Unser Schrebergarten für Dummies

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Über die Autorin

Christa Pöppelmann (Jahrgang 1967) hat in Bamberg und München Geschichte, Kommunikationswissenschaft und Politologie studiert und eine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule absolviert. Von 1992 bis 2009 arbeitete sie als freie Autorin für die ökologische Gartenzeitschrift kraut&rüben. Seit 2000 schreibt sie auch Bücher.

Aus ihrer Feder stammen Allgemeinbildung Weltgeschichte für Dummies, Allgemeinbildung Personen der Weltgeschichte für Dummies, Allgemeinbildung Kultur für Dummies und Allgemeinbildung Deutschland für Dummies sowie viele weitere Bücher. Der Kulturgeschichte der Schrebergärten widmete sie sich in dem Buch Hier wächst die Hoffnung! Von der Laubenkolonie zum Guerilla-Garten. Mit der gärtnerischen Praxis hat sie sich in Ein Hoch auf das Beet: Hochbeete bauen, bepflanzen, pflegen befasst.

Christa Pöppelmann sagt über sich und dieses Buch:

»Eigentlich sind Geschichte und Allgemeinbildung meine Themen. Die Arbeit im Garten ist Freizeitvergnügen. Wenn ich wieder mal zu lange am Schreibtisch gesessen habe oder mit einem Projekt nicht weiterkomme, dann kann sogar die Jagd nach fiesen Wurzelunkräutern zu willkommener Abwechslung werden. Vom Pflanzen und Ernten, Einmachen und Verwerten gar nicht erst zu reden.

Ich denke, dass meine Motive, vor rund 30 Jahren mit dem Gärtnern zu beginnen, sehr ähnlich waren wie die vieler Menschen, die heute nach einem Schrebergarten suchen. Ich wollte eigenes Obst und Gemüse ziehen, und zwar nicht die gängigen Sorten aus dem Supermarkt. Und ich wollte ein »grünes Wohnzimmer« haben – wie mein Mann es nennt –, in dem wir uns gerne aufhalten und die Freiluftsaison genießen können. Trotz langjähriger, oft notgedrungener Mithilfe im elterlichen Garten war ich damals im Grunde blutige Anfängerin mit mehr Begeisterung als Kenntnissen. Ich hatte allerdings das Glück, durch meine Arbeit für die Zeitschrift kraut&rüben Kontakt zu echten Profis zu haben und zudem schon damals das ökologische Gärtnern kennenzulernen, das sich heute in Schrebergärten weitgehend durchgesetzt hat. Dafür danke, Ulrike, danke, Ute, Elisabeth und all ihr anderen.

Und da ich selbst einen Haus- und keinen Schrebergarten habe, danke ich auch jenen, die mir in Sachen Kleingarten weitergeholfen haben, allen voran unseren Freunden Martina und Florian.«

Einführung

Gärten machen glücklich. Ein chinesisches Sprichwort behauptet sogar, dass das – wahre – Leben erst in dem Moment beginnt, in dem man einen Garten anlegt.

Doch nicht allen beschert das Schicksal einen geeigneten Hausgarten, um ihrer Gartenleidenschaft zu frönen. Da bieten sich Schrebergärten als Alternative an. Lange Zeit waren sie als spießig verschrien – vor allem dann, wenn sie zu einem Kleingartenverein gehörten (was nicht zwangsläufig der Fall ist). Seit einiger Zeit boomen sie. Die Corona-Krise mit ihren Ausgangsbeschränkungen hat aus diesem Boom dann einen regelrechten Hype werden lassen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Doch für die meisten Schrebergärtner und -gärtnerinnen sind zwei Motive wesentlich:

  1. Sie wollen ihr eigenes Obst und Gemüse ziehen.
  2. Sie wünschen sich einen privaten Rückzugs- und Erholungsraum unter freiem Himmel, ein grünes Wohnzimmer.

Der Anbau von Nutzpflanzen und die Erholung werden auch im Bundeskleingartengesetz als wesentliche Charakteristika eines Klein- oder Schrebergartens genannt. Wenn beides auch auf Ihrer Wunschliste steht, dann liegen Sie mit Ihrem Interesse an einem Schrebergarten schon mal richtig.

Natürlich dürfen Sie dort auch Ihrer Leidenschaft für Blumen und andere Zierpflanzen frönen, aber zum typischen Schrebergartenmix gehört eben auch der Anbau von Essbarem. Wenn Sie Ihren Garten über einen Kleingartenverein pachten und damit dem Bundeskleingartengesetz unterliegen, sogar zwingend. Wenn Sie auf anderen Wegen, auf die ich auch eingehen werde, ein Gartengrundstück finden, haben Sie mehr Freiheiten. Ich werde Sie mit der ganzen Palette der Möglichkeiten bekannt machen, aber auch die Einschränkungen benennen, mit denen Sie eventuell rechnen müssen.

