Impressum
Als Ravensburger E-Book erschienen 2011
Die Print-Ausgabe erscheint in der Ravensburger Verlag GmbH
© 2011 Ravensburger Verlag GmbH
Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel »Scorpia Rising« bei Walker Books Ltd., London
Copyright © Anthony Horowitz 2011
Published by arrangement with Stormbreaker Productions Ltd.
Aus dem Englischen von Wolfram Ströle
Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbH
ISBN 978-3-473-38440-2
www.ravensburger.de
Für alle Leser, die diese Reise angetreten haben und jetzt an deren Ende angelangt sind.
Erster Teil
SCORPIA
Geraubte Götter
Der Mann im schwarzen Kaschmirmantel stieg die Treppe seines sechssitzigen Learjet40 hinunter und blieb einen Moment lang stehen. Sein Atem bildete eine Wolke in der kalten Morgenluft. Ein Tankwagen rumpelte vorbei und der Mann blickte ihm nach. In einiger Entfernung standen zwei Männer in Warnwesten vor einem Hangar und unterhielten sich. Ansonsten schien er allein zu sein. Auf einem Schild an dem Gebäude vor ihm stand WILLKOMMEN IM CITY AIRPORT LONDON. Darunter führte eine Tür zum Einreiseschalter. Der Mann ging darauf zu. Er ahnte nicht, dass jeder seiner Schritte beobachtet wurde.
Er mochte um die fünfzig sein und hatte eine Glatze. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung. Im Terminal gab er dem Schalterbeamten seinen Pass und sah mit ausdruckslosen Augen zu, wie der Beamte ihn prüfte und zurückreichte. Dann ging er weiter. Er hatte kein Gepäck. Draußen wartete eine schwarze Limousine auf ihn. Am Steuer saß ein Chauffeur in einem grauen Anzug. Grußlos stieg der Mann ein. Er sagte auch nichts, als sie losfuhren und dem Themsebogen in Richtung Canning Town und weiter zum Zentrum von London folgten.
Der Mann hieß Zeljan Kurst und wurde in siebzehn Ländern polizeilich gesucht. Er war Chef der internationalen Verbrecherorganisation Scorpia und bisher, so weit bekannt, noch nie auf den Straßen von London gesehen worden. Der MI6 hatte von seiner Einreise Wind bekommen. Am Einreiseschalter hatte ein Geheimagent gesessen und auch jetzt, auf der Fahrt, wurde er verfolgt.
»Sie fahren auf der A13 Commercial Road Richtung Westen nach Whitechapel. Wagen drei bitte an der nächsten Kreuzung übernehmen.«
»Wagen drei zur Übernahme bereit…«
»Okay, fallen zurück…«
Die körperlosen Stimmen kommunizierten auf einem Kanal, der so geheim war, dass ein unbefugter Lauscher ohne die entsprechenden Filter nur statisches Rauschen gehört hätte. Am einfachsten wäre es gewesen, Kurst gleich auf dem Flughafen zu verhaften. Man hätte ihn innerhalb weniger Sekunden festnehmen, abführen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen können. Doch auf allerhöchster Ebene war beschlossen worden, ihm zu folgen, um zu erfahren, was er im Schilde führte. Schon die Tatsache, dass der Chef von Scorpia England besuchte, war bedeutsam. Dass er allein kam, war unglaublich.
Zeljan Kurst bemerkte seine Verfolger nicht. Er ahnte nicht, dass einer seiner eigenen Leute im Austausch für eine neue Identität und ein neues Leben in Panama seine Flugdaten verraten hatte. Trotzdem war ihm unbehaglich zumute. Gefühlsmäßig hatte alles gegen die Reise gesprochen. Als die Einladung über verschiedene Mittelsmänner und nach einer Reise um die halbe Welt schließlich bei ihm eingetroffen war, hatte er sie zunächst ablehnen wollen. Er war kein Laufbursche. Man konnte ihn nicht wie einen Kellner im Restaurant herbeirufen. Dann hatte er es sich doch anders überlegt.
Wenn der viertreichste Mann der Welt zum Gespräch bittet und allein fürs Kommen eine Million Euro zahlt, sollte man sich zumindest anhören, was er zu sagen hat.
»Sie sind jetzt auf der High Holborn. Wagen vier bereit zum Zugriff.«
»Halt, Augenblick noch! Er biegt ab…«
Die Limousine war quer über die Hauptstraße in eine schmale Straße voller altmodischer Läden und Cafés gefahren. Damit hatten die Männer vom MI6 nicht gerechnet. Für einen kurzen Moment kam Panik auf. Dann bogen zwei ihrer Wagen unter lautem Gehupe des entgegenkommenden Verkehrs ebenfalls ab. Sie sahen gerade noch, wie die Limousine anhielt und Zeljan Kurst ausstieg.
»An Wagen vier: Wo seid ihr?« Die Stimme klang nervös. »Wo ist die Zielperson?«
Pause. Dann: »Sie betritt das Britische Museum.«
Tatsächlich. Kurst war durch das Eingangstor gegangen und überquerte den offenen Platz vor dem berühmten Gebäude mit seiner gewaltigen, von Säulen gesäumten Fassade. In der Hand hielt er einen Spazierstock aus Ebenholz, der in regelmäßigen Abständen auf den Boden schlug. Die Agenten sprangen aus ihren Autos, aber sie kamen zu spät. Von der anderen Seite des Tors sahen sie Kurst im Gebäude verschwinden. Wenn sie jetzt nicht rasch handelten, hatten sie ihn endgültig verloren. Das Museum besaß mehrere Ausgänge. Und ein Mann wie Kurst nahm nicht den weiten Weg nach England auf sich, nur um ein Museum zu besichtigen. Vielleicht wollte er seine Verfolger abschütteln.
»Er ist im Museum. Wagen eins, zwei und drei fahren um das Gebäude herum und beobachten die Ausgänge. Wir brauchen sofort Verstärkung.«
Eine andere Stimme hatte das Kommando übernommen, doch sie klang schrill und unsicher. Es war elf Uhr an einem sonnigen Vormittag im Februar und im Museum drängten sich Touristen und Schulkinder. Für eine Verhaftung war es ein denkbar ungeeigneter Ort.
Kurst selbst hatte seine Verfolger immer noch nicht bemerkt. Er ging durch den weiß schimmernden Great Court mit seinem gewaltigen, spektakulär gewölbten Glasdach und an verschiedenen Museumsshops und Informationsschaltern vorbei zu den Ausstellungsräumen. Sein Blick streifte andere Besucher– ein japanisches Paar, beide klein und kaum zu unterscheiden, das sich vor einer Wendeltreppe gegenseitig fotografierte, und einen bärtigen Studenten mit Rucksack, der vor den Postkarten stand, eine nach der anderen hochnahm und eingehend betrachtete, als gelte es, eine versteckte Bedeutung zu ergründen.
Sein Stock klopfte in einem gleichmäßigen Takt auf den Boden. Zeljan Kurst wusste genau, wohin er musste, und würde auf die Minute pünktlich am vereinbarten Treffpunkt sein.
