Jule Tilgner ist Hebamme und bloggt auf www.hebammezauberschoen.de über den Start
ins Leben. Sie lebt mit ihrer Familie
in Hamburg.
Marcia Friese ist Fotografin und dokumentiert Geburten, Wochenbett und Familienalltag. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Freiburg.
Über dieses Buch
Dieses Buch ist eine Hilfe zur Vorbereitung auf eine wunderbare Zeit und eine Begleitung durch sie hindurch: Die Zeit, in der du Mutter wirst und dein Kind auf der Welt ankommt, das sogenannte Wochenbett. Dabei ist es ganz gleich, ob du zum ersten Mal Mutter wirst oder schon Kinder hast. Jedes Kind bringt einen ganz eigenen Zauber, Freuden, aber auch Herausforderungen mit sich, und jedes Kind ist es wert, einen möglichst guten Start ins Leben zu haben. Und auch du bist es wert, möglichst gut begleitet in die Zeit als Mutter dieses Kindes zu starten. Deshalb möchte ich dir unbedingt empfehlen, dich neben der Lektüre dieses Buches möglichst früh um eine Hebammenbegleitung zu kümmern. Eine Hebamme, die euch vor und nach der Geburt zu Hause betreut, ist unersetzlich.
Beim Schreiben der Texte habe ich mir vorgestellt, ich würde sie an eine Frau schreiben, die mir sehr am Herzen liegt und die ich nicht persönlich durch diese Zeit des Mutterwerdens begleiten kann. Ich habe mich gefragt, was sie braucht, um gut und getragen durch diese Zeit zu kommen und in die Mutterrolle zu wachsen. Entstanden sind 34 Texte an sie (und ein Text an ihren Partner), in denen ich ihr eine Begleitung bin. Es sind Briefe, die von Herzen kommen. Von einer Hebamme, Mutter und Frau, die an die Kraft glaubt, die in uns Frauen steckt, und deren Wunsch es ist, dass Frauen in dieser Phase spüren, wie wertvoll sie sind.
Es sind Briefe an dich!
Liebe werdende Mutter,
in dem Buch findest du Fachwissen, das dich im Alltag entlasten wird, du findest Gedanken, die dich stärken und tragen werden. Die Briefe haben das Ziel, diesen wundervollen Ausnahmezustand des Wochenbettes für dich, dein Kind und deine ganze Familie zu einer Zeit zu machen, die dich in deine Mutterrolle wachsen, dein Kind möglichst gut ankommen lässt und die euer Familienleben stärken wird. Du wirst verstehen, warum in dieser Zeit nicht alles rosarot sein kann und muss. Und wie du mit Momenten von Unsicherheit, Zweifel und Schmerz umgehen kannst – und warum du daran wachsen wirst.
Du findest in diesem Buch Briefe zu verschiedenen Themen. Du musst nicht alles von vorne nach hinten durchlesen, jeder Brief steht für sich geschlossen (wie etwa Artikel in einem Magazin). Dies soll dir insbesondere im Wochenbett ermöglichen, dass du dir auf die Schnelle den Text heraussuchen kannst, den du gerade brauchst. Es ist deswegen sinnvoll, sich schon vor der Geburt einen Überblick über die Themen und Texte zu verschaffen. Wenn du dann im Wochenbett an ein Thema kommst, das dich beschäftigt, kannst du den Text noch einmal genauer lesen und herausziehen, was für dich gerade wichtig ist. An vielen Stellen findest du Verweise auf Texte – sie sollen dir erleichtern, im Buch hin- und herzuspringen und einzelne Punkte zu vertiefen, wenn du möchtest. Einige Dinge wiederholen sich an verschiedenen Stellen im Buch – das ist gut so, denn das sind Dinge, die sich dir einprägen sollten.
In meinen Briefen spreche ich von deinem Partner. Hiermit ist der Mensch, der an deiner Seite ist, gemeint. Der, der mit dir zusammen dieses Abenteuer Familie lebt. Dabei macht es für mich keinen Unterschied, welches Geschlecht dieser Jemand hat. Wenn du mit einer Frau in einer Partnerschaft lebst, ist sie genauso angesprochen. Ansonsten verwende ich immer die weibliche Form (zum Beispiel Stillberaterin, Ärztin und so weiter). Es ist jedoch auch immer das männliche Pendant gemeint.
Über dieses Buch
1. Einladung ins Wochenbett
2. Wochenbettorganisation: Alles, was euch entlastet, ist willkommen
3. Dein Wochenbett: Alles, was dir guttut
4. Ankommen: Was dein Kind braucht
5. Frühwochenbett im Krankenhaus
Selbstbestimmung im Krankenhaus
6. Wochenbett nach einem Kaiserschnitt
Wann und warum es zum Kaiserschnitt kommt
Gefühle nach einem Kaiserschnitt
Kaiserschnitt und Wochenbett
7. Wissen, das du in den Tagen nach der Geburt im Kopf haben solltest
8. Körperliche Veränderungen und Heilung nach der Geburt
Wann du medizinische Hilfe brauchst
9. Deine Seele im Wochenbett(Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit der Psychologin Isabel Huttarsch entstanden.)
Das Wochenbett: Ausnahmezustand – auch für deine Seele
Wenn die Seele krank wird
Woran erkenne ich eine Wochenbettdepression?
Wo gibt es Hilfe für dich?
