Reitemeier / Tewes · Schnapsidee

JÜRGEN REITEMEIER

WOLFRAM TEWES

Letzte Runde

PENDRAGON

„ Wer am Ende ist,
kann von vorn anfangen, denn das Ende ist der Anfang von der anderen Seite.“

Karl Valentin

Prolog

Es hatte wieder geschneit, als der stämmige Mann wütend die Kneipentür hinter sich zuwarf und auf die schneeweiße Straße trat. Er war sauer. Sauer auf seine Mitarbeiter, sauer auf sich selbst. Wie hatte so eine Sicherheitslücke entstehen können? In Zukunft würde er noch sorgfältiger darauf achten müssen, alle Spuren hinter sich zu verwischen. So ein Auftritt wie eben durfte einfach nie wieder vorkommen. Wo der andere nun wohl steckte? Nur gut, dass dieser aufdringliche Kerl erst einmal Ruhe geben würde. Der hatte deutlich zu spüren bekommen, dass man sich besser nicht mit Leuten anlegt, denen man nicht gewachsen ist.

Der Schnee fiel in so dicken Flocken, dass Wormsthal nicht mehr als einige Meter weit sehen konnte. Da der Schnee auch alle Schrittgeräusche schluckte, fühlte er sich wie in Watte gepackt. Aber das war kein gutes Gefühl. Er hätte gern bessere Sicht gehabt. Denn hinter jeder Ecke könnte dieser Mann von eben stecken und ihm auflauern. Vor einem ehrlichen Kampf Mann gegen Mann hatte er keine Angst. Er war dem anderen körperlich deutlich überlegen. Aber es gab eine Menge dunkler Ecken in dieser Detmolder Altstadtstraße. Und vor einem Messer im Rücken schützten selbst durchtrainierte Muskeln nicht.

Er kniff die Augen zusammen, um mehr als zwei, drei Meter weit sehen zu können. Als er an der Ecke des alten, etwas verfallenen Fachwerkhauses ankam, hinter dem er sein Auto geparkt hatte, atmete er erleichtert durch, erschrak aber im nächsten Moment, weil er die Glocke einer Turmuhr hörte, die zur Mitternacht schlug.

Das Auto stand auf einem kleinen Hinterhof, der völlig im Dunkeln lag. Kein Straßenlampenlicht erreichte diesen stillen Winkel. Irgendwo dort hinten musste sein Auto auf ihn warten. Wie alle anderen Autos auf dem Hinterhofparkplatz auch, war es komplett eingeschneit, und es war nicht auf den ersten Blick zu erkennen, welcher dieser weißen Hügel nun sein BMW war. Gerade wollte er mit der Hand den Schnee dort wegwischen, wo er die Frontscheibe seines Autos vermutete, da hörte er hinter sich ein Geräusch. Er drehte sich um und war geblendet vom Licht einer starken Taschenlampe. Als direkt vor ihm ein Hund drohend anschlug, zuckte er erschrocken zusammen. Der Besitzer der Taschenlampe blieb in etwa einem Meter Entfernung vor ihm stehen. Noch immer war wegen des starken Lichts von der Person nichts zu erkennen. Nur vom Hund konnte er etwas sehen. So ein rabenschwarzes Vieh, das ihn mit gefletschten Zähnen anknurrte.

„Was soll das?“, rief er laut und mit betont kräftiger Stimme, in der Hoffnung, die Situation dadurch unter Kontrolle zu bekommen.

Langsam, ganz langsam gewöhnten sich seine Augen an das Licht. Schwach zeichneten sich die Umrisse seines Gegenübers ab. Umrisse eines Mannes, zumindest sprachen Größe und Statur dafür. Als er sah, dass dieser Mann kleiner war als er selbst, spürte er wieder Zuversicht. Er fühlte direkt, wie seine Angst wich und seine schlechte Laune, nun auch noch genährt vom Ärger über die Dreistigkeit dieses Kerls, in heiße, unkontrollierte Wut umschlug.

Er beschloss intuitiv, nicht lange zu fackeln, falls er nicht sofort eine Antwort auf seine Frage bekommen würde. Denn er war an diesem Abend nicht in der Stimmung, sich auch nur eine Sekunde die Frechheiten eines jämmerlichen Straßenräubers gefallen zu lassen. Oder war sein unerwartetes Gegenüber gar kein Straßenräuber? War das vielleicht der Spinner, der ihm vor wenigen Minuten in der Kneipe mit seinen Beschuldigungen auf die Nerven gegangen war? Den er gerade erst zusammengeschlagen hatte? Die Statur konnte passen. Bestimmt war er das. Wormsthal begann ihn zu beschimpfen, weil er jetzt richtig sauer war. Außerdem wollte er ihn einschüchtern.

„Halt’s Maul und hör mir zu!“, kam es aus dem Zentrum der Lichtquelle.

Die Stimme, sie war der des Spinners aus der Kneipe ähnlich. Unglaublich! Hatte der Mann, der doch auch nicht mehr ganz jung war, nicht eben erst eine Abreibung bekommen, die für den Rest seiner Tage ausreichen müsste? Nein, reden wollte er mit dem auf gar keinen Fall. Diese Nervensäge hatte seine Chance auf Schonung verspielt. Nun musste gehandelt werden.

Wormsthal machte mit dem linken Bein einen schnellen Schritt nach vorn und trat mit dem rechten Fuß in Richtung des Hundes, um den schon einmal auszuschalten. Er trat aber ins Leere, da das Tier unfassbar schnell reagierte und dem harten Tritt seitlich auswich. Durch den Schwung des eigenen Tritts etwas aus dem Gleichgewicht gebracht, rutschte er auf dem Schneematsch aus und stürzte hin. Schnell hatte er sich wieder unter Kontrolle und schaute sich um. Der Hund hatte sich feige verdrückt, war also keine Gefahr mehr. Okay, es reichte jetzt auch. Aus. Vorbei. Kurzer Prozess war jetzt angesagt. Zwei, drei schnelle, harte Schläge, dann würde er den bewusstlosen Kerl ins Auto zerren und ihm irgendwo, wo es keine Zeugen gab, den Rest geben.

Er hatte sich gerade in die Hocke hochgestemmt, als sein Gegner auf ihn zukam und mit der schweren Taschenlampe zum Schlag ausholte. Wormsthal konnte sich gerade noch etwas zur Seite drehen und dadurch den Schlag auf die rechte Schulter ableiten. Dann versuchte er, sich gleichzeitig aufzuraffen und nach hinten auszuweichen. Erneut kam er dadurch aus dem Gleichgewicht, stolperte zwei Schritte rückwärts, verlor den Halt und krachte mit dem Hinterkopf an eine Hauswand.

Er wollte sich von der Wand abstoßen und wieder angreifen, aber sein Körper verweigerte den Gehorsam. Durch den Vorhang aus dicken Schneeflocken konnte er in die vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen seines Gegenübers blicken. Neben dem Mann stand der Hund, dessen schwarze Kontur sich mit der schnell zunehmenden Dunkelheit vermischte und sich schließlich komplett darin auflöste.

Dann war nur noch Dunkelheit um ihn herum. Dann gar nichts mehr.