Über dieses Buch

Dieses Buch begleitet Sie durch alle Etappen Ihres Schrebergärtner-Daseins.

  • Bei den ersten Überlegungen, ob Sie Schrebergärtnerin oder -gärtner werden wollen
  • Bei der Frage, welche Art von Kleingarten für Sie geeignet ist
  • Bei der Suche nach einem Garten
  • Beim Einrichten Ihres neuen Gartens
  • Beim praktischen Gärtnern
  • Beim Verwerten Ihrer Ernte
  • Bei der Frage, wie Sie darüber hinaus Ihren Garten optimal nutzen
  • Bei Problemen mit Nachbarn, Vereinsvorständen et cetera

Törichte Annahmen über den Leser

Nun kann es natürlich sein, dass Sie gar nicht all diese Informationen brauchen, weil Sie vielleicht schon auf der Warteliste eines Kleingartenvereins stehen oder gar schon begonnen haben, sich auf Ihrer Parzelle einzurichten, beziehungsweise ein anderweitiges Gartengrundstück pachten konnten. Ist dieses Buch dann überhaupt noch das Richtige für Sie?

Um das herauszufinden, möchte ich Ihnen ein paar Hilfestellungen geben.

  • Im Mittelpunkt des Buches steht die Gartenpraxis. Wenn Sie Vorüberlegungen und Vereinsrecht nicht benötigen, können Sie diese Kapitel einfach überspringen und bekommen trotzdem noch viele praktische Informationen.
  • Welchen Garten Sie haben (werden), spielt keine Rolle. Zwar gehe ich immer wieder auf die besondere Situation der Parzellenpächter im Kleingartenverein ein, doch die meisten Informationen sind davon unabhängig. Ich kann mir sogar vorstellen, dass Menschen, die mit ihrem ersten Hausgarten konfrontiert sind, dieses Buch nützlich finden, wenn sie nicht von weiten Rasenflächen, Rosenhainen und Koniferenhecken träumen, sondern diese typisch kleingärtnerische Mischung von Nahrungsmittelanbau und Erholung anstreben – so wie auch ich im privaten Leben Hausgärtnerin mit Schrebergartenfaible bin.
  • Dies ist ein Buch für Amateure. Wenn Sie schon Gartenprofi sind, dann werden Sie damit vermutlich nicht glücklich werden, nur weil Sie Ihre große Erfahrung demnächst in einem Schrebergarten zu verwirklichen gedenken. Auch nicht, wenn Sie von vornherein die Plakette für den schönsten Garten oder den größten Kürbis anpeilen. Oder von mir den ultimativen Tipp für ausgefallene Probleme erwarten. Denn ich bin zwar seit langen Jahren eine passionierte Gärtnerin, doch meine Expertise besteht vor allem darin, wie man einfach und unkompliziert gärtnert, nicht in Perfektion.

Konventionen in diesem Buch

Damit Sie sich leichter orientieren können, werden neu eingeführte Fachbegriffe fett gedruckt, Sortennamen und Ähnliches kursiv.

Ebenfalls aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verzichte ich auf das Gendern von Personenbezeichnungen (zumal ich finde, dass noch keine wirklich gelungene geschlechtsneutrale Ausdrucksweise gefunden worden ist – vor allem wenn dabei doppelt gebrochene Wörter wie Gärtner:innen-Leben entstehen). Zum Ausgleich verwende ich möglichst häufig die Pluralform, bei der das weibliche Pronomen »sie« auch alle anderen Geschlechter einschließt.

Was Sie nicht lesen müssen

Jedes Gartenprojekt ist anders. Deshalb wird nicht jede Information für Sie nützlich sein. Solche Passagen dürfen Sie gerne überspringen, ohne befürchten zu müssen, Wichtiges zu verpassen.

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Teil I: Schreber & Co.: ein Überblick übers Gartenglück

Im ersten Teil geht es um die Möglichkeiten, die Ihnen als künftigem Laubenpieper, als baldiger Kleingartenpächterin offenstehen. Denn Schrebergärten sind eben nicht zwangsläufig nur Parzellen in einem Kleingartenverein. Sie erfahren, was es alles gibt und wie sich die verschiedenen Kleingärten unterscheiden. In Kapitel 3 geht es dann ganz konkret um die Möglichkeiten, an einen Garten zu gelangen.