10. Das besondere Wochenbett
Herzensfaden
Gefühle im besonderen Wochenbett
Wenn dein Kind stationär behandelt wird
Selbstfürsorge im besonderen Wochenbett
Wochenbettbetreuung organisieren
Unterstützung organisieren
Der Umgang mit anderen
Achtsamkeitsübung
Wenn du selbst stationär behandelt wirst oder krank bist
Wochenbett nachholen
11. Deine Geburtsgeschichte
Geburtsbericht
Eine schwere Geburt
12. Deine Mutterrolle: Was dir Kraft gibt
13. Mutterliebe
14. Sorgen und Ängste
15. Gut genug
16. Entspannte Eltern – zufriedene Kinder. Oder eben auch nicht
Warum es kein Geheimnis für ein zufriedenes Baby gibt
17. Selbstfürsorge
Selbstfürsorge als Mutter
18. Wochenbettglück einfangen
19. Neuer Alltag
Ein 24-Stunden-Job
Erwartungen an den Alltag
Müdigkeit
Die Kunst, einen Moment lang nichts zu tun
Den ganzen Tag beschäftigt sein und doch nichts schaffen
20. Das eigene Dorf bilden: Über das Annehmen von Hilfe und das Organisieren von Besuchen
Wie du dir dein eigenes Dorf schaffst
Wenn du kein „Dorf“ hast
Vom Umgang mit Besuchern
Rahmenbedingungen für Besuche schaffen
21. Ernährung im Wochenbett und Rezepte
Ungeeignete Lebensmittel
Ungeeignete Getränke
Satt werden
Wochenbettrezepte
Mandel-Couscousauflauf
Sesam-Rosmarin-Ofengemüse (optional mit Kräuterquark)
Quinoagemüse (warm oder kalt): Unser Familienlieblingsrezept
Zucchini-Sonnenblumenkern-Nudeln
Rote-Bete-Salat
Grießbrei mit Zimtbirne
Wochenbettkuchen
22. Dein Körper in seiner neuen Form
Die körperlichen Veränderungen nach Schwangerschaft und Geburt
Bauch
Brüste
Beckenboden
Deine neue Form finden
23. Partnerschaft und Sexualität
Eltern werden
Paar bleiben
Kommunikation
Sexualität nach der Geburt
Eigene Scham
Körperliche Besonderheiten beim Sex nach der Geburt
24. Geschwisterkinder
Realistische Erwartungen
Vorbereitung während der Schwangerschaft
Die Geburt durch Kinderaugen
Geschwisterorganisation rund um die Geburt
Das Kennenlernen durch Geschwisteraugen
Kennenlernen gestalten
Wenn alle wieder zu Hause sind
Wochenbettalltag für das Geschwisterkind gestalten
25. Den eigenen Weg finden
Wie du dich vor Verunsicherungen schützen kannst
Über das Bauchgefühl einer Mama
26. Entscheidungen treffen und zum eigenen Gefühl zurückkommen: Eine Übung
27. Wissen rund um das Babyhandling
Pflegen
Körperpflege: wickeln, waschen, baden
Kleiden
Auf einen Blick:
Halten
Pucken
Wie du dein Kind richtig puckst (siehe auch die folgenden Fotos)
Tragen
Tragen ist wunderschön und schafft Nähe
Worauf du beim Tragen deines Kindes immer achten musst
Wie ich die Wickelkreuztrage binde (siehe auch die folgenden Fotos)
28. Gesundheit deines Babys
Bauchweh bei Säuglingen
Spezielle Maßnahmen bei Bauchweh
Erste Hilfe
29. Wissen über das Stillen
30. Gewichtsentwicklung deines Kindes
Gewichtsentwicklung in den ersten Tagen
31. Stillschwierigkeiten und der Umgang damit
Stillschwierigkeiten
Muttermilch abpumpen
Aufbewahrung von Muttermilch
Muttermilch oder Pulvermilch ohne Fläschchen anbieten
Becherfütterung
Fingerfütterung
Brusternährungsset
32. Fläschchenbeziehung und Nicht-Stillen
Nicht-Stillen
33. Babyschlaf
Wichtige Fakten zum Babyschlaf
Wie können wir die Schlafsituation so gestalten, dass alle möglichst gut schlafen?
Der Schlafplatz
Gemeinsames Schlafen – Wie Co-sleeping funktioniert
34. Weinende Babys
Über das Weinen von Babys
Den Grund des Weinens finden, verstehen und reagieren
Ein Fels für dein Kind sein
Hilfe und Unterstützung für dich
„Schreibabys“ oder High-need-Babys
35. Text an deinen PartnerText an dich, der du an der Seite deiner Partnerin bist – in dieser besonderen Zeit.(Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit der Psychologin Sandra Schnell entstanden.)
Wie du deine Partnerin unterstützen kannst
Teil der Welt deines Kindes werden
Die Versorgung und Begleitung eines Neugeborenen
Dank von Jule
Dank von Marcia
Literatur
Wichtige Webadressen
Das Wochenbett beginnt mit der Geburt deines Kindes und dauert acht Wochen an. Es ist die Zeit des Ankommens, der Regeneration und des Kennenlernens. Viele Wochen hast du auf den Moment der Geburt hingefiebert. Wie wird die Geburt wohl sein? Und wie dein kleines Kind? Wie wird es sein, es endlich in den Armen zu halten? Und dann ist dieser Moment da. Ein Moment, der sich vielen Frauen tief ins Gedächtnis einprägt. Die Ankunft deines Kindes. Und damit auch das Ende der Schwangerschaft und der Beginn eines neuen Abschnittes. Ich möchte dich einladen, das Wochenbett zu zelebrieren und zu gestalten, aber vor allem, es zu genießen. In unserer Gesellschaft gibt es keine ausgeprägte Wochenbettkultur – was sehr schade ist und dazu führt, dass uns Familien gerade zu Beginn der aufregenden Familienwerdung eine große Qualität, in Ruhe anzukommen, verloren geht.
