Carsten Bothe
Die Hausschlachtung
Wurst, Schinken, Braten, Sülze
HEEL
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Autor: Carsten Bothe
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Lektorat: Ulrike Reihn-Hamburger
Fotos: Archiv des Autors
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– Alle Rechte vorbehalten –
Printed in Slovenia
ISBN 978-3-86852-685-1
eISBN ist 978-3-95843-208-6
Inhalt
Vorwort
Kapitel 1 So war es früher
Der traditionelle Ablauf des Schlachtens
Das eigene Schwein
Brühe austragen
Scherz und Schabernack
Schweineversicherung auf Gegenseitigkeit
Kapitel 2 Grundsätzliches vorweg
Die Einteilung der Schweine in Klassen
Unterschied Wurstschwein und Bratenschwein
Unterschied Warmfleisch und Kaltfleisch
Kapitel 3 Ausstattung und Einrichtung
Schlachtutensilien
Bolzenschuss
Brennetrog/Brühtrog
Schweineleiter und Schweinegalgen (Schwengel)
Aufzug
Werkzeuge zum Enthaaren und Aufbrechen
Die Wurstküche
Die Ausstattung der Wurstküche
Die Einrichtung einer Wurstküche
Blechtisch mit Schneidebrettern
Brühkessel
Die Wurstkammer
Der richtige Räucherschrank
Messer, Fleischwolf, Wurstfüller und Co.
Der Fleischwolf
Wurstfüller
Messer
Spalter
Stichschutz
Pflaster
Gummihandschuhe
Messerköcher
Messerträger aus einem Kanister
Schabeglocke
Hackklotz
Schneidebretter
Holz beim Schlachten
Schüsseln
Specknadel
Schlesinger
Fülltrichter
Wurststipper
Eimer
Wurstgarn
Kellen
Milchkannen
Schwartennetz
Wurstheber
Gummischürze
Waagen
Thermometer
Hygrometer
Vakuumierer
Plastikbecher (Feinkostbecher)
Kapitel 4 Die Gewürze
Die Gewürze
Piment
Kümmel
Muskatnuss und Muskatblüte
Senfkörner
Pfeffer, schwarz und weiß
Thymian
Majoran
Wacholder
Nelken
Zimt
Koriander
Chili und Chilischoten
Knoblauch
Zwiebeln
Pökelsalz oder normales Salz?
Zucker
Eis
Kapitel 5 Die Därme
Welche Därme verwenden?
Naturdarm
Schafdärme
Schweindärme
Rinderdärme
Kunstdarm
Kapitel 6 Dosen und Gläser
Hintergrundwissen
Dosen
Stapeldosen
Spardosen
Deckel
Dosenverschlussmaschine
Gläser
Einweckgläser
Kapitel 7 Töten, Enthaaren, Aufbrechen und Spalten
Das Betäuben und Stechen
Der Ablauf des Schlachtens
Das Brühen
Das Aufbrechen
Das Spalten
Die Reste und Abschnitte
Kapitel 8 Zerlegen
Allgemeines vorweg
Zerlegen für Braten
Einfrieren
Hinweis zum Einfrieren von großen Mengen Suppe
Zerlegen für Wurst und Schinken
Der Ablauf
Die einzelnen Fleischsorten
Innereien und Sonstiges
Kapitel 9 Wurst und Schinken selbermachen – Grundsätzliches
Wie anfangen?
Allgemeines zu den verschiedenen Wurstarten
Tipps zum Start
Die Mengen
Kaninchenwurst und andere Irrwege
Vorbereitung am Vortag
Reifen von Wurst
Reifefehler
Reife- und Trocknungsphasen
Leberwurst
Rotwurst
Rohwurst
Woher kommt der saure Geschmack in der gekauften Wurst?
