Allen Kämpfernaturen, die niemals aufgeben,
ist dieses Buch gewidmet.

„In keinem Land wird mehr oder
besserer Wein getrunken.“

Jean-Baptiste Chardin,
Voyages de M. le Chevalier Chardin en Perse et autres lieux de l’Orient,
1740

Anna Saldadze

GEORGISCHER
WEIN

8000 Jahre Tradition
525 Sorten

Mit einem Vorwort und herausgegeben von Sarah Abbott MW
Mit einem Geleitwort von Rudolf Knoll

Fotografien von Angus Leadley Brown

Herbstlandschaft an der Straße, die von Tiflis (Tbilisi) über das Tsiv-Gombori-Gebirge nach Kachetien führt.

„Den Georgiern macht das Schenken genauso viel Freude

wie anderen Völkern das Beschenktwerden.“

Alexandre Dumas,
Le Caucase,
1859

Vor der Kellerei Targameuli in der Region Mingrelien warten diese Tonkrüge auf die Befüllung mit Wein.

Frühling in Kachetien

Eine Traube der Sorte Goruli Mtsvane.

VORWORT

Jeder Wein erzählt die Geschichte seiner Heimat. Der georgische Wein hat eine uralte Tradition, die soeben eine Wiedergeburt erlebt. Ich kenne kein Land, das sich so stark mit seinem Wein identifiziert. Aber bis vor kurzem war der georgische Wein auf Europas Märkten unbekannt. Georgien war die Kornkammer und der Weingarten der ehemaligen Sowjetunion, und die Produzenten waren auf diesen Markt eingestellt. Als Putin im Jahr 2006 die Einfuhr georgischer Weine verbot, bedeutete dies für die Weinwirtschaft Georgiens eine Katastrophe – zumindest schien es so. Aber die Georgier sind ideenreich und zielstrebig, und innerhalb der letzten zehn Jahre hat der georgische Wein sein Image als GUS-Staaten-Kultprodukt abgelegt und sich einen Platz am Weltmarkt erobert.

Georgiens Weine haben ein gewaltiges Potenzial, das in zunehmendem Maße auch ausgeschöpft wird. In diesem Land mit jahrtausendealter ungebrochener Weintradition, hunderten autochthonen Rebsorten, verschiedenen Weinstilen und einer großen preislichen Bandbreite hat man sich nicht auf leicht trinkbare, kostengünstige internationale Weine verlegt. Dazu ist das Land zu bergig – und die autochthonen Rebsorten, von denen manche sonst nirgends zu finden sind, dominieren zu stark. Und dann ist da noch eine Besonderheit: die Qvevri-Weine, ein Nischenprodukt, das emotional besonders stark besetzt ist.

Ich habe das Glück gehabt, Weinländer auf der ganzen Welt besuchen und die Gastfreundschaft ihrer Bewohner genießen zu dürfen. Und Georgien hat etwas ganz Besonderes, zu Herzen Gehendes an sich: Es ist so schön, so voller Leben und sympathischem Individualismus! Lassen Sie sich von diesem wunderbaren Buch zu einer Reise in ein faszinierendes Land verführen, erleben Sie seine reiche Kulinarik und seine einzigartige Weinkultur, die untrennbar mit seiner Identität verbunden sind.

