Gern ergreife ich die Gelegenheit, dem Dank, den ich am Schluß des ersten Bands dieses Werks erstattet habe, einiges hinzuzufügen. Alle Dankesschulden institutioneller, intellektueller und persönlicher Art, die ich vor zwei Jahren abzustatten hatte, sind nun im gleichen, wenn nicht in größerem Maße neuerlich fällig. Ich hoffe, daß die damals erwähnten Personen diesmal meinen erneuten herzlichsten Dank selbst dann akzeptieren werden, wenn ich sie nicht alle abermals namentlich erwähne. In einigen Fällen jedoch ist meine Dankbarkeit entschieden größer geworden. In anderen Fällen haben sich zusätzliche Verpflichtungen zum Dank ergeben.
Für die Hilfe bei der Beschaffung von Archivmaterial für diesen Band bin ich den Direktoren, Archivaren und Mitarbeitern folgender Institutionen außerordentlich dankbar: des Bayerischen Hauptstaatsarchivs; des Berlin Document Center; der Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart; der Birmingham University Library; dem Borthwick Institute in York; dem Bundesarchiv in Berlin (früher in Koblenz); dem Bundesarchiv /Militärarchiv in Potsdam (früher in Freiburg im Breisgau); der Gumberg Library an der Duquesne University in Pittsburgh; dem früheren Institut für Marxismus-Leninismus, Zentrales Parteiarchiv in Berlin (DDR); der Library of Congress in Washington D.C.; den National Archives in Washington D.C.; der Princeton University Library; dem Public Record Office in London; der Franklin D. Roosevelt Library in Hyde Park im Staat New York; dem »Sonderarchiv« in Moskau; der Wiener Library in London; dem früheren Zentralen Staatsarchiv in Potsdam (DDR); sowie nicht zuletzt Frau Regnauer, Direktorin des Amtsgerichts Laufen, die weit über ihre Pflichten hinausging, indem sie mir Zugang zu Nachkriegs-Aussagen einiger der wichtigsten Zeugen der Ereignisse im Führerbunker im Frühjahr 1945 verschaffte.
Vor allem aber konnte ich mich wie im vorangegangenen Band auf die unersetzliche fachliche Hilfe des Instituts für Zeitgeschichte in München verlassen. Ich möchte meinen herzlichsten Dank ein weiteres Mal dem Direktor, Professor Dr. Horst Möller, und allen Kollegen und Freunden am Institut und ganz besonders den Mitarbeitern von Bibliothek und Archiv aussprechen, die geradezu Wunder vollbrachten, als sie sich über meine ständigen und umfangreichen Bitten kümmerten. Es ist beinahe ungehörig, einzelne Personen zu nennen, aber dennoch muß ich erwähnen, daß mir Hermann Weiß, wie schon beim ersten Band, in großzügiger Weise seine Zeit und sein archivalisches Wissen zur Verfügung stellte. Mit ihrer unvergleichlichen Kenntnis der Goebbels-Tagebücher war mir Elke Fröhlich eine ganz außerordentliche Hilfe, nicht zuletzt beim schwierigen Umgang mit einem Zweifelsfall, der einen wichtigen, aber schwierigen Punkt bei der Transkription von Goebbels’ kaum leserlicher Handschrift betraf.
Zahllose Freunde und Kollegen haben mich mit wertvollem Archivmaterial versorgt oder haben mir gestattet, Einblick in bislang unveröffentlichte Arbeiten zu nehmen, oder sie haben mit mir Ansichten über Quellen, wissenschaftliche Literatur und Streitpunkte der Interpretation ausgetauscht. Für ihre Freundlichkeit und Hilfe in dieser Hinsicht habe ich folgenden Kollegen sehr zu danken: David Bankier, Omer Bartov, Yehuda Bauer, Richard Bessel, John Breuilly, Christopher Browning, Michael Burleigh, Chris Clarke, François Delpla, Richard Evans, Kent Fedorowich, Iring Fetscher, Conan Fischer, Gerald Fleming, Norbert Frei, Mary Fulbrook, Dick Geary, Hermann Graml, Otto Gritschneder, Lothar Gruchmann, Ulrich Herbert, Edouard Husson, Anton Joachimsthaler, Michael Kater, Otto Dov Kulka, Moshe Lewin, Peter Longerich, Dan Michmann, Stig Hornshoh-Moller, Martin Moll, Bob Moore, Stanislaw Nawrocki, Richard Overy, Alastair Parker, Karol Marian Pospieszalski, Fritz Redlich, Steven Sage, Stephen Salter, Karl Schleunes, Robert Service, Peter Stachura, Paul Stauffer, Jill Stephenson, Bernd Wegner, David Welch, Michael Wildt, Peter Witte, Hans Woller und Jonathan Wright.
Ein besonderes Wort des Danks verdient Meir Michaelis für seine wiederholte Großzügigkeit, wenn er mich mit Archivmaterial versorgte, auf das er bei seinen eigenen Forschungsarbeiten gestoßen war. In gleicher Weise bot mir Gitta Sereny nicht nur freundliche Unterstützung, sondern gewährte mir auch Zugang zu wertvollen Dokumenten, die sich in ihrem Besitz befinden und die mit ihrer ausgezeichneten Untersuchung über Albert Speer zu tun haben. Ein guter Freund, Laurence Rees, ein außerordentlich befähigter Produzent bei der BBC, mit dem ich das Vergnügen hatte, bei der Arbeit an zwei Fernsehserien zusammenzuarbeiten, die mit dem Nationalsozialismus zu tun hatten, sowie Detlef Siebert und Tilman Remme, die hervorragenden und kenntnisreichen Leiter der Forschungsteams dieser Programme, haben mir allesamt sehr geholfen, sowohl bei schwierigen Recherchen als auch mit Material, das sich aus der Arbeit an den Filmen ergab, an denen sie mitgewirkt haben. Zwei hervorragende deutsche Historiker des Dritten Reichs, deren eigene Interpretationen über Hitler stark auseinandergehen, waren für diese Arbeit von ganz besonderer Wichtigkeit. Eberhard Jäckel hat mir stets umfangreiche Unterstützung und kenntnisreiche Beratung gewährt, und mein langjähriger Freund Hans Mommsen war äußerst großzügig bei seiner Hilfe, Freigebigkeit und Ermutigung. Beide haben mir auch noch nicht veröffentlichte Arbeiten zur Verfügung gestellt. Schließlich bin ich auch zwei britischen Experten für das nationalsozialistische Deutschland, Ted Harrison und Jeremy Noakes, höchst dankbar; sie haben mein vollständiges maschinenschriftliches Manuskript gelesen und kommentiert, wenn auch selbstverständlich jegliche übriggebliebenen Irrtümer unter meine Verantwortung fallen. Die besondere Inspiration, die ich aus Jeremys Arbeit gewann, habe ich bereits im ersten Band unbedingt anerkennen wollen, und in gleicher Weise möchte ich sie auch bei dieser Gelegenheit unterstreichen.