Teil II: Das eigene Reich: den Schrebergarten gestalten

Hier erfahren Sie, wie Sie aus dem Grundstück, das Sie übernommen haben, Ihren Traumgarten machen. Es geht um die richtige Planung und die Frage, was alles in Ihrem Garten Platz haben soll – und kann. Der Neubau oder die Umgestaltung von Laube, Schuppen, Plätzen und Wegen sind genauso Thema wie das Pflanzen mehrjähriger Bäume und Büsche, Stöcke und Stauden.

Teil III: Säen, Pflegen, Ernten: das Jahr des Kleingärtners

Dieser Teil ist der gärtnerischen Routine gewidmet: dem, was im »fertigen« Garten alljährlich anfällt. Von der Auswahl der einjährigen Kulturen für die nächste Gartensaison über Aussaat und Pflege, Pflanzenschutz und Düngung bis zur Ernte und zum »Aufräumen« im Herbst.

Teil IV: Herd und Hängematte: den Schrebergarten genießen

Gartenarbeit ist nicht alles, was ein Schrebergarten zu bieten hat. In diesem Teil geht es um alle anderen Aspekte des Gärtnerlebens. Sie bekommen Tipps für das Verwerten Ihrer Ernte, von grundlegenden Basics wie Einmachen und Marmeladenherstellung bis hin zu kreativen Ideen, wie sich auch eine Obst- oder Gemüseschwemme gut bewältigen lässt. Ich werde darauf eingehen, wie Sie Abstand von allzu viel Werkelei im Garten bekommen können, aber auch wie der Garten zum Kinderparadies wird, sich dort Tiere wohlfühlen und wie man Konflikte mit den Nachbarn regeln kann und sogar an der Vereinsarbeit Freude findet.

Teil V: Der Top-Ten-Teil

Zu guter Letzt habe ich Ihnen noch Listen mit weiterführenden Adressen und Weblinks zusammengestellt, gebe Anregungen zu inspirierenden Ausflügen in andere Gärten und gehe noch einmal kurz und augenzwinkernd auf typische Probleme im Kleingartenverein ein.

Symbole, die in diesem Buch verwendet werden

Das Lämpchen steht für besondere Tipps!

Dieses Zeichen symbolisiert, dass Vorsicht geboten ist!

Hier gibt es Interessantes und Amüsantes zum Weitererzählen!

Wie es weitergeht

Das hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem Stadium sich Ihr Gartenprojekt befindet. Das ausführliche Inhaltsverzeichnis zu Beginn und der Stichwortkatalog am Schluss des Buches verraten Ihnen, wo Sie einsteigen müssen, um die Dinge zu finden, die für Sie gerade von vordringlichem Interesse sind. Als Autorin freue ich mich aber auch über alle, die das ganze Buch von vorne nach hinten durchlesen.

Teil I

Schreber & Co.: ein Überblick übers Gartenglück

Kapitel 1

Das Einmaleins der Kleingärten

IN DIESEM KAPITEL

  • Was es mit Herrn Schreber auf sich hat
  • Kleingärten zwischen Armenfürsorge und Freizeitvergnügen
  • Die Spielarten des modernen Urban Gardening

Ihr Interesse gilt also einem Schrebergarten. Aber was ist das eigentlich? Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so geht: Das Wort Schrebergarten klingt für mich ein bisschen verschroben. Vor meinem geistigen Auge taucht da schnell jemand auf, der versunken vor sich hin werkelt. Ein bisschen so wie die Gestalten auf einem Gemälde von Carl Spitzweg. Vielleicht ist der Begriff wegen dieser nostalgischen Anmutung auch so beliebt. Die korrektere Bezeichnung wäre jedoch Kleingarten.

Spitzweg hat auch Gartenszenen gemalt, die jedoch nicht ganz so bekannt wie sein Armer Poet oder der Bücherwurm sind. Sie spielen aber alle in Hausgärten und heißen etwa Der Blumenfreund, Zeitungsleser im Hausgärtchen oder Der Herr Pfarrer als Kakteenfreund. Im Übrigen war Spitzweg gelernter Apotheker und hat sich dabei ausgiebig mit der Kreation von Kräuterteemischungen beschäftigt. Sein Favorit bestand aus Pfefferminze, Lavendel, Rosmarin und Sandthymian und wurde mit Nelke abgeschmeckt.

Aber nicht jeder kleine Garten ist automatisch ein Kleingarten. Damit Sie eine Vorstellung bekommen, was für Möglichkeiten Sie haben, beginnt dieses Buch mit einem Überblick über die Vielfalt kleiner Garten- und Freizeitgrundstücke.

