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1. Auflage 2013
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© 2013 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart
Umschlag: Gestaltungskonzept Peter Horlacher
Umschlagabbildung: © istockphoto.com/Mark Bowden
Gesamtherstellung:
W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-022253-3
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-023886-2
epub: ISBN 978-3-17-025536-4
mobi: ISBN 978-3-17-025427-5
An der Betreuung der schwangeren Frau sind häufig unterschiedliche Professionen beteiligt, insbesondere dann, wenn bei einer Vorsorgeuntersuchung Auffälligkeiten beim ungeborenen Kind festgestellt werden. Die schwangere Frau bzw. das Paar ist in diesem Fall mit einer Fülle medizinischer Informationen konfrontiert, die nicht selten zu einer hohen emotionalen Belastung und Verunsicherung führt. Um sie in dieser Situation bei Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu unterstützen, stehen ihr neben der ärztlichen Beratung weitere nichtmedizinische Beratungsangebote zur Verfügung. Diese werden jedoch kaum in Anspruch genommen. Eine mögliche Ursache besteht darin, dass die Schwangerschaftsvorsorge und -beratung wie viele andere Bereiche der Gesundheitsversorgung durch eine ausgeprägte Sektoralisierung medizinischer und nichtmedizinischer Betreuungs- und Beratungsangebote gekennzeichnet sind. Diese strukturelle Gegebenheit könnte dazu beitragen, dass die schwangere Frau bzw. das Paar in Krisensituationen das Angebot einer psychosozialen Beratung häufig nicht wahrnimmt, obwohl diejenigen, die eine solche Beratung in Anspruch genommen haben, diese als hilfreich und positiv bewerten. Es wird daher von verschiedenen Seiten die Zusammenarbeit aller in der Schwangerenbetreuung tätigen Professionen empfohlen, um Versorgung und Beratung im angemessenen zeitlichen Rahmen und an den unterschiedlichen Bedürfnissen der schwangeren Frau orientiert anbieten zu können. Verstärkt wird die Forderung nach einer besseren berufsübergreifenden Kooperation durch das Gendiagnostik-Gesetz (GenDG) und vor allem das Schwangerschaftskonfliktgesetz (§ 2a SchwKG). Sie implizieren eine Vernetzung der unterschiedlichen Berufsgruppen, insbesondere von medizinischer Betreuung und psychosozialer Beratung und Begleitung. Dennoch stehen unterschiedliche Hindernisse einer Vernetzung der verschiedenen Berufsgruppen häufig im Wege. Werden die Ursachen hierfür den Beteiligten nicht genügend transparent, führen nicht selten Missverständnisse und Frustration zu einem Rückzug oder einer Ablehnung interprofessioneller Kooperationsbeziehungen.
Das vorliegende Buch ist das Ergebnis eines Projekts, das darin bestand, Erfahrungen und mögliche Probleme der Kooperation und Vernetzung aus der Perspektive von Experten zu betrachten, die nicht in die Betreuung und Beratung schwangerer Frauen involviert sind, sich jedoch wissenschaftlich und praktisch mit Fragen multiprofessioneller Vernetzung beschäftigen. Dazu wurde ein Austausch zwischen den in der Praxis der Beratung schwangerer Frauen tätigen Professionen mit Wissenschaftlern aus der Vernetzungsforschung – also Organisationspsychologie, Kommunikationsforschung, Professionssoziologie, Sozialforschung, Medizinrecht bzw. Medizinethik – organisiert. Ziel des Projekts war, die Erkenntnisse der Vernetzungsforschung in Bezug zu den Erfahrungen der Experten aus der Schwangerenberatung zu setzen und für Kooperationen in diesem Bereich nutzbar zu machen. Dazu wurden 1.) Beispiele aus der medizinischen und psychosozialen Schwangerenbetreuung und -beratung vorgestellt und aus der Perspektive der verschiedenen wissenschaftlichen Experten analysiert, 2.) die Einflüsse verschiedener Rahmenbedingungen auf die Bildung und Pflege von Netzwerken der an der Schwangerenberatung beteiligten Professionen und Organisationen diskutiert und 3.) Erkenntnisse der wissenschaftlichen Kooperationsforschung in Beziehung zur Beratungspraxis schwangerer Frauen gesetzt. Die eingebrachten Erfahrungen und die bei den Diskussionen gewonnenen Erkenntnisse sind wesentlich in die Beiträge dieses Buches eingeflossen. Sie sollen diejenigen unterstützen, die eine Vernetzung ihrer Fachkompetenzen im Sinne einer an den Bedürfnissen der Schwangeren orientierten Beratung anstreben.
In Kap. 1 gibt Christa Wewetzer einen Überblick über den Beratungsbedarf, der sich aus Sicht der medizinischen und psychosozialen Betreuung schwangerer Frauen im Zusammenhang mit den verschiedenen Untersuchungen des Embryos bzw. Feten im Verlauf der Schwangerschaft ergeben kann. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Schnittstellen zwischen ärztlicher und psychosozialer Beratung. Deren Vernetzung bzw. Kooperation könnte dazu beitragen, den Erwartungen der schwangeren Frau an eine umfassende Beratung besser gerecht zu werden.
Der Gesetzgeber hat mit der Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) und der Verabschiedung des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) die interdisziplinäre und multiprofessionelle Beratung gesetzlich verankert. Anne Rummer benennt in Kap. 2 zunächst die Entscheidungssituationen, in denen der Gesetzgeber eine umfassende Beratung schwangerer Frauen fordert, und untersucht, warum die Beratung als ein so wichtiges Element in diesen Situationen angesehen wird. Anschließend erläutert sie die gesetzlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit von Ärzten und Psychosozialen Beratungsstellen. Mit ausgewählten Studienergebnissen zeigt sie schließlich, wie die gesetzlichen Vorgaben in die Praxis umgesetzt werden.