In einem ganz anderen Zusammenhang würde ich gern meinen Dank an David Smith, Direktor des Borthwick Institute in York, zum Ausdruck bringen, wo das Material über das Treffen zwischen Lord Halifax und Hitler Seite an Seite mit Archivalien über das mittelalterliche Yorkshire aufbewahrt wird; dies entspricht meiner intellektuellen Schizophrenie als ein Historiker, dessen Spezialgebiet das nationalsozialistische Deutschland ist, der sich aber immer noch gelegentlich, gleichsam aus Liebhaberei, mit der Geschichte des Mönchtums in Yorkshire während des Mittelalters befaßt. Durch die großzügige Bereitschaft von David Smith, seine Zeit und sein Können zur Verfügung zu stellen, hat es sich als möglich erwiesen, unsere Ausgabe des Rechnungsbuchs der Bolton Priory druckfertig zu machen, ohne daß ich die Arbeit unterbrechen mußte, die notwendig war, um den vorliegenden zweiten Band der Hitler-Biographie zu vollenden. Ohne Davids Hilfe und Leistung wäre dies nicht möglich gewesen.
Angesichts der Notwendigkeit, das Schreiben dieses Buchs mit meinen gewöhnlichen Pflichten an der University of Sheffield zu verbinden, mußte ich die Geduld meiner Lektoren im Verlag Penguin und im Ausland bis aufs äußerste strapazieren. Ich habe das große Glück, Simon Winder als meinen Lektor bei Penguin zu haben, der eine zuverlässige Quelle von fröhlicher Ermutigung und Optimismus gewesen ist, zugleich aber auch ein aufmerksamer Leser und Kritiker. Ich bin Simon auch für seinen Rat hinsichtlich des Fotomaterials und der Karten für das Buch außerordentlich dankbar. Außerdem danke ich Cecilia Mackay, die die Fotos ausgesucht und zusammengestellt hat. Im Zusammenhang mit den Abbildungen möchte ich auch Joanne King von der BBC danken. Ebenfalls sehr geholfen hat hier die Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart. Ich danke ihrem Direktor Dr. Gerhard Hirschfeld, einem hervorragenden Gelehrten und langjährigen Freund, und Irina Renz, der die große Fotosammlung untersteht. Bei Drucklegung des sehr langen Texts schulde ich wie beim ersten Band der kenntnisreichen Lektorentätigkeit von Annie Lee großen Dank. Zu erwähnen sind auch die außerordentlichen Fähigkeiten von Diana LeCore bei Erstellung des Registers sowie die große Hilfe und Unterstützung durch das gesamte ausgezeichnete Verlagsteam bei Penguin.
Außerhalb Großbritanniens bin ich Don Lamm, meinem Lektor bei Norton in den USA, sehr zu Dank verpflichtet, der nie aufgehört hat, mich mit seinem gewaltigen Wissen, seinen vielen Erkenntnissen und seinen unerschöpflichen Fragen zu unterstützen. Ebenfalls Dank schulde ich Ulrich Volz und Michael Neher bei der Deutschen Verlags-Anstalt, sowie meinen Lektoren bei Flammarion, Spektrum und Ediciones Peninsula, die entweder nicht in Panik gerieten oder ihre Panik geschickt vor mir verbargen, als die Lieferung des sehr umfangreichen Manuskripts, das immer noch der Übersetzung bedurfte, sich verspätete. Ich bin ihnen dankbar für ihre Geduld und Nachsicht. Auch den Übersetzern der deutschen, französischen, niederländischen und spanischen Ausgabe, die geradezu Wunder vollbrachten, um das gleichzeitige Erscheinen des Buchs in all diesen Sprachen zustande zu bringen, gilt mein herzlicher Dank für ihre Bemühungen, und dies ist mit meiner äußersten Bewunderung für ihre Fähigkeiten verbunden. An dieser Stelle gilt Klaus Kochmann, dem Übersetzer der deutschen Ausgabe, mein ganz besonderer Dank.
Wie beim ersten Band mußte ein großer Teil der Überprüfung der umfangreichen Quellen in den Anmerkungen während eines höchst konzentrierten Aufenthalts am Institut für Zeitgeschichte in München unternommen werden. Diesmal konnte ich mich, und dafür muß ich der Deutschen Verlags-Anstalt danken, auf die wertvolle Hilfe von Wencke Meteling stützen, die dafür ihre eigenen vielversprechenden historischen Studien an der Universität Tübingen unterbrach. Außerdem half mir meine Nichte Charlotte Woodford, die eine Pause bei der Arbeit an ihrer Dissertation über frühmoderne deutsche Literatur an der Universität Oxford einlegte. Sie war mir auch eine große Hilfe, indem sie später eine Reihe von seltenen Werken, die ich benötigte, beschaffte und nicht zuletzt gründlich und penibel die Bibliographie der zitierten Werke zusammenstellte. Mein Dank gilt auch David, meinem ältesten Sohn, der wie schon zwei Jahre zuvor, großzügigerweise eine Woche Urlaub bei der Luftfahrtgesellschaft, bei der er arbeitet, nahm, und dies zum nicht geringen Erstaunen seiner Kollegen, um nach München zu reisen und dort Quellenbelege für mich zu überprüfen. Ich bin allen drei zu großem Dank verpflichtet. Ohne sie wäre ich gar nicht imstande gewesen, dieses Werk termingemäß fertigzustellen.
Wie bei der Vorbereitung des ersten Bands gewährte die unvergleichliche Alexander von Humboldt-Stiftung in Bonn-Bad Godesberg ihre Hilfe bei dem einmonatigen Aufenthalt in München zur Überprüfung der Zitate. Ich möchte gern meine tiefe Dankbarkeit für diese Unterstützung und für all die Großzügigkeit zum Ausdruck bringen, die ich genießen konnte, seit ich zum ersten Mal Mitte der siebziger Jahre Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung wurde.
Ich möchte gerne auch meiner langjährigen Freundin Traude Spät aufs herzlichste danken, deren große Fähigkeiten als Sprachlehrerin mich vor vielen Jahren auf den Weg gebracht haben, über das dunkelste Kapitel der Geschichte ihres Lands zu forschen, und die mir nicht nur Gastfreundschaft gewährte, sondern auch ständige Ermutigung bei meiner Arbeit, wenn ich während meiner Aufenthalte in München in der Lage war, bei ihr zu wohnen.
