Cover

Buch

Belle will nicht zulassen, dass Smiths dunkle Vergangenheit ihre Liebe zerstört. Doch hat er wirklich damit abgeschlossen? Als sie ihn mit einer anderen Frau in einer eindeutigen Situation beobachtet, ist sie zutiefst verletzt. Enttäuscht und gedemütigt, bricht Belle jeden Kontakt zu Smith ab und arbeitet wie eine Besessene. Dennoch gelingt es ihr einfach nicht, diesen gefährlichen, geheimnisvollen Mann mit den dunklen Augen zu vergessen. Aber wie soll sie ihm seinen Verrat jemals verzeihen können?

Autorin

Geneva Lee lebt gemeinsam mit ihrer Familie im Mittleren Westen der USA. Sie war schon immer eine hoffnungslose Romantikerin, die Fantasien der Realität vorzieht – vor allem Fantasien, in denen starke, gefährliche, sexy Männer vorkommen. Mit ihrer Royals-Saga, der Liebesgeschichte zwischen dem englischen Kronprinzen Alexander und der bürgerlichen Clara, begeisterte Geneva Lee die amerikanischen Leserinnen und eroberte auch die deutsche Bestsellerliste.

Die Royals-Saga von Geneva Lee

Royal Passion (Clara & Alexander)

Royal Desire (Clara & Alexander)

Royal Love (Clara & Alexander)

Royal Dream (Belle & Smith)

Royal Kiss (Belle & Smith)

Royal Forever (Belle & Smith)

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GENEVA LEE

Royal Kiss

Roman

Band 5

Deutsch von Charlotte Seydel

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Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »Covet me«
bei Westminster Press, Louisville.


Copyright der Originalausgabe © 2015 by Geneva Lee

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2016 by Blanvalet Verlag
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Susann Rehlein

Covergestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign,

Covermotive: unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com (LANTERIA; vectorgreen; Pacrovka)

WR · Herstellung: kw

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-19915-9
V006


www.blanvalet-verlag.de

1

Endlich war es so weit. Nach Wochen rastlosen Suchens war ich angekommen. Von außen machte das Gebäude nicht viel her, aber sein Inneres barg mehr als nur vier Wände und ein paar Fenster. Es war ein helles Ladenlokal, und obwohl der Londoner Spätherbst bereits mit winterlichen Temperaturen aufwartete, war der ganze Raum bis in den letzten Winkel in ein warmes Licht getaucht. Ich hatte mein eigenes kleines Plätzchen in London gefunden, und das mitten in Chelsea. Hier wollte ich den nächsten Schritt wagen.

Natürlich brauchten sämtliche Wände und die Regale, die sich daran entlangzogen, einen frischen Anstrich. Vielleicht in Elfenbeinweiß. Außerdem musste eine Menge Mobiliar angeschafft werden, schließlich war der Raum völlig leer. Aber darüber machte ich mir keine Sorgen. Er verfügte über Potenzial – und der Preis stimmte auch.

»Was meinen Sie?«, fragte Julian, mein unendlich geduldiger Makler. Für ihn, der normalerweise Top-Immobilien an milliardenschwere Konzerne verkaufte, stellte ich eine echte Herausforderung dar. Doch er war ein Engel gewesen und hatte mir die Hälfte aller verfügbaren Gewerbe-Immobilien in der Londoner Innenstadt gezeigt. Nun wurde sein Durchhaltevermögen endlich belohnt.

»Es ist perfekt«, flüsterte ich und malte mir schon aus, wo Tische und Kleiderständer hinpassen würden.

»Der Eigentümer besteht auf einem Zwölfmonatsvertrag«, fing Julian an und ratterte die Vertragsbedingungen herunter, aber das spielte alles keine Rolle. Hier sollte meine nächste Lebensphase beginnen. Meine vagen Vorstellungen nahmen Gestalt an, und immer schneller wurde ein richtiges Unternehmen daraus: Bless. In ein paar Monaten wäre der Raum voll mit Tischen und Kleidern. Es fühlte sich an wie ein verrückter Traum.

Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Fantasien – der vertraute Ton rief mir in Erinnerung, dass ich jetzt schon mehr besaß, als sich die meisten Frauen erhoffen konnten. Ich warf Julian einen entschuldigenden Blick zu und kramte nach meinem Telefon, doch er winkte nur ab. An solche Unterbrechungen hatte er sich in den letzten Wochen gewöhnt.

»Hallo, meine Schöne.« Smiths raue Stimme trieb eine Gänsehaut über meinen Körper. Wenn es jemand schaffte, mich nur mit Worten zum Orgasmus zu bringen, dann dieser Mann. Zum Glück hatte ich ihm das nicht erzählt, sonst würde er mich im Stundentakt anrufen.

Dass ich so auf seine Stimme reagierte, konnte auch daran liegen, dass wir seit einer Woche keinen Körperkontakt mehr gehabt hatten. Nachdem er mich als seine persönliche Assistentin gefeuert hatte, wollten wir vorerst kein Risiko eingehen und uns nicht allzu häufig sehen. Heute Morgen waren es sieben Tage. Noch nie hatten wir es geschafft, so lange die Finger voneinander zu lassen. Der Reaktion meines Körpers nach zu urteilen, wurde es allmählich Zeit, diesen Rekord zu beenden.