Zwiebeln als Gewürz oder als Zutat
Kapitel 10 Rezepte
Rezeptheft
Mett herstellen
Jägermett
Thüringer Mett
Party-Mett
Rohwurst herstellen
Frische Bratwurst zubereiten
Mettwurst
Mettwurst im Ring herstellen
Bregenwurst
Brühwurst herstellen
Wurst brühen
Kochwurst herstellen
Rot- oder Blutwurst
Brühen der Rotwurst
Leberwurst
Knackwurst
Einige Worte zur Knackwurst:
Lose Wurst
Sülzen und Pasteten
Speck und Schinken
Sinn des Pökelns
Welches Fleisch ist geeignet
Ganzer Schinken
Schnellpökelverfahren
Wie muss ein Schinken schmecken
Wie testet man den Schinken?
Schinken pökeln – aber wo?
Speck herstellen
Kotelettstrang mit Schwarte
Backen und Eisbein
Coppa
Schlachtebrühe
Brühe aufbewahren
Steeke
Flomenschmalz
Wurstschmalz
Fleisch einsalzen
Vorwort
Liebe Leser und Hobby-Metzger,
nach jedem Fleischskandal wenden sich mehr Menschen von der industriell erzeugten Wurst ab und versuchen selbst zu wursten. Das Internet bietet tausende Rezepte und Anleitungen, aber die letzten, entscheidenden Tricks und Kniffe werden nirgends verraten. Auch gibt es zu den wichtigsten Maschinen – dem Wurstfüller, dem Fleischwolf und der Dosenverschlussmaschine – keine Gebrauchsanleitungen mit Anmerkungen zur Fehlerbehebung.
In diesem Buch halte ich es wie immer, die umfangreichen rechtlichen Betrachtungen bleiben außen vor! Wenn Sie Ihre Dosen nicht zubekommen, weil Sie nicht wissen, wie die Maschine funktioniert, dann hilft Ihnen das Wissen über die rechtliche Zulässigkeit eines verchromten oder nur gefärbten Gerätes nicht weiter.
Bei diesem Buch handelt es sich um ein Lehrbuch, das Sie in das Thema einführt und die notwendigen örtlichen Begebenheiten, Geräte, Zutaten und Fleischarten vorstellt. Dabei erkläre ich das Schlachten und Zerlegen, die einzelnen Fleischarten und deren Weiterverarbeitung. Ein kurzer Teil mit Rezepten schließt sich an. Bei den Rezepten habe ich mich bewusst nicht auf das „Höher! – Schneller! – Weiter!” der Internetseiten eingelassen, die dutzende, wenn nicht gar hunderte Rezepte anbieten, aber nur unzureichend beschreiben, wie eine Mettwurst im Detail hergestellt wird, was man falsch machen kann, wie es richtig geht und wie man Fehler frühzeitig erkennt und beseitigt, solange es noch möglich ist. Bei vielen Rezepten steht nur „Wurst abbinden”, aber wie das genau geht und warum das so wichtig ist, steht dort nicht. Das scheint dem Wissen der alten Hausschlachter vorbehalten zu sein, die es langsam mit ins Grab nehmen. Schade drum. Ich hoffe, mit diesem Buch große Teile dieses Wissens dem Untergang und dem Vergessen entrissen zu haben.
In diesem Buch lernen Sie eine Bratwurst, eine Mettwurst, eine Leberwurst, eine Knackwurst sowie eine Rotwurst herzustellen, mit allen dafür nötigen Tricks und Kniffen. Außerdem zeige ich Ihnen, wie Sie aus Schinken und Schweinebäuchen geräucherten Schinken und Speck machen. Wenn Sie das können, dann haben Sie viel erreicht, denn nicht ohne Grund ist das Schlachterhandwerk ein Lehrberuf. Wenn diese einfachen, aber im Geschmack klaren und ehrlichen Wurstsorten nicht Ihrem Gaumen entsprechen, dann wissen Sie nach der Lektüre auch, wie Sie so variieren können, dass es Ihnen schmeckt. Würste haben regional völlig andere Aromen, das kann und will ich in diesem Buch aber nicht abbilden, denn das würde den Rahmen bei Weitem sprengen.