Er war groß und hatte kräftige Schultern, die in gerader Linie von einem ungewöhnlich breiten Nacken abstanden. Die Glatze war Absicht. Er hatte sich die Haare abrasieren lassen. An ihrer Stelle überzog ein dunkler Schatten die Haut. Aus seinen trüben braunen Augen sprach keine Intelligenz und er hatte die wulstigen Lippen und die kleine, eingedrückte Nase eines Ringers oder Rausschmeißers eines dubiosen Nachtclubs. Schon viele hatten ihn unterschätzt und gelegentlich hielt Kurst es für notwendig, sie aufzuklären. Was meist bedeutete, sie zu töten.
Er ging an der knienden Statue einer nackten Göttin vorbei. Mit Pinseln und Ölfarben bewaffnet und einem karierten Hut auf dem Kopf, übertrug eine ältere Frau auf ihrem Hocker sitzend die Statue mehr schlecht als recht auf eine weiße Leinwand. Auf die Statue folgten zwei merkwürdige steinerne Tiere, stilisierte Löwen, und gleich darauf ein kompletter, über zweitausend Jahre alter Tempel, den man aus dem Südwesten der Türkei hierhergebracht und originalgetreu wieder aufgebaut hatte.
Kurst beachtete die Exponate nicht weiter. Er mochte keine Museen, obwohl er sein Haus mit seltenen, aus verschiedenen Museen gestohlenen Kunstwerken eingerichtet hatte. Aber genau darum ging es ja. Warum sollte ein Kunstwerk, das auf viele Hunderttausend Pfund geschätzt wurde, in einem dunklen Raum verkommen und von Banausen angestarrt werden, die von seinem wahren Wert nur eine vage oder überhaupt keine Vorstellung hatten? Kurst folgte einer einfachen Lebensmaxime: Um etwas in vollem Umfang genießen zu können, musste man es besitzen. Und wenn man es nicht kaufen konnte, musste man es eben stehlen.
Vor ihm führten zwei Glastüren zu einem letzten Saal. Kurst sah einen großen, schlanken, dunkelhäutigen Mann hineingehen, der Notizbuch und Stift in den Händen hielt, und folgte ihm. Die Galerie erstreckte sich wie die Rollbahn eines Flughafens endlos lang in beide Richtungen und wirkte trotz der über hundert Besucher vergleichsweise leer. Alles war grau, die Wände, der Boden und sogar die Luft. Doch an der Decke, die hoch über den Besuchern schwebte, hingen Scheinwerfer und ließen die Schätze des Saales in einem warmen Goldton leuchten.
Diese Schätze, mit Figuren bedeckte Marmortafeln, waren an den Längswänden in langen Reihen nebeneinander angeordnet. Zu sehen waren Männer und Frauen, alte Griechen, einige sitzend, andere stehend, ins Gespräch vertieft oder auch zu Pferd. Einige hielten Musikinstrumente, andere Gewänder, Teller oder Gläser für ein Fest. Viele waren unvollständig. In zweieinhalbtausend Jahren waren Gesichter verschwunden, Arme und Beine abgebrochen. Die Überreste waren dennoch äußerst bemerkenswert. Die Skulpturen wirkten ungeheuer lebendig. Hier waren Menschen abgebildet, die wirklich gelebt hatten, bevor sie zu diesem Wachtraum erstarrt waren, dieser in Stein gemeißelten Welt.
Zeljan Kurst würdigte die Kunstwerke keines Blickes. An den beiden Enden der Halle befand sich jeweils eine erhöhte Plattform, zu der einige Treppenstufen und ein Behindertenlift hinaufführten. Der Lift war von dem Mann benutzt worden, den er gleich treffen würde. Er saß in seinem Rollstuhl für sich allein ganz hinten rechts. Über seine Knie war eine Decke gebreitet. Kurst näherte sich ihm.
»MrKurst?« Die Stimme klang trocken und erstickt. Sie kam aus einem faltigen Reptilienhals.
Kurst nickte. Er war ein vorsichtiger Mensch und hatte es sich zur Regel gemacht, nur zu sprechen, wenn es einen besonderen Anlass gab.
»Ich bin Ariston.«
»Das weiß ich.«
»Danke, dass Sie gekommen sind.«
Yannis Ariston Xenopolos besaß angeblich ein Vermögen in Höhe von fünfunddreißig Milliarden Dollar. Er hatte sein Geld mit einer riesigen Reederei gemacht, deren Geschicke er von einem Büro in Athen aus lenkte. Außerdem besaß er eine Fluggesellschaft, die Ariston Air, und eine Hotelkette. Jetzt lag er im Sterben. Kurst hatte die Zeitungsberichte gelesen, aber er hätte es auch so gemerkt. Die eingefallenen Wangen verrieten es, die totenblasse Haut und die Art, wie der Geschäftsmann im Rollstuhl saß: zusammengesunken und ausgetrocknet wie eine ägyptische Mumie. Vor allem aber merkte man es an seinen Augen. Kurst war einmal Chef der jugoslawischen Polizei gewesen und der Blick, mit dem Gefangene ihn ansahen, kurz bevor er sie erschoss, hatte ihn immer fasziniert. Jetzt sah er denselben Blick in den Augen des Mannes. Der Grieche hatte sich mit dem Tod abgefunden. Er hatte die Hoffnung aufgegeben.
»Hierherzukommen war sehr riskant für mich.« Kurst sprach mit einem starken Akzent, der seine Worte wie mit einem Gewicht beschwerte. »Was wollen Sie?«
»Ich dachte, Sie wüssten die Antwort inzwischen.«
»Den Parthenonfries…«
»Richtig. Ich wollte, dass Sie herkommen, damit Sie mich verstehen.«
Ariston streckte seine klauenartige Hand aus und drückte den Hebel am Rand des Rollstuhls. Der batteriebetriebene Stuhl drehte sich mit einem leisen Surren um, sodass Ariston nun mit dem Gesicht zum Saal saß.
»Dieser Fries gehört zu den größten Kunstwerken, die je geschaffen wurden«, sagte er. »Sehen Sie sich die Skulpturen an, MrKurst. Sie sind so schön, dass man es kaum in Worte fassen kann. Einst schmückten sie einen Tempel im Herzen Athens– den der Athene, der Göttin der Weisheit, gewidmeten Parthenon. Auf dem Fries vor Ihnen ist das Sommerfest abgebildet, das jährlich zu Ehren der Göttin stattfand.«
Er betätigte den Hebel ein zweites Mal und drehte sich zu einer Gruppe von Skulpturen hinter ihm um. Den Anfang machte ein Pferd, das aus dem Wasser aufzusteigen schien, darauf folgten ein auf dem Rücken liegender nackter Mann und drei Frauen, denen die Köpfe fehlten. Die Anordnung machte deutlich, dass die Skulpturen einst in einem der beiden dreieckigen Giebelfelder an den Enden des Parthenons gestanden hatten.
»Das Pferd gehört dem Sonnengott Helios«, erklärte Ariston. »Daneben liegt Dionysos, der Gott des Weines. Rechts von ihm sitzen die Göttin Demeter und ihre Tochter…«
»Ich kenne den Parthenonfries«, fiel Kurst ihm ins Wort. Eine Million hin oder her, er war nicht gekommen, um sich einen kunstgeschichtlichen Vortrag anzuhören.