1

Es war schon wieder knackekalt und sehr dunkel. Klar, es war kurz vor Neumond. Die noch bis vor drei Tagen geschlossene Schneedecke hatte sich in gefrorenen Matsch verwandelt. Bei solchen Lichtverhältnissen konnte man schnell schwermütig werden. Doch setzte der Sonnenschein, der heute den ganzen Tag über geherrscht hatte, den anrückenden Selbstmordgedanken etwas entgegen.

Schulte drehte mit seinem Hund Monster die übliche Abendrunde. Auch ihm ging dieses Wetter mittlerweile ziemlich an die Nieren. Da der Hund nicht mehr der Jüngste war und ziemlich langsam hinter seinem Herrn hertrottete, verlegte Schulte die Wartezeiten auf das Tier jeweils an Orte, die von einer Straßenlaterne beschienen wurden. Hier betrachtete er Eiskristalle, die wie viele Tausend Diamanten glitzerten. Dieser Eindruck entschädigte ihn für das deprimierende Grau in der Dunkelheit. Wieder schnüffelte der Hund unendlich lange an einem nichtssagenden Ort. Das nervte langsam. Schulte sah auf die Uhr. Es war kurz vor neun. Verdammt, das Bayern-Spiel hatte schon angefangen, und dieser blöde Köter hatte nichts Besseres zu tun, als sich irgendwelche Duftstoffe durch die Nase zu ziehen.

„Monster, los jetzt! Wir müssen nach Hause.“ Der Hund hob den Kopf und sah in die Richtung seines Herrn. Dann pinkelte er auf die Stelle, die er eben noch so intensiv berochen hatte. Erst danach setzte das Tier seinen massigen Körper langsam in Bewegung. Schulte reichte es. Er kramte in seiner Jackentasche, zog eine Leine hervor. Ab jetzt bestimmte er das Tempo. Der Hund ließ sich mehr oder weniger von ihm ziehen und trottete nur widerwillig hinter seinem Chef her.

In der Einfahrt seines Hauses bewegte sich Schulte sehr vorsichtig. Erst gestern war er ausgerutscht, war gestürzt und hatte sich empfindlich wehgetan. Die Gelenkigkeit vergangener Jahre war ihm längst abhandengekommen.

Als er seine Haustür aufschloss, umhüllte ihn eine wohlige Wärme. In seinem Wohnzimmer prasselte das Feuer im Ofen. Wie hatte er nur all die Jahre auf diese Form der Gemütlichkeit verzichten können? Schulte hängte seine Jacke an einen Haken, holte sich eine Flasche Detmolder aus dem Kühlschrank und machte es sich auf dem Sofa gemütlich. Der Fernseher meldete mit drei Orgeltönen, dass er betriebsbereit war. Im nächsten Moment stand das Bild. Links oben am Rand konnte Schulte in einem kleinen Kasten lesen, dass es schon 1:0 für Bayern München stand. Der Abend schien schon wieder verdorben. Doch da, ein langer Pass auf Nöthe. Ein Fehler von Demichelis und Nöthe schob den Ball ganz cool ins Tor. Fürth hatte ausgeglichen.

„Jawohl!“, brüllte Schulte begeistert und gönnte sich den ersten Schluck des Abends. So hatte er es sich vorgestellt. An einem gemütlichen Abend auf dem Sofa liegen, ein bisschen ins Feuer gucken, die eine oder andere Flasche Bier trinken und am Ende würden die Bayern womöglich noch verlieren. Je älter man wird, desto weniger braucht man, um zufrieden zu sein, dachte Schulte.

Die Titelmelodie aus dem Easy-Rider-Film, Born to be wild, störte seine Gedanken. Wer konnte das sein? Schulte hatte Feierabend und heute keinen Bereitschaftsdienst. Wenn seine Tochter Ina jetzt glaubte, er würde babysitten, dann hatte sie sich aber gewaltig geschnitten. Ans Telefon ging er dennoch und war ziemlich verwundert, als ein offenbar betrunkener Axel Braunert sich meldete.

„Jupp“, lallte er. „Ich brauche deine Hilfe! Hast du eine halbe Stunde Zeit für mich? Können wir uns irgendwo treffen?“

„Tor! Tor! Tor, in der 41. Minute für Greuther Fürth! Nach dem Freistoß von Robben trifft Demichelis den Ball nur mit der Hacke. Das Leder geht übers Tor. Im Gegenzug trifft Allagui mit dem Kopf zum 2:1 für Fürth!“, brüllte ein begeisterter Fußballmoderator.

Ausgerechnet jetzt. Schulte hasste solche Situationen. Natürlich würde er sich mit Braunert treffen. Also würde er darauf verzichten, die Niederlage der Bayern genussvoll auszukosten.

Apropos Genuss, Schulte hatte noch nichts gegessen. Vielleicht könnte er das Notwendige mit dem Nützlichen verbinden. „Klar können wir uns sehen, Axel. Wo bist du denn? In Hiddesen? Kennst du die Knispel? Ja, genau, die Eckkneipe. Okay, ich bin gleich da.“

Zehn Minuten später betrat Schulte den Schankraum. Er sah Braunert hinten rechts an einem einzelnen Tisch sitzen. Da drehten sich zwei Männer, die an der Theke saßen und mit dem Wirt knobelten, zu ihm um.

„Na, Schulte, heute ohne Hund?“

„Den habe ich im Auto. Die Kneipe hier soll ja nicht sein zweites Zuhause werden.“

Die Männer lachten. Braunert, durch das Gespräch auf seinen Kollegen aufmerksam geworden, gab Schulte ein Zeichen. Die Heiterkeit, die am Tresen herrschte, stand in einem ausgeprägten Kontrast zu der Niedergeschlagenheit, die von dem Polizisten im hinteren Teil der Kneipe ausging.

„Dein Hund scheint ja hier ziemlich bekannt zu sein“, versuchte Braunert ein Gespräch in Gang zu bringen.

„Ja leider, immer wenn ich in letzter Zeit abends nicht da bin, büxt der blöde Köter zu Hause aus und sucht mich hier in der Kneipe. Wenn der Hund jetzt mal verschwunden ist, wissen wir, wo wir ihn finden. Aber als er mit dieser Marotte anfing, haben sich Fritzmeier und meine Tochter einen Wolf gesucht. Irgendwann wussten sie sich nicht mehr anders zu helfen und haben aus lauter Verzweiflung bei den Kollegen in der Wache angerufen. Jetzt lachen sowohl die, wie auch die Gäste dieser Kneipe über mich. So nach dem Motto, wie der Herr, so’s Gescherr. Aber du weißt ja, ist der Ruf erst ruiniert … und so weiter. Aber, was ist los mit dir? So fertig habe ich dich ja noch nie erlebt.“

Der Wirt hatte seine Knobelrunde anscheinend beendet. Er kam zu den beiden Polizisten an den Tisch und fragte nach der Bestellung.

Schulte bestellte ein kleines Steak und ein Detmolder Herb. An Braunert gewandt sagte er: „Es gibt nicht viele Kneipen in Detmold, in denen du für kleines Geld ein so gut gebratenes Steak bekommst wie hier. Solltest du probieren.“

Braunert winkte ab.