Die Kap. 3, 4 und 5 beschäftigen sich mit Fragen der Vernetzung aus wissenschaftlicher Perspektive.
Angesichts einer immer stärkeren Ausdifferenzierung von Disziplinen, Professionen und Versorgungsformen wird Kooperation, ebenso wie Koordination und Vernetzung, immer mehr auch zu einer eigenständigen fachlichen und organisatorischen Aufgabe. Karl Kälble thematisiert vor dem Hintergrund dieser Ausgangslage aus einer wissenschafts- und berufssoziologischen Perspektive verschiedene Erscheinungsformen sowie Möglichkeiten und Grenzen interprofessioneller bzw. interdisziplinärer Kooperation. Er beschreibt die Initiierung und Arbeit in Kooperationsbeziehungen als durchaus steinigen Prozess und gibt u. a. Handlungsempfehlungen für den erfolgreichen Aufbau einer Kooperation.
Im Rahmen der Forschungsprojekte von Henning Staar zur Organisation und Steuerung von Kooperationen unter anderem in der Gesundheitswirtschaft hat sich die »Verbindlichkeit« als wesentlicher Schlüsselfaktor für den Erfolg multiprofessioneller Zusammenarbeit herausgestellt. Diese Erkenntnisse überträgt er auf die Kooperation zwischen Ärzten und Psychosozialen Beratungsstellen bei der Beratung schwangerer Frauen.
Spezielle Erfahrungen für den Bereich der Versorgung schwangerer Frauen liegen aus einem Modellprojekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Implementierung Interprofessioneller Qualitätszirkel (IQZ) vor. Ottomar Bahrs stellt dar, welchen Beitrag sie für die Versorgungsqualität schwangerer Frauen leisten können und benennt u. a. Bedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung.
Die Beratung im Zusammenhang mit einer Pränataldiagnostik erfordert unterschiedliche Kompetenzen, z. B. verständliche Vermittlung medizinischer Sachverhalte, Intervention bei emotionalen Krisen aufgrund eines Befunds oder die Unterstützung bei Entscheidungen, die sich auf das zukünftige Leben des Paares auswirken. Jürgen Kasper und Daniela Reitz beschäftigen sich mit der Frage, wodurch die Beratungsqualität in diesen Bereichen gekennzeichnet ist ( Kap. 6). Sie stellen in ihrem Beitrag eine Methode zur Messung von Beratungsqualität – Qualität im Sinne professionsspezifischer Kompetenzen – vor. Am Beispiel einer Fallstudie wurden Kompetenzprofile der an der Beratung beteiligten Professionen – Pränatalmediziner, Hebamme, psychosoziale Beraterin – erstellt. Diese wiesen in einigen Bereichen Gemeinsamkeiten auf. Demgegenüber ergaben sich z. B. in Bezug auf die Häufigkeit der aktiven Gesprächsbeteiligung der Patientin Unterschiede zwischen der ärztlichen und der nichtärztlichen Beratung.
Fülop Scheibler, Susanne Müller und Jürgen Kasper stellen in ihrem Beitrag eine Studie zur Qualität und Wirksamkeit verschiedener Informationsformen über vorgeburtliche Untersuchungen vor ( Kap. 7). Vorbereitende oder begleitende schriftliche und visuelle Informationen können die Kommunikation zwischen den Beteiligten – den unterschiedlichen Professionen und der schwangeren Frau bzw. dem Paar – fördern. Darüber hinaus kann die gemeinsame Arbeit der unterschiedlichen Akteure eines Netzwerks an einer Entscheidungshilfe zum gegenseitigen Kennenlernen und zum Verständnis der jeweils anderen Perspektive beitragen.
Die folgenden Beiträge vermitteln Erfahrungen der an der Beratung beteiligten Professionen.
Robin Schwerdtfeger beschreibt die Komplexität der Beratung bei Pränataldiagnostik und die umfangreichen Anforderungen, die sich für den niedergelassenen Pränatalmediziner aus den gesetzlichen Regelungen der Beratung ergeben ( Kap. 8). Eine Vernetzung mit nichtmedizinischen Beratungsangeboten ist für eine umfassende Beratung unerlässlich, erfordert jedoch von allen Beteiligten eine hohe persönliche Motivation, da es an Ressourcen für den Aufbau der dazu notwendigen Strukturen fehlt.
Die medizinische Schwangerenvorsorge trägt dazu bei, dass immer mehr Schwangerschaften als »Risikoschwangerschaft« eingestuft werden. Dies führt aus Sicht der Hebamme Silvia Höfer zu einer wachsenden Verunsicherung schwangerer Frauen ( Kap. 9). Die Betreuung durch Hebammen könnte dazu beitragen, Schwangerschaft als normales Geschehen zu erleben. Hebammen betreuen auf der Grundlage ihrer Ausbildung und ihrer Berufsordnung die Frau in der Schwangerschaft sowie während und nach der Geburt. Bei Problemen während der Schwangerschaft veranlassen sie die ärztliche Untersuchung. Sie haben eine Lotsinnenfunktion innerhalb der medizinischen und nichtmedizinischen Schwangerenvorsorge sowie der nachgeburtlichen Betreuung des Kindes und der Mutter bzw. der Eltern.