Sarah Abbott MW

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Geleitwort

AUF SPURENSUCHE

Eigenwillig und unbezähmbar

Die unglaubliche Leichtigkeit des Seins

Ein Schluck Weisheit

Geistliches und Weltliches

Mit klösterlicher Hilfe

PIONIERE UNSERER ZEIT

Gezähmte Wildnis

Heimat

Alte und neue Wurzeln

Ein Amerikaner in Georgien

Die Schlüsselrolle der Weinhändler

Starke Frauen

Ein kleiner Vorgeschmack

DIE QVEVRI

Weinausbau auf kachetische Art

Die Qvevri und ihre Vorteile

Die Werkzeuge des Winzers

Im Einklang mit der Natur

FESTLICH GESTIMMT

Die Supra, der Tamada und die Lebenskunst

Ost trifft West bei der kaiserlichen Supra

GROSSE HISTORISCHE WEINGÜTER

Tsinandali

Château Mukhrani

Das Weingut Vazisubani

TRAUBEN, WEINE UND REGIONEN

Rebsorten im Vergleich

Kachetien

Kartlien

Imeretien

Ratscha-Letschchumi

Mingrelien

Gurien

Weinbautraditionen

Meschketien

Adscharien

Abchasien

ANHANG

I. Die Qvevri: Regionale Variationen über ein Thema

II. Der Marani

III. Zedashe: Der Wein für besondere Gelegenheiten

IV. Weinproduktion auf europäische Art

V. Stalins (nicht ganz) geheime Leidenschaft: der Tavkveri

Georgische Rebsorten

GELEITWORT

GEORGISCHER WEIN – EIN WICHTIGES ELEMENT DER WIRTSCHAFT

Es waren sehr wechselhafte, teilweise auch bedrückende Erlebnisse damals im Dezember 2003 beim ersten Besuch in Georgien. Ankunft in Tbilisi (Tiflis) am Nachmittag. Ein Spaziergang durch die Straßen in der Nachbarschaft eines kleinen Hotels, in dem mir auch ohne sprachliche Verständigung ein herzlicher Empfang zuteilwurde. Draußen waren die Schäden an den Häusern von einem Erdbeben im Jahr 2001 und auch noch von einem mehrjährigen Bürgerkrieg ab 1991 unübersehbar. Ein Gebäude schien kurz vor dem Einsturz zu stehen. Aber als die nächste Runde schon in der Finsternis stattfand, war Licht im Haus zu sehen und es wurde ersichtlich, dass in dieser Ruine noch Menschen lebten.

Tags drauf ging die Fahrt mit einem alten Pkw gen Osten nach Kachetien, dem Hauptweinbaugebiet. Sie führte über Straßen, die jede Menge Schlaglöcher als Hindernisse hatten. Unser Fahrer Djano, eigentlich ein promovierter Physiker, aber ohne richtigen Job, wich ihnen meist geschickt aus. Später, schon im Dunklen, stellte sich heraus, dass er ohne Beleuchtung in der Lage war, einen Reifen zu wechseln. Licht gab es ohnehin nicht auf dem Land. In den Dörfern, die wir durchquerten, schimmerte allenfalls etwas Kerzenlicht durch die Fenster. Wir erfuhren, dass Strom zu Lasten des Volkes in die Türkei verkauft wurde und es nur in der Hauptstadt Tbilisi einigermaßen ausreichend Energie gab.

Bei Tageslicht kamen wir immer wieder an Bauern vorbei, die unter freiem Himmel Obst, Gemüse und Fleisch anboten und auf ein paar Lari Tageseinnahme hofften. Djano wurde gebeten zu halten, damit wir etwas Obst kaufen konnten. Nichts da! Der Besucher aus dem europäischen Westen bekam zwar etwas Obst, durfte aber nicht zahlen. „Die Leute wissen, dass du Gast unseres Landes bist. Deshalb schenken sie dir ihre Früchte“, klärte Djano auf.

Besuche in Weinbaubetrieben gab es einige. Meist waren sie sehr groß dimensioniert, weil sie zu Zeiten der Sowjetunion sehr viel Wein zu verarbeiten hatten, der dann in gewaltigen Mengen per direkter „Bahn-Pipeline“ gen Moskau geliefert wurde. Dort wurde indes auch Wein ausgeschenkt, der zwar populäre georgische Herkunftsbezeichnungen trug, aber in Wirklichkeit aus Moldawien oder Bulgarien stammte. Ein paar Monate später konnte auf der „Grünen Woche“ in Berlin am Russland-Stand auch scheinbarer georgischer Wein entdeckt werden. Das Kleingedruckte auf dem Rückenetikett offenbarte, dass der Flascheninhalt billiger Tafelwein aus Frankreich und Spanien war. Mit einem Land, das hektische Zeiten und viele Unruhen hinter sich hatte und gerade dabei war, sich politisch neu zu orientieren, konnte man das offenbar machen – zumal Georgien gerade erst dabei war, sich weinrechtliche Strukturen nach westeuropäischem Muster zu schaffen.