»Dann wissen Sie bestimmt auch, dass die Kunstwerke Beutegut sind. Sie wurden geraubt! Vor zweihundert Jahren kam ein britischer Adliger namens Lord Elgin nach Athen. Er schlug den Fries vom Tempel ab und brachte ihn nach London. Mein Land hat wiederholt um die Rückgabe der Kunstwerke gebeten. Zu ihrer Unterbringung haben wir in Athen ein neues Museum erbaut. Sie sind der Stolz unseres Landes, MrKurst, ein wichtiger Teil unseres kulturellen Erbes. Sie sollten endlich nach Hause zurückkehren.«
Der alte Mann suchte hektisch etwas in den Falten seiner Decke, zerrte eine Sauerstoffmaske hervor und drückte sie sich aufs Gesicht. Zischend entströmte ihr Sauerstoff und er atmete gierig ein.
»Doch die britische Regierung weigert sich«, fuhr er endlich fort. »Sie will das Diebesgut unbedingt behalten und ignoriert die Stimme des griechischen Volkes. Also habe ich einen Entschluss gefasst. Ich will sie zum Einlenken zwingen, auch wenn es das Letzte sein wird, was ich in meinem Leben tun werde. Deshalb habe ich Kontakt zu Ihnen und Ihrer Organisation aufgenommen. Sie sollen die Skulpturen stehlen und nach Griechenland zurückbringen.«
Auf der Straße vor dem Museum waren inzwischen vier weitere Limousinen vorgefahren, aus denen fünfzehn Agenten stiegen. Zusammen mit den Männern, die Kurst vom City Airport aus verfolgt hatten, waren dreiundzwanzig Agenten im Einsatz. Sie gingen davon aus, dass ihr Mann sich noch im Museumsgebäude aufhielt. Allerdings war es ein Ding der Unmöglichkeit, ihn in den sechsundsiebzig Sälen zu finden, die eine Fläche von einem fünftel Quadratkilometer bedeckten. Außerdem hatten die Männer die strikte Anweisung, Kurst unter keinen Umständen in dem der Öffentlichkeit zugänglichen Bereich zu stellen. Kurst sei extrem gefährlich, hieß es. Wenn er sich bedrängt fühle, werde er unberechenbar und könne ein Blutbad anrichten.
Zeljan Kurst hatte keine Ahnung, was draußen vorging. Er dachte über das nach, was der griechische Milliardär soeben gesagt hatte.
»Den Parthenonfries zu rauben, hilft Ihnen nicht«, erwiderte er. »Die britische Regierung wird ihn einfach zurückfordern. Man müsste ihr drohen oder sie erpressen.«
»Tun Sie, was Sie für nötig halten. Mir ist es gleich. Töten Sie von mir aus die halbe Bevölkerung dieses verhassten Landes, wenn ich dadurch mein Ziel erreiche…« Ariston bekam einen Hustenanfall. In seinen Mundwinkeln erschienen weiße Speicheltröpfchen.
Kurst wartete, bis er sich wieder erholt hatte. Dann nickte er langsam. »Möglich wäre es«, sagte er. »Aber es braucht Zeit. Und es ist teuer.«
Ariston nickte ebenfalls. »Die Rückführung des Frieses ist mein Vermächtnis an das griechische Volk. Wenn Sie den Auftrag annehmen, zahle ich Ihnen fünf Millionen Euro sofort und weitere fünfzehn Millionen im Fall des Erfolgs.«
»Das reicht nicht.«
Ariston musterte Kurst verschlagen. »Es gab Zeiten, in denen ich auf Ihre Bedingungen hätte eingehen müssen. Aber Scorpia ist nicht mehr, was sie einmal war. Sie haben innerhalb eines Jahres zwei Fehlschläge erlitten. Ich spreche von der Operation Unsichtbares Schwert und der Sache im Nordwesten Australiens.« Er lächelte und zeigte seine grauen Zähne. »Dass Sie heute Abend gekommen sind, beweist, wie sehr Sie geschwächt sind.«
»Scorpia hat sich neu organisiert«, erwiderte Kurst. »Wir haben neue Leute angeworben. Ich würde sagen, wir sind stärker denn je. Wir können uns unsere Kunden aussuchen, MrXenopolos, und wir verhandeln nicht.«
»Nennen Sie Ihren Preis.«
»Vierzig Millionen.«
Ariston verzog keine Miene. »Einverstanden.«
»Die Hälfte im Voraus.«
»Wie Sie wünschen.«
Kurst wandte sich ohne ein weiteres Wort ab und entfernte sich. Wieder klopfte sein Stock in regelmäßigem Takt auf den Boden. Auf dem Weg zum Ausgang war er in Gedanken bereits bei der bevorstehenden Aufgabe. Er war froh, nach London gekommen zu sein, obwohl er dies niemals zugeben würde. Er wollte es den Briten unbedingt einmal richtig zeigen. Die Misserfolge, von denen Ariston gesprochen hatte, waren beide auf den britischen Geheimdienst zurückzuführen.
Glücklicherweise schien der Alte nicht die ganze Geschichte zu kennen. Hätte er sich auch an Scorpia gewandt, wenn er die unglaubliche Wahrheit gewusst hätte? Dass ein vierzehnjähriger Junge ihnen beide Male in die Quere gekommen war?
Dass Kurst den Saal ausgerechnet jetzt verließ, war letzten Endes Pech. Er wollte gerade auf den Great Court hinaustreten, als vor ihm ein MI6-Agent vorbeilief. Unversehens standen die beiden voreinander, nur durch wenige Zentimeter getrennt. Der Agent, der Parker hieß, war neu und unerfahren. Er konnte seinen Schrecken nicht verbergen und im selben Augenblick wusste Kurst, dass er erkannt worden war.
Parker blieb keine andere Wahl. Er hatte zwar anderslautende Anweisungen, aber er wusste auch, dass er sterben würde, wenn er sie befolgte. Hastig griff er in die Jacke und zog seine Pistole heraus, eine 9-Millimeter-Browning, wie sie beim Special Air Service schon lange verwendet wurde. Zugleich rief er lauter als notwendig: »Stehen bleiben! Keine Bewegung oder ich schieße!« Genau so hatte er es gelernt: die Zielperson stellen und seine Kollegen informieren, dass seine Tarnung aufgeflogen war.
Seine Worte hallten durch die Stille des Museums mit der hohen Decke. Einige Touristen drehten sich neugierig um und ihr Blick fiel auf die Pistole. Sie erstarrten vor Schreck und schon breitete sich Panik aus.
Kurst hob die Hände. In der einen hielt er den Spazierstock aus Ebenholz. Zugleich bewegte er sich ein wenig zur Seite. Parker folgte ihm mit den Augen und sah deshalb nicht, wie ein blitzender Gegenstand über Kursts Schulter flog. Er bemerkte ihn erst, als er sich in seinen Hals gebohrt hatte.