„Lass mal gut sein, Jupp. Ich habe keinen Appetit.“

Zum Wirt sagte er: „Bringen Sie mir bitte noch ein Bier und einen Grappa.“

Als der Mann gegangen war, ergriff Schulte wieder das Wort: „Also, Axel, raus mit der Sprache! Wo drückt der Schuh?“

Braunert wand sich wie ein Aal.

„Weißt du, Jupp, die ganze Sache ist mir ziemlich peinlich. Du kennst mich, ich bin nicht der Typ, der die Tatsache, schwul zu sein, vor sich herträgt. In Kollegenkreisen bin ich, wenn es um die Frage meiner Sexualität geht, noch einmal besonders vorsichtig. Ich habe mich damals nicht freiwillig geoutet, sondern irgendwann ließ sich mein Schwulsein einfach nicht mehr verheimlichen. Mittlerweile habe ich bei der Polizei eine ganz ansehnliche Karriere gemacht. Diese Tatsache erschwert es bestimmten Leuten, sich über mich lustig zu machen, sodass ich im beruflichen Alltag persönlich selten beleidigt und verletzt werde. Das war nicht immer so, aber der relativ hohe Dienstgrad bewirkt, dass das eine oder andere Lästermaul sich begreiflicherweise reichlich überlegt, wann es sich den Mund verbrennt und wann nicht.“ Er machte eine kurze Pause und sah zu den anderen Männern an der Theke hinüber. Dann fuhr er fort: „Vor circa einem Monat bin ich in eine kleine Affäre hineingeschlittert. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches. Doch einige Wochen später erzählte mir ein ebenfalls schwuler Freund, dass Sexvideos von mir auf besonders widerwärtigen, geschlossenen Internetseiten zu sehen seien. Ich selber habe zu diesen Domains keinen Zutritt und hatte auch kein Interesse, ihn zu bekommen. Aber besagter Freund war im Besitz des nötigen Keys, mit dem man sich die Videos ansehen kann. Er zeigte mir den Film von mir. Ich wandte mich daraufhin an meinen vermeintlichen Liebhaber und stellte ihn zur Rede. Doch der war von meinem Auftritt relativ unbeeindruckt. Er gab mir zu verstehen, dass diese Aufnahmen erst der Anfang meiner Karriere als Akteur in Pornofilmen für Schwule sei. Und wenn ich nicht nach seiner Pfeife tanze, dann bekäme nicht nur jeder Detmolder Polizist eine Mail mit besagten Aufnahmen, sondern auch Nachbarn, Freunde und Bekannte. Als ich ihn fragte, was er mit ‚nach seiner Pfeife tanzen‘ meine, da sagte er, das würde ich schon rechtzeitig erfahren. Es könne ja nichts schaden, einen Polizisten zu kennen, der ihm noch ein paar Gefallen schulde.“ Wieder hielt Braunert kurz inne und schluckte. Es war offensichtlich, dass er sich zusammenreißen musste, um überhaupt weitererzählen zu können.

„Mit anderen Worten, wenn ich mich nicht auf seine zukünftigen Forderungen einlasse, dann will er mir die Grundlage, ein bürgerliches Leben führen zu können, ebenso entziehen, wie den nötigen Respekt und die nötige Autorität, die man braucht, um den Beruf des Polizisten auszuüben.

Wie gesagt, ich habe mein Schwulsein immer als Privatsache begriffen. Du bist einer der wenigen Heteros, mit dem ich überhaupt jemals über diese Sachen gesprochen habe. Und jetzt benötige ich ernsthaft Hilfe. Ich habe natürlich zunächst darüber nachgedacht, Maren Köster zu bitten, mir zur Seite zu stehen. Doch bei ihrem Temperament bin ich mir nicht sicher, ob nicht früher oder später die Pferde mit ihr durchgehen. Ich habe mir natürlich auch überlegt, mit Margarete Bülow zu sprechen. Aber auch bei ihr hatte ich nicht unbedingt das Gefühl, dass sie die richtige Ansprechpartnerin ist. Also bleibst nur du.“

Nach ein paar langen Sekunden des Schweigens pfiff Schulte durch die Zähne. So, als wolle er die angestaute schlechte Luft ablassen. Dann sagte er:

„In deiner Haut möchte ich wirklich nicht stecken. Was meinst du? Wie kann ich dir helfen?“

„Ich habe mir überlegt, dass es vielleicht ganz sinnvoll ist, diesem Wormsthal, so heißt der Mann, zu zeigen, dass ich nicht isoliert bin. Weder als Mensch noch als Polizist. Und daher wollte ich dich bitten, dass du ihn dir mal vorknöpfst.“

Schulte zog seine Stirn in Falten.

„Ja, Jupp, du hast mich richtig verstanden. Ich glaube der Mann versteht nur eins: Druck. Es entspricht zwar sonst nicht meiner Art, so zu handeln, doch in diesem Fall bin ich der Meinung, das ist die einzige Sprache, die dieser Kerl versteht.“

Schulte nickte. „Ich sehe das ähnlich wie du. Ich weiß nur nicht, wie man es anfangen soll. Natürlich, der Mann erpresst dich. Ein Straftatbestand, keine Frage, aber wenn du Anzeige erstattest, hängst du die Angelegenheit an die große Glocke. Ich überlege, ob ich nicht so tun sollte, als gäbe es eine Anzeige. Ich würde mir den Kerl heute Abend vornehmen und ihm schon mal richtig Druck machen. Vielleicht gelingt es mir ja, ihn so zu provozieren, dass er einen Fehler macht. Dann nehme ich ihn erst mal aus anderen Gründen fest. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Beleidigung eines Polizisten, oder vielleicht sogar versuchte Körperverletzung. Irgendwas wird mir schon einfallen. Wenn wir ihn dann haben, sehen wir mal weiter. Vielleicht reicht ja ein Denkzettel. Wir müssen eben nur vorsichtig sein, dass er nicht die Möglichkeit hat, dich in irgendeiner Weise zu diskreditieren. Du kennst das ja, manchmal reichen ein, zwei Sätze auf dem Flur der Kreispolizeibehörde, und am nächsten Tag steht es in der Zeitung. Ein, zwei Maulwürfe laufen auch in unserem Laden herum.“ Schulte trank einen Schluck und fuhr dann fort:

„Ob das alles allerdings so klappt, wie wir es uns vorstellen, kann ich natürlich nicht garantieren. Eins muss dir jedenfalls völlig klar sein: Ganz egal, was passiert, die Chancen, dass der Typ dich durch den Dreck zieht, sind relativ hoch. Von daher kannst du auch die Flucht nach vorne ergreifen. Was hast du jetzt noch zu verlieren?“

Ist zwar nicht gerade ein starker Trost, den ich dir hier spende, aber es nutzt auch nichts, die Realität schöner zu machen, als sie ist. Ich mache natürlich nur das, was mit dir abgesprochen ist. Du musst sagen hopp oder topp.“

Braunert nickte.