Ganz gleich, ob Sie ein paar Pfund Bratwurst machen, einen Schinken oder eine Salami, oder ob Sie sich an das Verwursten eines fünf-Zentner-Schweins wagen, in diesem Buch steht alles, was Sie wissen müssen, und noch mehr. Mit etwas handwerklichem Geschick sollte es Ihnen möglich sein, damit zu leckeren Erfolgen zu gelangen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen immer scharfe Messer!
Herzlichst, Ihr
Carsten Bothe
Kapitel 1
So war es früher
Der traditionelle Ablauf des Schlachtens
Früher hat man vom Schwein bis auf das Quieken alles gegessen.
Früher wurde ein Schlachttermin bereits weit im Vorfeld festgelegt. Oftmals orientierte man sich dabei an den christlichen Feiertagen: Totensonntag, Volkstrauertag oder Buß- und Bettag waren ohnehin tabu und am 3. November war Hubertus-Jagd. Ab Februar ist es eigentlich schon fast zu spät, weil dann die Schinken und Mettwürste nicht mehr rechtzeitig zur Spargelsaison fertig werden, und im Sommer ist es dann zu warm. Eigentlich schlachtete man nur in den Monaten mit „r”. Der Hausschlachter organisierte die Termine und die einzelnen Familien bekamen immer den gleichen Tag. Um diese Termine gruppierten sich auch die anderen Veranstaltungen, wie die winterliche Treibjagd, die Versammlung der Zuckerrüben-Aktionäre, die Generalversammlung der Viehversicherung auf Gegenseitigkeit oder die Weihnachtsfeier der Freiwilligen Feuerwehr. Da konnte man sich nicht einfach einen Termin ausdenken, das hätte das fein austarierte Termingefüge des ganzen Dorfes durcheinander gebracht.
Da nicht jeder Haushalt über die notwendigen Utensilien und Werkzeuge verfügte, konnten auch nicht zwei Familien gleichzeitig schlachten, abgesehen davon, dass es auch nur einen Hausschlachter gab, dessen Wurst man natürlich am liebsten aß. Die Werkzeuge wurden vom einen zum anderen weitergegeben. Rechtzeitig vorher wurden die notwendigen Verbrauchsmaterialien beschafft: Wurstbänder, Därme, Dosendeckel, Einweckringe, Salz, Gewürze, Zwiebeln, Reinigungsmittel, Räuchermehl, Schnaps, Scheuerpulver, etc. Die Kinder mussten vom Kolonialwarenhändler „Pfeffer für einen Groschen“ holen, auf einem Teller, der mit einem Suppenteller zugedeckt wurde, damit kein Windstoß den Pfeffer wegblies. An den Tagen vor dem anberaumten Termin wurden die Dosen abgeschnitten und für die neue Befüllung vorbereitet, Feuerholz bereitgelegt, die Mollen und Wannen geschrubbt. Am Tag vor dem Schlachttag wurden die Zwiebeln geschält und vorgekocht, ein Kuchen für das Frühstück gebacken und noch mal alles überprüft. Am Schlachttag war keine Zeit, irgendetwas zu suchen oder Holz zu hacken.
Ein wichtiger Bestandteil des Schlachttages war der Schnaps. Manchmal kann man den Eindruck gewinnen, Alkoholismus gehörte früher bei Hausschlachtern noch zum guten Ton. Aber wenn man die eher karge Lebensführung und den einfachen Speiseplan der bäuerlichen Bevölkerung bedenkt, dann gehört ein Schnaps mehr als sonst zu einem fetten Essen einfach dazu. Es ist ja schließlich kein Schlacht-„Arbeitstreffen”, sondern ein Schlacht-„Fest”. Nach wochenlangen Entbehrungen und fleischarmen Gerichten mal so richtig aus den Vollen zu schöpfen, das war wirklich ein Fest. Dass das bei so manchem Hausschlachter, der diese Veranstaltung ja im Winter drei- oder viermal in der Woche, manchmal auch noch öfter, mitmachte, gerne mal außer Kontrolle geriet, muss hier nicht weiter erwähnt werden.