»Ich hab was gefunden«, flüsterte ich ins Telefon. Mehr brauchte ich nicht zu sagen. Trotz der Distanz, die wir in den letzten Wochen gehalten hatten, zweifelte ich nicht daran, dass er über meine Schritte auf dem Laufenden war. Mehr durfte ich am Telefon auch nicht verraten. Es wies zwar nichts darauf hin, dass jemand meine neue Telefonnummer abhörte – doch es gab auch keinen Beweis dafür, dass dies nicht der Fall war. »Bless hat jetzt ein Zuhause.«

»Das müssen wir feiern!« Was er damit meinte, war sonnenklar, und ich hakte ein Bein hinter das andere, um das Ziehen zu lindern, das sich umgehend zwischen meinen Schenkeln ausbreitete.

»Ach ja?« Wie üblich bewirkte Smith Price, dass ich mich bloß noch in sehr kurzen Sätzen ausdrücken konnte. Nur zu gern überließ ich es ihm, für uns beide Pläne zu machen, denn das lief normalerweise auf stundenlangen, fantastischen, wilden Sex hinaus. Zurzeit gab es tausend Dinge, um die ich mir Sorgen machte – befriedigt zu werden, gehörte allerdings nicht dazu. Zumindest nicht heute Nacht.

»Irgendwo privat – nur wir zwei allein. Ich schicke dir eine SMS mit der Adresse.«

»Ja, Sir«, hauchte ich in den Hörer, ohne mich darum zu scheren, dass Julian das Telefonat mitanhören konnte. Meine Worte klangen ebenso verheißungsvoll wie seine Einladung, hoffte ich.

Er legte auf, und ich landete wieder auf dem Boden der Realität.

Als ich mich umdrehte, sah ich gerade noch ein wissendes Grinsen in Julians Gesicht, der sein Handy checkte.

»Diesen geheimnisvollen Mann würde ich ja gern mal kennenlernen«, sagte er und ließ das Handy wieder in seine Brusttasche gleiten.

Ich hob eine Braue und schüttelte den Kopf. »Warum? Damit Sie ihn mir ausspannen können?«

»Vielleicht könnten wir ihn uns teilen?«, scherzte er.

»Dieses Spielzeug will ich ganz für mich allein haben.« Ich klang entschiedener als beabsichtigt, aber wer konnte mir meine Reaktion verdenken? Smith gehörte mir, und die Herausforderung, mit unserer schwierigen Situation klarzukommen, hatte mich nur noch besitzergreifender gemacht.

Julian winkte mit einer manikürten Hand ab. »Hauptsache, er sieht das genauso.«

Daran zweifelte ich nicht im Mindesten.

Schnell wechselte er das Thema. »Gehen wir ins Büro und erledigen den Papierkram.«

Dazu ließ ich mich gern überreden.

Die Adresse, die Smith mir aufs Handy geschickt hatte, sagte mir nichts, doch als ich in der kleinen ruhigen Straße in Holland Park eintraf, war ich verwundert. Ich hatte mit einem Hotel gerechnet, nicht mit einer privaten Unterkunft. Ein rascher Blick aufs Handy bestätigte, dass ich hier richtig war. Ich schnappte mir meine Tasche vom Beifahrersitz und glitt aus dem Mercedes. Trotz der idyllischen Gegend achtete ich darauf, ihn sicher abzuschließen. Der Wagen, das überaus großzügige Geschenk meines Liebsten, war mir in den letzten Wochen zur zweiten Heimat geworden und fast so ans Herz gewachsen wie der Mann, der ihn mir geschenkt hatte.

Ich blieb stehen, weil mir plötzlich klar wurde, dass ich ihn liebte. Ein seltsames Gefühl. Obwohl wir noch nicht lange zusammen waren, hatte unsere Beziehung schon einiges aushalten müssen, und ich war mir nicht sicher, ob Liebe nicht alles noch schwieriger machen würde. Keiner von uns hatte es bisher ausgesprochen. Wir hatten es stillschweigend vorausgesetzt. Vielleicht war es stur von mir, aber ich wollte nicht diejenige sein, die als Erste die magischen drei Worte aussprach. Vielleicht hatte ich auch nur Angst. Smith war mir in vielerlei Hinsicht ein Rätsel geblieben, und der letzte Mann, den ich zu lieben geglaubt hatte, hatte mir vor Augen geführt, dass ich meinem Urteil in Bezug auf Männer nicht trauen konnte.

Doch Smith war nicht einfach irgendein Mann. Er war unerhört männlich und fordernd. Er raubte mir die Besinnung und bestimmte, wann ich wieder klar denken durfte.

Jetzt reiß dich mal zusammen! Ich hängte mir die Tasche über die Schulter und näherte mich zögernd dem Haus. Ich ersehnte die Begegnung mit Smith genauso, wie ich sie fürchtete. Was, wenn er mir fremd geworden war?

Eine Spur zu fest klammerte ich mich an das Geländer, als ich die Stufen zur Haustür hinaufstieg. Ich spürte die Nachtluft an meiner nackten Muschi. Das erinnerte mich daran, wozu ich hergekommen war. Meinen Slip hatte ich, ganz Smiths Vorliebe entsprechend, schon im Wagen ausgezogen und in meine Tasche gesteckt. Ich fühlte mich zugleich exponiert und stark. Unsere Beziehung mochte einer Belastungsprobe ausgesetzt sein, aber ich war genau das, was er wollte.

Noch bevor ich die oberste Stufe erreichte, schwang die Tür auf, und vor mir stand genau das, was ich wollte. Ich bekam weiche Knie, als ich Smiths Anblick im Anzug auf mich wirken ließ. Es war durch nichts zu rechtfertigen, dass nur der Anblick eines Menschen eine derartige Wirkung auf mich hatte. Ich konnte von Glück sagen, wenn ich es noch schaffen würde hineinzugehen, anstatt gleich hier vor ihm auf die Knie zu sinken.