In dem Department of History der Universität Sheffield mußte ich mich gelegentlich stärker, als mir lieb war, auf die Toleranz und die guten Dienste meiner Kollegen sowie auf die Geduld meiner Studenten verlassen. Ich möchte ihnen allen zutiefst für ihre Unterstützung, Ermutigung und Geduld danken. Aber einigen Kollegen möchte ich ganz besonders Dank dafür sagen, daß sie mir meinen Weg erleichtert haben, indem sie an meiner Stelle manchmal sehr unangenehme Verpflichtungen gegenüber dem Department übernommen und effizient durchgeführt haben.
Am meisten aber muß ich Beverley Eaton Dank sagen, deren effiziente Hilfe und Ermutigung in den zehn Jahren, die sie als meine Sekretärin und persönliche Assistentin arbeitet, von unermeßlichem Wert waren, um mir angesichts vieler anderer dringender Pflichten die Vollendung dieses Buchs zu ermöglichen. Mehr als sonst jemand hat sie die Hauptlast der Arbeit getragen. Das betrifft die alltäglichen Geschäfte eines lebhaften Departments, den Umgang mit einer umfangreichen und zunehmenden Korrespondenz und die Erledigung einer Vielzahl anderer Aufgaben, die sich aus meinen Versuchen ergaben, eine Hitler-Biographie zu schreiben und gleichzeitig Professor an einer Universität in einem britischen Hochschul-System zu sein, das gegenwärtig unter der Last seiner eigenen Bürokratie erstickt. Beverley Eaton ist außerdem während der gesamten Phase des Schreibens an diesem Buch eine ständige Quelle der Unterstützung gewesen.
Schließlich haben mir, daheim in Manchester, der Vorsitzende und die Mitglieder von SOFPIK, dem Club, dessen Mitglied zu sein ich sehr stolz bin, ihre Freundschaft und Unterstützung für eine noch längere Zeit erwiesen, als es bedurfte, diese beiden Bände über Hitler zu schreiben. Obwohl es nun schon viele Jahre her ist, kann ich niemals die Opfer vergessen, die meine Mutter und mein verstorbener Vater, die Hitlers Krieg durchlebten, gebracht haben, um mir und meiner Schwester Anne die unermeßliche Chance zu geben, an einer Universität zu studieren. Inzwischen haben nicht nur Betty, David und Stephen, sondern, während die Jahre vergehen, auch Katie, Becky und, obwohl sie sich dessen noch nicht bewußt ist, Sophie für allzu lange Zeit im Schatten einer Biographie Hitlers gelebt. Ich hoffe, wir können uns bald aus diesem Schatten herausbegeben und wieder ins Sonnenlicht treten. Aber ich möchte ihnen allen gern danken, soweit Worte dies zum Ausdruck bringen können, für die unterschiedliche Art, in der sie zur Entstehung dieses Werks beigetragen haben.
I.K., im April 2000
Hitler war tot. Es blieb nur noch das Leichenbegängnis. Es sollte die Bewohner des Bunkers nicht lange beschäftigen. Jener Mann, der solange ihre Existenz beherrscht hatte, war bloß noch ein Leichnam, den man so schnell wie möglich loswerden mußte. Da die Russen vor den Toren der Reichskanzlei standen, hatten die Bewohner des Bunkers andere Sorgen, als über ihren toten Führer nachzudenken.
Wenige Minuten nach ihrem Tod wurden die Leichen von Adolf Hitler und Eva Braun, seiner Ehefrau für eineinhalb Tage, in Decken gehüllt, die sein Leibdiener Heinz Linge schnell besorgt hatte. Die Leichen wurden vom Sofa gehoben und vom Bunker aus acht Meter Tiefe die Treppen hinauf in den Garten der Reichskanzlei getragen. Linge trug unter Mithilfe von drei SS-Männern die sterblichen Überreste Hitlers hinaus, der Kopf war dabei mit einer Decke bedeckt, die Unterschenkel ragten hervor. Martin Bormann trug Eva Brauns Körper auf den Korridor, wo Erich Kempka, Hitlers Chauffeur, ihm die Last abnahm. Hitlers persönlicher Adjutant, Otto Günsche, übernahm Eva Brauns sterbliche Reste auf der Treppe und trug sie in den Garten hinaus. Er legte die Toten nebeneinander, Eva Braun zur Rechten Hitlers, auf ein Stück flachen, offenen Sandbodens, nur ungefähr drei Meter von der Tür entfernt, die hinab in den Bunker führte. Es war nicht möglich, nach einem besser geeigneten Platz Ausschau zu halten. Sogar dieser Ort in der Nähe der Bunkertür war äußerst riskant. Ein unaufhörlicher Regen von Granaten sowjetischen Sperrfeuers schlug auf die gesamte Gegend, einschließlich des Gartens, ein. General Hans Krebs, Wilhelm Burgdorf, Joseph Goebbels und Martin Bormann waren dem bescheidenen Leichenzug gefolgt, hatten sich der ungewöhnlichen Bestattungsfeier angeschlossen und wurden so Zeugen einer makabren Szene.