Wann sich ein Garten Schreber nennen darf …

Der Begriff Schrebergarten ist nicht geschützt. Meist aber wird er als Synonym für jene Kleingärten benutzt, die durch das Bundeskleingartengesetz definiert sind. Diese sind

  • eher klein (bis zu 400 Quadratmeter).
  • nicht mit einem Wohn- oder Ferienhaus verbunden.
  • eine Nutzfläche, auf der (auch) Obst und Gemüse angebaut wird.
  • ein Erholungsgrundstück, auf dem nur für den Eigenbedarf gegärtnert wird.

Vielleicht rollen Sie jetzt mit den Augen und empfinden es als typisch deutsch, dass hier sogar ein privates Gartengrundstück gesetzlich definiert werden muss. Aber da spielt zum einen die öffentliche Raumplanung eine Rolle, die etwa Wohnviertel, Industriegebiete und eben auch Gartenland ausweist. Zum anderen aber gilt die Definition von Kleingärten Gartengrundstücken, die von staatlicher Seite gefördert werden. Und der Grund für diese Förderung liegt darin, dass man es als gesamtgesellschaftlich nutzbringend ansieht, wenn Stadtbewohner die Möglichkeit bekommen, sich in frischer Luft bei einer gesunden Tätigkeit wie dem Gärtnern zu erholen, und dabei auch noch durch die Erzeugung frischer Nahrungsmittel ihren Speisezettel aufbessern und die Haushaltskasse schonen.

Klingt ein wenig nach »anno Tobak«? Nun, da hat die Kleingartenbewegung auch ihre Wurzeln. Doch auch heute noch sind Kleingartenvereine, die die Verpachtung von Gartengrundstücken gemäß Bundeskleingartengesetz vermitteln, die erste Anlaufstelle für die meisten Schrebergartenfans. Begleiten Sie mich zum besseren Verständnis deshalb auf einen kleinen Abstecher in die Geschichte, bevor es wieder um die Schrebergärten von heute geht – und wie man einen ergattert.

Ein Missverständnis namens Schreber

Entgegen ihrem Namen wurden die Schrebergärten nicht von Moritz Schreber erfunden. Eigentlich hat der sogar ziemlich wenig mit ihnen zu tun.

Moritz Schreber lebte von 1808 bis 1861 als Arzt in Leipzig und war Leiter einer orthopädischen Heilanstalt. Dort traktierte er seine Patienten mit zahlreichen recht schauerlich anmutenden Apparaten und Kaltwasseranwendungen. Auch sonst war er wenig zimperlich und hielt etwa Schläge für eine angebrachte Erziehungsmethode. Andererseits erkannte er völlig richtig, dass Kinder, gerade jene, die in städtischen Elendsquartieren aufwachsen, unbedingt Bewegung an der frischen Luft brauchen, um sich gesund zu entwickeln.

Aber der Reihe nach: Die Wurzeln der Kleingartenbewegung liegen im 18. Jahrhundert. Es gibt zwei:

  1. Damals kam es bei gut situierten Familien in Mode, sich vor den Toren der Stadt ein Sommerhäuschen mit Garten zu leisten. Auch Schiller und Goethe hatten beispielsweise Gartenhäuser, die ihnen sehr viel bedeuteten. In England wurde dieses private Gartenglück teils in großem Stil organisiert. 1731 entstand etwa in Birmingham die Initiative der Guinee-Gärten. Parzellen von etwa 250 Quadratmetern wurden von den privaten Eigentümern gegen eine Guinee Pacht als Sommergärten vermietet. (Im Stadtteil Edgbaston haben sich einige bis heute gehalten: www.facebook.com/guineagardens.)
  2. Etwas später, um 1760, begannen englische Sozialreformer die Idee zu propagieren, armen Familien anstatt traditioneller Fürsorgeleistungen lieber ein Stück Gartenland zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise, so die Vorstellung, könnten sie sich durch eigener Hände Arbeit ernähren und würden vor Verwahrlosung, Kriminalität oder der Flucht in die Industriestädte bewahrt.

Auch in der deutschen Kleingartenbewegung lassen sich diese beiden Wurzeln finden. Sogar nah beieinander: in Kappeln an der Schlei. Dort hob gegen Ende des 18. Jahrhunderts Carl, (nur dem Namen nach) Landgraf von Hessen-Kassel und (in der Praxis) dänischer Statthalter von Schleswig und Holstein, die immer noch übliche Leibeigenschaft auf (womit er ein paar Jahrzehnte früher dran war als andere Landesfürsten). Damit aber stellte sich die Frage: Was sollte nun aus den besitzlosen Landarbeitern werden?