Kap. 10 von Martina Weiß und Ottomar Bahrs ist vor allem geprägt von der langjährigen Erfahrung der Erstautorin, Martina Weiß, als psychosoziale Beraterin und Moderatorin Interdisziplinärer Qualitätszirkel. Aus ihrer Sicht wird von der Beratung erwartet, problematische oder unübersichtliche Probleme zu lösen, die wie bei der Schwangerenvorsorge durch technische Fortschritte und gesellschaftliche Rahmenbedingungen hervorgerufen werden. Ausgehend von einem unzweifelhaften Nutzen einer multiprofessionellen Kooperation für die schwangere Frau bzw. die werdenden Eltern weisen die Autoren auf die Gefahr hin, Beratung gesellschaftlich zu instrumentalisieren, indem eigentlich »unmögliche Entscheidungen« an die Beteiligten – an Beratende und die schwangere Frau bzw. die werdenden Eltern – delegiert werden. Die Ambivalenz der Beratung besteht in ihrer doppelten Aufgabe, sowohl die individuelle Entscheidungsfindung der Eltern zu fördern als auch ihnen die ethische Dimension des Schwangerschaftskonflikts bewusst zu machen. Des Weiteren kritisieren die Autoren, dass die Bedürfnisse der schwangeren Frau bei der Planung von Angeboten nicht berücksichtigt werden. Sie wird einmal mehr zur Hilfsbedürftigen gemacht, indem davon ausgegangen wird, dass sie Unterstützung benötigt.
Der abschließende Beitrag von Angela Kessler-Weinrich beschäftigt sich mit Aufgaben der Klinikseelsorge im Zusammenhang mit Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbrüchen in einem evangelischen Krankenhaus ( Kap. 11). Sie beschreibt das Vorgehen bei Entscheidungen bzgl. eines Schwangerschaftsabbruchs nach Pränataldiagnostik anhand eines innerhalb der Klinik entwickelten Leitfadens und betont die Beteiligung der Klinikseelsorge an der Leitfadenentwicklung auf institutioneller Ebene. Die individuelle seelsorgerliche Begleitung der Frauen und Paare bei einem Schwangerschaftsabbruch ist wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit. Eine weitere Aufgabe, die jedoch selten bewusst wahrgenommen wird, ist die Seelsorge für das an Abbrüchen beteiligte Klinikteam. Etwas von der schweren Begleitung der Eltern an die Seelsorgende abgeben zu können, wird als Entlastung und Unterstützung erlebt.
In einem Nachwort stellen Christa Wewetzer und Marlis Winkler den weiteren Diskussions- und Forschungsbedarf zu verschiedenen Aspekten der interdisziplinären Kooperation in der Beratung schwangerer Frauen heraus.
Ein Dank geht an alle Autorinnen und Autoren, die sich an diesem Buch nicht nur mit ihren Beiträgen beteiligt haben, sondern Zeit in einen intensiven interdisziplinären Austausch im Verlauf mehrerer Workshops oder per Mail investiert haben. Ohne die Unterstützung bei der redaktionellen Arbeit durch Henning Staar und seine wissenschaftlichen Hilfskräfte wäre der Zeitplan für die Fertigstellung des Buchs nicht einzuhalten gewesen. Ein besonderer Dank gilt der fachlichen Beratung durch die Kooperationspartnerin im Diakonischen Werk der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Marlis Winkler, und an die Hanns-Lilje-Stiftung. Ihre Förderung hat dieses Projekt ermöglicht.
Hannover, im August 2013
Christa Wewetzer
Die Beratung hat wohl in kaum einem anderen Bereich der Medizin eine so weitreichende Bedeutung erhalten wie in der Pränataldiagnostik. Der Gesetzgeber hat sie in mehreren Gesetzen detailliert geregelt, die Bundesärztekammer und Fachgesellschaften der verschiedenen an der Schwangerenbetreuung beteiligten Ärzte haben Richtlinien entwickelt. Dieses ist der besonderen Situation der Pränataldiagnostik geschuldet: Patientin ist zwar die schwangere Frau, doch untrennbar mit einer Untersuchung verbunden und von den Ergebnissen betroffen ist immer auch das ungeborene Kind. Wird eine nichtbehandelbare, lebensbedrohliche Krankheit diagnostiziert, erlaubt der Gesetzgeber allein in diesem Bereich eine Abwägung, die auch das Töten des Feten zulässt, wenn ein Konflikt auf andere Weise nicht gelöst werden kann. Da sich die Pränataldiagnostik seit den 1990er Jahren erheblich weiterentwickelt hat – vor allem durch molekulargenetische Untersuchungen und Bildgebung durch Ultraschall – und von einer wachsenden Zahl Schwangerer in Anspruch genommen wird, werden immer mehr Frauen in ihrer Schwangerschaft mit Entscheidungen im Zusammenhang mit diesen Techniken konfrontiert. Eine ausführliche Beratung soll dazu beitragen, der Schwangeren ihre Verantwortung für das Kind bewusst zu machen. Wie in allen anderen Bereichen der Medizin setzen auch diese Untersuchungen eine informierte Einwilligung (»informed consent«) voraus. Eine informierte Einwilligung wiederum ist sowohl ethisch als auch rechtlich daran gebunden, dass die Schwangere Informationen über Ziel, Verlauf und Risiken der Untersuchung erhält und in die Lage versetzt wird, die Konsequenzen bewerten zu können. Letzteres ist insbesondere dann relevant, wenn die Auswirkungen einer diagnostizierten Entwicklungsstörung oder Erkrankung auf die Gesundheit des Kindes nicht sicher prognostiziert werden können bzw. keine Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Beratung stellt sich damit in