoll, hier von Weltfamilie zu sprechen.

Und wo wollen wir Susan und Liz, zwei Schwestern aus einer englisch-pakistanischen Familie einordnen? Der Vater, Pakistani, ist kurz nach der Geburt der jüngeren Tochter in die Heimat zurückgekehrt und seitdem verschwunden. Die beiden Mädchen sind in Lancaster geboren, leben dort mit der Mutter, waren noch nie in Pakistan und haben keinerlei Kontakt zur väterlichen Familie. Doch während Susan im Äußeren eher nach der Mutter gerät, mit hellen Haaren und Sommersprossen, ähnelt Liz ganz ihrem Vater, hat dunklere Haut und schwarze Haare – und wird deshalb immer wieder nach ihrer Herkunft gefragt, auch angepöbelt und als »Paki« beschimpft. Die beiden sind also am selben Ort, Lancaster, beide sprechen Lancaster-Dialekt, sind der Religionszugehörigkeit nach anglikanisch, kennen niemanden von den Verwandten im fernen Pakistan. Und doch ist ihre Situation an einem entscheidenden Punkt anders. Susan, äußerlich kaum zu unterscheiden von anderen Mädchen aus der Mehrheitsgesellschaft, denkt selten an die pakistanische Seite ihrer Herkunft. Liz dagegen wird ständig daran erinnert, fühlt sich oft als Außenseiterin und immer nur bedingt akzeptiert. Susan, so würden wir nach diesen biographischen Stichworten sagen, lebt weitestgehend in einer Nahfamilie (Nationalfamilie, Lokalfamilie). Liz dagegen, der Pakistan sozusagen ins Gesicht geschrieben steht, ist gegen ihren Willen unauflöslich mit diesem Land verbunden, weil die Mehrheitsgesellschaft sie zu einer »Pakistani« macht. Sie ist – durch die Zufälle der Biologie bzw. Genetik, die sich verbinden mit den Stereotypen und Vorurteilen ihrer Umwelt – im gewissen Sinne Teil einer Weltfamilie geworden.

An solchen Beispielen sieht man, unsere schöne, einfache Definition beschreibt zwar wesentliche Merkmale in der Architektur von Weltfamilien. Für eine Zuordnung reicht das jedoch vielfach nicht aus. Die Realität ist vielfältiger, bunter, verwirrender, als Schubladen wie »geographisch getrennt« oder »gleiche Herkunftskultur« suggerieren.

Mehr noch, bei genauerem Hinschauen wird sichtbar: Weltfamilie und Nationalfamilie sind keine absoluten Gegensätze, sondern die beiden Enden eines Kontinuums, das viele Zwischenformen, Nebenformen, Mischformen hat. Diese Unschärfe ist nicht Ergebnis einer ungenauen Analyse, sie ist vielmehr ein wesentliches Merkmal der Wirklichkeit.

Weltfamilie und Nationalfamilie sind idealtypische Begriffe, soziologisch gesprochen. Die Familienkonstellationen dagegen, die wir in der Realität antreffen, sind oft nicht eindeutig und ein für allemal der einen oder anderen Seite zuzuordnen. Sie haben unscharfe Ränder, bilden Übergangszonen, sie wandeln sich und sind im Fluß, sie gehören manchmal mehr in dieses Kästchen oder in jenes, je nach Lebensgeschichte, biographischer Phase, äußeren Zufällen und nicht zuletzt (das werden die folgenden Kapitel zeigen) nach gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: Herrschaft, Politik, Gesetzgebung, Fremdstereotypen usw. Die Logik solcher Familienkonstellationen ist also nicht die des Entweder-Oder, sondern die des Mehr-oder-Weniger: mehr Weltfamilie die einen, mehr Nationalfamilie die anderen. Um es mit einem Vergleich zu sagen: Ein bißchen schwanger gibt es nicht. Aber ein bißchen Weltfamilie gibt es schon.

So einfach ist unsere Antwort auf die Frage: Was sind Weltfamilien? Und so kompliziert, ausführlich, detailabhängig und mehrdeutig wird diese Antwort, wenn man die vorgeschlagene Definition anwendet, um die neuen Landschaften der Fernliebe zu erkunden.

Man mag einwenden, der Begriff »Familien« in »Weltfamilien« ignoriere die Pluralität von Familienformen, wie sie im Feld kulturell homogener Lebensformen längst (an)erkannt sei und die wir in unserem Buch Das ganz normale Chaos der Liebe (1990) bereits zum Thema gemacht haben. Ist es nicht ein Anachronismus, von Weltfamilien zu sprechen? Wäre es nicht notwendig, von Welt-Lebensabschnittsgefährten, Welt-Fortsetzungsfamilien, Welt-Nachscheidungselternschaft, Welt-Alleinerziehenden usw. zu sprechen?