  • Auf Bitten des örtlichen Armenvorstehers ließ der Landgraf auf seinem Gut Kappeln die ersten Kleingärten für notleidende Familien anlegen.
  • Später stellte er auch noch Gartenland für die »Normalbürger« von Kappeln zur Verfügung. Die Vorschriften, die er zur Bewirtschaftung der Carlsgärten erließ, stellen so etwas wie die erste Kleingartenordnung dar.
  • Im Jahr 1814 ließ auch der Kappelner Pastor Friedrich Christian Heinrich Schröder Kirchenland für bedürftige Familien parzellieren. Aber im Gegensatz zu Landgraf Carl verpachtete er die Gärten nicht einzeln, sondern forderte die künftigen Pächter auf, sich in einem Verein zu organisieren. Der Pfarrer verpachtete das Land dann an diesen Verein, der die Einzelverpachtung und alles Weitere organisierte. So entstand der erste Kleingartenverein.

In der Folgezeit griff vor allem die Idee der Sozialgärten um sich. In ganz Westeuropa ließen Städte und Gemeinden auf brachliegendem kommunalem Land Armen- oder Arbeitergärten anlegen. Auch die Stadt Leipzig hatte 1833 bereits 100 Parzellen am Sandtor.

Und Schreber? 1864 griff einer seiner Freunde, der reformfreudige Leipziger Schuldirektor Ernst Innozenz Hauschild, Schrebers Anregung auf, dass sich Kinder an der frischen Luft bewegen müssen. Zusammen mit den Müttern und Vätern seiner Schüler (die allerdings aus dem Bürgertum, nicht aus prekären Verhältnissen stammten) richtete er am heutigen Johannapark einen großen öffentlichen Spiel- und Turnplatz ein. Für die Trägerschaft wurde ein Verein gegründet, den Hauschild zu Ehren des bereits verstorbenen Ideengebers Schreberverein nannte. Da unbeaufsichtigtes Kinderspiel in den gehobenen Kreisen des 19. Jahrhunderts aber undenkbar war, überwachte ein pensionierter Lehrer namens Karl Gesell die Aktivitäten. Gesell war es dann, der auf die Idee kam, auf dem Platz auch Beete anzulegen. Allerdings gelang es ihm nicht so recht, die Kinder für das Jäten und Buddeln zu begeistern. Stattdessen nahmen sich deren Eltern mit wachsender Begeisterung der vernachlässigten Pflanzungen an. Nur sechs Jahre nach der Eröffnung des Turnplatzes soll es bereits 100 Gartenparzellen auf dem Gelände gegeben haben, wenig später entstanden auch in anderen Leipziger Stadtteilen Schrebervereine. Sie erregten weit über Deutschland hinaus Aufsehen und führten zur Gründung zahlreicher weiterer Kleingartenvereine in ganz Westeuropa. Mit dem Erfolg der »Schrebergärten« entwickelte sich die Kleingartenbewegung weg von der Armenfürsorge und erreichte wieder Menschen, die einfach Spaß am Gärtnern haben und von einem eigenen kleinen grünen Reich träumen.

Die Deutsche Schreberjugend ist übrigens keineswegs der Nachwuchsverband der Kleingärtner, sondern knüpft an die ursprüngliche Idee der Schrebervereine an: sinnvolle Freizeitbeschäftigung für Kinder und Jugendliche – aber im Gegensatz zu damals nicht beaufsichtigt, sondern basisdemokratisch selbst organisiert. Umweltschutz und Gärten spielen zwar eine Rolle, aber auch Tanz, Theater und Kultur, politisches Engagement und internationaler Austausch. Mitmachen kann jede und jeder – auch ganz ohne elterlichen Kleingarten (deutsche-schreberjugend.de).

So weit die Geschichte. Und was hat das alles mit dem von Ihnen angestrebten Schrebergarten zu tun?

Gärtnern auf der Parzelle

Auch heute noch hält der Staat Schrebergärten für eine gute Sache und fördert sie. Das geschieht vor allem durch eine niedrige Pacht. So sollen sich auch weniger Wohlhabende das kleine Gartenglück leisten können. Im Gegenzug müssen die Gärten aber den Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes entsprechen. Im Kern bedeutet das, dass es sich wirklich um Gärten handeln muss, in denen

  • nicht gewohnt werden darf.
  • kein Gewerbe betrieben werden darf, auch kein gewerblicher Gartenbau.
  • neben Ziergrün auch Nahrungsmittel angebaut werden müssen.
  • Raum für Erholung sein muss.

Außerdem sind Kleingärten immer Teil einer Kleingartenanlage, die in der Regel von einem Verein verwaltet wird. In Deutschland gibt es rund 15.000 solcher Vereine, die zusammen knapp eine Million Mitglieder haben. Dachverband ist der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde e. V.