Die alte Frau, die die kniende Göttin abgemalt hatte, war Kurst zur Tür gefolgt. Sie war unter ihrem Make-up keineswegs alt und ihre Pinsel hatten zwar Haare, doch die Griffe waren aus Präzisionsstahl gefertigt und rasiermesserscharf. Parker fiel auf die Knie. In der letzten Sekunde seines Lebens zog er noch den Zeigefinger an und löste einen Schuss aus. Die steinernen Wände verstärkten den Lärm der Explosion. Jetzt setzte die Panik erst richtig ein.
Die Touristen stoben kreischend auseinander. Ein paar verschwanden in den Museumsshops oder gingen hinter den Auskunftsschaltern in Deckung. Eine Gruppe von Grundschülern, die die ägyptischen Mumien besucht hatte, duckte sich ängstlich hinter die Treppe. Eine Amerikanerin, die neben ihnen stand, begann zu schreien. Die Museumswächter, von denen viele schon alt und in ihren eigentlichen Berufen längst pensioniert waren, blieben wie erstarrt an ihren Plätzen stehen. Auf einen solchen Fall waren sie nicht vorbereitet. Kurst stieg über den toten Agenten und ging seelenruhig zum Haupteingang.
Natürlich war er nicht allein ins Museum gekommen. Scorpia hätte nie das Leben ihres Chefs aufs Spiel gesetzt, auch nicht für eine Million Euro. Deshalb war er von seinen eigenen Leuten umgeben.
MI6-Agenten näherten sich ihm von allen Seiten. Sie wussten noch nicht, was passiert war, nur dass sich die Spielregeln geändert hatten. Maschinenpistolenfeuer empfing sie. Der bärtige Student bei den Postkartenständern hatte eine kleine Handfeuerwaffe mit zusammenklappbarer Schulterstütze aus dem Rucksack gezogen und jagte eine Kugelsalve über den Hof. Ein MI6-Agent, der die westliche Treppe herunterkam, warf überrascht die Arme hoch und fiel zusammengekrümmt die Treppe hinunter. Die Amerikanerin schrie immer noch und die Grundschulkinder weinten. Sämtliche Alarmsirenen des Museums schrillten. Menschen rannten in alle Richtungen.
Der Japaner, der seine Frau fotografiert hatte, warf die Kamera auf den Boden. Sie explodierte mit einem leisen Knall und setzte dicke dunkelgrüne Rauchschwaden frei. Sekunden später war Kurst schon nicht mehr zu sehen.
Der große Innenhof hatte sich in ein Schlachtfeld verwandelt. Zwei MI6-Agenten blieben schlitternd stehen und spähten angestrengt durch den Rauch. Ein lauter Knall ertönte und dann noch einer. Sie gingen beide zu Boden. Die Japanerin hatte eine Nambu-Pistole mit Perlmuttgriff aus der Handtasche gezogen und ihnen in die Beine geschossen.
Kurst, der sich ein Taschentuch vor das Gesicht hielt, war inzwischen am Haupteingang angelangt. Schon bei seiner Ankunft hatte er nur wenige Sicherheitsbeamte entdeckt. Jetzt war überhaupt keiner mehr da. Aus den Augenwinkeln sah er einen MI6-Agenten auf sich zustürzen und ruckartig stehen bleiben. Kursts persönlicher Leibwächter, der Schwarze mit dem Notizbuch, dem er in den Saal mit dem Parthenonfries gefolgt war, hatte den Agenten gepackt. Kurst hörte, wie sein Genick brach. Als der Mann auf dem Boden zusammensackte, trat Kurst ins Freie hinaus.
Menschen rannten in Panik zwischen den Säulen hindurch, die Treppe hinunter und über den Platz vor dem Museum. Die Polizei rückte bereits an. Aus allen Richtungen näherten sich Sirenen. Kursts Limousine wartete am Tor. Zwei Männer kamen im Laufschritt auf ihn zu. Sie trugen beide anthrazitfarbene Anzüge und Sonnenbrillen. Kurst fragte sich unwillkürlich, warum Spione sich immer so auffällig kleiden mussten. Die beiden hatten offenbar den Aufruhr im Museum bemerkt und eilten ihren Kollegen zu Hilfe. Vielleicht hatten sie nicht damit gerechnet, dass er so schnell wieder auftauchen würde.
Kurst hob seinen Spazierstock. In Wirklichkeit handelte es sich dabei um eine Röhre mit einer Kugel, die durch Gasdruck abgefeuert wurde. Der elektrische Auslöser saß unmittelbar unter dem Griff. Die Kugel war eine Spezialanfertigung. Sie tötete ihr Opfer nicht nur, sondern zerfetzte es.
Kurst feuerte. Der linke Mann wurde von den Füßen gerissen, drehte sich um sich selbst und landete als blutiger Haufen auf dem Boden. Sein Kollege erstarrte einen kurzen Augenblick und das wurde ihm zum Verhängnis. Kurst hob mit überraschender Schnelligkeit den Spazierstock und schlug damit wie mit einem Schwert zu. Die Metallspitze traf mit voller Wucht gegen den Hals des Agenten, der wie vom Blitz getroffen zusammenbrach.
Kurst rannte zu der Limousine. Die hintere Tür stand bereits offen. Er warf sich hinein und schlug sie zu. Schüsse knallten, doch die Limousine hatte kugelsichere Scheiben und eine gepanzerte Karosserie. Mit quietschenden Reifen fuhr sie an. Ein weiterer Agent stellte sich ihnen in den Weg. Er hielt eine Pistole in den Händen. Als der Chauffeur beschleunigte, prallte der Agent mit einem dumpfen Schlag gegen die Stoßstange und wurde zur Seite geschleudert.
Zwei Stunden später bestieg ein Mann mit einer blonden Perücke und einer Sonnenbrille den Eurostar nach Paris. In der Hand hielt er einen großen Blumenstrauß. Zeljan Kurst verkleidete sich nur ungern, wusste aber aus langjähriger Erfahrung, dass es manchmal nützlich war. Wer nicht gesehen werden will, muss sich zuweilen so auffällig wie möglich anziehen. Die Blumen und die Perücke waren natürlich albern, aber die Polizei und der MI6, die ihn überall in London suchten, würden ihn gewiss nicht damit in Verbindung bringen.
Er machte es sich auf dem reservierten Platz in der ersten Klasse bequem, nippte an dem Glas Gratissekt und wandte sich der Aufgabe zu, die ihm gestellt worden war. Die Schießerei im Museum war bereits vergessen. Jetzt beschäftigte ihn die Frage, wer zur Abwicklung des überaus interessanten Geschäfts mit dem Parthenonfries am besten geeignet war. Scorpia hatte einschließlich ihm selbst zwölf Vostandsmitglieder. In Gedanken ging er sie durch.
Sollte er Levi Kroll beauftragen, den ehemaligen israelischen Agenten, der sich in einem Moment der Achtlosigkeit selbst das Auge ausgeschossen hatte? Oder Mikato, den japanischen Polizisten, der sich den Yakuza angeschlossen hatte? Oder Dr.Three? Vielleicht konnte sich auch ihr neuestes Mitglied bewähren, ein Mann, der gerne knifflige Probleme löste und zudem über die nötige Härte verfügte, ein Projekt bis zum Ende durchzuziehen.