„Sehe ich genauso, Jupp. Es ist einen Versuch wert, und wenn die ganze Angelegenheit schief geht, dann passiert genau das, was sich ohnehin nicht vermeiden lässt. Da muss ich jetzt durch. Aber kampflos überlasse ich diesem Schwein das Feld nicht. So einem Drecksack muss das Handwerk gelegt werden.“

Der Wirt brachte das Steak und nahm eine erneute Getränkebestellung auf. Nachdem die Mahlzeit verzehrt war, nahm Schulte einen ordentlichen Schluck von seinem Detmolder Herb. Dann kam er wieder zum Thema:

„Okay, wie gehen wir vor?“

„Es gibt da so eine Kneipe in der Exterstraße“, berichtete Braunert. „Ein Irish Pub. Für Außenstehende ist dort nichts los. In Wirklichkeit ist es aber eine In-Kneipe für Schwule. Hier trifft man sich. Hier bandelt man an. Hier kann man aber auch in Ruhe ein Bier trinken. Es handelt sich nicht um so eine schicke Szenekneipe wie das Magnus in Bielefeld, in die auch Heteros gehen, um ihre Liberalität zu beweisen oder ihre Neugier zu befriedigen. Sondern hier handelt es sich eher um einen verborgenen, wenn auch nicht unbedingt schmuddeligen Treffpunkt. Dieser Wormsthal, von dem ich dir berichtet habe, ist oft dort zu finden. Meistens trinkt der dort mit zwei Freunden – oder was auch immer sie denn sein mögen – sein Bier. Der eine ist so ein übergewichtiger Fettsack. Der andere ist ein richtiger Kleiderschrank. Gegen den sind die Klitschko-Brüder Leichtgewichte. Der Junge ist auf jeden Fall nicht zu verachten. Wenn es zu einer Handgreiflichkeit kommt, kannst du dir den nur mit einer Fünfundvierziger vom Leibe halten.“

Schulte sah auf die Uhr. Es war nun 22.40 Uhr.

„Was meinst du, Axel, sind die noch in der Kneipe?“

„Kann sein, kann auch nicht sein, schwer zu sagen, müsste man ausprobieren.“

„Ich fahre da mal hin. Wenn seine sogenannten Freunde nicht da sind, sehe ich mir den Laden einfach mal an. Wenn sie da sind, werden wir weitersehen. Was ist mit dir? Autofahren kannst du jedenfalls nicht mehr. Ich rate dir, setz dich in ein Taxi und lass dich nach Hause fahren.“

2

Das Verhältnis zwischen ihnen war noch nie gut gewesen. Und je älter sein Sohn Sascha wurde, umso schwieriger wurde der Umgang. Er kam für den Unterhalt des Jungen auf, und er hatte ihm auch die Wohnung gemietet. Doch dass er einen Zweitschlüssel für das Appartement besaß, hatte er bisher für sich behalten. Die Privatsphäre seines Sohnes hatte er immer geachtet. Und so war er bis heute nie auf die Idee gekommen, den Wohnungsschlüssel zu gebrauchen.

Doch jetzt hatte er schon fast zwei Wochen kein Lebenszeichen mehr von seinem Sohn bekommen. Sicher, sie hatten sich gestritten, wie so oft. Aber bislang hatte die Funkstille nie so lange angehalten wie dieses Mal. Er machte sich ernsthaft Sorgen. Seit dem letzten Streit hatte er mehrmals täglich versucht, ihn auf dem Handy anzurufen. Sein Sohn war jedoch nie erreichbar gewesen. Entweder hatte er das Telefon abgestellt oder es war defekt. Dass der Junge es weggeworfen hatte, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen.

Er drehte den Appartementschlüssel in seiner Hand. Legte ihn wieder zurück in den Safe. Ging durch den verschneiten Garten. Nahm den Schlüssel wieder in die Hand. Ja, er würde es tun. Er würde die Wohnung durchsuchen. Auch wenn ihm sein Sohn dies nie verzeihen würde, er konnte die verdammte Ungewissheit nicht mehr ertragen. Täglich, seit dem Verschwinden des Jungen, wurden seine Sorgen unerträglicher. Jetzt war ein guter Zeitpunkt. Seine Familie saß vor dem Fernseher. Im DFB-Pokal spielte, so hatte sein Jüngster berichtet, Bayern München gegen Greuther Fürth. Ihm war das egal. Fußball war nie sein Ding gewesen. So würde er sich unglaubwürdig machen, wenn er sich jetzt nach dem derzeitigen Spielstand erkundigte. Also zog er seinen Mantel an, griff sich die Hundeleine und verließ das Haus. Nicht besonders leise, sollten doch alle hören, dass er hinausging.

Das Mehrfamilienhaus lag in einer abgelegenen Seitenstraße. Als er den Vorgarten betrat, war niemand zu sehen. Zwar waren mehrere Fenster hell erleuchtet, doch das waren die einzigen Lebenszeichen. Dieses Fußballspiel schien der reinste Straßenkehrer zu sein. Er schloss die Haustür auf und stand eine Minute später im Flur der Wohnung seines Sohnes.

Ordentlich war der Junge schon immer gewesen. Seine anderen Kinder hätten sich ruhig eine Scheibe von der Ordnungsliebe ihres Halbbruders abschneiden können. Er dachte nach. Eigentlich war Sascha ihm am ähnlichsten. Leider hatte er diese Seelenverwandtschaft über Jahre nur von Ferne beobachten können, da seine erste Frau nach der Trennung mit Argusaugen darüber gewacht hatte, dass er ihn nur im Rahmen der abgesprochenen Besuchszeiten sah. Zwar ließ sich diese Abschottung nur so lange aufrechterhalten, bis Sascha begann, selbstständig Entscheidungen zu treffen. Zu diesem Zeitpunkt hätte es sicherlich eine gute Beziehung zwischen ihm und seinem Sohn werden können, wenn diese eine Sache nicht gewesen wäre. Sie war zumeist auch die Ursache für die immer heftiger werdenden Streitereien.

Er hängte seinen Mantel an die Garderobe und betrat das Arbeitszimmer. Als er das Licht einschaltete, bemerkte er, dass die meisten Fische des Aquariums mit dem Bauch nach oben an der Wasseroberfläche trieben. Einige waren schon von den noch lebenden Artgenossen angefressen worden. Dieser unschöne Anblick, für den die grausame Natur hier im Aquarium des Arbeitszimmers gesorgt hatte, war ein untrügliches Zeichen dafür, dass sein Sohn den Raum schon viele Tage nicht mehr betreten hatte. Sascha hätte seine Tiere niemals aus freien Stücken verhungern lassen.

Am liebsten hätte er die Kadaver sofort entsorgt. Doch er hatte Wichtigeres zu tun. Zunächst würde er sich den Schreibtisch vornehmen. Vielleicht fand er ein paar Notizen oder Einträge in einem Kalender, die Hinweise auf den Verbleib seines Sohnes gaben. Er klappte den Plastikrand der Schreibunterlage um und fand einen kleinen Pappstreifen, auf dem eine Kombination von Zahlen und Buchstaben und das Wort ADONIS-13 stand. Achtlos ließ er den Pappstreifen auf der Schreibtischplatte liegen. Dann zog er die Mittelschublade auf. Unter dem Sammelsurium, das er dort vorfand, wurde seine Aufmerksamkeit auf einen USB-Stick gelenkt. Auf dem Corpus dieses Speichermediums war ein Logo aufgedruckt, das einen Mann mit erigiertem Penis zeigte. Er schämte sich für seinen Sohn, der Gerätschaften mit solchen geschmacklosen Emblemen besaß. Den Stick ließ er in seine Jackentasche gleiten.