Pieter Brueghel der Jüngere, „Schweineschlachten“
(Allegorie des Herbstes), nach 1616.
*
Steht das Schwein noch in seinem Koben,
wird erstmal einer gehoben.
Wenn das Schwein ums Eckchen lugt,
wird erstmal einer aufgehuckt.
Ist erst mal der Strick am Bein,
schenkt man schon den nächsten ein.
Ist das Schwein geschossen,
wird einer eingegossen.
Ist die Sau trotzdem am Leben,
kann man dennoch einen heben.
Liegt das Schwein dann tot am Boden,
wird der nächste schon gehoben.
Wenn die Sau im Troge ruht,
tut auch schon der nächste gut.
Und auch dann beim Haaren,
soll man mit Schnaps nicht sparen.
Ist das Schweinchen hakenrein,
muß erst mal getrunken sein.
Wenn das Schwein am Haken hängt,
wird erst mal einer eingeschenkt.
Wird das Kesselfleisch geschnitten,
haben die Schnäpse schon gelitten.
Nach dem fetten Fleischgenuss
braucht man Schnaps, sonst gibts Verdruss.
Der Kessel dampft, die Wurst ist gar,
da schmeckt ein Schnaps ganz wunderbar.
Zum Nachtisch trinkt man gern den Rest,
der noch übrig ist vom Fest.
Eigentlich sind wir ja nicht abergläubisch, aber nach jedem siebten Ring Mettwurst soll man einen Schnaps trinken, sonst wird die Wurst schlecht.
Das eigene Schwein
Viele Familien hatten nach dem Krieg ein oder zwei Schweine im Stall hinter ihrem Haus, andere ließen sich ein Schwein vom Landwirt vor Ort mästen. Heutzutage beschränkt sich das „Schlachten“ auf den Kauf von Schweinehälften, denn kaum jemand hält noch selbst Schweine oder hat die (rechtliche) Möglichkeit, auf dem eigenen Hof zu schlachten, also das Tier selbst zu töten.
Am Tag vor dem Schlachttag bekommt das Schwein nur noch Milch oder Wasser, damit sich die Därme leichter reinigen lassen. Am Morgen kommt dann der Schlachter und das Schwein wird aus dem Stall geführt. Dann bekommt es um den linken Hinterlauf ein Seil gelegt, das dafür sorgt, dass das Schwein nach dem Schuss auf die rechte Seite fällt und nicht bis nach vorne in die Blutschüssel schlagen kann. Dazu muss ein Helfer das Seil stramm halten und das Bein nach hinten ziehen. Die Schläge mit dem Hinterlauf sind äußerst gefährlich und daher ist es wichtig, hier nicht den schwächsten Helfer auszuwählen. Es kann auch hilfreich sein, den Strick durch einen Ring am Boden zu führen.
In vielen alten Bauernhäusern gibt es einen Ring im Hof, von dem heute niemand mehr weiß, wofür er nütze ist – ganz einfach: Um das Schwein beim Schlachten mit dem Hinterlauf festzubinden.
Wenn das Schwein
am fettesten ist,
hat es den Metzger
am meisten zu fürchten.
(Abraham a Santa Clara )
Ein kluger Mann verehrt das Schwein,
er denkt an dessen Zweck,
von außen ist es ja nicht fein,
doch drinnen sitzt der Speck
(Wilhelm Busch)
Morgen kann unser Fritz nicht zur Schule kommen,
die Sau wird geschlachtet!