der Praxis als komplexes Feld dar, in dem vielfältige Kompetenzen der beratenden Professionen erforderlich sind. Wenn die ärztliche Beratung im Zusammenhang mit einer Pränataldiagnostik mit einer Dreiteilung beschrieben werden kann, 1. Beratung als Grundlage weiteren medizinischen Handelns, 2. Beratung zur Einschätzung von Folgen eines medizinischen Eingriffs für das weitere Leben der Schwangeren und 3. Beratung für Situationen, in denen es nicht um einen medizinischen Eingriff per se geht, sondern ausschließlich um Entscheidungen, welche die spätere Lebensplanung betreffen, geht vor allem letztere über die Reichweite ärztlicher Verantwortung hinaus. Denn die Konsequenzen einer Entscheidung trägt allein die Schwangere bzw. das Paar und die Familie und kann auch letztlich nur von ihr beurteilt werden. Für die Beratung der Schwangeren werden daher »übergreifende Beratungskonzepte« gefordert, die Patientinnen, hier die Schwangeren, stärker in die Entscheidungsfindung einbeziehen und damit auch eine größere Mitverantwortung für Entscheidungen bei Pränataldiagnostik auf die Schwangere übertragen1. Dem Anspruch einer gemeinsamen Entscheidungsfindung (»shared decision making«, Kap. 6) kann jedoch nur entsprochen werden, wenn Beratung als Entscheidungsfindungsprozess sichergestellt ist. Ein Beratungsangebot, das hinsichtlich des Zeitpunkts, des Orts und des zeitlichen Bedarfs den Bedürfnissen der schwangeren Frau entspricht, kann sie bzw. das Paar in die Lage versetzen, medizinische Sachverhalte zu verstehen und zu verarbeiten. Durch die Reform des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) und das Inkrafttreten des Gendiagnostikgesetzes (GenDG), 2010, hat der Gesetzgeber Aufgaben ärztlicher Beratung bei Pränataldiagnostik detaillierter geregelt und der nichtmedizinischen Beratung eine größere Bedeutung verliehen. Insbesondere die Vorgaben durch das SchKG implizieren die Kooperation zwischen den medizinischen und psychosozialen Professionen sowie mit Betroffenen-Verbänden, Selbsthilfegruppen und Fördereinrichtungen. Damit soll der Schwangeren bzw. dem Paar und ihrer Familie ein Netzwerk unterstützender Angebote zur Verfügung gestellt werden. Die medizinische bzw. geburtshilfliche Betreuung durch Gynäkologie, Pränataldiagnostik, Humangenetik, Pädiatrie, Hebammen sowie nichtmedizinische Hilfsangebote, vor allem von psychosozialen Beratungseinrichtungen, Behinderteneinrichtungen und Selbsthilfegruppen stellen ein Potenzial dar, das eine den Bedürfnissen der Schwangeren angepasste Entscheidungshilfe gewährleisten soll. Dieses entspräche einem ganzheitlichen, schwangerenzentrierten Ansatz einer begleitenden Betreuung und Beratung und somit auch den komplexen Herausforderungen, die sich bei der Pränataldiagnostik ergeben können. Bisher jedoch ist die Schwangerenberatung in starkem Maße in die medizinische und die nichtmedizinische sektoralisiert ( Abb. 9.1). Die Betreuung und Beratung durch freiberufliche Hebammen nimmt dabei nochmals eine Sonderstellung ein. Da die Schwangerenbetreuung zu etwa 95 % durch Ärzte2 erfolgt, sind diese auch bei Problemen in der Schwangerschaft die ersten Ansprechpartner. Hebammen und die nichtmedizinischen psychosozialen Beratungsangebote werden von den Schwangeren kaum wahr- und in Anspruch genommen. Wie Erfahrungen vor allem von Interdisziplinären Qualitätszirkeln zeigen, kann durch eine Vernetzung der beteiligten Professionen und Einrichtungen eine bessere schwangerenzentrierte Beratung zur Verfügung gestellt werden. Eine berufsgruppenübergreifende Kooperation erfordert einen erheblichen zeitlichen, personellen Einsatz. Des Weiteren müssen die unterschiedlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, unter denen die an der Schwangerenbetreuung und -Beratung beteiligten Berufsgruppen arbeiten.
Dieser Beitrag will eine Übersicht über die unterschiedlichen Anforderungen und Ansätze der ärztlichen und psychosozialen Schwangerenberatung geben. Dazu werden zunächst die wesentlichen Möglichkeiten der Pränataldiagnostik dargestellt sowie der Beratungsbedarf, der sich daraus ergibt. Anschließend werden Aspekte der ärztlichen und psychosozialen Beratung erläutert. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei dem Wandel dieser Beratungsansätze, den sie im Verlauf einer sich weiterentwickelnden Pränataldiagnostik erfahren haben, und der Frage, in wieweit sie den Bedürfnisse der Schwangeren entsprechen.
Die Pränataldiagnostik ist Bestandteil der Pränatalmedizin, die sich wiederum als Teilbereich der Frauenheilkunde entwickelt hat. Im engeren Sinn können unter Pränataldiagnostik spezielle Untersuchungen auf Fehlbildungen oder Erkrankungen des Embryos bzw. Feten verstanden werden. Bei großzügiger Auslegung umfasst die Pränataldiagnostik jede Untersuchung zur Überprüfung des mütterlichen oder fetalen Wohlergehens. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den Untersuchungen, die im Rahmen der normalen ärztlichen Mutterschaftsvorsorge durchgeführt werden, und den speziellen, weiterführenden Untersuchungen sowie zwischen nichtinvasiven und invasiven Untersuchungen.