Wenn Sie mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen leben können, dann werden der oder die Vereine bei Ihnen vor Ort wahrscheinlich Ihre erste Anlaufstation bei der Suche nach einem Schrebergarten sein.

Ausführliche Informationen zu dieser Art von Kleingärten, ihren Vorschriften und Konventionen finden Sie in Kapitel 2. Wie man dort eine Parzelle bekommt, steht in Kapitel 3. Hier geht es erst einmal mit den Alternativen weiter.

Laubenpieper und andere Freizeitgärtner

Das Spektrum der privaten Gärten, die keine Hausgärten sind, reicht weit über die Parzellen der Kleingartenvereine hinaus. Und es gibt einen fließenden Übergang zu Grundstücken, die nicht in erster Linie dem Gärtnern dienen. Deshalb werde ich diese zur besseren Unterscheidung als Freizeitgärten bezeichnen, während sich der Begriff Kleingarten immer auf ein Grundstück gemäß Bundeskleingartengesetz bezieht. Schrebergarten dagegen benutze ich als Überbegriff für alle hausfernen Gärten, um die es in diesem Buch geht.

Zille lässt grüßen

Sicher ist Ihnen der klassische Berliner Laubenpieper ein Begriff. Das Wort ist verräterisch. Der wichtigste Teil eines solchen Gartengrundstücks war traditionell tatsächlich die Laube. Dort konnte man in Zeiten, in denen Wohnungen meist klein, eng und dunkel waren, wirklich entspannen, mit Freunden abhängen, klönen, Skat dreschen und vieles mehr. Das Gärtnerische geriet oft zur Nebensache. Auf der Zeichnung In der Laubenkolonie des berühmten »Milljöh«-Malers Heinrich Zille beschränkt sich das Grün sogar auf drei Blumentöpfe. Diese Lauben befanden sich deswegen in der Regel eher nicht in geordneten Kleingartenanlagen. Und vielen der Besitzer war das auch ganz recht so!

Besonders berüchtigt unter den Armengärten mit Fürsorgeanspruch waren im kaiserzeitlichen Berlin die Rotkreuzgärten, die vom Vaterländischen Frauenverein Charlottenburg betrieben wurden und unter der Schirmherrschaft von Kaiserin Auguste Viktoria persönlich standen. Der Ausschank von Alkohol war dort verboten, politische Agitation auch und ein anständiger Lebenswandel Voraussetzung, um einen der sensationell günstigen Gärten zu bekommen. Außerdem wurden die Erträge kontrolliert, denn zu dem Bestreben, die Pächter insgesamt zu besseren Menschen zu machen, gehörte auch die Förderung von Fleiß und Sparsamkeit.

Obwohl die Rotkreuzdamen auch noch Kinderspielplätze und Leihbibliotheken für ihre Pächter einrichteten, ihnen Baumaterial für ihre Lauben und sogar Kohlen im Winter zu Vorzugspreisen verschafften und unverschuldet in Not geratene Familien unterstützten, gab es jede Menge Proletarier, die um keinen Preis unter der Rotkreuzägide hätten leben wollen.

Die Zille-Lauben befanden sich stattdessen auf privatem Land am Stadtrand, das Spekulanten in der Erwartung erworben hatten, dass Berlin weiterhin wachsen würde. Bis es so weit war, übergaben sie die Grundstücke an einen Generalpächter, der sie parzellenweise als Gartengrundstücke vermietete (und in der Regel auch die Generallizenz für den Alkoholausschank hatte). Meist hielten sich diese Kolonien aber nur wenige Jahre, bis der Boden bebaut oder gewinnbringend weiterverkauft wurde. Das Anpflanzen von Bäumen und Büschen lohnte sich deswegen für die Pächter nicht und auch die Lauben waren meist nur aus ein paar Brettern und Dachpappe zusammengeschustert – wenn sie nicht als Dauerwohnung benutzt wurden, was verboten, aber üblich war.

»Sechsmal spuckste in die Hände, aber danach ruhste aus und marschierst zum Wochenende quietschvergnügt nach Treptow raus. Haste noch so viele Sorjen, darf dir nie verjehn dein Witz: Mensch, denk an den Sonntagmorgen und an deinen Grundbesitz. Wat braucht der Berliner, um jlücklich zu sein? ’ne Laube, ’n Zaun und ’n Beet! Wat braucht der Berliner ’nen heurigen Wein, wenn vor ihm sein Weißbierglas steht«, besang die populäre Chansoniere Claire Waldoff in den 1920er-Jahren das Laubenidyll.

Auch heute noch gibt es Organisationen, die Grundstücke, die sie (momentan) nicht anderweitig benötigen, als Kleingartenland verpachten. Größter Verpächter ist die Deutsche Bahn. Aber etwa auch die Kirchen verfügen vielerorts über Land, auf dem sie Gartenparzellen angelegt haben.