Die ersten Wochen mit einem Neugeborenen sind ganz besonders – ein echter Ausnahmezustand. Der nicht nur rosarot und leicht ist, aber ganz viele Wunder bereithält und uns wachsen lässt. Dein Kind braucht diese Zeit, um in der Welt anzukommen und seinen Platz bei euch zu finden. Durch die Geburt deines Kindes bist auch du „neu geboren“, nämlich als Mutter dieses Kindes. Du baust zu ihm eine Verbindung und Beziehung auf, die ein Leben lang bestehen wird. Das ist ein riesengroßes Ereignis, das dich für immer prägen wird. Es braucht Zeit, um diese Tatsache wirklich zu realisieren und zu verstehen. Um dein Kind zu gebären, öffnest du dich nicht nur körperlich, sondern auch seelisch – damit du deinem Kind all die Liebe geben kannst, die es braucht, und um es anzunehmen und zu versorgen. Diese seelische Offenheit bleibt in den ersten Wochen bestehen, und du tust gut daran, dich zu schützen und dir einen geborgenen Raum zu schaffen, in dem du dich sicher fühlst.
Außerdem brauchst du diese Zeit auch, um nach der Schwangerschaft und Geburt wieder zu Kräften zu kommen und dich körperlich zu erholen. Ihr beide braucht die Zeit, um euch körperlich an die neuen Aufgaben anzupassen. Bei dir ist das vor allem die Rückbildung, vor allem des Beckenbodens und der Gebärmutter. Ganz unabhängig davon, wie du geboren hast, hat sich dein Beckenboden während der Schwangerschaft verändert und braucht unbedingt eine ausreichende Schonung in den ersten 14 Tagen nach der Geburt. In dieser Zeit findet der wichtigste Teil der Rückbildung statt, und zwar nur dann, wenn keine Schwerkraft darauf lastet. Außerdem beginnt für deinen Körper die Aufgabe des Stillens. Und für dein Kind sind es all die lebenswichtigen Dinge wie Nahrungsaufnahme, Verdauung, Atmung und so vieles mehr, was in einem entspannten und geborgenen Rahmen viel leichter ist.
Auch wenn ihr in der Schwangerschaft schon miteinander vertraut seid und eine Beziehung zueinander habt, werdet ihr euch nach der Geburt noch einmal ganz anders kennenlernen. Dieses Kennenlernen ist zwischen Staubsaugen und Besuchempfangen vielleicht möglich. Doch viel leichter und schöner ist es, wenn dieses Kennenlernen in einem geschützten, behüteten und ruhigen Rahmen stattfinden kann.
Ich möchte dich also einladen, dich für die Zeit nach der Geburt deines Kindes zurückzuziehen: euch eine „Höhle“ einzurichten, in der ihr ankommen könnt, und den Fokus darauf zu legen, euch in aller Ruhe kennenzulernen. Alles, was dir und den Deinen guttut, ist willkommen. Alles, was Druck und Stress verursacht, sollte vermieden werden.
Ich möchte dich gemeinsam mit deinem Partner und den Geschwisterkindern einladen, tief in diesen Babyzauber einzutauchen. Kuschelt euch sooft es geht zusammen ins Bett, bewundert euer kleines Wunder und haltet euch fest. Sooft und so viel es geht. Dies stärkt die Bindung zwischen euch und dem neuen Familienmitglied und lässt sie weiter wachsen. Sortiert gut, welche Verpflichtungen ihr in dieser Zeit gut abgeben oder ignorieren könnt (den Haushalt zum Beispiel) und welche auch in dieser Situation ihre Wichtigkeit behalten (Geschwisterkinder). Organisiert euch so, dass ihr möglichst unbelastet und frei seid.
Diese besondere Zeit kommt nie wieder. Ein gelungener Start ins Leben deines Kindes und der Start in das Familienleben mit diesem Kind für euch ist eine Grundlage für euren gemeinsamen Weg. Er wird leichter und schöner, wenn ihr euch den Anfang so gestaltet, dass es euch allen möglichst gut geht. Der Alltag kommt ganz gewiss wieder. Nutzt diese wunderbare Gelegenheit, ihm zu entfliehen, und genießt diese Babyauszeit!
Ein Start ins Leben, der von Ruhe,
Geborgenheit und Liebe geprägt ist,
ist ein wahres Geschenk.
Es legt den Grundstein
für euren gemeinsamen Weg,
auf dem noch so viele laute,
wilde und wunderbare Abenteuer
auf euch warten.
Das Baby und die neue Familiensituation an sich bringen natürlich viele neue und wichtige Aufgaben mit sich. Die Versorgung deines Kindes und die deiner eigenen (Wochenbett-)Bedürfnisse sind nahezu eine 24-Stunden-Aufgabe. Doch dies steht der Einladung, sich eine Wochenbetthöhle zu bauen und sich zurückzuziehen, nicht im Weg. Viele der Wochenbettaufgaben lassen sich im Bett erfüllen (stillen, wickeln, schlafen, kuscheln), und jede Aufgabe bietet die Möglichkeit, dein Kind ein bisschen besser kennenzulernen und den Babyzauber zu genießen. Vorausgesetzt, du und deine Familie habt ansonsten den Rücken frei und müsst euch nicht alleine um die üblichen Alltagsaufgaben kümmern. Je nach Familiensituation ist es nicht immer ganz leicht, während des Wochenbetts wirklich das „Bett zu hüten“. Aber es ist immer in einem bestimmten Maß möglich – eine gute Organisation und Vorbereitung machen es dabei sehr viel leichter. Möglicherweise denkst du, dass das für euch gar nicht so wichtig ist. So geht es vielen Frauen, die ihr erstes Kind erwarten. Fragt man jedoch Mütter, was sie rückblickend auf ihr Wochenbett anders machen würden, geben sehr viele an, dass sie sich mehr aus dem Alltag herausgenommen und mehr mit dem Baby im Bett gekuschelt hätten.