Als Smith mich hereinbat, blieben seine Gesichtszüge ausdruckslos, doch ich bemerkte ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen, und das leichte Zucken um seine Mundwinkel bestätigte, dass er ein Lächeln unterdrückte. Seinem überheblichen Grinsen war ich genauso verfallen wie dem ganzen Mann. Schon als wir uns kennenlernten, hatte er mich damit fertiggemacht. Zu wissen, dass es sich jetzt hinter seinem strengen Blick verbarg, ließ mich feucht werden.

»Hallo, meine Schöne.« Er nahm meine Tasche, warf sie auf den Boden und wartete meinen Gruß gar nicht erst ab, sondern hob mich hoch und trug mich durch die Empfangshalle. Ich schlang die Arme um seinen Hals und bot ihm meinen Mund zum Kuss. Doch er hatte sich besser im Griff als ich. Er küsste mich auf die Stirn, bevor er mich auf einem Ledersofa absetzte.

»Gefällt es dir hier?«, fragte er.

Ich blinzelte, noch ganz gebannt von seiner Gegenwart, und zwang mich dazu, mich in dem gemütlichen Raum umzuschauen. An den Wänden hingen Bilder, die augenscheinlich allesamt unbezahlbar waren, und im kunstvoll verzierten Kamin knisterte ein Feuer. Hier sah es eher so aus wie in seiner Anwaltskanzlei und nicht wie bei ihm zu Hause. Mit einem fragenden Blick erwiderte ich: »Ja.«

»Eines meiner Investments«, erklärte er, während er sein Jackett aufknöpfte. Ich war froh, dass er es nicht auszog, denn für heute Abend hatte ich etwas mit ihm vor, bei dem der Anzug eine Rolle spielte.

Ich verlor mich derart in meinen Fantasien, dass ich einen Moment brauchte, bis ich begriff, dass er noch etwas gesagt hatte. »Wie bitte?«

Smith legte den Kopf schräg und strich sich seufzend mit der Hand durch sein dunkles Haar. »Mir scheint, du brauchst erst ein bisschen Spaß, bevor wir uns ernsthaft unterhalten können!

»Ja, Sir.«

Die knappe Antwort entfachte ein Feuer in seinen Augen, das so wild loderte, dass ich mir auf die Lippe biss, um nicht aufzustöhnen. Als ich ihm den Spitznamen gegeben hatte, war er mir gerade auf die Nerven gegangen. Der Name hielt sich jedoch, als ich merkte, wie fordernd Smith hinter geschlossenen Türen war – und wie heiß ich darauf war, ihm zu Willen zu sein.

Er stützte sich auf die Sofalehne, beugte sich zu mir herunter und schüttelte den Kopf. »Hier bestimme ich die Regeln. Muss ich dich wirklich daran erinnern?«

Das klang wie eine Drohung und zugleich wie ein Versprechen. Ich hatte schon erlebt, dass er mir spielerisch Klapse auf den Hintern gab, wenn ich ihn neckte oder mich absichtlich ein bisschen zierte. Mir war jedoch klar, dass ich noch nicht am eigenen Leib erfahren hatte, wozu er wirklich fähig war. Früher hätte mir der Gedanke daran vielleicht Angst gemacht, aber nachdem ich seine Hände so lange nicht auf meinem Körper gespürt hatte, sehnte ich mich leidenschaftlich nach seiner Berührung.

»So nötig hast du es also, hm?«, sagte er und bewies aufs Neue sein untrügliches Gespür dafür, wonach mir der Sinn stand. »Versuch nicht, mich zu drängen, Belle, sonst wirst du noch länger auf eine Bestrafung warten müssen als auf einen Orgasmus.«

Ich wollte mir nicht anmerken lassen, dass mich seine Warnung ernüchtert hatte. Also richtete ich mich auf, schlug die Beine übereinander und achtete sorgsam darauf, dass er einen Blick auf das erhaschte, was ich nicht unter meinem Rock trug. »Du hast dieses Haus also gekauft?«

»Schon vor ein paar Jahren.«

Er ließ sich nicht anmerken, ob ihm meine fehlende Unterwäsche aufgefallen war. Das fand ich enttäuschend.

»Eigentlich wollte ich es verkaufen.«

»Und bist noch nicht dazu gekommen?«, fragte ich trocken. Nur Smith war imstande, so lange auf einer Londoner Top-Immobilie sitzen zu bleiben. Sein Bankkonto machte es möglich, während wir anderen darauf angewiesen waren, unsere Wohnungen mit Mitbewohnern zu teilen.

»Ich habe jetzt andere Pläne.« Mehr verriet er nicht. Sein Blick wurde jedoch kühl, während seine Gedanken abschweiften.

Ich holte tief Luft und wartete, dass er sich wieder um mich kümmerte. Als er das nicht tat, wagte ich einen Vorstoß: »Ich habe dich vermisst.«

Es war eine einfache Feststellung, aber in meiner Stimme schwang zu viel Gefühl mit. Sofort bereute ich meine Worte und hätte sie am liebsten zurückgenommen. Als er mich damals über unsere prekäre Lage ins Bild gesetzt hatte, musste ich ihm versprechen, stark zu sein. In unserer Übereinkunft gab es keinen Platz für Sentimentalitäten. Meistens war ich viel zu sehr damit beschäftigt, meiner neuen Rolle als Unternehmerin gerecht zu werden, um mir über unsere Beziehung den Kopf zu zerbrechen. Zumindest tagsüber. Schwieriger wurde die Sache, wenn ich mich dann endlich ins Bett schleppte – allein. Doch als er jetzt so vor mir stand, brachte die ungestillte Sehnsucht all der schlaflosen Nächte meine Entschlossenheit schnell ins Wanken.