Als Nächstes durchwühlte er die Seitenfächer. Sie enthielten jede Menge Papiere, ausgedruckte E-Mails, Rechnungen und Kontoauszüge. Alles fein säuberlich sortiert, zum Teil zusammengeheftet oder aufeinandergestapelt. Er blätterte hier, las dort. Dann plötzlich fiel ihm ein Blatt auf, von dem das untere Drittel abgerissen worden war. Es handelte sich um eine ausgedruckte Mail. Das Datum zu Anfang des Textes fesselte seine Aufmerksamkeit. Es lautete: Sonntag, 24. Januar 2010. Das war doch der Tag, an dem sie das letzte Mal so heftig gestritten hatten. Er las den Inhalt der Nachricht. Es handelte sich um eine Aufforderung, Fotos, die Sascha angeblich gemacht hatte, unverzüglich herauszurücken. Die Adresse, zu der er kommen sollte, um die Fotos abzugeben, war abgerissen.

Aber in dem Text war die Rede von einem Irish Pub in der Exterstraße. War dort eine Kneipe? Er kannte sie nicht. Als Nächstes fixierte er die E-Mail-Adresse: Ingo.Wormsthal@eros-web.de. Das könnte ein Hinweis sein. Er setzte sich an den Rechner seines Sohnes und schaltete ihn ein. Nach kurzer Zeit erschien eine Maske, die nach einem Passwort verlangte. Für solche Spielchen war er im Moment viel zu nervös. Er würde später versuchen, das richtige Kennwort zu finden. Vielleicht fand er ja an einer anderen Stelle Anhaltspunkte, die ihn zu diesem Wormsthal führen würden.

Er öffnete sämtliche Schubladen und Schränke und durchsuchte alles gründlich.Danach blätterte er die Bücher durch, schüttelte sie aus und hob Teppiche hoch. Im Schlafzimmer wurde er endlich fündig. In einem Roman, den er vor dem Bett seines Sohnes fand, lag ein Foto von einem Mann, das als Lesezeichen diente. Vielleicht hatte er ja Glück. Er steckte das Foto ein und verließ wenige Augenblicke später die Wohnung. Wo war noch gleich diese Kneipe und wie hieß sie?

3

Die Pflastersteine der Langen Straßen waren mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Die daraus resultierende Glätte zwang ihn dazu, sehr vorsichtig und langsam zu gehen. Hoffentlich kam er noch rechtzeitig, bevor die Kneipe schloss. Die Uhr der Marktkirche schlug elfmal. Es war noch nicht so spät, wie er gedacht hatte. Doch heute war Dienstag, da war es unwahrscheinlich, dass normale Gaststätten sehr lange geöffnet hatten. Im Detmolder Hof jedenfalls brannte noch Licht. Hier wäre er jetzt gerne eingekehrt. Doch er hatte heute Abend ein anderes Ziel. Also bog er links in die Exterstraße ein. Und nach ungefähr 150 Metern sah er das graue, unscheinbare Gebäude. Ein diffus beleuchtetes Schild, mit dem Schriftzug: Irish Pub, wies ihn darauf hin, dass er richtig war.

Doch als er sich das Haus näher betrachtete, bekam er schnell das Gefühl, dass hier Gäste nicht unbedingt angemessen höflich bewirtet wurden. Wie konnte man seine freien Abendstunden in einer solchen Spelunke verbringen? Widerwillig trat er ein. Doch der Gastraum war gemütlicher, als es die Fassade vermuten ließ. An einem Tisch saß ein Pärchen, das mit sich beschäftigt war. Der junge Mann sah die ihm gegenüber sitzende Frau mit verliebten Blicken an. Ihm wurde in dem Moment, als er das Paar sah, die Bedeutung des Ausspruchs „Ich habe nur Augen für dich!“ unmissverständlich klar.

An der Theke standen drei Männer. Verstohlen verglich er die Gesichter mit dem Foto, das er aus der Innentasche seiner Jacke zog. Der in der Mitte war es. Das musste dieser Wormsthal sein. Er ließ das Bild wieder in den Tiefen der Tasche verschwinden. Dann suchte er sich einen Platz. Neben einer Tür, über der das Schild Toiletten angebracht war, stand noch ein Tisch in einer Nische, die vom Gastraum nicht einsehbar war. Hier setzte er sich, nachdem er sich beim Wirt mit einem Handzeichen bemerkbar gemacht hatte. Als er es sich auf der Bank bequem gemacht hatte, fiel sein Blick auf eine Deko. Es war ein Spiegel, der mit dem Schriftzug Guinness versehen war. Mit Hilfe dieses Werbeträgers konnte er fast die gesamte Theke überblicken, ohne dass er selbst gesehen wurde.

Der Wirt kam widerwillig an den Tisch, um die Bestellung aufzunehmen. Nochmals sah der Fremde sich in der Kneipe um. Ein Irish Pub, was trank man da? Natürlich irisches Bier. Also bestellte er ein Guinness. Es dauerte nicht lange, da hatte er das schwarze, cremige Gebräu vor sich stehen.

Während seiner Studentenzeit hatte er einmal gehört, dass man die Echtheit dieses Bieres mit einem englischen One-Penny-Geldstück testen konnte. Man musste es auf den Schaum legen und dort musste es bleiben. Wenn es unterging, war es kein echtes Guinness. Hunderte seiner Kommilitonen hatten wahrscheinlich Tausende dieser Münzen in ihren Biergläsern versenkt. Er musste grinsen. Dann probierte er. Jeden Tag könnte er dieses Bier nicht trinken. Aber heute schmeckte es ihm.

Ein weiterer Gast trat ein. Der warf einen Blick in den Spiegel. Den Mann, der eine speckige Lederjacke trug, sah er nur von hinten. Er kam ihm bekannt vor. Der Fremde machte einen weiteren Schritt. Jetzt verdeckte das G des Schriftzuges Kopf und Schulter des Mannes. Er selbst wollte auf keinen Fall gesehen werden. Sicherheitshalber rückte er daher so weit wie möglich nach hinten in die Dunkelheit.

Entschlossen zog Josef Schulte die Tür auf. Diese Kneipe hatte er noch nie von innen gesehen. Komisch, dachte er. Dabei machte sie auf den ersten Blick einen ganz behaglichen Eindruck. Den Hund hatte Schulte mitgenommen. Lange bleiben wollte er schließlich nicht.

Viel war nicht los, an einem der Tische saß ein jüngeres, in sich versunkenes Pärchen, und an der Theke lungerten drei Männer herum, die sich angeregt unterhielten. Im Hintergrund lief leise irgendeine Pop-Sülze. Der Wirt, ein bulliger Mittvierziger mit Beinaheglatze, schaute ihn brummig an. Nicht richtig unfreundlich, eher etwas genervt. Wahrscheinlich hatte er gehofft, seine wenigen Gäste in Kürze los zu sein und den Laden abschließen zu können, erklärte sich Schulte diesen Blick. Denn durch sein Eintreffen war dieser Plan nun vermutlich infrage gestellt. Aber Jupp Schulte war nicht zu seinem Vergnügen hier. Er hatte hier eine Aufgabe zu erledigen. Ob der Wirt freundlich war oder nicht, spielte dabei keine Rolle.