(Entschuldigungsschreiben der Eltern für den Sohn in der Schule)
Brühe austragen
Früher wurde nach und nach bei allen Familien des Dorfes geschlachtet, da der Hausschlachter ja immer nur auf einem Hof sein konnte. Die Nachbarschaft bekam dann jede Woche frische Schlachtbrühe. Für das Austragen waren die Kinder des Hofs zuständig, die das auch gerne machten, denn bei jeder Familie, die sie mit ihrer Milchkanne ansteuerten, bekamen sie eine Süßigkeit. Teilen war das Wichtigste in der dörflichen Gemeinschaft. Wer schlachtete, der hatte mehr Fleisch und Wurstbrühe als er verbrauchen konnte, bevor es schlecht wurde. Also gab man reichlich an die Nachbarn und wenn diese schlachteten, bekam man wieder etwas zurück. Üblicherweise wurde die Brühe, die nach dem Wurstkochen übrig blieb – um die 100 Liter – von den Kindern in Milchkannen zu den Nachbarn gebracht. Wenn man es gut meinte, dann kam noch ein Stück Kesselfleisch – Steeke – dazu sowie eine kleine Knackwurst und etwas Gehacktes (Mett).
Auch heute tragen die Kinder noch gerne Brühe aus!
Scherz und Schabernack
Die Kinder wurden beim Schlachttag auch gerne mal reingelegt. Beliebt waren völlig sinnlose Aufgaben, wie den Magen auszutreten. Dabei sollten die Kinder den Schweinemagen im Schnee sauber austreten. Sie sprangen dann lange Zeit auf dem Magen herum, nur um jedes Mal zu hören, dass sie es noch nicht richtig gemacht hatten und der Magen noch weiter ausgetreten werden müsse. Irgendwann war es dann in Ordnung, was meist mit den Worten quittiert wurde: „Das reicht, schmeiß den Magen auf den Mist, den brauchen wir eh nicht“.
Die Kinder, die schon einmal einen Magen ausgetreten hatten, konnten mit so etwas natürlich nicht mehr beschäftigt werden. Sie wurden daher gerne zum Nachbarn geschickt, um wichtige Maschinen zu holen. Beliebt waren beispielsweise der „Kümmelspalter“, „Speckhobel“ oder die „Sülzenpresse“. Werkzeuge, die nur in der Fantasie existieren, aber für den weiteren Fortgang des Schlachttages als existentiell wichtig dargestellt wurden. So kamen die Kinder also zum ersten Nachbarn, der den „Kümmelspalter“ leider gerade verliehen, aber noch nicht zurückerhalten hatte. Und wie es der Zufall so will, lag der natürlich gerade auf dem Hof, der am weitesten entfernt war. So wurden die Kinder durch das Dorf geschickt und irgendwo bekamen sie dann eine große Kiste oder einen schweren Sack, gefüllt mit Metallschrott, der schön schwer und unförmig und möglichst schlecht zu tragen war. Wenn die Kinder dann mit dem Sack ankamen, wurde unter dem allgemeinen Gelächter der Sack geöffnet: „Die haben Euch ganz schön angeschmiert, das ist ja gar kein Kümmelspalter. Na ja, dann nehmen wir den Kümmel eben ganz!“
Beim Blutwurstmachen musste beim Rühren immer ein Kind die Schlachtmolle halten, aber weniger damit sich die Molle nicht bewegt, sondern vielmehr damit er die Hände nicht frei hatte, wenn ihm der Schlachter mit einer schnellen Bewegung mit der roten Hand ins Gesicht fasste.
Früher wurde die Schweineblase häufig aufgeblasen und zugebunden, damit die Kinder mit ihr spielen konnten. Auch wurde diese zum Füllen mit Mettwurst gebraucht, jedoch ist die Blase sehr groß und die Wurst muss schon optimal reifen, um nicht schlecht und hohl zu werden. Gerne wurden Blasen auch auf Drahtgestelle gespannt und getrocknet, um sie mit einem Band und Stöckchen versehen als Laternen zum Martinsumzug zu verwenden.