Doch statt mich zu tadeln, sank er neben mich und zog mich auf seinen Schoß. »Meine Schöne.«

Sein Kosename für mich besänftigte das Verlangen, das mich unversehens übermannt hatte. Aber gänzlich stillen konnte er es damit nicht.

»Ich habe den ganzen Nachmittag darüber nachgedacht, was ich mit dir machen werde«, flüsterte er und hob mit dem Zeigefinger mein Kinn, damit ich ihm in die Augen schaute.

»Und?«, fragte ich erwartungsvoll.

Er verzog den Mund und zwinkerte mir zu. »Ich glaube, es wird dir gefallen. Aber ich dachte, wir könnten uns noch ein bisschen unterhalten. Ich habe gehört, normale Pärchen erzählen sich, wie ihr Tag war, bevor sie sich ausziehen.«

Pärchen? Dieser Begriff erschien mir ein wenig zu salopp, um die Verbindung zu bezeichnen, die sich zwischen uns entwickelt hatte. Und normal? Das waren wir bestimmt nicht. Trotzdem übte das Bild eine gewisse Anziehungskraft auf mich aus.

»Normale Pärchen müssen sich nicht verstecken«, erinnerte ich ihn.

»Normale Pärchen«, erwiderte er mit angespannter Stimme, »haben auch keinen Chef, der Leute umbringt.«

Das war der springende Punkt. Wir hatten uns nicht aus freien Stücken voneinander getrennt – eine Tatsache, die ich nur zu gern verdrängen würde. Was Smith an seinen Arbeitgeber fesselte, ging weit über das übliche Maß hinaus. Er war in ein Netz aus Verrat und Betrug verwickelt, dem ich selbst nur mit knapper Not entkommen war. Hammond war der Mann, der die Fäden in der Hand hielt, die Smith daran hinderten, sich von seiner Vergangenheit zu lösen. Smith hatte ich es zu verdanken, dass Hammond anscheinend kein Interesse mehr an mir hatte. Wüsste er allerdings, dass es zwischen Smith und mir keineswegs aus war, würde sich das schnell wieder ändern.

»Erzähl mir von Bless«, forderte er mich auf. Offensichtlich wollte er das Thema wechseln.

Es gab eine Menge zu erzählen, obwohl ich eigentlich erst wenig erreicht hatte.

»Ich habe ein Ladenlokal in Chelsea gefunden, das in mein Budget passt.«

»Über dein Budget solltest du dir wirklich keine Gedanken machen.« Er legte die Stirn in Falten, aber ich unterbrach ihn, bevor er mich dazu nötigen konnte, noch mehr Geld von ihm anzunehmen.

»Ich gründe gerade eine Firma. Natürlich muss ich meine Finanzen im Blick behalten, und davon abgesehen, entspricht der Laden genau meinen Vorstellungen. Wenn er zu teuer für mich gewesen wäre, hätte ich es dir gesagt«, log ich. Ich hatte absolut nicht vor, noch mehr von seinem Vermögen anzunehmen, wenn ich es nicht wirklich brauchte.

»Was mir gehört, gehört auch dir.«

»Ach ja?«, fragte ich neckisch und spielte an seiner Gürtelschnalle. Mir wurde immer klarer, dass uns etwas Entspannung guttäte, und ich wusste ziemlich genau, wie wir das erreichen konnten.

Mit meiner Reaktion entlockte ich ihm sein erstes aufrichtiges Lächeln des Tages. »Soll das etwa heißen, der Small Talk ist jetzt vorbei?«

»Wir könnten auch noch übers Wetter reden, aber ehrlich gesagt, bist du nicht der Einzige, der heute Nacht noch etwas vorhat.«

»Willst du mich etwa übertreffen, meine Schöne?« Er strich mit dem Finger über meine Unterlippe, und ich öffnete unwillkürlich den Mund.

Das war nun wirklich nicht möglich, schon allein deshalb nicht, weil ich mich so sehr nach seiner Dominanz sehnte. Ich presste fest die Schenkel zusammen, weil ich fürchtete, sonst einen feuchten Fleck auf seiner Wollhose zu hinterlassen.

»Nicht mal im Traum.«

»Braves Mädchen.« Ich spürte, wie er meinen Rock zwischen die Finger nahm. Er zog ihn herunter, streifte ihn ab und warf ihn beiseite. »Eigentlich wollte ich vorschlagen, dass wir noch einen Happen essen, aber im Grunde habe ich nur auf eines Appetit.«

Für seine Anzughose konnte ich jetzt keine Garantie mehr übernehmen. Ich biss mir auf die Unterlippe und spreizte einladend die Beine.

»Erst will ich die ganze Speisekarte sehen«, flüsterte er mir ins Ohr, während er so langsam und vorsichtig meine Bluse aufknöpfte, dass ich fast verrückt wurde. Seine Fingerspitzen strichen über jedes Stückchen Haut, das zum Vorschein kam. Dann streichelte er über die Spitzenkörbchen meines BHs, löste die Häkchen und ließ ihn herunterfallen. Mit einer fließenden Bewegung hob er mich in seine Arme und stand auf. »Ich glaube, der erste Stock wird dir noch mehr zusagen.«

Er knabberte an meinem Nacken, während wir die Treppe hinaufstiegen. Als wir das Schlafzimmer erreichten, konnte ich nicht mehr ruhig atmen vor Erregung. Smith legte mich auf dem Bett ab, trat einen Schritt zurück und betrachtete seine Beute. Dabei zog er sich langsam aus. Auch dafür ließ er sich viel Zeit. Smith konnte eine Frau an die Wand drücken, ihren Slip zur Seite schieben und sie komplett bekleidet vögeln. Doch wenn er eine Frau mit ins Bett nahm – wenn er mich mit ins Bett nahm –, dann trat an die Stelle des ungestümen Drängens eine Bedächtigkeit, die mir einen Schauer nach dem anderen über die Haut jagte.