Eine Trillerpfeife schrillte und der Zug fuhr an. Kurst nahm sein Handy heraus und wählte eine Nummer. Der Zug fuhr am Bahnsteig entlang, wurde schneller und verließ den Bahnhof St.Pancras International. Kurst genehmigte sich den seltenen Luxus eines Lächelns. Ja, Razim war die perfekte Wahl. Endlich könnte er seine einzigartigen Talente einbringen.
Kurst war überzeugt, dass er richtig entschieden hatte.
Maßeinheit für Schmerzen
»Danke, danke, ich danke Ihnen, lieber MrKurst. Ich mache mich sofort an die Arbeit.«
Der Mann stand an der Brustwehr eines französischen Forts vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Damals hatte Napoleon Ägypten überfallen. In jüngerer Zeit waren einige neue Gebäude hinzugekommen und es gab Anzeichen weiterer Bautätigkeit: Gerüste, Hebevorrichtungen und einen großen Haufen Salz. Das Salz wurde im nahe gelegenen See gewonnen und zur Herstellung von Ziegeln mit Sand vermischt.
Die quadratische Anlage, die einsam mitten in der Wüste stand, bot einen merkwürdigen Anblick. Sie erinnerte an einen Hollywoodfilm oder auch eine Fata Morgana. Die Außenmauer war nicht hoch, aber mehrere Meter dick und durchgehend mit Zinnen besetzt. An den vier Ecken ragten massive Wachtürme auf. Durch die schmalen, schlitzartigen Fenster in den Mauern konnte man hinaussehen, aber nicht hinein. Es gab nur einen Zugang zum Fort: eine Flügeltür aus Eichenholzstämmen, die man mit Stahlklammern verbunden hatte. Sie zu öffnen, hätte mehrere Männer benötigt, deshalb wurde sie elektrisch betrieben.
Drinnen sah es aus wie in einer Kaserne. Ein Dutzend Gebäude gruppierten sich um einen Brunnen in der Mitte. Wasser war in der Wüste natürlich lebenswichtig. Hier konnte eine ganze Armee monatelang auskommen und in völliger Abgeschiedenheit von der Außenwelt schlafen, essen und auf dem Exerzierplatz üben. Es gab zwei Wohngebäude, eins für Offiziere und eins für die Mannschaften, einen Gefängnisblock, verschiedene Lagerräume, eine Bäckerei und eine Kapelle. Sämtliche Gebäude waren mit Klimaanlage, fließend warmem und kaltem Wasser und jedem erdenklichen Komfort ausgestattet. Die ehemalige Stallung hatte man in einen Aufenthaltsraum mit Billardtischen und Kinoleinwand umgewandelt. In der Waffenkammer lagerten weiterhin Waffen, allerdings ganz andere als zur Zeit Napoleons.
Jetzt wurden hier Flammenwerfer, Handgranaten und tragbare Raketenwerfer aufbewahrt, denn der Mann, der das Fort für seine persönlichen Zwecke gekauft und umgebaut hatte, musste sich schützen. Hinter den in der Sonne getrockneten Ziegeln, den alten Zinnen und unter dem staubigen Hof verbarg sich die modernste Technik. Den Strom lieferte ein Generator, der in der ehemaligen Schmiede stand. Auf einem Turm waren ein Funkmast und drei Satellitenschüsseln montiert. Fernsehkameras verfolgten jede Bewegung. Nachts wurde die Umgebung mittels Infrarotlicht und Radar überwacht. Gesteuert wurde alles vom Kontrollraum aus– der einstigen Bäckerei. Der Kamin des damaligen Ofens ragte noch hoch über das Flachdach. Der Kontrollraum war rund um die Uhr besetzt. Niemand konnte das Fort ohne Erlaubnis betreten oder verlassen. Die Flügeltür am Eingang ließ sich nur von innen öffnen und der Kontrollraum stand in ständiger Funkverbindung mit den patrouillierenden Wachen, Männern aus der Gegend, die nach Art der Beduinen Kopftücher, lose Gewänder und Sandalen trugen. In ihren Gürteln steckten Messer, über ihren Schultern hingen Maschinenpistolen.
Der Besitzer des Forts hieß Abdul-Aziz Al-Razim, doch er hatte sich einen anderen Namen zugelegt. Als international gesuchter Terrorist und Kriegsverbrecher hatte man am besten überhaupt keinen Namen. Für seine Freunde von Scorpia hieß er nur Razim. Sonst hatte er keine Freunde. Er war nicht verheiratet. Manchmal sprach er einen ganzen Monat lang mit niemandem. Aber das machte ihm nichts aus. Es war ihm sogar lieber.
Razim stammte nicht aus Ägypten. Er war vor fünfundvierzig Jahren in Tikrit im Irak zur Welt gekommen. Sein Vater war Universitätsprofessor gewesen, seine Mutter hatte in Cambridge arabische Literatur studiert und sich dann als Schriftstellerin und Dichterin einen Namen gemacht. Abdul-Aziz, auf Arabisch »Diener der Mächtigen«, war eins von zwei Kindern– er hatte eine größere Schwester namens Rima. Die Familie hatte in einem der ältesten Häuser der Stadt gewohnt, einem schmalen weißen Ziegelsteingebäude um einen Innenhof mit üppigen Blumen und einem plätschernden Brunnen in der Mitte.
Razim war von Anfang an ein schwieriges Kind gewesen. Er sei mitten in einem Sandsturm geboren worden, hatte sein Vater gescherzt, und ein Teil des Sandes sei offenbar in sein Blut gelangt. Als Baby lächelte er nie und gab auch keine glucksenden Laute von sich. Stattdessen lag er verdrossen in seinem Bettchen, als fragte er sich, was er überhaupt hier zu suchen hatte. Sobald er gehen gelernt hatte, wollte er weglaufen. Kindermädchen hielten es nicht lange mit ihm aus. Razims Wutausbrüche vertrieben drei von ihnen, die vierte ging mit einer Beinwunde, die durch eine Nagelschere verursacht worden war. Sie hatte ihn ausgeschimpft, weil er seine Schwester geärgert hatte.
Wenigstens war er ein guter Schüler. Seine Lehrer hielten ihn sogar für ein Genie. Er glänzte in allen Fächern und sprach mit zwölf drei Sprachen fließend. Kein Wunder, dass er mit den anderen Kindern nicht zurechtkam. Er hatte schon damals keine Freunde. Als wortkarger Einzelgänger gelangte er früh zu der Einsicht, dass er anders war als die anderen, auch wenn er nicht genau wusste worin. Mit der Zeit kam auch diese Erkenntnis. Er hatte keine Gefühle. Nichts machte ihm Angst oder beunruhigte ihn. Andererseits freute er sich auch über nichts. Es gab kein Essen, das er besonders gemocht hätte. Ihm war, als wäre das ganze Leben wie unter einem Mikroskop vor ihm ausgebreitet und als betrachtete er es mit der Brille des Wissenschaftlers. Jeder Tag war für ihn gleich. Er empfand absolut nichts.