Diese Gärten müssen nicht dem Bundeskleingartengesetz unterworfen sein, sondern können von den Verpächtern auch nach eigenen Regeln vergeben werden. Das bringt für die Pächter und Pächterinnen jedoch einige Nachteile gegenüber »gesetzlichen« Gärten mit sich:

  • Die Pacht ist meist (beträchtlich) höher.
  • Der Kündigungsschutz ist meist (beträchtlich) schlechter.
  • Bei Kündigung erhalten Sie keine Entschädigung für die Werte auf Ihrem Grundstück (Laube, Versorgungseinrichtungen, Beete, Bäume, Sträucher et cetera), sondern müssen all das auf eigene Kosten zurückbauen und das Grundstück »besenrein« übergeben.

Die Gartenordnungen und weitere Bestimmungen ähneln in der Realität dann trotzdem oft denen der gesetzlichen Kleingärten. Und wenn sie nicht auf potenziellem Baugrund, sondern ausgewiesenem Gartenland liegen, wird man auch dort kein Häuschen bauen dürfen, das als Dauerwohnsitz oder Ferienwohnung dient.

Gelegentlich wird auch »Grabeland« angeboten. Das verpflichtet Sie nicht, mehr und tiefer zu buddeln als auf einem anderen Gartengrundstück, bedeutet aber, dass Sie nur einjährige Kulturen anbauen dürfen. Denn Grabeland steht nur sehr kurzfristig für eine gärtnerische Zwischennutzung zur Verfügung und kann am Ende jeder Saison gekündigt werden.

Wie Sie solche alternativen Gartengrundstücke finden, steht in Kapitel 3.

Datscha und Datsche

Was dem Westberliner seine Laube, war im Osten die Datsche, heißt es oft. Doch das stimmt nicht wirklich. Der Name der ostdeutschen Datsche ist zwar von der russischen Datscha abgeleitet. Und auf russischen Datschas wird noch heute in großen Mengen Gemüse für den Eigenbedarf erzeugt, ebenso in polnischen Kleingärten. Für die ostdeutschen Datschen traf das nicht unbedingt zu. Von den etwa 3,5 Millionen Datschengrundstücken in der DDR (was Weltrekord war) waren etwa 2,6 Millionen keine Garten-, sondern Freizeitgrundstücke. Viele lagen und liegen an Seen, oft im Schatten hoher Nadelbäume. Für den Sommerbadeurlaub durchaus angenehm, doch Tomaten und Gurken wachsen unter diesen Verhältnissen eher nicht. Daneben gab es in der DDR noch rund 900.000 Schrebergärten, die heute den Kleingartenbestand der jeweiligen Bundesländer bilden.

Andererseits muss das nicht bedeuten, dass Sie nicht auch in Datschensiedlungen oder anderen Freizeitkolonien ein Grundstück finden können, auf dem Sie Ihre gärtnerischen Ambitionen verwirklichen können. Eine Erkundung kann sich also durchaus lohnen. Doch in der Regel taugt die Datsche eher zum Grillen als zum Graben.

Theoretisch können Sie einen Garten auch auf einem Grundstück anlegen, das komplett versiegelt oder kontaminiert ist oder einfach ungeeignete Erde hat. Sie müssen bloß mit Hoch- und Kastenbeeten sowie Kübeln agieren. Die berühmt gewordenen Prinzessinnengärten in Berlin-Kreuzberg etwa wurden auf einer städtischen Brache ohne ein einziges Erdbeet verwirklicht. Was Sie jedoch nicht ersetzen können, ist das nötige Licht, das gerade Obst und Gemüse zum Wachsen brauchen. Ein Garten lässt sich also eher auf einem Parkplatz einrichten als im Schatten von Kiefern und Fichten.

Ohne Grenzen: die etwas anderen Gemeinschaftsgärten

Bei vielen Schrebergärtnern und solchen, die es werden wollen, spielt ein mehr oder minder großer Nestbautrieb eine Rolle. Sie wollen sich ihr eigenes Reich schaffen, ihr kleines grünes Paradies, einen Rückzugsraum, nur für sich selbst, die Familie und die Freunde. Dass die Nachbarn in der Kleingartenkolonie gleich hinter dem Zaun und einer nicht allzu hohen Hecke werkeln, ist manchen eigentlich schon zu nah.

Andere dagegen würden am liebsten alle Zäune niederreißen und gemeinsam mit anderen Gartenenthusiasten arbeiten und gestalten. Auch solche Gemeinschaftsgärten ohne Zäune gibt es.