Dinge, die ein entspanntes und schönes Wochenbett leichter machen:
Den eigenen Perfektionismus überdenken oder noch viel besser: in den Urlaub schicken. Deine Hauptaufgaben sind, dich körperlich zu regenerieren und das Ankommen und das Kennenlernen deines Kindes zu genießen. Wäscheberge und ungewischte Böden können warten oder delegiert werden!
Prioritäten setzen und sie sich deutlich vor Augen führen. Das hilft, Abstand von gewohnten Routinen zu nehmen (dazu mehr in dem Artikel „Alltag neu gestalten“).
Hilfe einfordern und annehmen.
Auf praktischer Ebene ist Folgendes hilfreich:
Dein Partner nimmt sich ab der Geburt Urlaub oder Elternzeit. Je länger er sich von den beruflichen Verpflichtungen frei machen kann, desto besser (absolutes Minimum: zwei Wochen ab der Geburt).
Eine Hebamme begleitet und betreut euch.
Ein Familien- und Freundesnetz, das schon vor der Geburt Aufgaben und Möglichkeiten kennt, wird euch im Wochenbett unterstützen.
Vorbereitungen und Organisation schon vor der Geburt beginnen.
Anlaufstellen zu eurer Unterstützung sind euch bekannt (Mütterpflegerinnen, Haushaltshilfen, Ärzte und Anlaufstellen bei psychischen Krisen [hierzu mehr in Kapitel 14, Sorgen und Ängste]).
Es gibt so Einiges, was sich schon vor der Geburt organisieren lässt.
Dies sorgt dann im Wochenbett für enorme Entlastung.
Der Haushalt darf im Wochenbett vernachlässigt werden. Du bist also ganz herzlich und ausdrücklich eingeladen, den Haushalt liegen zu lassen. Sei dir gewiss: Auch wenn du ihn für einige Zeit ignorierst und die wichtigsten Dinge an andere Leute delegierst – er wird ziemlich sicher auf dich warten, und du kannst dich ihm schon nach einigen Wochen wieder widmen. Er läuft bekanntlich nicht weg.
Größter Luxus ist es wohl, sich eine professionelle Haushaltshilfe zu engagieren. Jemanden, der zum Beispiel zu regelmäßigen Terminen zu euch kommt und dann alles, was aktuell ist, erledigt: Küche aufräumen, Wäsche waschen, Böden wischen oder Badezimmer putzen. Vielen Frauen fällt es leichter, das Chaos Chaos sein zu lassen, wenn sie wissen, dass zu einem regelmäßigen Termin die Haushaltshilfe kommt und alles wieder richten wird. Und das Chaos Chaos sein zu lassen, ist eine große Kunst, die du im Wochenbett gut üben kannst und von der du in deiner Rolle als Mutter immer profitieren wirst. Natürlich ist dieser Luxus eine finanzielle Frage. Doch die Investition ist so viel mehr wert als zum Beispiel die in teure Babysachen. Das größte Geschenk für dein Kind ist eine Mama, die Zeit und Muße hat, da zu sein. Die sich nicht von Nebensächlichkeiten ablenken lässt und sich mit dem Neugeborenen und einem guten Gewissen tagelang in der Wochenbetthöhle verkriechen kann und sich nicht von den (Alltags-) Aufgaben erschlagen fühlt. Es ist demnach auch eine Investition in deine Gesundheit und die deines Kindes und dessen Wohlergehen. Es lohnt sich!
Eine gute Möglichkeit ist es auch, sich die Haushaltshilfe von Freunden und der Familie schenken zu lassen. Dazu ist es sinnvoll, schon vor der Geburt darum zu bitten, statt Babykleidung und Spielzeug lieber die eine oder andere Stunde für eine Haushaltshilfe zu schenken. Ich wiederhole mich gerne: Eine entspannte und glückliche Mama (und Papa) ist das größte Geschenk für Kinder. Von schönen materiellen Dingen haben sie selbst oft am wenigsten.
In manchen Fällen ist es möglich, eine Haushaltshilfe verordnet zu bekommen. Die Kosten dafür werden dann von der Krankenkasse übernommen. Sprich darüber frühzeitig mit deiner Hebamme oder Ärztin.
Es ist eine tolle Möglichkeit, sich von den Liebsten Haushaltsunterstützung zu wünschen.
Eine klare Äußerung des Wunsches ist dabei das Wichtigste. Je konkreter, desto besser. Zur Organisation kann eine Doodle-Liste oder Ähnliches helfen, je nach Größe des Helfer- und Unterstützerkreises.
Erfahrungsgemäß funktioniert Folgendes sehr gut:
Wäsche: Am einfachsten ist es, wenn ihr eure schmutzige Wäsche ab sofort in verschiedene große Beutel einsortiert: 60-Grad-Wäsche, 40 Grad bunt, 40 Grad weiß und so weiter. Dann kann sich der „Wäschebeauftragte“ die Wäsche einfach bei euch abholen, bei sich zu Hause ungesehen in die Waschmaschine stecken und, sobald sie trocken und zusammengelegt ist, im Wäschekorb zu euch zurückbringen. Das ist nicht viel Aufwand für den, der es macht, aber eine große Entlastung für euch.
Einkaufen: Für Nachbarn oder Freunde, die in der Nähe wohnen, ist es oft ganz einfach, beim Einkauf etwas für euch mitzunehmen und euch vor die Tür zu stellen. Eine (möglichst genaue) Einkaufsliste per Nachricht und das Begleichen der Kosten beim nächsten persönlichen Treffen nehmen euch den Stress ab, das Haus verlassen zu müssen.