Er beschloss, die Probe aufs Exempel zu machen. Seine Eltern hatten ihm als kleinem Jungen einen Hund gekauft, eine zottelige Promenadenmischung, der ihn überallhin begleitete. Eines Tages ging er mit ihm in den Obstgarten hinter dem Haus seiner Eltern und erwürgte ihn, nur weil er wissen wollte, wie sich das anfühlte. Es ließ ihn vollkommen gleichgültig.
Seine Eltern fragten zwar nach dem verschwundenen Hund und bemerkten auch die Kratzer auf Razims Händen und Armen, fanden sich aber mit seiner Erklärung ab, er habe sich an einem Stacheldrahtzaun verletzt. Die Eltern waren beide intelligente Menschen, aber welche Eltern wollen ihr Kind schon für ein Monster halten, und Razim war ja nach wie vor ein herausragender Schüler. Er aß mit ihnen und begleitete sie zum Gebet in die Moschee. Seine große Schwester mochte er nicht, war jedoch höflich zu ihr. Was konnte man mehr verlangen?
Im Jahr 1979 kam Saddam Hussein an die Macht, was einen tiefen Einschnitt in der Geschichte des Iraks zur Folge hatte. Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Präsidenten war, achtundsechzig Mitglieder seiner Partei zu verhaften und des Hochverrats anzuklagen. Zweiundzwanzig wurden hingerichtet, die anderen sechsundvierzig gezwungen, die Hinrichtung zu vollziehen. Als Razim das hörte, begriff er, dass sein Land jetzt von einem Mann regiert wurde, der ähnlich veranlagt war wie er. Er überlegte, wie er ihn kennenlernen konnte.
Durch einen Zufall ergab sich schon bald eine Gelegenheit. Viele Menschen im Irak hatten erkannt, dass Saddam ein brutaler und gefährlicher Diktator war, und im Spätsommer desselben Jahres hielten Razims Eltern ein konspiratives Treffen in ihrem Haus ab. Sie besprachen mit anderen Akademikern, Schriftstellern und einflussreichen Freunden, wie man ihn loswerden könnte. Wie hätten sie ahnen sollen, dass Razim ihr Gespräch mit dem digitalen Aufnahmegerät aufzeichnete, das sie ihm zum vierzehnten Geburtstag geschenkt hatten? Am nächsten Tag schwänzte er die Schule und ging mit der Aufnahme zur Polizei.
Die Rache brach wie ein Wüstensturm über die Familie herein. Razims Eltern wurden verhaftet und ohne Prozess erschossen. Was mit seiner siebzehnjährigen Schwester geschah, fand Razim nie heraus. Es interessierte ihn auch nicht. Als er sie zum letzten Mal sah, wurde sie schreiend von vier grinsenden Polizisten aus dem Haus gezerrt und in den Laderaum eines Kleinbusses gestoßen. Auch die anderen Teilnehmer des Gesprächs wurden verhaftet und verschwanden auf Nimmerwiedersehen.
Als Belohnung für seine Treue lud der Polizeichef den nun verwaisten Razim in sein Büro über dem Gefängnis in der Nähe des Farouk-Palastes ein. Er hatte sich mit seinem dicken Bauch hinter den Schreibtisch gezwängt, als der Junge hereingeführt wurde. Was er sah, gefiel ihm nicht. Razim war klein für sein Alter, mager und ähnelte mehr einem Mädchen als einem Jungen. Er hatte einen gerade geschnittenen Pony und trug eine Schuluniform. Am meisten machte dem Polizeichef allerdings die ausdruckslose Miene des Jungen zu schaffen. Sein Gesicht war wie aus Wachs und die Augen hätten genauso gut Glaskugeln sein können. Sie zeigten keinerlei Anteilnahme oder Neugier.
Doch der Polizeichef ließ sich nichts anmerken. »Du hast deinem Land einen großen Dienst erwiesen«, begann er höflich. »Deine Eltern und ihre Freunde waren Verräter. Du hast das Richtige getan.«
Der Junge verzog keine Miene.
»Wie soll es jetzt deiner Meinung nach weitergehen?«
»Ich dachte, ich könnte Polizist werden«, antwortete Razim. »Sie müssen bestimmt viele Leute töten. Dabei würde ich gerne helfen.«
Der Polizeichef hatte selbst Kinder, und dieser Junge, der noch ein halbes Kind war, war ihm nicht geheuer. »Dafür bist du zu jung.«
»Aber ich will nicht mehr in die Schule. Das ist langweilig.«
»Du solltest Tikrit verlassen…«
Einen Moment lang war der Polizeichef versucht, seine Pistole zu ziehen und den Jungen zu erschießen. Ihm war, als hätte er einen Skorpion oder eine giftige Schlange vor sich. Er musste sich zusammenreißen, nicht mit der Hand nach dem Holster an seinem Gürtel zu greifen.
»Wir besorgen dir Pflegeeltern«, sagte er. »Irgendwo weit weg.«
»Bekomme ich keine Belohnung?«
»Doch. Aber das dauert noch.«
Razim kam schließlich zu einer reichen Familie, entfernten Verwandten des Präsidenten in Bagdad. Die Familie verachtete ihn vom ersten Tag an, stellte aber wohlweislich keine Fragen. Von da an begann er aufzublühen. Er war weiterhin ein ausgezeichneter Schüler und wurde mit siebzehn Jahren jüngster Student der Ingenieurschule des Amir Abad Campus in Teheran. Inzwischen hatte er allerdings andere Zukunftspläne. Er wollte mithilfe seiner naturwissenschaftlichen Kenntnisse neue Waffen erfinden. Es war bekannt, dass Saddam Hussein biologische und chemische Waffen entwickelte. Razim selbst interessierte sich besonders für Handfeuerwaffen. Im ersten Semester an der Universität hatte er für seinen zwanzigseitigen Aufsatz über das jugoslawische Sturmgewehr Zastava M70 eine Auszeichnung bekommen. Wie er wusste, waren seine Eltern mit dieser Waffe erschossen worden. Er träumte davon, eines Tages eine neue Waffe zu erfinden, die nach ihm benannt sein würde.
Es sollte anders kommen. An seinem achtzehnten Geburtstag bekam er ein Schreiben auf dem offiziellen Briefpapier der irakischen Regierung. Wie sich herausstellte, hatte sich ein hoher Regierungsbeamter an den Jungen erinnert, der seine Familie verraten hatte. Razim sollte sofort die Universität verlassen. Er wurde eingeladen– und eine solche Einladung kam einem Befehl gleich–, Mitglied des Mukhabarat zu werden. Bereits am nächsten Tag hatte er sich im Büro des Beamten einzufinden.
Der Mukhabarat war der gefürchtete irakische Geheimdienst. Razim verspürte beim Lesen des Briefes entfernt so etwas wie Freude. Er kannte die Horrorgeschichten, die über den Geheimdienst im Umlauf waren, und wusste, dass er für eine Tätigkeit als Agent bestens geeignet war. Er packte sofort und brach tags drauf um sechs Uhr morgens auf. Sein Verschwinden wurde an der Universität nicht weiter bemerkt.