Interkulturelle und andere offene Gärten

Ein Pionier der Community Gardens – Gärten, die von einer Nachbarschaft gemeinsam geschaffen und bewirtschaftet werden – war Karl Linn. Linn, der mit seiner Familie im Alter von elf Jahren vor den Nazis aus Brandenburg geflohen war, war Psychotherapeut und Dozent für Umweltdesign. In den 1950er-Jahren gestaltete er in seiner neuen Heimat Pennsylvania zusammen mit Studierenden und der Anwohnerschaft Neighborhood Commons, öffentliche Räume zur Begegnung, darunter auch Community Gardens.

In Deutschland waren es vor allem die interkulturellen Gärten, die der Idee der Gemeinschaftsgärten zur Verbreitung verhalfen. Der erste entstand Mitte der 1990er-Jahre in Göttingen. Bosnische Flüchtlingsfrauen hatten in Gesprächen gestanden, wie sehr sie ihre Gärten vermissten. Das Projekt jedoch, das Caritas und evangelische Kirche dann gemeinsam mit dem Agraringenieur Tassew Shimeles ins Leben riefen, war keine Kleingartenanlage für Flüchtlinge. Zwar bekam jede Interessentin (zu denen auch einige bereits gut integrierte Menschen mit Migrationshintergrund und engagierte »Biodeutsche« gehörten) gegen sehr kleine Pacht einen Streifen Land, den sie nach Belieben beackern und mit heimischem Gemüse, Kräutern und Blumen bepflanzen durfte. Doch Zäune zwischen den einzelnen Parzellen gab es nicht und auch keine Lauben, sondern nur einen Pavillon, in dem man gemeinsam zusammensitzen, essen und feiern konnte. Das Miteinander – und die fast zwangsläufig damit einhergehende Integration – war mindestens genauso wichtig wie der Ertrag der Parzellen.

Inzwischen gibt es in Deutschland über 100 solcher interkulturellen Gärten, aber auch andere Gemeinschaftsgärten. In manchen haben die Mitmachenden wie bei den interkulturellen Gärten ihre eigenen Beete oder Parzellen und teilen nur die Gemeinschaftseinrichtungen. Noch öfter jedoch wird das ganze Gartengelände im Kollektiv betrieben.

Sehr bekannt geworden sind die Prinzessinnengärten in Berlin. Sie entstanden als temporär angelegtes Gartenprojekt auf einer innerstädtischen Brache. Alle »Beete« wurden in mobilen Containern, zum Beispiel alten Bäckerkisten oder großen Reissäcken angelegt, da der Boden nicht zum Gärtnern taugte und der Garten, falls nötig, auf ein anderes Gelände umziehen können sollte – was dann nach zehn Jahren auch geschah. Mitgärtnern können alle, die dazu Lust haben.

Einen Überblick über verschiedene Gemeinschaftsgärten in Deutschland gibt es zum Beispiel hier: www.i-share-economy.org/kos/WNetz?art=CompanyCategory.show&id=9.

Trend: Urban Gardening

Gemeinschaftsgärten wie die Prinzessinnengärten oder auch Karl Linns Community Gardens sind Teil der Bewegung Urban Gardening. Darunter fallen alle Gartenprojekte in der Stadt jenseits von öffentlichen Parks. Städtische Schrebergartenanlagen sind also klassisches Urban Gardening.

Zum modernen Urban Gardening gehört aber viel mehr, etwa auch das Guerilla Gardening. Das sind Pflanzaktionen mit dem Ziel, öffentliche Plätze durch gärtnerische Tätigkeiten aufzuwerten. Da werden zum Beispiel auf dem Mittelstreifen einer Hauptstraße Blumenzwiebeln vergraben oder auf einer langweiligen Grünfläche Sonnenblumen ausgesät. Manche Guerilla-Gärtner gießen nicht nur die Straßenbäume vor ihrem Haus, sondern legen rundherum auch kleine Beete an, andere nehmen sich eine hässliche Brache vor. Viele dieser Aktionen sind im Kern illegal – was für so manche Aktivistinnen und Aktivisten auch den besonderen Reiz darstellt. In anderen Fällen aber wird die Aktion mit den zuständigen öffentlichen Stellen abgestimmt. Und manchmal wird aus einer kleinen Aufhübschungsaktion am Ende ein Gemeinschaftsgarten.

Nun kann ich mir vorstellen, dass diese Art des städtischen Gärtnerns eher wenig mit Ihrem Traum vom eigenen Schrebergarten zu tun hat. Aber vielleicht kann das Engagement in einem Gemeinschaftsgarten eine befriedigende Übergangslösung sein, bis die eigene Parzelle gefunden ist.