Er streifte sein Jackett ab, faltete es in der Mitte zusammen und legte es über einen Stuhl, der in der Ecke stand. Das Gleiche wiederholte er mit seinem Schlips und dann mit seinem Hemd. Er behandelte jedes Kleidungsstück mit größter Sorgfalt. Es war der langsamste – und erregendste – Striptease der Welt. Denn Smith widmete diese Sorgfalt nicht nur seinen teuren Anzügen. Jedem Zentimeter meines Körpers würde die gleiche Aufmerksamkeit zuteilwerden.

Als seine Shorts zu Boden fielen, bekam auch ich einen ersten Eindruck von dem, was für mich auf der Speisekarte stand, und ich wollte unbedingt schon mal davon naschen. Mit offenem Mund kroch ich auf allen vieren an den Rand des Bettes. Smith kam näher heran. Das Mondlicht glänzte auf seinem athletischen Körper. Er blieb einen halben Meter vor mir stehen und gewährte mir einen besseren Blick auf das, was ich begehrte, ohne dass ich es berühren konnte.

»Wie heißt das Zauberwort?«

Mein ganzer Körper flehte ihn an – aber das hatte er nicht gemeint. Anfangs hatte mich Smiths dominante Ader noch eingeschüchtert. Inzwischen fand ich sie befreiend, und nach der Woche, die hinter mir lag, wollte ich nichts lieber, als mich voll und ganz von ihm dominieren zu lassen. »Bitte, Sir.«

»Leg dich hin«, befahl er mir beim Näherkommen. Ich legte mich auf den Rücken und ließ meinen Kopf instinktiv so über den Rand des Bettes herunterhängen, dass er die Spitze seines Geschlechts an meine Lippen führen konnte.

»Hast du dich selbst berührt?«

Ich strengte mich an, den Kopf zu schütteln, aber ich war viel zu sehr darauf konzentriert, meinen Mund um seine prächtige Rute zu schließen.

»Du wolltest es aber«, erriet er. Er hielt inne und stöhnte, als ich seinen Schaft verschlang. »Ich weiß doch, wie ausgehungert deine Muschi ist. Sie ist fast so ausgehungert wie dein gieriger kleiner Mund. Es muss schwer gewesen sein, dich zurückzuhalten, meine Schöne. Jetzt darfst du dich selbst berühren.«

Ich griff nach hinten und fasste seinen Schwanz, die andere Hand versenkte ich bereitwillig zwischen meinen Beinen. Nichts erregte mich so, wie seinen Blicken ausgeliefert zu sein, außer vielleicht, wenn ich dabei auch noch seinen Schwanz im Mund hatte. Mein Körper bebte, als meine Fingerspitzen meine Lustknospe fanden. Ich umkreiste sie und ließ meine Hüften gegen den willkommenen Druck kreisen. In Wahrheit hatte ich gar keine Lust, mich selbst zu berühren, wenn ich nicht mit ihm zusammen war, denn ich wusste, dass ich mein Verlangen damit nicht stillen konnte. Das konnte nur er.

»Fick mich, meine Schöne. Dein Mund fühlt sich gut an«, keuchte Smith, während er mich durch halb geschlossene Lider beobachtete.

Mein Gott, wie gern legte ich eine Show für ihn hin. In meinem ganzen Leben hatte ich mich noch nie so lebendig gefühlt – und nie so unwiderstehlich – wie in den Momenten, wenn diese Augen auf mich gerichtet waren. Nur dafür lebte ich.

Er entzog sich mir und beugte sich herunter, sodass unsere Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Dann fasste er mein Handgelenk und führte meine von den Spuren der Erregung feuchten Finger an seine Lippen. »Ich muss dich schmecken.«

Smith saugte lasziv jeden Finger einzeln zwischen seine Lippen. Das Pochen in meinem Schoß verwandelte sich in ein heftiges forderndes Ziehen. Meine Beine öffneten sich wie von allein, und ich fing an, mich zu winden. Ich konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, ihn auf mich zu ziehen. Er ließ meinen Arm los, jedoch nicht meinen Mittelfinger, der immer noch zwischen seinen Lippen steckte, und griff mit beiden Händen unter meine Schultern. Schließlich gab er meinen Finger frei, drehte mich auf den Bauch und stieg ins Bett. Ich wagte nicht, mich zu rühren, als er sich hinter mir in Stellung brachte. Es war besser, ihn nicht zu unterbrechen, wenn er die Führung übernahm. Er nahm mich an den Hüften und zog meine gespreizten Schenkel über seinen Schoß. Mit dem Gesicht nach unten lag ich auf der Matratze und krallte die Finger ins Laken.

»Das habe ich vermisst.« Er strich mit den Händen über meine Pobacken und hinunter bis zu meiner bebenden Muschi. Seine Berührung entlud sich an meiner empfindlichsten Stelle wie elektrischer Strom. »Ich spüre, wie sehr du dich danach sehnst, versohlt zu werden. Hast du meine Hände vermisst?«

»Ja, Sir«, stöhnte ich in den Stoff. Das hatte ich wirklich. Ganz verdorben hatte ich mich gefühlt, so sehr hatte ich es vermisst. Der erste Schlag traf nur leicht auf meine rechte Backe, und ich biss fest in die Bettdecke, weil ich fürchtete, schon von der ersten Berührung zu kommen. Die zarte Haut fing an, sich zu erwärmen, und Smith streichelte sie zärtlich.