Traditionell wurde der Schwanz irgendwo an die Scheunentür ge- nagelt und blieb so lange dort hängen, bis die Hunde sich erbarmten. Oder er wurde mit den Ohren, Pfoten und anderen knochigen Teilen gepökelt. Besonders beliebt war es aber, eine Sicherheitsnadel wie einen Haken aufzubiegen und diese mit einem Band an dem Schwanz zu befestigen. Die Kinder, die die Brühe austrugen, hatten dann die Aufgabe, diesen Schwanz mit Hilfe der Sicherheitsnadel Passanten – vorzugsweise dem Pfarrer oder Lehrer – hinten an die Jacke zu hängen, ohne dass dieser das bemerkte. Leider sind die Schweine heutzutage fast alle kupiert, sodass sich das Ringelschwänzchen nicht mehr dazu eignet.
Der Ringelschwanz hing an der Scheunentür oder er wurde dem Nachbarn unbemerkt hinten an die Jacke gehängt.
Schweineversicherung auf Gegenseitigkeit
Wie an verschiedenen Stellen im Buch schon angesprochen, war das selbstgemästete Hausschwein über viele Jahrhunderte eine Notwendigkeit in den ländlichen Haushalten. Um das Jahr 1875 gründeten sich erste Versicherungsvereine, in denen man auf Gegenseitigkeit die Schweine gegen plötzlichen Tot oder seuchenrechtliche Tötung versichern konnte. Die Vereinsmitglieder bezahlten einen bestimmten Betrag pro Schwein – in den 1960er Jahren meist um die 50 Pfennig – und bekamen dann im Schadensfall 90 % des aktuellen Schweinepreises ersetzt. In einigen Gegenden Deutschlands bestehen diese Vereine noch heute, obwohl keine oder nur noch wenige Schweine privat gemästet werden. Daraus entwickelten sich vielmehr Geselligkeitsvereine, die die Tradition der Vereinsversammlung mit Schlachtessen beibehalten haben.
Mikroskop
zur Trichinenschau
Kapitel 2
Grundsätzliches vorweg
Die Einteilung der Schweine in Klassen
Nimmt der Bauer Gelder ein,
stammt jede vierte Mark vom Schwein.
(AID-Heft von 1956)
Schweine – wie alle Schlachttiere – werden für den Handel in verschiedene Klassen eingeteilt, die Sie kennen müssen, um nicht für Ihre Zwecke ungeeignete Arten einzukaufen. Das System geht nach der Buchstabenkombination SEUROP. Einfach gesagt: Je mehr Muskelfleisch, desto weniger Fett. Für die Hausschlachtung ist für die Wurstherstellung natürlich mehr Fett wünschenswert. Es handelt sich dabei aber keinesfalls um schlechtere Qualität, denn für den Schlachter, der mageres Fleisch als Braten verkaufen will, ist ein hoher Muskelfleischanteil wichtig.
S |
Muskelfleischanteil über 60 % |
E |
Muskelfleischanteil über 55 %, jedoch unter 60 % |
U |
Muskelfleischanteil über 50 %, jedoch unter 55 % |
R |
Muskelfleischanteil über 45 %, jedoch unter 50 % |
O |
Muskelfleischanteil über 40 %, jedoch unter 45 % |
P |
Muskelfleischanteil weniger als 40 % |
M |
Schlachtkörper von Sauen |
V |
Schlachtkörper von zur Zucht verwendeten Ebern und Altschneidern (ausgewachsene Eber, die erst nach der Pubertät und mindestens acht Wochen vor der Schlachtung kastriert wurden, um den Ebergeruch zu verlieren) |
Für die Industrie wird das Fleisch etwas anders eingeteilt, sodass Teilstücke mit einer definierten Eigenschaft in großen Mengen erworben werden können, das ist aber für die Hausschlachterei nicht von Bedeutung.