Die allgemeinen Untersuchungen werden üblicherweise von den die Schwangerschaft betreuenden Frauenärzten durchgeführt. Bei diesen Untersuchungen werden die Einflüsse der mütterlichen Gesundheit auf die Entwicklung des Feten geprüft, z. B. durch Bestimmung des Hämoglobinwerts oder von Antikörpern gegen Rötelviren im Blut der schwangeren Frau. Weiterer Bestandteil der Vorsorgeuntersuchungen sind drei Basisultraschalluntersuchungen in der 10+, 20+ und 30+ Schwangerschaftswoche (SSW), die direkt die Entwicklung des Embryos bzw. Fötus betreffen. Hinzukommt in Zukunft noch die Wahlmöglichkeit zwischen der zweiten Basisuntersuchung und einer erweiterten Basisuntersuchung in der 20+ SSW, die ebenfalls vom betreuenden Frauenarzt durchgeführt wird. Sie sollen der Überwachung einer normal verlaufenden Schwangerschaft dienen (GBA 2012, S. 6). Allerdings können sich je nach Qualität der Geräte und der Erfahrung der Untersuchenden bereits Hinweise auf Fehlbildungen und Erkrankungen ergeben (IQWiG 2008, S. 100), die einem »auffälligen Befund« im Sinne des § 2 a SchKG entsprechen und eine psychosoziale Beratung notwendig machen.
Nicht zur Routinediagnostik gehörend, aber häufig von den betreuenden Frauenärzten durchgeführt ist das Ersttrimesterscreening. Diese Untersuchung wird zwischen der 11. und 13+6. SSW durchgeführt und beinhaltet die Ultraschalluntersuchung der Scheitel-Steißlänge und der Nackentransparenz des Embryos. In Kombination mit der Bestimmung von zwei Plazenta-Hormonen (PAPP-A und freies ß-HCG) wird daraus die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Chromosomenanomalie (Trisomie 21, 13 und 18) errechnet. Die Detektionsrate liegt bei 80–90 % bei einer falsch-positiven Rate von 5 %. Da diese Untersuchung nicht zur Routinediagnostik gehört, muss sie von der schwangeren Frau selbst getragen werden (IGe-Leistung). Haben sich aus vorhergehenden Untersuchungen Hinweise auf Entwicklungsstörungen ergeben oder soll ein Befund abgesichert werden, sind diese weitergehenden Ultraschalluntersuchungen und biochemischen Tests Bestandteil der Mutterschaftsrichtlinie und damit eine erstattungsfähige Kassenleistung3. Die Zuverlässigkeit, mit der Fehlbildungsrisiken durch Ultraschalluntersuchungen, vor allem durch das Ersttrimesterscreening, erkannt werden, hängt wesentlich von der Leistungsfähigkeit der Geräte und von der Erfahrung der zumeist niedergelassenen Gynäkologen ab (IQWiG 2008; Wieacker und Steingart 2010). Bei auffälligen Befunden wird der schwangeren Frau eine weitere Abklärung durch eine weiterführende Diagnostik bei spezialisierten Pränatalmedizinern empfohlen ( Kap. 1.1.2). In dieser Situation können für die schwangere Frau bzw. die Eltern eine erhebliche Verunsicherung und emotionale Belastungen entstehen. Um die Eltern dann bei Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu unterstützen, ist das Einbeziehen einer professionellen psychosozialen Beratung zu empfehlen und durch den Arzt zu vermitteln.
Ein weiteres nichtinvasives Verfahren beruht auf der Untersuchung embryonaler bzw. fetaler DNA in Blutproben der Schwangeren auf Trisomie 21. Die Entdeckung, dass im mütterlichen Blut bereits kurz nach der Einnistung des Embryos in die Gebärmutter fetale DNA nachweisbar ist, hat zur Entwicklung von für diagnostische Zwecke einsetzbaren Tests geführt. Voraussetzungen für den Test sind Hoch-Durchsatz-Sequenziergeräte zur raschen Vervielfältigung zellfreier DNA und bioinformatische Auswertungsprogramme zur Erkennung und Berechnung fetaler DNA-Anteile in mütterlichem Blut. Wird ein erhöhter Anteil von Sequenzen des Chromosoms 21 ermittelt, liegt mit nahezu 100 %iger Sicherheit ein Down Syndrom vor (Fan et al. 2008). Der Test kann bereits in der zehnten SSW durchgeführt werden. In Deutschland wurde der Test Mitte 2012 für die Gruppe der Schwangeren zugelassen, bei denen vorherige Untersuchungen wie z. B. das Ersttrimesterscreening ein erhöhtes Risiko für ein Kind mit Trisomie 21 ergeben haben. Der nichtinvasive Test soll dazu beitragen, die Gruppe der Schwangeren, denen eine invasive Untersuchung empfohlen wird, noch weiter einzugrenzen (Hoffmann 2012; LifeCodexx 2012). Mit der Einführung des Tests setzt sich eine Tendenz fort, die mit dem Einsatz nichtinvasiver Verfahren zu Beginn der 1990er Jahre begann. Nichtinvasive Untersuchungen sollen weiterentwickelt werden und die invasiven Verfahren so weit wie möglich ersetzen. Wie Erfahrungen mit dem Einsatz hochauflösender Ultraschall- und serologischer Untersuchungen aus den vergangenen Jahren zeigen, konnte die Zahl der Chorionzottenbiopsien (CVS) und Amniocentesen (AC) tatsächlich um 20–50 % gesenkt werden (Westrich und Liehr 2011; Wegner und Stumm 2011). Damit verliert die Altersindikation, die mit der Einführung der AC und CVS lange Jahre bestand, zunehmend an Bedeutung, da eine Nutzen-Schaden-Abwägung zwischen dem Risiko eines Eingriffs gegenüber dem Risiko, ein Kind mit einer Trisomie zu bekommen, entfällt. Nichtinvasive Verfahren werden in nahezu jeder Frauenarztpraxis angeboten. Es werden damit im Prinzip alle Schwangeren erreicht, da alle ein wenn auch geringes Risiko haben, ein Kind mit einer Behinderung oder Erkrankung zu bekommen (Deutscher Bundestag 2005, S. 78).