Im Bunker hatte man einen beträchtlichen Vorrat an Benzin bereitgehalten. Kempka hatte auf Günsches Wunsch 200 Liter geliefert. Weiteres Benzin fand sich im Maschinenraum. Es wurde geschwind über die Leichen geschüttet. Doch da der Granatenhagel weiterging, erwies es sich als schwierig, den Scheiterhaufen mit den Streichhölzern in Brand zu setzen, die Goebbels zur Verfügung stellte. Günsche war bereits im Begriff, es mit einer Granate zu versuchen, als es Linge gelang, ein wenig Papier zu finden, aus dem sich eine Art Fackel machen ließ. Bormann war schließlich imstande, sie zum Brennen zu bringen, und entweder er oder Linge schleuderte das Feuer auf die Leichen und zog sich sofort in die Sicherheit der Türöffnung zurück. Jemand schloß ganz schnell die Tür des Bunkers bis auf einen kleinen Spalt. Durch ihn konnte man das Emporschießen eines Feuerballs rund um die mit Benzin getränkten Leichen sehen. Man steckte die Arme kurz zu einem letzten »Heil Hitler« empor, dann entfernte sich die kleine Trauergemeinde rasch nach unten, weg von der Gefahr, die von den explodierenden Granaten ausging. Während die Flammen in einer angemessen infernalischen Umgebung die Körper verzehrten, wurde nicht einmal ein einziger seiner engsten Gefolgsleute Zeuge vom Ende eines Führers, dessen Auftritte noch ein paar Jahre zuvor Millionen elektrisiert hatten.1
Weder Linge noch Günsche, die beiden Männer, denen Hitler die Entsorgung der Leichen anvertraut hatte, kehrte zurück, um sicherzustellen, daß das Werk vollbracht war. Einer der Wachleute im Garten der Reichskanzlei, Hermann Karnau, hat später ausgesagt, als er den Ort der Verbrennung aufgesucht habe, sei von den Leichen nicht viel mehr als Asche übrig gewesen, die zusammenfiel, als er sie mit dem Fuß berührte.2 Ein anderer Wachmann, Erich Mansfeld, erinnerte sich, er habe die Szene gegen 18.00 Uhr gemeinsam mit Karnau betrachtet. Karnau habe ihm zugerufen, nun sei alles vorbei. Als sie zusammen hinübergingen, fanden sie »zwei verkohlte, zusammengeschrumpfte Leichen, die nicht mehr zu identifizieren waren«.3 Günsche berichtete, etwa eine halbe Stunde, nachdem er von der Verbrennung zurückgekehrt war, habe er zwei SS-Leute aus Hitlers Leibwache, Hauptsturmführer Ewald Lindloff und Obersturmführer Hans Reisser, beauftragt, dafür zu sorgen, daß die sterblichen Überreste der Körper beerdigt würden. Lindloff sagte später aus, er habe diesen Befehl ausgeführt. Die Körper, so versicherte er, seien »schon verkohlt« gewesen, und sie hätten sich in einem »scheußlichen Zustand« befunden. Sie waren, so vermutete Günsche, beim schweren Bombardement im Garten aufgerissen worden. Reisser mußte nicht eingreifen. Günsche sagte ihm eineinhalb Stunden, nachdem er ihm den Befehl erteilt hatte, Lindloff habe diesen bereits ausgeführt. Zu dieser Zeit war es nicht später als 18.30 Uhr am 30. April 1945.4
Es waren nur wenige Überreste von Hitler und Eva Braun, die Lindloff zu begraben hatte. Ihre wenigen sterblichen Überreste gingen in der Masse zahlloser, nicht identifizierbarer Leichen oder Leichenteile auf, die während der letzten Tage in den Bombenkrater in der Nähe des Bunkerausgangs geworfen worden waren; viele stammten aus dem Lazarett unterhalb der Neuen Reichskanzlei. Der Dauerbeschuß, der für weitere 24 Stunden anhielt, wirkte bei der Zerstörung und Zerstreuung menschlicher Überreste im Garten der Reichskanzlei ebenfalls mit.5
Als die sowjetischen Sieger am 2. Mai dort eintrafen, begannen sie sofort mit der intensiven Suche nach den Leichen von Hitler und Eva Braun. Neun Tage später zeigten sie dem Dentaltechniker Fritz Echtmann, der seit 1938 für Hitlers Zahnarzt, Dr. Johann Blaschke, gearbeitet hatte, eine Zigarrenschachtel, die Teile eines Kieferknochens und zwei Zahnbrücken enthielt. Echtmann war imstande, aufgrund seiner Aufzeichnungen eine der Brücken als diejenige Hitlers zu identifizieren, die andere als die von Eva Braun. Der untere Kieferknochen stammte ebenfalls von Hitler. Das war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit alles, was die Sowjets vom Körper des früheren Diktators der Deutschen identifizieren konnten. Die sterblichen Reste Adolf Hitlers befanden sich in einer Zigarrenschachtel.
I
Die Bunkerbewohner waren nun endlich frei, an ihr eigenes Überleben zu denken. Als die Leichen oben im Garten der Reichskanzlei noch brannten, hatten sie bereits ihre Gelübde zur Selbstaufopferung an der Seite ihres Führers vergessen und waren sich einig, das zu tun, was er stets und ausdrücklich ausgeschlossen hatte: in letzter Minute ein Arrangement mit den Sowjets zu suchen. Es wurde ein Parlamentär mit einer weißen Fahne ausgeschickt. Er sollte sich bemühen, ein Treffen von General Krebs, der als früherer Militärattaché in Moskau fließend russisch sprach, mit Marschall Schukow zustande zu bringen. Um 22.00 Uhr an jenem Abend ging Krebs zu den sowjetischen Linien hinüber und trug dabei einen Brief von Goebbels und Bormann bei sich.
Als Krebs am nächsten Morgen gegen sechs Uhr zurückkehrte, konnte er nur berichten, die sowjetische Seite bestehe auf bedingungsloser Kapitulation und fordere bis 16.00 Uhr am Nachmittag des 1. Mai eine Erklärung, die genau dies zum Inhalt habe.6
Es war Zeit, die letzten Vorbereitungen zu treffen. Das einzige noch gültige Prinzip lautete, zu retten, was zu retten war. Um 10.53 Uhr vormittags ging in Plön ein Telegramm an Dönitz ein: »Testament in Kraft. Ich werde so rasch als möglich zu Ihnen kommen. Bis dahin m.E. Veröffentlichung zurückstellen. Bormann.«7 Früh an jenem Morgen, mehr als neun Stunden nach der grotesken Szene im Garten der Reichskanzlei, hatte der Großadmiral, immer noch in dem Glauben, daß Hitler lebe, eine Bekundung seiner weiterbestehenden bedingungslosen Treue an den Bunker telegrafiert.8 Erst jetzt erkannte er, daß Hitler tot war. Das wurde durch ein weiteres, von Goebbels diktiertes Telegramm bestätigt, das letzte, das den Bunker verlassen sollte. Es ging am Nachmittag um 15. 18 Uhr in Plön ein.9 Weder die Wehrmacht noch das deutsche Volk ahnten, daß Hitler tot war. Als man es den Deutschen schließlich sieben Stunden später, um 22.26 Uhr, in einer Rundfunksendung mitteilte, geschah dies typischerweise mit einer doppelten Verfälschung der Wahrheit: Es hieß, daß Hitler an jenem Nachmittag gestorben sei, in Wahrheit war es am Vortag geschehen, und daß er »in seinem Befehlstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend«, den Tod im Kampf gefunden habe. In seiner Proklamation an die Wehrmacht sprach Dönitz vom »Heldentod« des Führers. Im Wehrmachtsbericht hieß es, er sei »an der Spitze der heldenmütigen Verteidiger der Reichshauptstadt« gefallen.10 Die verzögerte Weiterleitung der Information an Dönitz gab Bormann und Goebbels eine letzte Chance, das neue Staatsoberhaupt zu konsultieren, eine Kapitulation gegenüber der Roten Armee auszuhandeln. Die Unwahrheit, die Dönitz der Wehrmacht und dem deutschen Volk mitteilen ließ, sollte die vorhersehbare Reaktion der Truppe verhindern, wäre sie im klaren darüber gewesen, daß Hitler Selbstmord begangen und sie im letzten Augenblick im Stich gelassen hatte.11 Genau diese Botschaft verkündete General Helmuth Weidling, der Stadtkommandant von Berlin, als er seinen Leuten in den frühen Stunden des 2. Mai befahl, die Kämpfe einzustellen.