»Mehr?«, wollte er wissen.

Ich nickte mit zusammengebissenen Zähnen.

»Wie heißt das Zauberwort?«

Ich öffnete den Mund und flehte lüstern: »Bitte schlag mich.«

»Mit Vergnügen.«

Der nächste Schlag war schon fester und erwischte mich so heftig, dass ich unwillkürlich versuchte, meine Schenkel um Smiths Taille zu schlingen. Ich brauchte ein bisschen Reibung. Aber Smith war viel zu erfahren, um das zuzulassen. Stattdessen verabreichte er mir eine Serie von Schlägen, mal spielerisch, mal richtig gemein. Als er endlich aufhörte, brannte mein Hintern von der erotischen Attacke. Ich war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig: Da war nur noch das heiße, pochende Gefühl, das sich auf meinem Hinterteil ausbreitete. Smith sagte kein Wort, als er meinen Körper noch ein Stück näher zu sich heranzog und seinen Schwanz auf wundervolle Weise Zentimeter für Zentimeter durch meine pulsierende Pforte schob. Er hielt mich an der Taille fest, während sich mein Körper langsam an sein Vordringen anpasste.

»Du bist so feucht und eng. Willst du jetzt für mich kommen?«

Ich stieß ein Ja hervor. Oh Gott, ja. Ja. Ja. Ja. Ja war das einzige Wort, das jetzt noch einen Sinn ergab, und ich schrie es heraus, als er tiefer in mich eindrang und den Orgasmus hervorlockte, den er in meinem Schoß herangezogen hatte. Er fickte mich so kraftvoll, dass mich mit jedem Stoß eine neue Welle der Lust erfasste. Ich klammerte mich ans Bett. Dieses Gefühl wollte ich nicht mehr hergeben, es sollte nie mehr aufhören. Doch als sich meine Spasmen legten, zog er sich zurück und drehte mich behutsam wieder auf den Rücken, bevor er von Neuem in mich eindrang.

»Schau mich an«, befahl er mit rauer Stimme. »Du sollst sehen, was du mit mir machst, Belle.«

Ich zwang mich, die Augen offen zu halten, als er mich langsam und behutsam von Neuem nahm. Smiths Daumen suchte meine Lustknospe, und ich sah zu, wie sein Schaft in meinem Körper verschwand.

Es war das Schärfste, was ich jemals gesehen hatte. Smith thronte zwischen meinen gespreizten Schenkeln, und zwischen meinen rosigen Schamlippen war der Ansatz von seinem Schwanz zu erkennen.

Mein Becken zog sich zusammen. Schon stand der nächste, unausweichliche Ansturm bevor.

»Das ist es, meine Schöne«, stöhnte er, und dann spürte ich die erste unverkennbare heiße Eruption in meiner Muschi.

Ich ließ mich restlos mit ihm gehen, schlang meine Beine um seine Taille und trieb ihn an, während wir gemeinsam alles andere vergaßen. Als er schließlich zur Ruhe kam, schloss er mich in seine Arme und versiegelte meinen Mund mit seinen Lippen. Wir schlangen die Glieder umeinander, während unser Kuss an Leidenschaft gewann. Hier gehörte ich her. An die Seite dieses Mannes. Als wir voneinander ließen, sanken wir nieder, ohne unsere Umarmung zu lösen. Er legte seine Hand an meine Wange und zog mich wieder an seinen Mund, der für die Zukunft noch so vieles mehr verhieß.

2

Am nächsten Nachmittag fühlte ich mich im CoCo trotz der vielen Menschen, die es belagerten, so entspannt wie nie zuvor. Erstaunlich, wie sich eine Nacht voller Orgasmuswonnen auf eine Frau auswirken konnte. Lola winkte mich breit grinsend an ihren Tisch. Als der Kellner erschien, um unsere Getränkebestellung aufzunehmen, fiel ihr das Lächeln allerdings gleich wieder aus dem Gesicht. Der schlaksige Kerl zeigte sich eine Spur zu erfreut darüber, zwei Frauen bedienen zu dürfen. Er ging vor uns in die Hocke, doch noch ehe er etwas sagen konnte, kam ihm Lola zuvor.

»Zwei Bourbon. Wests bitte«, orderte sie, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Als er Richtung Bar abzog, warf sie mir einen genervten Blick zu. »Seit ich mich hingesetzt habe, hängt der an mir wie ein Hündchen.«

»So schlimm?«, lachte ich und hängte meine Tasche über die Stuhllehne.

»Schlimmer. Wenn der mehr von mir kriegen will als meine Unterschrift auf dem Kreditkartenbeleg, muss er sich wirklich etwas anderes einfallen lassen.« Lola zuckte gelassen mit den Schultern, schaltete ihr Handy ein und verwandelte sich in eine Geschäftsfrau. »Und jetzt erzähl mir doch mal, wie es mit deinem Marketing aussieht.«

Einer der Gründe, warum ich mich mit dieser Frage an Lola gewandt hatte, war ihre Fähigkeit, ohne Umschweife direkt auf den Punkt zu kommen. Und es sah nicht so aus, als ob sie heute von dieser Linie abweichen würde. Das Problem war, dass ich überhaupt nicht wusste, wo ich anfangen sollte. Um etwas Zeit zum Nachdenken zu gewinnen, faltete ich an der Serviette herum. »Ehrlich gesagt, habe ich gerade erst ein Ladenlokal gefunden. Die Entwürfe fürs Logo sind noch nicht da, und für die Einrichtung haben wir bislang auch noch nichts gekauft.«

Dass die meisten meiner Ideen zurzeit nur als Skizzen in meinem Notizbuch existierten, erwähnte ich gar nicht erst.