Neben diesen nichtinvasiven Untersuchungen, die in Deutschland üblicherweise von den die Schwangerschaft betreuenden Frauenärzten durchgeführt werden, existieren weiterführende Untersuchungen zur Abklärung von besonderen Fragestellungen, die sich aus Befunden der Anamnese oder von Routineuntersuchungen ergeben haben (Ultraschall, Ersttrimestertest, Blutuntersuchungen, Kap. 1.1.1). Diese werden in Deutschland mittlerweile überwiegend in spezialisierten Zentren (Praxen oder Kliniken) von besonders ausgebildeten Ärzten durchgeführt.
Zu den nichtinvasiven, weiterführenden Untersuchungen zählt der differentialdiagnostische Ultraschall (Fehlbildungsultraschall, Feindiagnostik) in der 20+ SSW zur Erkennung von Fehlbildungen und genetisch bedingten Erkrankungen durch eine genaue Analyse der fetalen Organe – eine Untersuchung, die zur Zeit am häufigsten durchgeführt wird. In den letzten Jahren geht die Tendenz dahin, Teile dieser Diagnostik in den Bereich des ersten Trimesters vorzuziehen und mit dem Ersttrimestertest zu verbinden (frühe Fehlbildungsdiagnostik, erweiterter Ersttrimestertest, Ersttrimester-Ultraschall). Dabei werden auch sog. Zusatzparameter erhoben wie Ausprägung des Nasenbeins, Blutdurchfluss im Ductus venosus, Verschlussstörungen der Trikuspidalklappe am Herzen und Normabweichungen des Gesichtswinkels, die in die Berechnung von Wahrscheinlichkeiten für das Vorliegen von Aneuploidien eingehen. Die Detektionsrate für eine Trisomie 21 liegt bei ca. 95 % bei einer falsch-positiven Rate von 2,5 % (Nicolaides 2011).
Neben den oben genannten speziellen nichtinvasiven Methoden existieren invasive Methoden zur Gewinnung von genetischem Material des Feten. Die vorgeburtliche Untersuchung der Erbinformation des Feten liefert im Verdachtsfall direkte Informationen über krankheits- bzw. fehlbildungsassoziierte genetische Veränderungen. Am häufigsten wird die Amniocentese (AC) angewendet. Dabei wird unter Ultraschallsicht mit einer Hohlnadel durch die Bauchdecke die Fruchthöhle punktiert und Flüssigkeit (Amnion) abgezogen. Die Amniocentese wird ab der 15+ SSW durchgeführt. Das Risiko, dabei eine Fehlgeburt zu erleiden, beträgt 0,5–1 %. Die fetalen Zellen werden kultiviert und die Erbinformationen untersucht. Das Ergebnis liegt nach etwa 14 Tagen vor. Mit Hilfe von sog. Schnelltests können Teile der Untersuchung bereits nach 24 Stunden vorliegen. Dabei werden Chromosomen mit spezifischen Sonden markiert und unter dem Mikroskop untersucht. Diese Techniken liefern bereits in weniger als 24 Stunden Ergebnisse mit je nach Fragestellung bis zu 98 %iger Sicherheit (Aretz et al. 2006). Werden fetale Zellen molekulargenetisch untersucht, z. B. auf eine erblich bedingte Erkrankung oder Krankheitsdispositionen, liegt das Ergebnis häufig erst nach ca. drei Wochen vor (Wegner und Stumm 2011).
Eine weitere Methode ist die Chorionzottenbiopsie (CVS), die in den 1980er Jahren entwickelt wurde. Ebenfalls mit einer Hohlnadel wird, zumeist durch die Bauchdecke, unter Ultraschallsicht die Plazenta punktiert und Gewebe abgezogen. Die Untersuchung kann ab der 11+ SSW durchgeführt werden. Das Risiko für eine Fehlgeburt liegt bei 1 %. Da dieses Gewebe aus dem ursprünglichen menschlichen Keim hervorgeht, besitzt es die gleiche Erbinformation wie der Fetus. Durch Direktpräparation des Gewebes kann ein Ergebnis bereits nach einem Tag vorliegen. In der Regel wird das Ergebnis durch eine Zellkultur abgesichert bzw. bestätigt, insbesondere bei einem auffälligen Ultraschallbefund.
Bei der Indikation für eine AC oder CVS sollte zwischen der Wahrscheinlichkeit einer chromosomal bzw. genetisch bedingten Fehlbildung und dem Eingriffsrisiko für den Feten abgewogen werden. Daher sind die häufigsten Indikationen erhöhtes mütterliches Alter, auffällige Befunde eines Routine-Ultraschalls oder eines Ersttrimesterscreening. Allerdings werden diese Untersuchungen zunehmend nach einer psychologischen (Angst-)Indikation der Schwangeren veranlasst (Deutscher Bundestag 2002, S. 73). Aufgrund des Abort-Risikos der invasiven Verfahren ist die Pränataldiagnostik darum bemüht, sie so weit wie möglich zu begrenzen und durch nichtinvasive Verfahren zu ersetzen. Diese sollen dazu beitragen, die Gruppe der Schwangeren einzugrenzen, denen zur Absicherung eines Verdachts – zumeist auf eine der häufigsten Trisomien – eine CVS oder AC empfohlen wird.
Die technischen Möglichkeiten zur Beobachtung der fetalen Entwicklung und die damit verbundenen komplexen medizinischen Informationen haben das Erleben der Schwangerschaft grundlegend verändert. Das Angebot von Untersuchungen des Embryos bzw. Feten sowie unklare Befunde oder Hinweise auf Fehlbildungen können Unsicherheit und Ängste auslösen, die in praktisch allen Phasen der Schwangerschaft einen Beratungsbedarf entstehen lassen (Deutscher Bundestag 2002, S. 79). Die Gründe sollen im Wesentlichen in zwei Punkten zusammengefasst werden:
1.) Routine-Ultraschall-Untersuchungen dienen sowohl der Überwachung normal verlaufender Schwangerschaften als auch dem Erkennen fetaler Entwicklungsstörungen und Fehlbildungs- bzw. Krankheitsrisiken.