»Am 30.4.45 hat sich der Führer selbst entleibt und damit uns, die wir ihm die Treue geschworen hatten, im Stich gelassen.
Auf Befehl des Führers glaubt Ihr, noch immer um Berlin kämpfen zu müssen, obwohl der Mangel an schweren Waffen, an Munition und die Gesamtlage den Kampf als sinnlos erscheinen lassen. [...] Im Einvernehmen mit dem Oberkommando der sowjetischen Truppen fordere ich Euch daher auf, den Kampf einzustellen.«12
Zu diesem Zeitpunkt war das Drama im Bunker endgültig vorbei. Die meisten, die immer noch unter der Reichskanzlei eingeschlossen waren, hatten den Nachmittag und Abend des 1. Mai mit der Planung ihres Ausbruchs verbracht. Goebbels zählte nicht zu ihnen. Gemeinsam mit seiner Frau Magda traf er Vorbereitungen für den gemeinsamen Selbstmord und für die Tötung ihrer sechs Kinder. Am frühen Abend rief Magda Goebbels Helmut Gustav Kunz zu sich, Adjutant des Chefarztes der SS-Sanitätsverwaltung in der Reichskanzlei, und bat ihn, jedem der Kinder – Helga, Hilde, Hellmut, Holde, Hedda und Heide, im Alter zwischen vier und zwölf Jahren – eine Injektion Morphium zu geben. Es war gegen 20.40 Uhr, als Kunz dieser Bitte nachkam. Sobald die Kinder in einen tiefen Betäubungsschlaf gefallen waren, entleerte Dr. Ludwig Stumpfegger, Hitlers letzter Leibarzt, eine Phiole mit Blausäure in den Mund eines jeden.
Später am Abend, als der Kommandant der Zitadelle, Wilhelm Mohnke, Befehle für den Massenausbruch aus dem Bunker erteilte, instruierte Goebbels seinen Adjutanten Günther Schwägermann, für die Verbrennung seines und Magdas Körpers Sorge zu tragen. Er schenkte ihm als Erinnerung ein Hitlerfoto, signiert und mit Silberrahmen, das viele Jahre lang auf seinem Schreibtisch gestanden hatte. Dann stiegen er und seine Frau, nachdem sie sich kurz voneinander verabschiedet hatten, die Treppe in den Garten der Reichskanzlei hinauf; sie bissen beide in eine Kapsel mit Blausäure. Eine SS-Ordonnanz feuerte zwei Schüsse in ihre Körper, um sicherzugehen.13 Es stand viel weniger Benzin für ihre Verbrennung zur Verfügung als für die von Hitler und Eva Braun. Die Sowjettruppen hatten infolgedessen wenig Schwierigkeiten, die Leichen zu identifizieren, als sie am nächsten Tag in den Garten der Reichskanzlei eindrangen.14
Krebs, Burgdorf und Franz Schädle, der Leiter von Hitlers Begleitkommando, entschieden sich ebenfalls dafür, im Bunker ihrem Leben ein Ende zu setzen, bevor die Russen dort eintrafen. Die übrigen unternahmen spät an jenem Abend gruppenweise einen Massenausbruch. Durch den unterirdischen Eisenbahntunnel gelangten sie zum Bahnhof Friedrichstraße, ein paar hundert Meter nördlich der zerstörten Reichskanzlei. Aber sobald sie an der Erdoberfläche in der brennenden Hölle Berlins waren, wo überall Granaten einschlugen, zerfielen die Gruppen, alles endete im Chaos. Einzelne ergriffen die Chancen, die sich ihnen boten. Einigen wenigen, darunter den Sekretärinnen Gerda Christian, Traudl Junge und Else Krüger, gelang es sogar, nach Westen durchzukommen. Die meisten, darunter Otto Günsche und Heinz Linge, fielen in die Hände der Sowjets und hatten Jahre des Elends und der Mißhandlungen in Moskauer Gefängnissen vor sich. Die meisten wurden getötet, während sie ihren Weg in die Sicherheit suchten, oder sie wählten die letzte Entscheidung, die ihnen noch blieb. Unter diesen waren Hitlers rechte Hand während des Kriegs, Martin Bormann, und sein Arzt Ludwig Stumpfegger. Beide hatten jegliche Hoffnung auf Flucht aufgegeben, und um nicht in sowjetische Hände zu fallen, schluckten sie in den frühen Stunden des 2. Mai 1945 in der Berliner Invalidenstraße Gift.15
II
Außerhalb Berlins wurden inzwischen die Auflösungsbefehle des Dritten Reichs erfüllt. Doch wurden sie vom neuen Dönitz-Regime, das seinen Sitz im Norden Schleswig-Holsteins, in Flensburg, hatte, mit großem Zögern und offensichtlich nur unter dem Zwang einer ganz aussichtslosen militärischen Lage ausgeführt. Am Ende des Ersten Weltkriegs hatte es sich, so katastrophal die Niederlage auch gewesen sein mochte, als möglich erwiesen, die Existenz des Reichs und der deutschen Armee zu retten. Damit blieb die Grundlage für die Hoffnungen auf nationale Wiedergeburt erhalten. Dönitz klammerte sich an die Illusion, dies könne ein zweites Mal erreicht werden.16 Selbst zu dieser späten Stunde hoffte er, durch das Angebot einer Teilkapitulation im Westen eine totale und bedingungslose Kapitulation an allen Fronten zu vermeiden und gleichzeitig, mit Unterstützung des Westens, das Deutsche Reich zu erhalten, damit es zusammen mit den Westmächten eine gemeinsame Front gegen den Bolschewismus bilden könne. Um das zu erreichen, mußte er Zeit gewinnen und für möglichst viele Soldaten der Wehrmacht, die immer noch in heftige Kämpfe gegen die Rote Armee verwickelt waren, einen Rückzug in Richtung Westen ermöglichen. Er war daher bereit, die deutsche Kapitulation in Norditalien am 2. Mai zu gestatten, über die bereits am Tage vor Hitlers Selbstmord zwischen Himmlers früherer rechter Hand, Karl Wolff, und Allan W. Dulles vom Office of Strategie Service (OSS), dem in der Schweiz residierenden Leiter des US-Nachrichtendiensts in Europa, Einigung erzielt worden war. Dönitz erklärte sich am 4. Mai zögernd auch mit einer weiteren Teilkapitulation einverstanden; sie betraf deutsche Truppen in Nordwestdeutschland, Holland und Dänemark. Im Süden, wo die Amerikaner am Tag von Hitlers Tod München erreichten, am 3. Mai Innsbruck und vier Tage später Linz, Hitlers Heimatstadt, handelte Kesselring die Kapitulation der deutschen Divisionen im nördlichen Alpenraum für den 5. und in Österreich für den 8. Mai aus.17 Dönitz schloß jene deutschen Truppen von der Teilkapitulation aus, die weiter östlich immer noch in Jugoslawien kämpften.18