Warme Mahlzeiten: Es gibt viele Gerichte (vor allem Eintöpfe und Aufläufe), die eure Liebsten bei sich zu Hause vorbereiten können und die ihr dann nur zum Aufwärmen auf den Herd oder in den Backofen stellen müsst. Das ist ein wundervolles Geschenk für alle Beteiligten. Wenn du bestimmte Lebensmittel nicht verträgst oder magst, kannst du vielleicht schon vorher Rezepte heraussuchen, die du geeignet findest, und sie verteilen.
Geschwisterkinder: Den großen Geschwistern tut eine Extraportion Aufmerksamkeit in der Wochenbettzeit gut. Freunde der Familie, die vorbeikommen und ihre ungeteilte Aufmerksamkeit dem größeren Geschwisterkind oder den Geschwisterkindern schenken oder einen Ausflug zum Spielplatz machen, während die Eltern mit dem Baby im Schlafzimmer kuscheln oder schlafen, sind Gold wert. Manchmal ist es auch gut zu organisieren, dass die großen Geschwisterkinder von anderen Familien zum Kindergarten/Schule mitgenommen und zurückgebracht werden (siehe Text 24, Geschwisterkinder).
Einiges kannst du auch selbst vor der Geburt vorbereiten.
Vor allem in Hinsicht auf das Essen ist mit wenig Aufwand viel zu gewinnen:
Eingefrorene und eingemachte Vorräte: In den letzten Wochen der Schwangerschaft kann man gut 1-2 Portionen mehr kochen und einfrieren, zum Beispiel Tomatensoße, Gemüsesuppe, Lasagne etc.
Mittagstisch vom Lieblingsrestaurant um die Ecke: Schon vorab klären, ob es (ausnahmsweise?!) die Möglichkeit gibt, den Mittagstisch telefonisch vorzubestellen, um dann nur kurz reinzuschauen und das Essen abzuholen.
Lieferdienste: Eine Liste an Lieferservicen anlegen. Wo können wir guten Gewissens zwischendurch Essen bestellen, das vielleicht ein paar mehr Vitamine beinhaltet als eine Pizza?
Schnelle und einfache Rezepte und Gerichte sammeln und aufschreiben: Zum Beispiel Nudeln mit Pesto, Großer Salat mit Backkäse, Vollkornbrot mit Spiegelei, Milchreis mit Apfelmus. Und zu jedem Gericht eine Einkaufsliste, welche Zutaten benötigt werden. Dann kannst du dem nächsten Besucher die Einkaufsliste in die Hand drücken und ihn frisch für dich kochen lassen.
Einkaufsliste: Vielleicht hilft es dir, eine Ankreuz-Einkaufsliste zu erstellen, die du kopieren kannst. Darauf notierst du die Dinge, die ihr regelmäßig braucht. Dann kannst du nach einem kurzen Blick in den Kühlschrank einfach abgleichen, was fehlt, und ein Häkchen daran machen. Dies erspart dir lange Grübelei, und du kannst dir sicher sein, dass das Wichtigste mitkommt.
Supermarktlieferdienst: Viele Supermärkte bieten einen Lieferservice an. Allerdings braucht dies oft eine gewisse Vorlaufzeit und Planung. Vielleicht kannst du schon in der Schwangerschaft diesen Service vorbereiten.
Du merkst schon: Es ist mir ernst. Bereite dich darauf vor, dass du wenig Energie und Kraft haben wirst, dich um diese Dinge so wie vor der Geburt zu kümmern. Die Prioritäten verschieben sich ganz automatisch, dein Kind wird es einfordern. Alles, was dich entlastet, ist es wert!
Das Wochenbett zu genießen und dein Kind in Ruhe und Geborgenheit willkommen zu heißen, bedeutet auch, dass du deinen eigenen Anspruch an den Haushalt zurücknimmst, Aufgaben abgibst und Hilfe annimmst. Eine gute Organisation vor der Geburt und eine möglichst klare Kommunikation dem Helfernetz gegenüber machen das Ganze einfacher.
Das Wochenbett ist der Start in deine Rolle als Mutter deines Kindes.
Gerade am Anfang solltest du dafür sorgen, dass es auch dir gut geht. Nur wenn du bei Kräften bist und es dir gut geht, kannst du dich gut um dein Kind kümmern.
Beginne gleich am Anfang dieser spannenden Zeit damit, dich selbst in den Mittelpunkt zu stellen: genau auf eine Stufe mit den anderen Mitgliedern deiner Familie – aber nicht unter die der anderen! Für dein eigenes Wohl zu sorgen, ist nicht egoistisch, es ist im Sinne der Familie! Vielleicht geht es dir so wie vielen Müttern: Du hast dich lange auf diese Rolle gefreut und bist bereit, dich selbst für eine Weile hintanzustellen, um voll und ganz für deine Familie da sein zu können. Das ist wirklich ehrenswert, aber es ist nicht im Sinne deines Kindes und deiner Familie. Vielleicht entspringt diese Idee der gesellschaftlich weitverbreiteten Annahme, dass eine gute Mutter sich selbst aufgibt, um für ihre Familie da zu sein. Dieses Vorhaben kann allerdings nur scheitern. Wenn sie sich selbst aufgibt, wird sie untergehen und auch nicht mehr für ihre Familie da sein können.
Wenn du deine Energie ausschließlich für andere gibst und nicht darauf achtest, dass deine eigenen Akkus regelmäßig geladen werden, wirst du irgendwann ausgelaugt sein und nicht mehr so für deine Familie da sein können, wie du es dir wünschst. Beginne deswegen sofort, deine Akkus im Blick zu haben und sie immer wieder aufzuladen.