Er schwang sich auf einen der freien Barhocker und bestellte ein kleines Bier. Während der Herr der Theke miesepetrig ein Glas unter den Zapfhahn stellte, schaute sich Schulte aufmerksam die anderen Gäste an. Das Gespräch an der Theke war bei seinem Eintreten vorübergehend verstummt, wurde nun aber etwas zögernd und eine Spur leiser wieder aufgenommen. Schulte hatte sich den Mann auf dem Foto, das Braunert ihm am Ende ihres Gespräches gezeigt hatte, gut gemerkt, als alter Polizist war er auf so etwas trainiert. Und er war sich absolut sicher, dass der Wortführer der Dreiergruppe an der Theke genau der Mann war, dessen Skrupellosigkeit das Problem Axel Braunerts geworden war. Schulte konnte körperlich spüren, wie Wut in ihm aufstieg und danach drängte, sich entladen zu können. Aber das war nicht Ziel seines Besuches. Er wollte dem Kerl lediglich die gelbe Karte zeigen.

Mit Handzeichen machte er dem Wirt klar, dass er noch drei weitere Biere für die Männer neben ihm zapfen sollte. Die drei hatten davon nichts mitbekommen und waren einigermaßen überrascht, als der Wirt ihnen die Biere hinstellte und mit einem Blick klarmachte, von wem die kamen. Schulte hob sein eigenes Glas und prostete ihnen zu. Die drei Männer prosteten etwas irritiert zurück und nahmen einen Schluck. Schulte nutzte dies aus und rückte näher heran.

Nachdem die üblichen Plattitüden ausgetauscht waren, wandte sich Schulte an den Mann, der vorher die Unterhaltung bestritten hatte.

„Können wir beid mal kurz unter vier Augen reden?“, fragte er ohne weiteres Federlesen. „Ich habe eine Nachricht von einem gemeinsamen Freund auszurichten.“

Sofort stellte der andere, ein großer, sportlich wirkender Mann von maximal Mitte dreißig, sein Bierglas weg und schaute Schulte scharf an.

„Welcher Freund ist das?“, fragte er schnell.

„Axel Braunert“, gab Schulte ruhig zurück.

Der Mann überlegte kurz, drehte sich dann zu seinen beiden Freunden und sagte:

„Ich bin mal kurz draußen. Habe mit diesem Herrn was Geschäftliches zu besprechen. Dauert aber nicht lange.“

Dann stand er auf und ging ohne ein weiteres Wort zur Eingangstür.

Schulte leerte sein Glas und stellte es auf den Tresen. Als er ebenfalls aufstand und zur Tür ging, hörte er hinter sich den Wirt laut rufen:

„Lange bleibt der Laden hier nicht mehr auf! Ich schließe gleich!“

Jetzt sprach der neue Gast mit den drei Männern. Nach einigen Worten verließen der Neuankömmling und Wormsthal den Gastraum. Er selbst wollte hier nicht von irgendjemandem gesehen werden. Jetzt war die Gelegenheit günstig.

Er legte einen Fünfeuroschein auf den Tisch und verschwand auf den Flur, der zu den Toiletten führte. Von hier aus gelangte man nicht nur zu den Klos, sondern es gab auch noch eine Tür, die wahrscheinlich in einen Garten führte. Sie war nicht verschlossen. Als er hinaustrat, stand er auf einer Garagenauffahrt.

Draußen schlug ihm eiskalte Luft entgegen. Dieser Winter gab einfach nicht auf, er hatte sichtbar und spürbar Freude an seinem Job. Schulte zog seine Jacke vorn zu und schlug den Kragen hoch. Wie immer war er nicht ausreichend warm gekleidet. Seine alte, speckige Lederjacke war zwar mit den Jahren eine echte Kleidungspersönlichkeit geworden, aber zum Warmhalten fehlte ihr jede Begabung. Und den Schal hatte Schulte im Auto liegen lassen. Sein Hund war hinter ihm hergelaufen, als Schulte aus der Kneipe gekommen war, und blinzelte ihn nun erwartungsvoll an.

Nun stand Schulte vor dem einen halben Kopf größeren Mann und versuchte, trotz der Kälte gelassen zu wirken. Sein Gegenüber zündete sich eine Zigarette an, auch eine Möglichkeit, Unsicherheit zu überspielen.

„Wer ist dieser Braunert, von dem Sie da reden?“, eröffnete er das Gespräch.

Schulte war verblüfft über diese Dreistigkeit. Aber er zwang sich zur Ruhe.

„Axel Braunert ist ein Freund von mir“, gab er ebenso platt zurück.

Als er sah, dass dies keine Wirkung zeigte, schob er nach: „Und ein Kollege.“ Das kam schon deutlicher bei seinem Gesprächspartner an. Offenbar wusste der Kerl genau, womit Axel Braunert seine Brötchen verdiente.

„So, so“, brummte er und nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette. „Und was will er von mir?“ Danach stieß er eine kräftige Rauchwolke in Schultes Richtung aus.

Der hätte ihm dafür gern das Nasenbein zertrümmert, hüstelte aber nur und sagte langsam und sehr deutlich:

„Ich heiße Schulte, bin Polizeirat und weiß über alles Bescheid! Auch, dass Sie Ingo Wormsthal heißen. Wenn ich etwas überhaupt nicht ausstehen kann, dann sind das Leute, die mit der Freundschaft und Zuneigung anderer spielen und sie für ihre schmierigen Zwecke ausbeuten.“

Der Lange starrte ihn verblüfft an. Mit einer so klaren Ansage hatte er wohl nicht gerechnet. Dann warf er seine Zigarette auf den gefrorenen Boden, rümpfte die Nase und meinte blasiert: „Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden. Außerdem muss ich mich hier nicht von irgendeinem dahergelaufenen Dorfbullen beleidigen lassen.“

Damit drehte er sich um, ging zur Eingangstür der Kneipe und zog sie auf.

In diesem Augenblick riss bei Josef Schulte der Geduldsfaden. Er machte zwei schnelle Schritte, war fast gleichzeitig mit dem Jüngeren an der Tür, fasste ihn an der teuren Daunenjacke und zerrte ihn zurück.

Schulte sah, dass Wormsthal ihn ungläubig anstarrte. Der hatte offenbar gehofft, sich dieser Auseinandersetzung durch Arroganz entziehen zu können, musste nun aber einsehen, dass er damit nicht durchkam.

Ohne weitere Vorwarnung schlug Wormthal zu.

Schulte schaffte es gerade noch, den Kopf so weit zurückzuziehen, dass der Schlag nur sein Ohr streifte. Eine Sekunde später lag ein total entsetzter Wormsthal auf dem eiskalten Asphalt des Bürgersteiges und Schulte kniete auf ihm.

Nur unter Aktivierung aller Kraftressourcen gelang es dem jüngeren Mann, wieder so etwas wie ein Gleichgewicht herzustellen. Als Schulte erneut die Oberhand zu gewinnen schien, wurde die Kneipentür aufgerissen und die beiden Freunde von Wormsthal mischten sich in den nun ungleichen Kampf ein. Schulte konnte fast zwanzig Sekunden der Übermacht standhalten, dann musste er einen so harten Schlag einstecken, dass ihm die Sinne schwanden. Er schwankte und schlug dann ungeschützt mit dem Kopf auf die Bordsteinkante. Dort blieb er regungs- und bewusstlos liegen.