Sie tippte etwas in ihr Smartphone. »Hast du einen Businessplan geschrieben?«, erkundigte sie sich.

»Hm. Nicht unbedingt. Keinen offiziellen Businessplan jedenfalls. Aber ich habe mir viele Notizen gemacht.« Smith hatte dasselbe angemahnt, mich anschließend aber nur allzu gern von dieser Hausaufgabe abgehalten.

»Dann sollte das die zweite Sache sein, um die du dich kümmerst. Aber als Erstes möchte ich, dass du mir auf einer Seite deine Geschäftsidee skizzierst, die Abo-Bedingungen erklärst und wie viel du dafür verlangen willst.«

Ich warf ihr einen kritischen Blick zu. »Ich dachte, du wolltest mich beraten?«

Lola legte den Kopf schräg. In dieser Position sah sie ihrer Schwester Clara noch ähnlicher als sonst. »Was das betrifft …«

Als sie innehielt, machte ich mich aufs Schlimmste gefasst. Wenn sie jetzt hinschmiss, war ich verloren. Ich fand ja kaum noch Zeit zum Duschen. Auf die Schnelle einen Marketingexperten zu finden, der bereit war, in einem so frühen Planungsstadium mit mir Strategien zu entwickeln – das erschien mir völlig aussichtslos.

»Ich will bei dir einsteigen«, erklärte sie zu meiner Überraschung. »Ich bin im letzten Jahr an der Uni. Fürs nächste Semester brauche ich einen Job. Kennst du jemanden, der mich einstellen würde?«

Es war unmissverständlich, worauf sie mit ihrer Frage hinauswollte. »Du willst wirklich für mich arbeiten?«

Bis jetzt waren die Reaktionen auf meinen plötzlichen Ausflug ins Geschäftsleben ziemlich durchwachsen gewesen. Die meisten meiner Freunde waren zwar sehr angetan, hatten sich aber eigentlich nur mäßig interessiert gezeigt. Meine Mutter hätte fast einen Herzinfarkt bekommen. Und Smith? Bei ihm war ich mir noch immer nicht ganz sicher. Zwar hatte er die Ausgaben vorgestreckt, aber er suchte schließlich auch nach einem Mittel, um mich aus Hammonds Schusslinie zu bringen. Dass er mich bei meinen Geschäftsplänen unterstützte, konnte einfach nur ein wohlüberlegter Schachzug sein.

»Es sei denn, du willst mich nicht.« Lola trank einen Schluck Wasser und gab sich ungerührt.

»Nein!«, sagte ich so laut, dass sich peinlicherweise gleich mehrere Kellner nach mir umdrehten. Ich senkte die Stimme und lehnte mich über den Tisch. »Ich will dich auf jeden Fall. Ich glaube, fürs Geschäftliche habe ich den richtigen Riecher, aber vom Marketing habe ich keine Ahnung. Es ist nur … Ich kann dir nicht viel zahlen. Noch nicht.«

Vielleicht auch nie. Ich ignorierte die kritische Stimme in meinem Kopf. Zum Aufgeben war es zu früh.

»Das habe ich mir schon gedacht«, antwortete sie unbekümmert und strich sich eine dunkle Strähne hinters Ohr. »Hör mal, eigentlich bin ich auf das Geld nicht angewiesen. Ich brauche was, auf das ich richtig Lust habe. Mein Vater liegt mir ständig in den Ohren, ich solle als sein Partner bei einem Start-up einsteigen. Aber es gibt eine Menge Gründe, die für mich dagegensprechen. Weil ich mir ums Geld keine Sorgen zu machen brauche, will ich mir etwas Eigenes aufbauen. Ich könnte sogar etwas zur Finanzierung beitragen.«

»Die Finanzierung ist kein Problem«, versicherte ich ihr, nicht ohne dabei rot anzulaufen.

»Dann lass uns loslegen«, schlug sie vor, als der Kellner mit den Bourbons zurückkehrte.

»Wir haben einen Namen und einen Laden. Haben wir dann alles, um loszulegen?«

Darauf setzte sie nur ein spöttisches Grinsen auf und strich mit dem Finger über den Rand ihres Glases. »Wir haben eine Idee. Die müssen wir jetzt verkaufen. Ich werde mich noch vorm Wochenende mit ein paar Modemagazinen kurzschließen, damit sie etwas über dich und dein Geschäft bringen. Zeitschriften planen ihre Inhalte über Monate im Voraus. Die Presse soll berichten, wenn der Laden eröffnet und nicht lange danach.«

Das ging alles ganz schön schnell. Vor einer Woche hatte ich eine Idee und jetzt schon einen Partner, einen Laden und weitaus mehr auf dem Zettel, als ich mir hatte träumen lassen. Das war mehr als aufregend, aber bei aller Euphorie war mir auch etwas mulmig. »Es ist doch okay, wenn man Angst hat, oder?«

»Ja. Wenn dir das Leben nicht ein bisschen Angst macht, dann lebst du wahrscheinlich nicht richtig«, erwiderte sie, ohne zu zögern, und erhob ihr Glas. »Auf die Partnerschaft.«

Ich stieß mit ihr an und schüttelte den Kopf. Sie hatte ja keine Ahnung, wie viel Angst mir mein Leben manchmal machte. »Auf die beängstigenden neuen Möglichkeiten!«

Als wir mit unserem kurzen Strategiemeeting fertig waren, brannte ich darauf, wieder ins Büro zu kommen. Die wohlige Zufriedenheit, mit der ich Smith am Morgen verlassen hatte, war dem dringenden Bedürfnis gewichen, mich zu konzentrieren. Innerhalb von zwei Tagen hatte ich es geschafft, einen Laden zu mieten und eine Geschäftspartnerin zu finden. Ich kramte mein Handy heraus, ignorierte die zahllosen eingegangenen Textnachrichten und tippte eine SMS an Edward.