Natürlich fordert ein Neugeborenes deine Energie. Und es ist gut, sich darauf einzustellen, nicht so viel Schlaf zu bekommen wie gewohnt, häufiger im Stehen zu essen und insgesamt weniger Zeit für sich selbst beziehungsweise alles andere – abgesehen vom Kind – zu haben. Eine Weile hast du die Kraft, sehr viel zu geben, aber du wirst auch noch nach den ersten Wochen Kraft brauchen. Die ersten Monate und Jahre mit Kindern können phasenweise sehr fordernd sein. Gut, wenn du dann noch Kräfte mobilisieren kannst!
Deswegen ist es wichtig, dass du dir von Anfang an kurze Momente schaffst, in denen du deine Akkus aufladen kannst, damit sie nie ganz leer sind. Im Wochenbett sind es oft die kleinen Dinge, die vorher ganz selbstverständlich waren und die nun von besonderer Wichtigkeit sind. Eine Dusche ganz in Ruhe, eine Mahlzeit sitzend am Tisch ohne ein Kind auf dem Arm oder ein kleiner Spaziergang ganz allein oder im Schlafzimmer die Musik laut aufdrehen und vor dem Spiegel tanzen.
Es wird dir Kraft geben, nicht allzu sehr damit zu hadern, dass es an manchen Tagen nicht möglich ist, am Morgen eine Dusche zu nehmen, oder dass du den Tag bis zum Abend im Schlafanzug verbringst (genau so darf es im Wochenbett sein!), sondern die Tage und Möglichkeiten zu schätzen und dankend anzunehmen, an denen es möglich ist.
Das solltest du im Wochenbett im Blick behalten:
Dein körperliches Wohl: Nimm dir die Zeit, dich um die Heilung deiner Wunden zu kümmern. Ruhe genug aus, um zurück zu deinen körperlichen Kräften zu kommen. Iss und trink regelmäßig das, wonach dir ist und was dir gut tut.
Dein seelisches Wohl: Fühl in dich hinein und überlege, was du brauchst. Deinen Partner, der dich möglichst oft in den Arm nimmt? Deine Freundin, die einfach da ist? Eine halbe Stunde ganz allein in deinem Bett mit deiner Lieblingsserie oder an der Nähmaschine? Das Wichtigste ist, dass du es selbst herausfindest und kommunizierst.
Im Wochenbett entstehen oft eher zufällig und unerwartet Zeitfenster, in denen du die Gelegenheit hast, deine Akkus aufzuladen, zum Beispiel, wenn das Baby tatsächlich mal ruhig schläft und sich ablegen lässt. Oder die liebe Nachbarin gerade zufällig da ist, wenn das Baby satt und glücklich ist und sich gerne von ihr durch die Wohnung tragen lässt. Oft stellt sich dann die Frage: schlafen, putzen, duschen oder doch lieber etwas für das eigene Wohl tun? Wenn ja, was? Und kaum hat man sich entschieden, schließt sich das Zeitfenster auch schon wieder, und man wird wieder vom Baby gebraucht.
Darum kann es sehr hilfreich sein, sich schon im Vorfeld Gedanken zu machen, wie das nächste Zeitfenster gut genutzt werden kann. Vorbereitung ist auch in dieser Hinsicht sehr hilfreich. Anbei findest du eine „Wenn möglich würde ich gern mal wieder …“-Liste. In die Zeile „Was ich gerne tun würde“ schreibst du, was dir guttun würde. Zum Beispiel „Duschen“. In die Zeile „Was ich dazu brauche“ trägst du zum Beispiel ein: eine halbe Stunde Zeit, ein schönes Duschgel und eine Gesichtsmaske. Diese Spalte hilft dir, diesen Punkt vorzubereiten (Duschgel und Maske schon einmal bereitlegen!). Die Spalte Priorität (zum Beispiel: hoch/mittel/niedrig) hilft dir, dich in der Situation zu entscheiden, welchen Punkt du zuerst umsetzen willst. Insgesamt hilft die Liste, dir bewusst zu machen, wovon du gerne mehr hättest, beziehungsweise was dir fehlt. Außerdem kann es dich vor Situationen mit dem Gefühl „Es gibt soooo viele Dinge, die ich gern tun würde, und ich komme nicht dazu!“ bewahren. Wahrscheinlich sind es gar nicht so viele, die dir wichtig sind, und diese wirst du früher oder später umsetzen können! Es ist wichtig, dass du deine Bedürfnisse ernst nimmst!
Wenn möglich, würde ich gern mal wieder:
Was ich gern tun würde |
Was ich dafür brauche |
Priorität |
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• • • • • • • • |
• • • • • • • • |
In Vorbereitung auf dein Wochenbett kannst du schon einmal eine Liste anlegen mit Dingen, von denen du dir vorstellen kannst, dass sie dir nach der Geburt guttun werden. Vielleicht bereitest du auch ein Wohlfühlkörbchen für dich selbst vor. Gefüllt mit schönem Duschgel, Körperöl, leckerem Tee, guter Musik und Kopfhörern oder deiner Lieblings-DVD. Und Schokolade. Viel Schokolade.