In den folgenden zwanzig Jahren entdeckte Razim, wie schön es war, gefürchtet zu werden. Furcht war eigentlich ein viel zu schwaches Wort. Die Menschen, die ihm begegneten, wussten, dass er sie mit einem Fingerschnippen auf Nimmerwiedersehen verschwinden lassen konnte. Er brauchte, wenn er irgendwo zu Besuch war, nur auf ein Bild oder eine wertvolle Vase zu zeigen und der Gegenstand stand beim Abschied mitnahmebereit an der Tür. Dasselbe galt für die Frau oder den Sohn des Gastgebers.
Razim prahlte damit, so viele Feinde zu haben, dass er täglich in ihrem Blut baden könnte. Gerüchten zufolge tat er das tatsächlich.
Er wurde immer mächtiger. Schon bald wohnte er in einem Haus von der Größe eines Palastes und besaß eine ganze Schar von Dienern. Sie verstummten und senkten den Blick, sobald er das Zimmer betrat. Er war fast noch genauso klein und mager wie als Schuljunge, doch seine Haare waren früh ergraut. Dadurch wirkte er zugleich sehr alt und sehr jung. Er trug eine Brille, die etwas zu groß für sein Gesicht war. Einer seiner Offiziere hatte einmal gewitzelt, er sehe damit aus wie ein Harry Potter des Mittleren Ostens. Razim hatte sich darüber amüsiert. Und fast schon gelächelt, als er den Mann neunmal mit einem Papiermesser durchbohrte.
Dann kam der Irakkrieg 2003 und der Einmarsch der amerikanischen und britischen Truppen. Anders als viele Angehörige des inneren Zirkels um Saddam erkannte Razim rechtzeitig, woher der Wind wehte, und plante seine Rettung. Am Abend vor der Bombardierung Bagdads verließ er in einer achtsitzigen Beechjet400, die eigentlich einem jüngeren Halbbruder des Präsidenten gehörte, heimlich das Land. Er flog über die Grenze nach Saudi-Arabien. Von seinen Schätzen nahm er mit, was er tragen konnte. Kunstwerke, Diamanten, Goldmünzen und internationale Wertpapiere– Dinge, die sich leichter eintauschen ließen als Bargeld.
In Riad wartete er das Ende des Krieges ab. Es kam so schnell, wie er erwartet hatte. Natürlich konnte er nicht in den Irak zurückkehren, solange das Land von britischen und amerikanischen Truppen besetzt war. Mithilfe seiner Verbindungen aus der Zeit beim Geheimdienst gelang es ihm aber, Kontakt zum örtlichen Anwerber von al-Qaida aufzunehmen. Schon bald leitete er eine verzweigte Terrorzelle. Er wurde dafür nicht bezahlt, doch Geld interessierte ihn nicht. Er war reich. Auch Religion und Politik interessierten ihn nicht. Er betrachtete den Terrorismus als eine Art Puzzle. Man hatte ein Botschaftsgebäude und eine Bombe. Wie konnte man beides so verbinden, dass ein unvergessliches Bild zurückblieb? Die Aufgabe forderte ihn ständig aufs Neue und er wirkte bei der Planung von gut einem Dutzend Anschlägen in Europa und Amerika mit. Die Ergebnisse wertete er sorgfältig auf dem 55-Zoll-Plasmabildschirm aus, den er sich in seinem luxuriösen Haus installieren ließ.
Dieser erfolgreiche Abschnitt seines Lebens endete, als sein Führungsoffizier ihm eines Tages nahelegte, sein Engagement für die islamische Sache durch ein Selbstmordattentat zu krönen. Er bekam einen mit Sprengstoff gefüllten Gürtel und der Offizier zeigte ihm, wie er ihn um den Bauch binden und die Explosion per Handytaste auslösen konnte. Er sollte nach Pakistan eingeschleust und auf einem zentralen Markt abgesetzt werden. Von dort waren es nur noch wenige Schritte bis zum Paradies.
Razim dachte kurz über den Vorschlag nach und jagte mit dem Sprengstoff dann seinen Führungsoffizier in die Luft. Es war Zeit, neue Wege zu gehen. Inzwischen waren die Briten und Amerikaner hinter ihm her. Saddam hatte man gehängt, seine Söhne erschossen. Razim wusste, dass ihn ein ähnliches Schicksal erwartete, wenn er sich erwischen ließ– oder wenn ihn seine früheren Mitstreiter von al-Qaida fanden. Es war äußerst lästig, so viele Feinde zu haben. Er musste sich eine andere Stadt suchen und wieder von vorn anfangen.
Seine Wahl fiel auf Kairo. In einer Stadt, in der sieben Millionen Einwohner zusammengedrängt auf zweihundert Quadratkilometern lebten, würde ihn niemand finden. Für kurze Zeit zog er auch eine Gesichtsumwandlung in Erwägung. In den Nebenstraßen des westlichen Zamalek, einem Hochhausviertel in der Nähe des Nilufers, gab es viele entsprechende Kliniken, und wenn man genug zahlte, stellte niemand Fragen. Doch es wussten ohnehin nur wenige Menschen, wie er aussah. Er hatte streng darauf geachtet, seinen Kopf immer mit dem traditionellen Ghutra zu bedecken, dem arabischen Kopftuch. Wenn er westliche Kleidung trug, hatte er sich stets eine Sonnenbrille aufgesetzt und eine Baseballmütze tief ins Gesicht gezogen. Daher hielt er eine Operation für überflüssig. Er lebte zurückgezogen, darauf bedacht, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Die nächste Aufgabe würde sich von selbst ergeben, davon war er fest überzeugt.
Er besaß eine Penthousewohnung mitten in Kairo und ein Ferienhaus in dem Badeort Sharm el-Sheikh am Roten Meer. Doch am liebsten hielt er sich hier auf, in diesem längst vergessenen Fort inmitten von rund drei Millionen Quadratkilometern Sand. Hier kam er her, wenn er Ruhe brauchte, hier fühlte er sich sicher. Außerdem war das Fort ideal für die Experimente, mit denen er sich seit Neuestem beschäftigte.
Eine Hängebrücke aus Seilen überspannte den Innenhof. Razim hatte sie bauen lassen, um nicht außen herum laufen zu müssen. Jetzt überquerte er sie. Sie schwankte unter seinen Füßen und er streckte die Hände aus, um das Gleichgewicht zu halten. Rechts unter ihm lag der Salzhaufen. Ein Wachmann leerte gerade eine Schubkarrenladung Salz darauf aus. Razim hatte darauf bestanden, das neue Gebäude in der traditionellen Bauweise der Berber zu errichten, mit einem Gemisch aus Salz und Sand. Das ging zwar langsam, aber es fühlte sich richtig an.
Zu dieser abendlichen Zeit herrschte in der Wüste Stille. Razim hatte das andere Ende der Brücke erreicht und ging an der gegenüberliegenden Brustwehr entlang zu einer Treppe, die ihn wieder nach unten führte. Ein zweiter Wachmann nahm respektvoll Haltung an, als er an ihm vorbeiging.