Die Hoffnung des Großadmirals, Reste von Hitlers Reich zu retten, wurde an der Besetzung seines Kabinetts deutlich. Obwohl er Himmlers Bemühungen zum Eintritt in die Regierung zurückwies und auch Ribbentrop ablehnte, übernahm er mehrere Mitglieder von Hitlers Kabinett, darunter Albert Speer, während die auswärtigen Angelegenheiten und die geschäftsführende Leitung der Regierung in die Hände des altbewährten Finanzministers Lutz Graf Schwerin von Krosigk gelegt wurden, der, so nahm Dönitz an, nicht mit den schlimmsten Verbrechen des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht werden würde. Er nahm auch keine Veränderungen im Oberkommando der Wehrmacht vor. Hitlers Hauptstützen Keitel und Jodl blieben auf ihren Posten. Die NSDAP wurde weder verboten noch aufgelöst. Hitlerbilder schmückten noch die Wände der Büros der Regierungsdienststellen in Flensburg. Eine der wenigen Konzessionen, die Dönitz machte, bestand in der Wiedereinführung des militärischen Grußes in der Wehrmacht, der nun den Hitlergruß ersetzte. Während man die Totenfeiern des Dritten Reichs beging, sprachen die Militärgerichte weiterhin Todesurteile aus.19
Dönitz’ taktische Maßnahmen waren wenigstens insoweit erfolgreich, als sie es schätzungsweise 1,8 Millionen deutschen Soldaten ermöglichten, die sowjetische Gefangenschaft zu vermeiden, indem sie vor den Westalliierten kapitulierten. Dies geschah jedoch um den hohen Preis fortgesetzten Blutvergießens, bevor die Kämpfe endgültig beendet werden konnten. Während die Ostfront seit 1941 der Hauptkriegsschauplatz gewesen war, fiel weniger als ein Drittel der zehn Millionen deutschen Kriegsgefangenen in sowjetische Hände.20 Aber Dönitz’ Absichten, die auf eine einseitige Teilkapitulation und darauf hinausliefen, den Westen in dieser letzten Phase für eine Abwehr gegen den Bolschewismus zu gewinnen, waren bei den alliierten Führern nicht durchzusetzen. Als sein Repräsentant und Nachfolger als Oberkommandierender der Marine, Admiral Hans Georg von Friedeburg, mit einer Delegation in Eisenhowers Hauptquartier nach Reims in der Hoffnung reiste, eine Vereinbarung mit den Westalliierten über eine Kapitulation im Westen, aber nicht im Osten abzuschließen, wollte Eisenhower davon nichts wissen. Er bestand auf einer uneingeschränkten, bedingungslosen Kapitulation an allen Fronten. Offensichtlich in derselben Mission schickte Dönitz am 6. Mai Jodl nach Reims, doch diesmal hatte der Verhandlungsführer die Vollmacht, nach endgültiger Autorisierung aus Flensburg einer vollständigen Kapitulation zuzustimmen. Er war angewiesen, möglichst viel Zeit zu gewinnen – mindestens vier Tage –, um die größte deutsche Kampfeinheit, die immer noch Krieg führte, nämlich die Heeresgruppe Mitte, über die amerikanischen Linien zurückzuführen. Eisenhower blieb fest. Er bestand darauf, daß die Kapitulation noch am gleichen Tag unterzeichnet werde, nämlich am 6. Mai, und um Mitternacht des 9. Mai in Kraft trete; er drohte mit neuen Luftangriffen, sollte die Vereinbarung nicht zustande kommen. Jodl wurde eine halbe Stunde Zeit gewährt, um über all das nachzudenken. Es gab Schwierigkeiten, eine Verbindung mit Flensburg herzustellen. Dönitz hatte schließlich keine Alternative, als in den frühen Stunden des nächsten Tags seine Zustimmung zu erteilen. Um 2.41 Uhr wurde die Kapitulation in Gegenwart von Vertretern aller vier alliierten Mächte unterzeichnet, und sie bedeutete das vollständige Ende aller deutschen militärischen Handlungen mit Ablauf des folgenden Tags.21
Das Dokument, das nun unterschrieben wurde, war jedoch nur eine gekürzte Version jenes Originaltexts der Kapitulation, auf den sich die Alliierten geeinigt hatten. Es wurde tatsächlich von der Führung des OKW als »nicht endgültig« angesehen und sollte durch einen »allgemeinen Kapitulationsvertrag« ersetzt werden, dessen Unterzeichnung immer noch bevorstand. Inzwischen war der Befehl erteilt worden, so viele Truppen wie möglich schnellstens nach Westen zu schaffen, damit sie vor den Briten und Amerikanern kapitulierten.22 Auf Stalins Drängen versammelten sich alliierte Vertreter ein weiteres Mal am 9. Mai, kurz nach Mitternacht, diesmal in Karlshorst in den Außenbezirken Berlins, im Hauptquartier von Marschall Schukow, und dort wurde das vollständige Kapitulationsdokument unterzeichnet. Da die Vereinbarungen von Reims bereits ein paar Minuten zuvor in Kraft getreten waren, wurde das Dokument auf den 8. Mai datiert.23 Keitel, Friedeburg sowie Generaloberst Hans-Jürgen Stumpff als Vertreter des Oberkommandierenden der Luftwaffe, Ritter von Greim, unterzeichneten auf deutscher Seite. Schukow, der britische Luftmarschall Arthur W. Tedder, der französische General Jean de Lattre de Tassigny und US-General Carl Spaatz unterschrieben für die Alliierten.24
Aus dem letzten Wehrmachtsbericht vom 9. Mai 1945 klang Hochmut: »Die einmalige Leistung von Front und Heimat wird in einem späteren gerechten Urteil der Geschichte ihre endgültige Würdigung finden.« Diesen Worten, die für Millionen phrasenhaft klingen mußten, folgte die Erklärung: »Auf Befehl des Großadmirals hat die Wehrmacht den aussichtslos gewordenen Kampf eingestellt. Damit ist das fast sechsjährige heldenhafte Ringen zu Ende.«25
Hitlers Krieg war vorbei. Nun sollte die Abrechnung beginnen.