Die drei in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen Regel-Ultraschall-Untersuchungen dienen zwar »der Überwachung einer normal verlaufenden Schwangerschaft« (GBA 2012, S. 5) durch die technische Weiterentwicklung der Ultraschallgeräte und mit größerer Erfahrung der betreuenden Frauenärzte können jedoch dabei bereits Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen erkannt werden. Es ist daher fraglich, ob bei der Ultraschalldiagnostik eine klare Trennung zwischen einer Basisuntersuchung und einer erweiterten Untersuchung überhaupt möglich ist. Insofern können Situationen, in denen weitreichende Entscheidungen im Hinblick auf die weitere Schwangerschaftsbetreuung und den Verlauf der Schwangerschaft erforderlich sind, bereits bei vermeintlichen Routineuntersuchungen eintreten. Obwohl in den meisten Fällen die Sorge, z. B. ein Kind mit z. B. einer Trisomie 21 als der häufigsten chromosomalen Veränderung zu bekommen, nach einer genetischen Untersuchung fetaler Zellen genommen werden kann, kann bereits die Beschäftigung mit der Frage, ob eine solche Untersuchung durchgeführt werden soll, die Schwangere verunsichern und emotional belasten. (Deutscher Bundestag 2002, S. 79). Dem betreuenden Gynäkologen bzw. der Gynäkologin kann sich bereits in der frühen Schwangerschaft die Frage stellen, in welchem Umfang er über mögliche Risiken und verfügbare Untersuchungen aufklären soll. Einerseits soll die Schwangere nicht (unnötig) verunsichert werden, wenn eigentlich die Freude und Erwartung vorherrschen. Andererseits soll sie Zeit haben für eine Entscheidung darüber, ob und welche weiteren Ultraschalluntersuchungen sie in Anspruch nehmen will4. In wieweit sich aus der medizinischen Aufklärung ein weitergehender Beratungsbedarf der Schwangeren über mögliche Konsequenzen einer Untersuchung ergibt, kann häufig nur schwer eingeschätzt werden. Dabei könnte das Einbeziehen der fachlichen Kompetenz einer professionellen psychosozialen Beratung in die ärztliche Schwangerenbetreuung bereits im Zusammenhang mit den ersten Untersuchungen hilfreich sein.
2.) Die Verbreitung nichtinvasiver Methoden kann zu einer Diffusion genetischer Untersuchungen in die ärztliche Basisvorsorgeuntersuchungen und zu einer »Routinisierung der Genetik« in der Pränataldiagnostik beitragen (in Anlehnung an Schmitz 2010).
In den 1960er Jahren wurde die Ultraschall-Diagnostik zumeist zur Untersuchung von Entwicklungsstörungen eingesetzt, die mit der häufigsten Chromosomenstörung, der Trisomie 21, assoziiert sind5. Für die Untersuchung genetischer Veränderungen wurden fetale Zellen durch Fruchtwasserpunktion isoliert (Murken 1972)6. Die Leistungen im Zusammenhang mit den genetischen Untersuchungen wurden in den 1970er Jahren vorwiegend an universitären Einrichtungen, Instituten und Krankenhäusern erbracht. Die Untersuchungen fanden im Kontext der medizinischen Genetik statt, waren an eine ärztliche Indikation auf Grund des mütterlichen Alters gebunden oder auf Schwangere bzw. Paare beschränkt, die bereits ein Kind mit einer Fehlbildung oder geistigen Behinderung hatten bzw. in deren Familien ein familiäres Risiko bekannt war, oder wo bei den Partnern eine Blutsverwandtschaft bestand (Murken 1972, S. 7). Konsens bestand bei der Durchführung genetischer Untersuchungen im Rahmen der Schwangerenvorsorge darin, die genetischen Untersuchungen an eine medizinische und psychosoziale Beratung zu koppeln (Krauss 1972). Die vorgeburtlichen Untersuchungen wurden zunehmend in Anspruch genommen. Vor allem auch auf Grund begrenzter Kapazitäten humangenetischer Beratungsstellen erfolgte der Zugang zu den Untersuchungen immer häufiger über die niedergelassenen Frauenarztpraxen (Deutscher Bundestag 2005, S. 73). Dadurch entstand ein steigender Bedarf an entsprechend qualifizierten Ärzten (Deutscher Bundestag 2005, S. 170). Es zeigte sich, dass eine genetische Beratung, wie sie gemäß der Leitlinien der Humangenetik vor und nach einer Untersuchung durchgeführt werden soll, nicht immer gewährleistet war. Es entwickelte sich im Laufe der Jahre ein Missverhältnis zwischen vorgeburtlicher Diagnostik und Beratung. Erhebungen von als Kassenleistung abgerechneten genetischen Beratungen bei Pränataldiagnostik aus dem Jahr 1997 weisen ca. 68.000 Amniocentesen und Chorionzottenbiopsien aus, denen lediglich 40.000 genetische Beratungen gegenüber stehen (Nippert et al. 1997). Dieses Missverhältnis wurde seit der Einführung der embryopathischen (eugenischen) Indikation mit der fünften Strafrechtsreform des Schwangerschaftsabbruchs 1975 (§ 218b Nr. 2 StGB, alte Fassung) immer wieder thematisiert, so z. B. in den Berichten zur Technikfolgen-Abschätzung in den Jahren 1994 und 2000 (Deutscher Bundestag 1994, S. 5; Deutscher Bundestag 2000, S. 24). Mit der Ausweitung genetischer Untersuchungsmöglichkeiten wuchs das Bewusstsein in Politik und Gesellschaft, dass eine Erhebung genetischer Daten nur im Zusammenhang mit einer umfassenden Beratung erfolgen durfte. In der Schwangerschaft betreffen diese Ergebnisse sowohl die Schwangere als auch das ungeborene Kind, da es doch immer auch um die Frage der Fortsetzung oder des Abbruchs einer Schwangerschaft gehen kann. Auf politischer Ebene bestand ein Konsens darin, die schwangere Frau dabei zu unterstützen, sich für das Austragen ihres Kindes zu entscheiden. Als adäquate Maßnahme wurde vor allem der Ausbau der medizinischen und psychosozialen Beratung erachtet (Wewetzer 2008).