Was dir im Wochenbett sicher guttun wird und was du gut für dich vorbereiten kannst, ist ein Ort, an dem du dich wohlfühlst und an den du dich zurückziehen kannst. Oft ist das Schlafzimmer gut geeignet, aber jeder andere Raum ist auch denkbar, wenn du dich dort wohlfühlst und bei Bedarf die Tür schließen kannst. Außerdem ist es sinnvoll, dass du dort eine bequeme Liegemöglichkeit hast, denn in den ersten Tagen sollst du so viel wie möglich liegen. Richte dir das Bett oder die Liegemöglichkeit so her, dass du dort sowohl bequem liegen als auch entspannt sitzen kannst. Sorge für angenehmes Licht und einen Abstellplatz für die Utensilien, die du immer zur Hand haben solltest. Das sind Getränke und Snacks, genauso wie deine Stillutensilien, ein Spucktuch, eventuell Medikamente oder anderes. Fülle euren Snackvorrat auf und lege dir deine bequemsten und schönsten Kleider und deine Lieblingsbettwäsche zurecht. Außerdem kannst du einiges in Sachen Haushalt und Essen vorbereiten. Was du an Utensilien zum Stillen oder Fläschchengeben und für deine körperliche Heilung vorbereiten kannst, findest du in den Artikeln 29–31 und 8.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, was dein Kind nach der Geburt braucht, finde ich die Überlegung, was es vor seiner Geburt erlebt hat und welche Veränderungen sich durch die Geburt ergeben, sehr sinnvoll. Es entsteht ein Bild, das zeigt, was dein Kind in den ersten Lebenstagen und Wochen braucht, damit die Ankunft in der Welt in Geborgenheit und Sicherheit stattfinden kann.
Im Mutterleib ...
ist dein Kind immer warm umhüllt. Seine gewohnte Temperatur beträgt ungefähr 37 Grad Celsius. Nie war es kälter oder wärmer.
ist dein Kind immer gehalten und getragen. Es ist nie grenzenlos, auch wenn die Gebärmutter sich mit seinem Wachstum ausdehnt. Wann immer es sich dreht und wendet – es erfährt einen Halt, eine sichere Grenze.
ist dein Kind immer in Bewegung. Selbst wenn du sitzt oder liegst, wird es zum Beispiel von deinen Atembewegungen sanft geschaukelt. Es ist nie ganz bewegungslos.
ist dein Kind ständig satt. Hungergefühle kennt es nicht, es ist rundum versorgt zu jeder Tages- und Nachtzeit.
ist dein Kind immer von Geräuschen umgeben. Es hört deinen Herzschlag, das Blut, das durch deinen Körper fließt. Und deine Stimme und die deines Partners, wenn ihr sprecht. Stille kennt es nicht.
ist dein Kind vor zu intensiven Sinneseindrücken geschützt. Weder sehr helles, intensives Licht erreicht es noch sehr laute oder schrille Geräusche.
Vielleicht magst du es dir bildlich vorstellen. Schließe die Augen und stelle dir vor, wie sich dein Kind in deinem Bauch fühlt und was es dort erlebt. Und danach stell dir den Moment der Geburt vor. Denke dir all die Veränderungen, die dein Kind dadurch erfährt. Schließ noch einmal deine Augen und stelle es dir vor.
Natürlich unterscheiden sich die Geburtserlebnisse sehr, je nachdem, unter welchen Umständen dein Kind auf der Welt angekommen ist. Doch für alle Kinder bedeutet die Geburt einen Eintritt in eine veränderte, unbekannte Umgebung: heraus aus dem warmen Wasser hinein in die kalte Luft (die meisten Geburten in unseren Breitengraden finden wohl bei einer Raumtemperatur um die 20–30 Grad statt – das ist deutlich kälter als die gewohnten 37 Grad). Es ist plötzlich, zumindest für einen kleinen Moment, eine unendliche Grenzenlosigkeit da – die Arme und Beine strecken sich weit vom Körper weg. Ein Reflex (er nennt sich Mororeflex) ist dafür verantwortlich und verursacht dem Kind ein nie dagewesenes Gefühl von unendlicher Weite, insbesondere nach der extremen Erfahrung der Enge im Geburtskanal. Geräusche und Licht werden in dem Moment sehr viel eindringlicher wahrgenommen, so ganz ohne Schutz der Sinnesorgane durch die Bauchdecke. Das immer dagewesene rhythmische und vertraute Geräusch des mütterlichen Herzschlags verhallt, ist plötzlich verschwunden.
Es ist unsere elterliche Aufgabe, schon in diesem allerersten Moment unser Bestmögliches zu tun, um den Schrecken unseres Kindes so klein wie möglich zu halten. Deswegen ist es unbedingt sinnvoll, die Umgebung, soweit es möglich ist, für die Ankunft vorzubereiten. Das Geburtszimmer sollte möglichst warm sein, das Licht gedimmt. Laute Geräusche und helles Licht sollten vermieden werden. Das Kind sollte gleich nach der Ankunft eingehüllt werden – in die Arme der Mutter. In deine Arme. An dein Herz. Hier ist der Platz, an den ein Neugeborenes gehört. Mit den Armen und Händen gibst du deinem Kind einen Halt, und wenn es sein Ohr an deine Brust legt, hört es das so vertraute Geräusch deines Herzens wieder.
Dein Partner kann dich unterstützen, indem auch er euer Kind mit seinen Händen hält und schützt. Sollte es nicht möglich sein, das Licht zu dimmen, oder wenn die Geräusche sehr laut sind, können die Hände über den Ohren und den Augen einen Schutz bilden. Deckt euer Kind zu, setzt ihm ein Mützchen auf. Haltet es. Seid da. Wenn euer Kind bereit ist für das erste Stillen, legt es an und lasst es saugen, solange es möchte. Schützt euch in den ersten zwei Stunden (und auch in den Stunden danach) vor unnötigen Trennungen. Setzt euch dafür ein, dass ihr in dieser Zeit ungestört seid.
Diese ersten Stunden kommen nie wieder, und euer Kind wird nie wieder die Möglichkeit haben, dem Licht der Welt und euch Eltern zum ersten Mal zu begegnen. Legt die Smartphones ruhig aus der Hand. Einige wenige Fotos und Nachrichten am Anfang reichen, sie laufen ja nicht weg.