III
Viele, die nach und unter Hitler schwerste Verantwortung für das schreckliche Leid der vorangegangenen Jahre und das tiefe Elend, das zurückblieb, trugen, konnten der vollen Bestrafung entgehen. Selbstmord, so hatte Hitler stets gesagt, sei eine leichte Sache. Einige seiner führenden Spießgesellen folgten nun seinem Beispiel. Heinrich Himmler, die Verkörperung des Polizeiterrors, der unter falschen Personalien und in der Uniform eines Unteroffiziers der Wehrmacht in britische Gefangenschaft geraten war, schluckte am 23. Mai in seiner Gefängniszelle in Lüneburg eine Kapsel Zyankali, sobald seine wahre Identität geklärt worden war.26 Robert Ley, der erzantisemitische Führer der Deutschen Arbeitsfront, der von amerikanischen Truppen in den Bergen Tirols gefangen wurde, erdrosselte sich, während er auf seinen Prozeß wartete, am 24. Oktober in Nürnberg in der Toilette seiner Gefängniszelle.27 Hermann Göring war am 9. Mai 1945 von US-Streitkräften in der Nähe von Berchtesgaden verhaftet worden. Der Mann, der so lange zu Hitlers Nachfolger bestimmt war, bevor er in den letzten Tagen des Dritten Reichs abrupt verstoßen wurde, beging ebenfalls Selbstmord. Damit betrog er gleichsam den Henker, der ihn am nächsten Tag, am frühen Morgen des 16. Oktober 1946, hätte hinrichten sollen. Göring war aufgrund sämtlicher gegen ihn erhobener Vorwürfe, einschließlich der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vom Internationalen Militärtribunal in Nürnberg zum Tode verurteilt worden.28
Andere führende Gestalten des Regimes, die nicht willens oder fähig waren, ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen, erlitten das Schicksal, das ihnen vom Militärtribunal in Nürnberg auferlegt worden war: Sie wurden erhängt. Sie alle wurden verurteilt für Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sowie mit einer Ausnahme auch für Kriegsverbrechen. Bei einigen kam Verschwörung zur Anstiftung eines Kriegs hinzu. Gehenkt wurden am 16. Oktober 1946 der kriegstreiberische frühere Außenminister Joachim von Ribbentrop; der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Wilhelm Keitel; der Chef des Wehrmachtsführungsstabs und wichtigste Militärberater Hitlers Alfred Jodl; der »Chefideologe« der Nationalsozialisten und Reichsminister für die besetzten Ostgebiete Alfred Rosenberg; der Reichsinnenminister, bis zu seiner Absetzung 1943, Wilhelm Frick; Hitlers wichtigster Mann in Wien zur Zeit des Anschlusses und späterer Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete Arthur Seyß-Inquart; der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel, der das Programm der Sklavenarbeit leitete; Heydrichs grausamer Nachfolger als Chef des Reichssicherheitshauptamts Ernst Kaltenbrunner; der Generalgouverneur in Polen und führende nationalsozialistische Jurist Hans Frank; der frühere Gauleiter von Franken und führende Judenhasser Julius Streicher.29 Wenige trauerten um sie.
Albert Speer, der Rüstungsminister, dessen Hände kaum weniger befleckt waren als diejenigen Sauckels, soweit es um die Ausbeutung von Zwangsarbeitern ging, zählte zu jenen, die das Glück hatten, der Schlinge des Henkers zu entgehen. Ebenso das letzte Staatsoberhaupt Admiral Dönitz, Wirtschaftsminister Walther Funk, Konstantin von Neurath, bis zur Ersetzung durch Ribbentrop 1938 Außenminister, der Oberbefehlshaber der Marine Erich Raeder, der langjährige Reichsjugendführer und Gauleiter von Wien Baldur von Schirach und Rudolf Heß, bis zu seinem Flug nach Schottland 1941 Stellvertreter des Führers in Parteiangelegenheiten. Wie diese erhielt auch Speer eine lange Gefängnisstrafe. Funk, Neurath und Raeder wurden aus gesundheitlichen Gründen früh entlassen. Dönitz, Speer und Schirach verließen das Gefängnis jeweils, nachdem sie ihre volle Strafe abgesessen hatten; und Speer wurde zu einer prominenten Persönlichkeit, zu einem Bestsellerautor und zu einem »Zeichendeuter« in Fragen, die mit dem Dritten Reich zu tun hatten, mit seinem verspäteten Schuldkomplex als Markenzeichen. Heß sollte 1987 Selbstmord begehen, während er immer noch seine lebenslängliche Strafe im Gefängnis von Berlin-Spandau absaß.30
Zu den Nationalsozialisten der zweiten Reihe, die an den abscheulichsten Verbrechen beteiligt waren, zählte der berüchtigte Organisator der »Endlösung« Adolf Eichmann. Er sollte unter dramatischen Umständen von israelischen Agenten aus Argentinien entführt werden. Gegen ihn wurde in Jerusalem ein Prozeß geführt, und er wurde dort im Jahre 1962 am Galgen hingerichtet. Der Kommandant von Auschwitz Rudolf Höß, der Schlächter des Warschauer Ghettos Jürgen Stroop, der Schrecken der Polen im Warthegau Gauleiter Arthur Greiser und sein kaum weniger fanatischer Mitkämpfer in Danzig-Westpreußen Albert Forster wurden allesamt nach Prozessen in Polen schon früher gehängt. Die Polen erwiesen sich jedoch als humaner als ihre früheren Unterdrücker, indem sie die Todesstrafe gegen den berüchtigten, sogar nach Nazimaßstäben besonders grausamen und brutalen früheren Gauleiter von Ostpreußen Erich Koch wegen schlechten Gesundheitszustands in eine lebenslange Haftstrafe umwandelten.31