Einer der beiden Kumpanen von Wormsthal, ein leicht schwabbeliger Typ mit Pferdeschwanz und Vollbart, untersuchte ihn kurz. Als klar wurde, dass der Bulle noch lebte, beruhigte er die beiden anderen. Das Blut kam von einer Platzwunde am Kopf, war aber wohl nicht lebensgefährlich.

Sie ließen Schulte liegen und gingen in die Kneipe zurück. Als sie die Tür öffneten, zwängte sich der schwarze Hund knurrend durch den Spalt und rannte ins Freie. Der Bulle dort draußen machte ihnen keine Sorgen mehr. Der würde gleich wieder aufwachen und kleinlaut verschwinden. Der hatte genug. Da waren sich die drei ganz sicher. Um den Verletzten kümmerte sich außer dem winselnden, alten Hund niemand mehr.

Sich im Dunkeln vorantastend, ging er um das Haus herum. Auf der Exterstraße hörte er Stimmen. Vorsichtig lugte er um die Hausecke. Im diffusen Licht der Nacht sah er, wie zwei Männer sich prügelten. Nachdem zwei weitere Männer aus der Kneipe hinzukamen und in die Schlägerei eingriffen, war der Kampf schnell beendet. Der Verprügelte lag in gekrümmter Haltung am Boden. Die Gewinner der Schlägerei warfen noch einen achtlosen Blick auf den am Boden Liegenden. Dann gingen sie wieder zurück in die Kneipe, als wenn nichts geschehen wäre.

Er rang mit sich. Sollte er dem Verletzten helfen oder nicht? Noch bevor er zu einer Entscheidung kam, rappelte sich der am Boden liegende Mann auf und schleppte sich in Richtung Krumme Straße. Ein schwarzer Hund folgte ihm winselnd. Wenige Sekunden später verschwand der blutüberströmte Mann hinter zwei parkende Fahrzeuge.

Es hatte wieder zu schneien begonnen. Die immer dichter werdenden Schneeflocken und die Dunkelheit ließen es einfach nicht zu, den Mann zu erkennen. Der Beobachter hinter der Hausecke war sich jedoch ziemlich sicher, dass er ihn aus anderen Zusammenhängen kannte.

4

Noch bevor Josef Schulte die Augen wieder aufschlug, spürte er, dass er am ganzen Körper heftig zitterte. Er musste völlig unterkühlt sein. Wie lange hatte er hier bewusstlos gelegen? Ein paar Sekunden oder sogar einige Minuten? Was machte er hier überhaupt? Und wo war er? Er hatte keine Ahnung. Mit zunehmender Vitalität stieg auch der Schmerz an. Er hatte den Eindruck, dass sein Kopf gleich platzen würde. Dann wagte er es, sich vorsichtig umzuschauen. Er war allein, kein Mensch war zu sehen. Nur Monster, sein zotteliger, alter Hund, lag neben ihm. Den ersten Versuch, wieder in die Senkrechte zu kommen, brach er ab, weil ihm schwindelig wurde.

Er kroch bis zu einem Parkautomaten in der Nähe und zog sich langsam daran hoch. Wieder kam der Schwindel, aber Schulte kämpfte dagegen an. Und endlich gelang es ihm, aus eigener Kraft gerade zu stehen. Wieder tauchten die Fragen auf: Wo bin ich? Was mache ich hier? Eine vorübergehende Phase der Klarheit brachte ihm alles wieder zurück. Wormsthal. Schlägerei.

Wo war dieser Kerl jetzt? Zurück in der Kneipe? Nur ganz kurz blitzte der Gedanke auf, selbst zurück in den Irish Pub zu gehen. Dann siegte der kleine Rest Verstand. Er hatte in seinem Zustand keine Chance. Und hier draußen warten, bis Wormsthal mit seinen Kumpanen wieder rauskam? Ebenfalls ausgeschlossen. Bis dahin wäre er so unterkühlt, dass er sich kaum noch würde bewegen können.

Die ersten Schneeflocken fielen herab auf die menschenleere Straße. Sie fühlten sich gut an auf seinem zerschundenen Gesicht. Nein, jetzt musste er vernünftig sein. Er musste zurück zu seinem Auto, das er am Anfang der Exterstraße geparkt hatte. Auf dem Rücksitz lag noch eine dicke Fleecejacke. Vom Auto aus würde er dann mit dem Handy Verstärkung anfordern und diesen Wormsthal hopsnehmen lassen. Und dann würde er einen Kollegen bitten müssen, ihn in die Ambulanz des Detmolder Klinikums zu fahren. Mit dieser Kopfverletzung war nicht zu spaßen.

Schulte machte ein paar vorsichtige Schritte in Richtung des Autos. Doch bereits nach wenigen Metern wankte er wieder und krachte an einen Fahrradständer, der laut scheppernd umfiel.

Schulte starrte noch erschrocken auf das Gestell, als im Haus, vor dem er gerade stand, im ersten Stock ein Fenster aufgestoßen wurde und eine Männerstimme herausrief:

„Schon wieder so ein besoffenes Schwein! Wer soll denn bei dem Lärm schlafen? Es gibt auch noch Leute, die morgens wieder zur Arbeit müssen! Unverschämtheit!“

Dann wurde das Fenster wieder zugeknallt. Schulte stöhnte, weil der Kopfschmerz wieder heftiger wurde, und tapste vorsichtig weiter.

Während des Gehens tastete er seine Lederjacke ab. Wo war eigentlich dieses verdammte Handy? Zum Glück konnte er den Autoschlüssel spüren. Noch einmal klopfte er alles ab. Nichts. Offenbar war ihm das Handy bei der Prügelei aus der Tasche gerutscht. Das lag nun vermutlich fünfzig Meter zurück, irgendwo in der Nähe des Kneipeneingangs. Also zurück? Nein! So viel war Schulte trotz allem klar: Wenn er jetzt zurückginge, bestand die Gefahr, den drei Schlägern in die Hände zu laufen. Außerdem fielen nun bereits so dicke Schneeflocken, dass die Straße schon jetzt nahtlos weiß war. Auch das Handy würde nun mit Schnee bedeckt und kaum noch zu erkennen sein. Er würde es wohl fürs Erste aufgeben müssen. Aber, wie sollte er denn jetzt die Kollegen anrufen? Schulte war zu schwach, um sich ernsthaft Sorgen zu machen. Ihm wurde immer kälter, der Schwindel nahm zu. Er hatte nur noch ein Ziel. Irgendwie zum Auto kommen, raus aus dieser Kälte.