Zusammengefasst würde ich die Bedürfnisse eines Neugeborenen in den ersten Minuten, Stunden bis Wochen so zusammenfassen:
Dein Kind braucht eine Hülle, die es schützt, um einen sanften Start in diese wilde, laute, wunderbare Welt, in der wir leben, zu schaffen. Kinder, die einen solchen Start ins Leben haben, können gut ankommen und sich entfalten.
In den ersten Wochen könnt ihr diese Hülle aus Geborgenheit, Liebe und Sicherheit weiter gestalten. Ganz praktisch geht ihr dabei in eine Verlängerung all dessen, was ihr gleich nach der Geburt tut: Ihr haltet es so viel es geht und gebt ihm so viel Körperkontakt wie möglich. Durch eure ständige körperliche Präsenz gebt ihr eurem Kind eine kontinuierliche Sicherheit. Die Sicherheit, dass ihr da seid. Außerdem gebt ihr eurem Kind so eine räumliche Begrenzung und Halt. Du stillst dein Kind bei jedem leisesten Anzeichen und erfüllst sein Bedürfnis dadurch prompt und ohne auf die Uhr zu schauen. Durch angemessene Kleidung schafft ihr eine weitere physische Hülle nach außen, die eurem Kind hilft, die Körpertemperatur zu halten und sich körperlich wohlzufühlen. Ihr schützt es vor starken Sinnesreizen wie sehr lauten Geräuschen, künstlichem Licht und schlechter Luft.
Ist es in den ersten Wochen notwendig, sich an einem Ort aufzuhalten, der laut und unruhig ist (z. B. Einkaufszentrum oder ein volles Café), schützt ihr euer Kind auf angemessene Weise. Nehmt es ins Tragetuch, zieht ihm ein Häubchen auf, du stillst es, wann immer es dies braucht, und ihr sucht einen ruhigeren Ort auf und zieht euch zurück, wenn es unruhig wird. Auch wenn es sich währenddessen unbeeindruckt zeigt, solltet ihr im Kopf haben, dass es trotzdem sehr offene Sinne hat und diese Reize zu einem späteren Zeitpunkt verarbeiten muss.
Was Babys in den ersten Wochen für einen guten Start brauchen:
Hautkontakt und Nähe
(Mutter-)Milch
Eine wärmende Hülle (Kleidung)
Prompte Erfüllung seiner Bedürfnisse
Liebevolle und aufmerksame Zuwendung (Körperpflege).
Was du zur Erfüllung dieser Bedürfnisse brauchst, ist wenig. Das meiste davon ist immateriell:
Eltern, die sich nach der Geburt aus dem Alltag zurückziehen können, um das Kind in aller Ruhe und Hingabe kennenzulernen.
Eltern, die sich mit Menschen umgeben, die ihnen guttun und die sie in ihrer (neuen) Rolle unterstützen und da sind.
Eine Mutter, die sich in Hinsicht auf das Stillen sicher fühlt und sich darin unterstützt fühlt.
Ein paar wenige materielle Dinge braucht ein Säugling:
Angemessene Kleidung und eine Wolldecke
Einige wenige (!) Produkte zur Körperpflege: Waschlappen, Handtücher, ein reines, neutrales Öl und eine Wundschutzsalbe
Einen Ort, an dem es geborgen und sicher schlafen kann
Ein Tragetuch oder eine Tragehilfe.
(Zu den letzten vier Punkten findest du im Text 27, Wissen rund um das Babyhandling, nähere Erläuterungen.)
Damit dein Kind in Ruhe und Geborgenheit ankommen kann, braucht es eine Hülle, in der es sich sicher und geliebt fühlt. Diese Hülle könnt ihr ihm schaffen. Dazu sind viel weniger materielle Dinge notwendig, als vielmehr eure Empathie und euer Verständnis dafür, woher das Kind kommt, was seine Bedürfnisse sind und was ihm Sicherheit gibt.
Auf der nächsten Seite findest du eine Einladung, einen Brief an dein Kind zu schreiben. Frage dich, was du deinem Kind für seine Ankunft wünschst.
Mein liebes Kind, für deine Ankunft wünsche ich dir:
Ganz besonders in den ersten Tagen nach der Geburt geht es darum, die Geburt zu verarbeiten und sich sowohl körperlich als auch seelisch zu erholen, euer Kind kennenzulernen und die Versorgung zu erlernen und zu üben. Der Fokus liegt in den ersten Tagen auf dem Ankommen. Das bedeutet, dass das Stillen im Vordergrund steht, ebenso wie der Bindungsaufbau von euch Eltern zu eurem Kind und anders herum sowie die Erfüllung seiner Bedürfnisse.
Für all diese Aspekte des Ankommens ist die Voraussetzung, dass du dein Kind in Ruhe beobachten und es ungestört jederzeit anlegen kannst. Dass ihr euch von Anfang an und ohne unnötige Unterbrechungen körperlich nah sein könnt und du jederzeit zur Verfügung stehst, um die Bedürfnisse nach Nähe und Geborgenheit zu erfüllen.
Dieses Ankommen ist unabhängig vom Ort überall möglich. Und ganz gleich, wo ihr seid, solltest du deine Energie darauf richten, den Fokus nicht zu verlieren. Gerade in den ersten Stunden nach der Geburt ist die hormonelle Situation so günstig wie sonst nie, eine enge Bindung zu deinem Kind aufzubauen. Es wird ein Grundstein zum erfolgreichen Stillen gelegt und du gewinnst Selbstbewusstsein in der Versorgung deines Kindes.