Die Fleischsorten werden auch nach Qualität unterschieden, wobei die folgenden Qualitäten nicht oder nur bedingt für die Wursterei geeignet sind. Diese Qualitätsmerkmale sind aber nicht gesundheitlich bedenklich. Ungenießbares Fleisch wird schon im Schlachthof verworfen und kommt nicht mehr in den Handel, wie das früher bei den Freibanken der Fall war. Da ist zunächst das PSE-Fleisch zu nennen. Die Bezeichnung kommt von blass (pale), weich (soft) und wässrig (exudative), und genau so sieht das Fleisch auch aus. Es ist zwar zum menschlichen Verzehr geeignet, aber die Haltbarkeit ist herabgesetzt. Es bindet weniger Wasser, schrumpft beim Kurzbraten und wird dann trocken und zäh. Daneben gibt es – allerdings nicht so häufig wie das PSE-Fleisch – das DFD-Fleisch. Es ist dunkel (dark), fest (firm) und trocken (dry) und für die Hausschlachterei eigentlich nicht geeignet. Davon abgesehen kommen diese mangelhaften Eigenschaften eher bei Rindern und nur sehr selten bei Hausschweinen vor.
Unterschied Wurstschwein und Bratenschwein
Die Anforderungen an das Fleisch für Wurst und Schinken und an das Fleisch für Braten sind so unterschiedlich, dass sich das mit einem einzelnen Schwein nicht realisieren lässt. Ein geeignetes Schwein für Mettwurst hat einmal Geburtstag gehabt und wiegt ausgeschlachtet noch wenigstens 150 kg. Ein normales Mastschwein für Braten wiegt ausgeschlachtet etwa 80 kg bis 90 kg und ist 21 Wochen alt. Das Bratenschwein hat mageres Fleisch, das wenig mit Fett durchzogen und relativ weich ist, noch nicht ausgewachsen eben. Die guten alten Hausschlachteschweine waren mit „fünf Zentnern“ – 250 kg – echte Schwergewichte. Aber nicht nur das, sie hatten ausgewachsene Muskeln und eine dicke Speckschicht unter der Schwarte, die der Mettwurst erst das nötige Fett gab. Für diese Mastleistung sind die modernen Hybriden aber nicht gezüchtet, sondern dafür sind alte Rassen notwendig, die heutzutage nur noch von Liebhabern gehalten werden. Denn diese Schweine müssen ja auch verarbeitet und letztendlich gegessen werden. Wer mageres Fleisch haben möchte, der kommt mit einem solchen Wurstschwein nicht weiter. Ausgesprochene Wurstschweine sind nicht mehr leicht zu bekommen und im Großhandel schon gar nicht. Behelfen kann man sich mit Sauen, die schon geferkelt haben. Allerdings sind diese sehr mager, was aber durch den Zukauf von kernigem Rückenspeck ausgeglichen werden kann. Dieser Speck wird schon fertig abgeschwartet angeboten und ist die ideale Zugabe für Mettwurst. In den 1950er Jahren begann man die Schweinemast den Marktgegebenheiten anzupassen und Bratenschweine zu züchten, die mit 3,5 kg Futter 1 kg an Gewicht zugenommen haben. Bei der Gewichtsklasse über 150 kg Lebendgewicht wird für 1 kg Gewichtszunahme 5,5 kg Futter benötigt, was dafür sorgt, dass die Produktion von Speck deutlich teurer ist als die Produktion von Fleisch. Die geänderten Verbrauchergewohnheiten kamen und kommen den Bauern damit entgegen. Heutzutage nimmt ein Schwein in der Mast mit 3 kg Futter am Tag 1 kg zu. Nach 21 Wochen steigt der Futtereinsatz auf 4 kg für 1 kg Gewichtszunahme und ist damit unwirtschaftlich. Aber nicht nur das, die Mäster bekommen für einen zu hohen Fettanteil auch noch Abzüge.
*
Für den gelegentlichen Hausschlachter – besser gesagt Hobbywurster – ist ein vier-Zentner-Schwein leider auch keine wirtschaftlich sinnvolle Lösung. Das Schwein hat einfach zu viel Fett, das heute keiner mehr essen mag. Der Fleischanteil bei einem Schwein von 200 kg Lebendgewicht ist nicht viel größer als der eines 120-kg-Normschweins. Und Fett bleibt in Form von Schmalz und zu fettem Speck übrig. Ein Hausschlachteschwein ist somit teurer als notwendig. Von der gesteigerten Fleischqualität durch das höhere Alter einmal abgesehen.