Die betreuenden Ärzte und Ärztinnen haben eine Aufklärungs- und Beratungspflicht. Anforderungen sind in verschiedenen Richtlinien und Gesetzen niedergelegt. Wie z. B. in den Richtlinien der Bundesärztekammer von 1998 ausgeführt wird, erfordert die ärztliche Schwangerenberatung »neben solider Sachkenntnis zu genetischen Fragen und zu den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten und Risiken auch eine verständnisvolle Aussprache und eine Erörterung der elterlichen Entscheidungsoptionen« (Bundesärztekammer 1998). In den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe heißt es, dass die medizinische Aufklärung dazu dienen soll, »der Patientin die Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts zu ermöglichen und ihr dabei ihre Mitverantwortung für die Gesundheit ihres Kindes bewusst zu machen« (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe 2008).
Die Ärzte haben die Autonomie der Schwangeren zu respektieren. Das beinhaltet auch die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch, wenn der Schwangeren die Betreuung und Versorgung eines (schwer) behinderten Kindes psychisch und physisch nicht zumutbar erscheint. Jedoch ist nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren maßgeblich. Es müssen auch die Lebensinteressen des ungeborenen Kindes berücksichtigt werden. So hat das Bundesverfassungsgericht in verschiedenen Entscheidungen zum Schwangerschaftsabbruch den ärztlichen Auftrag hervorgehoben, auch das Interesse des ungeborenen Kindes zu vertreten7. Mit dem Inkrafttreten des GenDG und der Reform des SchKG wurden die Anforderungen an die ärztliche Beratung gesetzlich verankert. Die ärztlichen Pflichten im Zusammenhang mit einer Pränataldiagnostik sind sehr detailliert geregelt. Bei einer Risikoabklärung oder genetischen Diagnostik des Embryos – das sind etwa 90 % der in einer Praxis für Pränatalmedizin anfallenden Untersuchungen (Schwerdtfeger 2012) – muss entsprechend der Vorgaben durch das GenDG die Schwangere vorab unter anderem aufgeklärt werden über Zweck, Art, Umfang und Aussagekraft der genetischen Untersuchung, über Risiken der Untersuchungsmethode und ihr Recht auf Widerruf der Zustimmung zur Untersuchung (§ 9 GenDG). Weiterhin hat eine fachlich qualifizierte genetische Beratung zu erfolgen. Die Inhalte der Beratung sind in § 10 Abs. 3 GenDG und in § 2 a Abs.1 SchKG vorgeschrieben. Sie umfassen insbesondere die eingehende Erörterung der möglichen medizinischen, psychischen und sozialen Fragen im Zusammenhang mit einer Vornahme oder Nichtvornahme der genetischen Untersuchung, eine Erläuterung der vorliegenden oder möglichen Untersuchungsergebnisse sowie der Möglichkeiten zur Unterstützung bei physischen und psychischen Belastungen durch die Untersuchung und ihr Ergebnis.
Mit einer schriftlichen Einwilligung, mit der die Schwangere bestätigt, dass die Beratungen durchgeführt und die Inhalte von ihr verstanden wurden, erhält der Arzt die Erlaubnis für die Untersuchung, z. B. ein Ersttrimesterscreening oder eine Amniocentese. Nach der Untersuchung erfolgt eine Befundmitteilung. Bei einem unauffälligen Befund kann die schwangere Frau auf eine Beratung verzichten. Sollte sich bei der Untersuchung ein Hinweis oder ein konkreter Befund für eine Fehlbildung oder Erkrankung ergeben haben, erfolgt mit Einwilligung der Schwangeren wiederum eine fachgebundene genetische Beratung. Bei Bedarf können weitere Fachärzte, z. B. der Humangenetik, Perinatalmedizin und Pädiatrie, hinzugezogen werden8. Die (genetische) Beratung ist ergebnisoffen und darf nur von Fachärzten der Humangenetik oder nach zusätzlicher Qualifikation durchgeführt werden. Frauenärzte können die Qualifikation für die genetische Beratung durch spezielle Fortbildungsprogramme erwerben9. Weiterhin hat der beratende Arzt bzw. die beratende Ärztin »ergänzend auf den Beratungsanspruch nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes hinzuweisen« (§ 15 (3) GenDG). Besteht ein weitergehender Beratungsbedarf der Schwangeren bzw. des Paares, muss mit ihrer Zustimmung an eine psychosoziale Beratungseinrichtung vermittelt werden.
Aus einer Befragung von Nippert et al. (2005) geht hervor, dass nur ca. 1,5 % der Schwangeren eine professionelle psychosoziale Beratung in Anspruch genommen haben. Mit der gesetzlichen Hinweispflicht der Ärzte auf die psychosoziale Beratung sollte diese eine größere Bedeutung in der Schwangerenbetreuung bekommen. Wie Umfragen zeigen, wurden vor allem von Seiten der Pränatalmediziner nach einem i. S. des SchKG »auffälligen Befundes« vermehrt Kontakte zu psychosozialen Beratungsstellen hergestellt. Insgesamt befindet sich die Intensität der berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit jedoch auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau ( Kap. 2