Für Bless gibt es diese Woche zwei Gründe zum Feiern!

Ich wusste, dass du es schaffst, Herzchen! Wollen wir Samstag was trinken gehen? Ich will alles wissen.

Abgemacht!

Details folgen.

Noch bevor ich das Handy wieder einstecken konnte, erreichte mich ein Anruf mit unterdrückter Rufnummer. Hin- und hergerissen, ob ich abnehmen sollte, starrte ich auf das Display. Mir war klar, dass ich den Anruf unter den gegebenen Umständen auf die Mailbox umleiten sollte, allerdings musste ich mich auch daran gewöhnen, dass ich jetzt eine Geschäftsfrau war. Der Anruf konnte wichtig sein. Schließlich siegte die Neugier über meine Vernunft. »Hallo?«, meldete ich mich.

»Hast du die Papiere durchgesehen, die ich dir geschickt habe?«

Als ich die Stimme meiner Mutter hörte, schloss ich unwillkürlich die Augen. »Hast du etwa die Nummernanzeige unterdrückt?«

»Du gehst ja nicht ans Telefon, wenn ich anrufe, aber die Angelegenheit ist dringend«, sagte sie und tat so, als wäre es völlig in Ordnung, mich so hinters Licht zu führen.

Ich war einem Telefonat mit ihr seit Wochen aus dem Weg gegangen und hatte den Umschlag ignoriert, der nach unserer letzten verheerenden Begegnung bei mir eingegangen war. Sie hatte überaus deutlich gemacht, dass das Einzige, was sie an mir interessierte, meine Unterschrift war.

»Außerdem habe ich gehört, dass du die Sache mit diesem albernen Internetgeschäft tatsächlich durchziehst«, fuhr sie rasch fort. Offenbar wollte sie noch mehr Beschwerden loswerden, bevor ich das Gespräch beendete. »Woher hast du überhaupt das Kapital für so etwas? Hat deine Tante dir das finanziert?«

»Tante Jane hat keinen Penny beigesteuert.« Sie hat mich nur moralisch unterstützt, dachte ich im Stillen.

»Es wäre um einiges vernünftiger, wenn du deine Energie in unser Anwesen stecken würdest.«

Mein Anwesen, das unerwünschte Familienerbe, das mir beim Tod unseres Vaters zugefallen war, war das Letzte, über das ich mir jetzt Gedanken machen wollte. Ursprünglich hatte ich gut heiraten wollen, um seinen Fortbestand zu sichern, aber inzwischen konnte meinetwegen alles den Bach runtergehen und meine Mutter gleich mit.

»Ich vermute mal, du hast alles unter Kontrolle«, erwiderte ich kühl. Sie hatte mich nie gefragt, wie wir mit den Schulden umgehen sollten, die das Anwesen belasteten. Stattdessen hatte sie mich gedrängt, einen Weg zu finden, wie sie ihren aristokratischen Lebensstil aufrechterhalten konnte.

»Die Produzenten wollen über Weihnachten mit den Filmaufnahmen beginnen«, klagte sie in einem Tonfall, der irgendwo zwischen Panikattacke und Nervenzusammenbruch lag.

»Ich gehe die Verträge durch, wenn ich Zeit habe.« In Wahrheit hätte ich der BBC das Anwesen am liebsten gleich ganz überschrieben. Aber so leicht war das nicht, fürchtete ich, und ich hatte keine Lust, meine wenige Zeit beim Rechtsanwalt zu verbringen, um mit ihm die Verträge durchzusprechen.

»Ich würde wirklich nur sehr ungern andere Maßnahmen ergreifen«, drohte sie.

Ich blieb derart abrupt stehen, dass prompt ein Pärchen von hinten in mich hineinlief. Eine Entschuldigung murmelnd, stellte ich mich vor einen Laden. »Was willst du damit sagen?«

»Wenn du ein Geschäft hast, gibt es auch ein Betriebsvermögen«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Das Anwesen ist dir überschrieben, und das heißt, ich kann dich für die Schulden geradestehen lassen.«

»Wenn du das tust«, erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen, »kannst du deine Koffer packen.«

»Ist das der Dank für die Frau, die dich zur Welt gebracht hat? Du würdest mich auf die Straße setzen?«

»Ich habe schon teuer genug bezahlt. Ich bin dir nichts mehr schuldig«, zischte ich, beeilte mich jedoch hinzuzufügen: »Ich werde mir die Verträge anschauen.«

Dann legte ich auf. Ich kochte vor Wut. Mit dem Rücken gegen die Schaufensterscheibe gelehnt, starrte ich auf die Menschenmenge, die an mir vorbei zur Mittagspause strömte, und zwang mich, ruhig zu atmen. Smith würde nicht zulassen, dass sie Bless in die Insolvenz trieb. Doch ehe ich mir nicht selbst ein Bild über die finanzielle Schieflage des Anwesens gemacht hatte, konnte ich ihn nicht um Hilfe bitten. Ich würde die Papiere unterzeichnen und so die Galgenfrist für sie und das Anwesen um ein paar Jahre verlängern, bis ich eines Tages beide in die Wüste schicken konnte.