Vielen, die in Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwickelt waren, gelang es mit Leichtigkeit, ihrer Strafe zu entgehen. Hinrich Lohse, der frühere Reichskommissar für das Ostland, zuständig für das Baltikum und die Ukraine, wurde im Jahre 1951 wegen schlechten Gesundheitszustands freigelassen, nachdem er von einer zehnjährigen Haftstrafe drei Jahre verbüßt hatte. Er starb im Jahre 1964 friedlich in seiner Heimatstadt.32 Wilhelm Koppe, SS-Führer im Warthegau und gemeinsam mit Greiser Gründer des Vernichtungslagers Chelmno, wo mehr als 150.000 Juden ermordet wurden, konnte als Direktor einer Schokoladenfabrik in Bonn bis Ende der 60er Jahre unter falschem Namen erneut zu Wohlstand und Ansehen gelangen. Als er entdeckt und wegen seiner Teilnahme an Massenmorden in Polen vor Gericht gestellt wurde, betrachtete man ihn als nicht verhandlungsfähig; schließlich starb er im Jahre 1975 in seinem eigenen Bett.33 Zahllose andere, die »dem Führer entgegengearbeitet hatten«, die Stellungen ausgefüllt hatten, die mit großer Macht verbunden waren, oft Entscheidungen über Leben und Tod zu fällen hatten, darunter Ärzte, die an Euthanasieaktionen beteiligt waren, auch solche, die sich gleichzeitig durch maßlose Korruption und rücksichtsloses Karrierestreben die eigenen Taschen gefüllt hatten, waren ganz oder zum Teil imstande, ernsthafte Bestrafung für ihr Handeln zu vermeiden. In einigen Fällen bauten sie sich in der Nachkriegszeit erfolgreiche Karrieren auf.34
Wenige von jenen, die gezwungen waren, für ihr Handeln unter Hitler einzustehen, zeigten Bedauern oder Reue, von Schuldgefühlen ganz zu schweigen. Von geringen Ausnahmen abgesehen, erwiesen sie sich, wenn sie zur Rechenschaft gezogen wurden, als unfähig, ihren eigenen Beitrag zum gnadenlosen Abgleiten in die Barbarei während der Nazizeit anzuerkennen. Neben den unvermeidlichen Lügen, Verfälschungen und Ausreden bestand bei ihnen oft eine psychische Blockierung, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Das gipfelte insgesamt in einer Selbsttäuschung, die den totalen Zusammenbruch ihrer Wertmaßstäbe und die Zerstörung eines idealisierten Hitlerbilds spiegelte, an dem sie so viele Jahre festgehalten hatten, und das in der Tat gewöhnlich die Basis ihrer Motivation gebildet oder ihnen zumindest die Rechtfertigung geliefert hatte. Sie waren jahrelang damit einverstanden gewesen, daß ihre Macht, ihre Karriere, ihre Ambitionen, ihre Hoffnungen einzig und allein von Hitler abhingen. Nun war es in einem geradezu perversen Sinne logisch, daß sie ihr eigenes Elend einzig und allein dem zuschrieben, was sie als Hitlers Wahnsinn und Verbrechertum ansahen. Während er zuvor der hochverehrte Führer gewesen war, dessen utopischer Vision sie voller Eifer folgten, galt Hitler ihnen nun als Sündenbock, der ihr Vertrauen mißbraucht und sie durch die Brillanz seiner Rhetorik verführt hatte, hilflose Komplizen seiner barbarischen Pläne zu werden.
Hitlers Regime, war, wie wir hinreichend erkennen konnten, zweifellos während des größten Teils seiner zwölfjährigen Dauer keine wurzellose Tyrannei, die den oppositionell gestimmten Massen der Bevölkerung ihren Willen aufzwang. Und bis zum »Amoklauf«35 in der letzten Phase des Kriegs war der Terror, zumindest innerhalb Deutschlands, nicht zufällig und willkürlich. Er war auf bestimmte rassische und politische Feinde gerichtet, während das Niveau von geringstenfalls partiellem Konsens in allen Teilen der Gesellschaft sehr hoch war. Verallgemeinerungen über die Mentalitäten und das Verhalten von Millionen Deutschen in der Nazizeit haben nur begrenzte Aussagekraft, abgesehen vielleicht von dem generellen Befund, daß bei der großen Masse der Bevölkerung unterschiedliche und gemischte Schattierungen von Grau eher zu finden waren als ein deutliches Schwarz oder Weiß. Unstrittig bleibt die Tatsache, daß die Angehörigen einer hochmodernen, entwickelten, pluralistischen Gesellschaft nach einem verlorenen Krieg die kollektive Erfahrung tiefreichender nationaler Erniedrigung, ökonomischen Bankrotts, akuter sozialer, politischer und ideologischer Polarisierung machten. Als sie nach einem Ausweg suchten, setzten sowohl jene, die Macht hatten, als auch die überwältigende Masse der Bevölkerung angesichts des totales Versagen eines diskreditierten politischen Systems in wachsender Zahl ihr Vertrauen in die messianische Vision eines selbsternannten politischen Retters. Sobald, wie man nun weniger schwer erkennen kann, eine Reihe von relativ billigen und leichten, wenn auch in Wirklichkeit außerordentlich gefährlichen, nationalen Triumphen errungen worden waren, fanden sich noch mehr Menschen bereit, ihre Zweifel zu unterdrücken und an die Bestimmung ihres großen Führers zu glauben. Mehr noch: Auch wenn diese Triumphe von der Propaganda weitgehend den Leistungen eines Mannes zugeschrieben wurden, waren sie nicht nur unter großem Beifall der Massen herbeigeführt worden, sondern auch mit einem sehr großen Maß an Unterstützung aus fast allen nicht-nationalsozialistischen Elitegruppen, dem Unternehmertum, der Industrie, der Beamtenschaft, vor allem aber den Streitkräften, die praktisch alle Aufgänge zur Macht außerhalb der höchsten Spitzen der nationalsozialistischen Hierarchie kontrollierten. Zwar reichte das Einvernehmen in mancher Hinsicht nicht tief, es gründete sich auf unterschiedliche Grade von Unterstützung für die verschiedenen Strömungen der ideologischen Gesamtvision, die Hitler verkörperte. Es bot dennoch bis Mitte des Kriegs eine außerordentlich kräftige Plattform der Unterstützung für Hitler, auf der er aufbauen und die er ausnutzen konnte.
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The Times373839
Hitler war der Haupturheber eines Kriegs, der zu mehr als 50 Millionen Toten führte und vielen weiteren Millionen, die unter dem Verlust ihrer Nächsten litten und dann versuchten, ihr zerstörtes Leben wieder aufzubauen. Hitler war der wichtigste Inspirator eines Völkermords, wie ihn die Welt niemals kennengelernt hatte, und der zu Recht in zukünftigen Zeiten als jenes Ereignis betrachtet werden sollte, das den Charakter des 20. Jahrhunderts bestimmte. Das Reich, dessen Ruhm er mehren wollte, lag am Ende zerstört da, seine Trümmer sollten unter den siegreichen Besatzungsmächten aufgeteilt werden. Der Erzfeind, der Bolschewismus, stand in der Reichshauptstadt und beherrschte die Hälfte Europas. Sogar das deutsche Volk, dessen Fortbestand Hitler als das einzige Motiv seines politischen Kampfs bezeichnet hatte, sollte sich letztendlich für ihn als entbehrlich erweisen.