Es war auch nicht mehr weit, vielleicht noch dreißig Meter. Wenn nur dieses furchtbare Schwindelgefühl endlich nachlassen würde. Aber das wurde ganz im Gegenteil stärker. Immer stärker…

5

„Was soll das?“, raunzte Wormsthal. „Hat dir die Abreibung eben vor der Kneipe nicht gereicht? Jetzt kriegst du richtig die Fresse poliert. Bullen wie dich, die ihre Nase überall reinstecken, kann ich schon gar nicht leiden. Und dann auch noch Verständnis für schwule Kollegen haben. Und der alberne Köter, meinst du, er könnte dir helfen? Ich versohle dir jetzt so dermaßen den Hintern, dass du diese Nacht nie mehr in deinem Leben vergessen wirst.“

Was war dieser Wormsthal doch für ein arrogantes Schwein, dachte der im Dunkeln Stehende. Er wollte sich auf keinen Fall durch die Beschimpfungen einschüchtern lassen. „Halt’s Maul und hör mir zu!“, schrie er Wormsthal an. Im gleichen Moment nahm er wahr, wie Wormsthal sich plötzlich nach rechts orientierte und auf den Hund losging.

Wormsthal trat nach dem zähnefletschenden Tier. Doch der Hund wich dem Tritt geschickt aus, dadurch verlor der Mann das Gleichgewicht und fiel schmerzhaft auf den Rücken.

Diese Situation nutzte Wormthals Gegner aus und schlug mit der Taschenlampe zu.

Doch Wormsthal sah die Bewegung aus den Augenwinkeln. Er hatte sich gerade in die Hocke hochgestemmt, da sauste der schwere Metallstab auf seinen Kopf zu. Er konnte sich gerade noch zur Seite drehen, sodass nur seine Schulter getroffen wurde.

Mist, ich habe daneben geschlagen, durchfuhr es den Angreifer. Doch der Gestrauchelte stand noch nicht wieder auf den Beinen. Der mit der Taschenlampe setzte nach. Wormsthal sollte büßen, was er angerichtet hatte. Fast war sein kräftiger Gegner wieder auf den Beinen … Das musste er unbedingt verhindern. Solange Wormsthal noch nicht stand, hatte der körperlich Unterlegene eine Chance.

Er warf sich mit voller Kraft gegen den noch Strauchelnden. Der wurde zurückgeworfen. Knickte in der Mitte ein. Krachte mit dem Steißbein gegen die Wand des Hauses. In einer Peitschenbewegung sauste eine Zehntelsekunde später sein Kopf nach oben und schlug ebenfalls gegen die Hauswand. Erst war ein ekelhaftes Geräusch zu hören. Dann stieß Wormsthal einen kurzen Schrei aus. Riss die Augen weit auf, sackte etwas in sich zusammen. Es sah aus, als hinge er an irgendeinem Gegenstand, sodass er nicht zu Boden gleiten konnte. Seine Augen starrten ins Leere.

Was für ein schauerlicher Anblick. So was hatte er noch nie gesehen. Ihm wurde übel. Er musste sich übergeben. Schrecklich! Was war ihm da nur passiert?

6

Werner Heimann wusste ganz genau, dass er zu viel getrunken hatte. Aber es war ein netter Abend mit guten Freunden in einer Kneipe an der Bielefelder Straße in Detmold gewesen. Sie hatten Karten gespielt. Eigentlich wollte er nach zwei echten Bieren auf alkoholfreies Bier umsteigen, aber irgendwie hatte der Wirt das nicht richtig verstanden. Und so stellte sich ihm, als die Kartenrunde kurz vor Mitternacht beendet war, die Frage, ob er trotz diverser Biere fahren sollte oder besser nicht.

Werner Heimann war ein aktiver Mann und entschied sich für die aktive Lösung. Er würde fahren. Und so schlurfte er zu seinem nigelnagelneuen Fiat Ducato, der ganz in der Nähe der Kneipe geparkt stand. Das Auto sah von Weitem aus, als runzele es vorwurfsvoll die Stirn, sprang aber klaglos an, als Heimann es startete.

Die Bielefelder Straße fuhr er sehr langsam hinunter. Hier musste er vorsichtig sein, hier war um diese Uhrzeit oft die Polizei unterwegs. Bloß nicht auffallen. Auf keinen Fall beim Abbiegen das Blinken vergessen, keinem Gullydeckel ausweichen, das könnte als Schlangenlinie gewertet werden und erst recht nicht das Tempolimit überschreiten. Heimann war hoch konzentriert. Jedenfalls soweit dies sein Alkoholpegel zuließ. Die Paulinenstraße war deutlich belebter, hier war das Risiko, einen Fehler zu machen, noch größer. Werner Heimann fühlte sich leicht überfordert, biss aber die Zähne zusammen. Aber als er hinterm Hornschen Tor in die Leopoldstraße abgebogen war, ging es ihm schon wieder deutlich besser. Wenn bis hierhin alles glatt gegangen war, dann würde auch auf dem Rest der Strecke bis zur Richthofenstraße nichts mehr schiefgehen. Heimann schmunzelte sogar etwas. Was die Leute immer für ein Aufhebens machten um so ein Gläschen Bier zu viel. War doch alles kein Problem. Ging doch, wie man sah.

An der Einmündung zur Exterstraße stand, wie ein großer schwarzer Block, direkt an der Ecke ein kleinerer LKW, den Heimann aber kaum zur Kenntnis nahm. Was ging ihn dieser Transporter an? Aber, was war das denn? Etwas bewegte sich doch da! Was zum Teufel machte dieser Kerl denn mitten auf der Straße?

Heimann reagierte langsam, aber er reagierte. Er trat die Bremse durch, wie er sich das komplett nüchtern nie getraut hätte und riss im allerletzten Moment das Lenkrad herum, rumpelte auf den Bürgersteig an der rechten Straßenseite, krachte vor eine Straßenlampe, knickte sie um und kam endlich zum Stehen. Der Motor hoppelte noch etwas und würgte dann ab.

Entsetzt starrte Heimann auf einen Mann, der nun mitten auf der Leopoldstraße stand und ihn, mehr überrascht als erschrocken, anblickte. Der Mann sah mitgenommen aus, schien verletzt zu sein. Auf jeden Fall war der Kerl restlos betrunken. Denn als der seltsame Mann nun nach links schwenkte und auf dem Bürgersteig an der linken Straßenseite weiterging, wankte er so stark, dass er fast umzufallen drohte.

Der hat es sich aber richtig besorgt, dachte Heimann. War da eben nicht auch ein Hund gewesen? Irgendwie erinnerte Heimann sich schwach. Und tatsächlich, kaum hatte der Besoffene ein paar Schritte auf dem Bürgersteig gemacht, da tauchte ein mittelgroßer, schwarzer Hund aus der Exterstraße auf und schloss sich ihm an. Offenbar hatte sich das Tier feige verdrückt, als die Bremsen quietschten.

Heimann atmete tief durch. Dann schaute er besorgt aus dem Seitenfenster und versuchte festzustellen, ob es einen Augenzeugen gab. Er sah niemanden und beschloss, so schnell wie möglich weiterzufahren. Okay, die Straßenlampe war komplett hinüber. Umgeknickt wie ein Strohhalm. Aber es hatte niemand mitbekommen, wer der Verursacher war. Dafür einen Alkoholtest riskieren? Er fand, er sei bereits durch den Schrecken ausreichend gestraft, drückte den Rückwärtsgang rein, fuhr zurück auf die Straße und gab wieder Gas. Den schwankenden Mann und seinen Hund sah er noch eine Weile im Rückspiegel, dann verschwand er aus dem Blickfeld.