Razim wusste nicht, wie Scorpia ihn aufgespürt hatte. Zuerst war er beunruhigt gewesen. Wenn Scorpia ihn finden konnte, dann vielleicht auch ein Geheimdienst. Doch er hatte schnell begriffen, dass Scorpia einzigartig war. Polizei und Geheimdienste beschafften sich ihre Informationen in der Regel nicht durch Androhung von Mord oder Gewalt. Und so war er froh, ausgewählt worden zu sein. Die Aufgabe, die man ihm angeboten hatte, entsprach genau seinen Interessen. Dazu winkte eine enorme Geldsumme. Scorpia und er, das passte wie die Faust aufs Auge.
Das neue Projekt, das erste, das er selbst leiten würde, stellte schon jetzt eine faszinierende Herausforderung dar. Wie konnte man den Parthenonfries nach Griechenland zurückbringen? Die Überlegung, ihn zu stehlen, hatte Razim wie Zeljan Kurst bereits verworfen, obwohl es bestimmt einfach gewesen wäre. Wann waren die Sicherheitsvorkehrungen im Britischen Museum zuletzt überprüft worden? Viele Dächer des Gebäudes bestanden aus Glas und die schlecht bezahlten Wächter konnte man entweder bestechen oder ersetzen. Trotzdem war ein Diebstahl keine Lösung. Der Fries konnte nur dann wieder in der Öffentlichkeit gezeigt werden, wenn er auf legalem Weg zurückgegeben wurde– unter Mitwirkung der britischen Regierung. Man musste also einen geeigneten Hebel finden. Wie konnte Scorpia die britische Regierung dazu bringen, das zu tun, was sie bisher verweigert hatte?
Razim zog ein Päckchen Zigaretten aus der Hosentasche und zündete sich eine an. Er rauchte Black Devils, hergestellt in China und vertrieben von der alteingesessenen niederländischen Firma Heupink & Bloemen. Die Verpackung hatte er eigens für sich abändern lassen, weil er nicht jedes Mal davor gewarnt werden wollte, dass er wahrscheinlich an Krebs sterben würde. Wann und wie er starb, war ihm egal, er ließ sich nur nicht gern von staatlicher Seite bevormunden. Er zog an der Zigarette und der süßliche, leicht nach Vanille schmeckende Tabakrauch erfüllte seinen Mund.
Razim überquerte den Hof. Neben seinen Füßen stieg bei jedem Schritt eine kleine Staubwolke auf. Ein Scheinwerferstrahl wanderte über den Boden. Rauchend betrat er ein rundes Gebäude mit einem Kuppeldach und einem Turm. Es handelte sich um die ehemalige Kapelle. An den Wänden hatte er verblichene Fresken von Heiligen entdeckt. Auch ein Buntglasfenster hatte es hier gegeben, das einzige Glasfenster der gesamten Anlage. Vielleicht hatten hier einst französische Soldaten gebetet, dass man sie bald wieder nach Hause schicken würde. Razim hatte das Fenster entsorgen und die Fresken übermalen lassen. An Gott hatte er nie geglaubt.
Die Kapelle war jetzt hell erleuchtet und eine hochmoderne Klimaanlage sorgte für angenehme Temperaturen. Die Wände waren weiß gestrichen, die Mauern extradick, um die Hitze abzuhalten. Überall standen Computer, Fernsehbildschirme und weitere Instrumente mit diversen Anzeigen. In der Mitte des Raumes, in einem grellen Lichtkegel, saß ein junger Mann auf einem ledernen Behandlungsstuhl. Er trug nichts außer Boxershorts und seine Handgelenke und Fußknöchel waren mit Gurten an den Stuhl gefesselt. An seinem Kopf, der Brust, den Handgelenken und am Bauch hingen Dutzende mit Klebeband befestigte Drähte. Zufällig war er ein Franzose. Er war ungefähr dreißig und versuchte seine Angst zu verbergen, was ihm nicht gelang.
Razim kannte seinen Namen. Er hieß Luc Fontaine und arbeitete für den französischen Auslandsnachrichtendienst DGSE. Anders ausgedrückt: Er war ein Geheimagent, ein Spion. Razim hatte immer gewusst, dass ausländische Ermittler nach ihm suchen würden, und war folglich auf der Hut gewesen. Dieser hier war ihm besonders nahe gekommen. Er hatte auf dem Basar von Kairo nach ihm gefragt. Razims Männer hatten ihn bewusstlos geschlagen und hierhergebracht.
Fontaine gab sich weiterhin wie ein Tourist, aber nur noch halbherzig. Er wusste inzwischen, dass er sich in den Händen eines Mannes befand, der keine Fehler machte.
Neben dem Behandlungsstuhl stand ein zugedeckter Rollwagen. Razim zog ihn zu sich heran und schlug das weiße Tuch zurück. Darunter kamen unterschiedlich große und geformte Messer zum Vorschein, die in Reihen angeordnet waren und im grellen Licht blitzten. Daneben lagen weitere Instrumente wie Tupfer, silberne Schalen, Spritzen und Fläschchen mit farblosen Flüssigkeiten, die nicht wie Wasser aussahen. Fontaines Blick fiel auf den Wagen. Sein Gesicht blieb unbewegt, doch ihn überlief eine Gänsehaut.
Razim holte sich einen Hocker, setzte sich und zog an seiner Zigarette. Die Spitze leuchtete auf.
»Was wollen Sie?«, fragte Fontaine auf Französisch. Seine Stimme klang belegt.
Razim schwieg.
»Ich sage nichts.« Der Agent spielte nicht länger den Touristen, das hatte sowieso keinen Sinn mehr.
»Und ich frage Sie nichts«, antwortete Razim in fließendem Französisch. Französisch gehörte zu den Sprachen, die er in der Schule gelernt hatte. »Sie haben keine Informationen, die mich interessieren.«
»Warum bin ich dann hier?« Der junge Mann spannte die Arme an, bis die Muskeln hervortraten, doch die Gurte gaben nicht nach.
»Das kann ich Ihnen sagen.« Razim schnippte Asche in eine Schale. »Ich war in meinem Leben schon vieles, aber ganz am Anfang war ich Ingenieur. Dazu wurde ich ausgebildet. Die Naturwissenschaften haben mich immer fasziniert. Sie sollten froh sein, dass Sie heute Abend hier sind, Luc. Ich darf Sie doch Luc nennen? Ich arbeite zurzeit an einem Projekt, das von großem Nutzen für die Menschheit sein wird. Und das Schicksal hat Sie dazu ausersehen, mir zu helfen.«
»Meine Leute wissen, wo ich bin.«
»Niemand weiß, wo Sie sind. Sie wissen es ja noch nicht einmal selbst. Unterbrechen Sie mich bitte nicht.«
Razim drückte seine Zigarette aus und leckte sich die Lippen.
»Vor einigen Jahren fiel mir auf, dass in unserer Welt alles gemessen wird und dass viele Maßeinheiten die Namen großer Ingenieure tragen. Zum Beispiel das Watt als Maßeinheit für Elektrizität, benannt nach dem Erfinder der Dampfmaschine James Watt. Auch die beiden Physiker Joule und Newton wurden durch die gleichnamigen Maßeinheiten der Energie und Kraft unsterblich gemacht. Die Temperatur messen wir in Fahrenheit oder Celsius, benannt nach einem deutschen Physiker und einem schwedischen Astronomen.