Hier eine Rechnung:
Schwein lebend, 190 kg
bei 1,20 Euro je kg Lebendgewicht 228 Euro
Zusatzkosten für Mehraufwand in der Haltung und Futter pauschal 50 Euro
Schlachten und Fleischbeschau 54 Euro
Gesamt: 332 Euro
Das Schlachtgewicht beträgt bei Schweinen 85 % des Lebendgewichts, somit kann man von 190 kg Lebendgewicht 161,5 kg Schlachtkörper gewinnen. Damit wiegt eine Hälfte 80,75 kg. Theoretisch, denn es fallen ja noch Sachen wie Flomen und Innereien an, die mitgewogen, aber selten verwertet werden.
Bei einem Normschwein kann man etwa mit 44–48 kg pro Hälfte rechnen (120 kg lebend, ausgeschlachtet etwa 102 kg), weil bei einer gekauften Hälfte die Innereien nicht mitgewogen und mitgegeben werden.
Bei einem Hausschlachteschwein mit dem erwiesenermaßen fetten Fleisch ist man nicht in der Lage, genug Leberwurst herzustellen, weil die Leber verglichen zu den Fleisch- und Fettanteilen zu klein ist. Sie müssen dann Leber zukaufen.
Ein guter Richtwert zum Wursten sind ein halbes Normschwein, ein Bauch extra, 2 kg Leber (eine Leber wiegt 1,5 kg oder etwas weniger) 3–4 kg Rückenspeck.
Heutzutage ist der Speck an einem Schwein nicht mehr gefragt und daher spottbillig und in großen Mengen zu bekommen, anders als in der Zeit, als man auf Wurstschweine als Fettproduzenten angewiesen war. Sie sollten also das benötigte Fett einfach zukaufen.
Unterschied Warmfleisch und Kaltfleisch
Bei der Hausschlachtung gibt es zwei Möglichkeiten, das Fleisch zu verarbeiten, zum einen warm, also vom frisch geschlachteten Tier ohne Fleischreifung und zum anderen von Tieren, die bereits ein oder zwei Tage tot sind und bei denen die Fleischreifung schon stattgefunden hat. Für einige Wurstsorten ist die Verwendung von Warmfleisch notwendig, beispielsweise bei der Eichsfelder Stracke oder der Hessischen Ahlen Wurst. Die Warmfleischeigenschaften sind nur in den ersten drei Stunden nach dem Töten des Tieres vorhanden, bis dahin muss dem zerkleinerten Fleisch Salz zugegeben worden sein, um den weiteren Fleischreifeprozess zu unterbinden. Warmfleisch bezieht sich nicht auf die Temperatur des Fleisches, so kann man mit Fleisch, das zwei Tage vorher geschlachtet und heruntergekühlt wurde, nicht durch „Aufwärmen“ Warmfleischeigenschaften herstellen. Bei Warmfleisch besteht ein hoher pH-Wert von 6,5 bis 7, in diesem Fleisch ist noch reichlich Muskelzucker (Glykogen) vorhanden, der bei der Wurst für einen schnelleren Eintritt der Reifung sorgt. Bei Kaltfleisch ist der pH-Wert bereits gesunken und liegt bei 5,2 bis 5,6. Das Glykogen ist abgebaut und man muss Zucker zusetzen. Bei den ersten Versuchen der Hausschlachtung sollten Sie sich aber nicht auf die Warmfleischverarbeitung stürzen, denn der Tierarzt muss das Fleisch vorher freigeben. Bei der Warmfleischverarbeitung kommt es wirklich auf jede Minute an. Die Alternative ist, sofort zu beginnen und dann ggfs. die Wurst zu verwerfen, das müssen Sie aber mit dem Tierarzt absprechen, der den Schlachtkörper in der Regel komplett sehen will.
Kapitel 3
Ausstattung und Einrichtung