Doch darin liegt die Pointe: Im (pauschal gesagt) nicht-westlichen Verständnis sind Weltfamilien tatsächlich Familien im traditionalen Sinn, viel stärker, als dies im westlichen Horizont der Fall ist. Ein Begriff von Weltfamilien, der sich dem kulturell homogenen Verständnis von Familie und Gesellschaft verweigert, muß diese Spannung zwischen den Welten nicht nur aushalten, er muß sie zum Ausdruck bringen. Deshalb gerät das kontextuell plurale Verständnis von Weltfamilien in die Grabenkonflikte, die global um das Verständnis der »guten Familie« ausgetragen werden. Die Kontextualität von Weltfamilien läßt sich auf eine Paradoxie zuspitzen: Wenn wir nicht anachronistisch sein wollen, müssen wir einen Begriff von Weltfamilien bilden, der in dem Erfahrungshorizont des Westlers anachronistisch erscheint. (Im übrigen sprechen wir bewußt von Weltfamilien, weil dieser Plural im üblich gewordenen Wortgebrauch der Soziologie auch nicht-eheliche, nach-eheliche, homo- und heterosexuelle Paare, Mutterschaft, Vaterschaft usw. umfaßt.)

Spätestens hier stellt sich auch die Frage: Was meinen wir, wenn wir von »Wir« sprechen? Wir Autoren? Wir Sozialwissenschaftler? Wir Deutsche? Wir Bewohner der Ersten Welt? Wir Angehörige der Menschheit? Wir Angehörige einer Weltfamilie? Solche Fragen lassen ahnen: Das scheinbar harmlose Wort »Wir« hat eine fatale Neigung, die Gegensätze der Welt zu überdecken und die Besonderheit des eigenen Standorts vergessen zu machen. Dieses Problem stellt sich gerade dann, wenn man sich mit Weltfamilien und den in ihnen brodelnden Verständnisgegensätzen befaßt. Wir, die Autoren, haben diese Wir-Falle deutlich vor Augen – und sind uns gleichzeitigt bewußt, daß auch wir in sie hineingetappt sind.


2)

  

Zu Dimensionen von Welt in Weltfamilien – der globale Andere wird Teil unseres Lebens; grenzenübergreifende Kommunikation; Weltungleichheit bekommt Gesichter und Namen; zwischen nationalstaatlichen Rechtsordnungen; der Glaubenskrieg um die »gute Familie« – siehe Kapitel IX; zur aktuellen gesellschaftstheoretischen Debatte um Liebe und Intimität in der Moderne siehe unsere Unterscheidung von nationalstaatlichem, universalistischem und kosmopolitischem Ansatz Seite 91f. sowie die Einleitung.

6. Von einer »Kultur« der Weltfamilien zu sprechen ist ein Widerspruch in sich

Im Übergang von Nationalfamilien zu Weltfamilien wandelt sich das Verständnis von Kultur. Von einer »Kultur« der Weltfamilien zu sprechen ist ein Widerspruch in sich, denn »weltfamiliäre Kultur« kann nicht als Einheit gedacht werden; »Weltfamilien« bezeichnet den Gegenbegriff zu einer Vision relativ getrennter kultureller Welten, in denen die Menschen nebeneinander leben – nach dem Muster politisch oder administrativ geteilter Territorien.

Für Weltfamilien gilt nicht, daß man eine Kultur betritt, wenn man die andere verläßt; gilt nicht, daß man sich zwischen verschiedenen Kulturen hin- und herbewegen kann; gilt auch nicht, daß man zu jedem Zeitpunkt mit ziemlicher Präzision sagen kann, in welcher Kultur man sich befindet und auf welche man sich zubewegt. Der Begriff »Weltfamilien« gewinnt seinen Sinn aus der Negation dieser Vorstellung von Kulturen als natürlichen Einheiten, die man nicht wählen kann, zu denen man schicksalhaft dazu- oder nicht dazugehört.

Dieses Verständnis von »Kultur« negiert auch die Vorstellung, wonach jenes Eingebundensein in eine ethnische oder nationale Einheit der »natürliche« Zustand des In-der-Welt-Seins ist, während alle anderen Zustände – sich zwischen den Kulturen zu bewegen, von verschiedenen Herkünften zu zehren und verschiedenen nationalen Loyalitäten unterworfen zu sein – »unnormal«, »hybrid«, ja »gefährlich« sind. Diese Annahmen einer in sich homogenen und begrenzten »Kultur« sind im wahrsten Sinne des Wortes blutbefleckt, das Produkt kultureller Kreuzzüge, erzwungener Assimilation und machtgeleiteter Nationenbildung.