Zwei Visiten Ende 2003 blieben besonders im Gedächtnis haften. Einmal beim „grusinischen Cognac“, nämlich der Destillerie David Saradjishvili in Tbilisi, die 1884 gegründet wurde und das Wechselbad der georgischen Geschichte gut überstanden hatte. Im Keller lagen damals und vermutlich noch heute rund 18000 gepflegte kleine Fässer, deren Inhalt selbst während des Bürgerkrieges nicht angetastet wurde. Verkostet werden konnten die Jahrgänge 1893, 1905 und 1911, die noch ein Hochgenuss waren und verständlich machten, warum Stalin 1945 nach Ende des Zweiten Weltkrieges seinen Gästen Franklin D. Roosevelt aus den USA und dem britischen Premier Winston Churchill Brandy aus Tbilisi servieren ließ. Am Rande vermerkt: ein weiteres hochgeistiges Getränk Georgiens, das einige Weingüter offerieren, trägt den Namen Chacha. Es handelt sich um einen Tresterbrand.

Die zweite Visite galt einem Bauern im Dorf Kondoli, der so beeindruckt von einem Besuch aus dem europäischen Westen war, dass er gleich ein halbes Dutzend Frauen gebeten hatte, dem Gast die Ehre zu erweisen. Es gab die süße Spezialität Tschurtschchela aus Walnüssen mit einer Haut aus eingekochtem Traubensaft, Brot, dazu Schafskäse, saftiges Fleisch vom Grill – und natürlich Wein.

Unser Gastgeber füllte den Rkatsiteli, eine weiße Sorte, aus einem Glasballon ab und erklärte dann, was vorher passiert war. Wir gingen in einen Raum, wo er einen großen Stein hochhob und den Blick freigab auf ein dunkles Loch. Hier war ein 1500 Liter fassendes, zitronenförmiges Gefäß eingegraben, in dem der Traubensaft nach der Ernte samt Stiel und Stängel vergoren worden war. Danach machte es Giwi anders als viele Bauern, die den fertigen Wein in den Tongefäßen (genannt Qvevri) liegen ließen und sich nicht daran störten, dass er oxidierte oder Essignoten entwickelte. Er zog den Jungwein ab und ließ ihn in einem kleinen Gefäß oder in einem Holzfass noch etwas reifen, ehe er ihn in Glas verpackte und von hier aus Gäste mit einem sehr passablen, aber gerbstoffbetonten Wein verwöhnen konnte.

Diese Art des Weinmachens war damals auf Georgien und hier hauptsächlich auf das Anbaugebiet Kachetien im Osten beschränkt. Üblich war sie allenfalls im bäuerlichen Weinbau und nicht in den großen Kellereien. Aber schon wenige Jahre später waren diese traditionellen Behälter plötzlich in etlichen Ländern in Gebrauch und legten auch die größeren Betriebe Georgiens Wert darauf, Weine aus Qvevri im Sortiment zu haben. Inzwischen wurde diese wohl weltweit erste Art des Weinausbaus sogar in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.

Warum die Qvevri plötzlich international Interesse finden, hängt wohl zusammen mit dem Boom der Naturalweine, die teilweise wegen ihrer Hochfarbigkeit auch „Orange-Weine“ genannt werden. Keine Schönungsmaßnahmen, Verzicht auf die Zugabe von Schwefel als Oxidationsschutz, Bio-Ausbau sind Kriterien für diese Art Wein, die häufig im Geschmack und Aroma arg irritiert und eher selten bedeutend in der Qualität ist. Das gilt auch für manchen Qvevri-Wein aus Georgien. Nur da, wo Profis mit guter önologischer Ausbildung am Werk sind, klappt es. Denn Bruder Zufall ist nur selten ein guter Kellermeister …

Zugenommen hat auf jeden Fall die Zahl der ambitionierten Weinerzeuger. In wenigen Jahren sind eine Reihe neuer Betriebe entstanden. Und die schon vor 15 Jahren bestehenden Kellereien zeigen Ehrgeiz, nutzen auch Beratungsmöglichkeiten internationaler Institutionen und haben erkannt, dass das Potenzial für großartige Weine in Georgien sehr gut ist. Rund 30 Betriebe sind in einem Verband (Georgian Wine Association) organisiert. Inzwischen wird auch aus dem Ausland in den georgischen Weinbau investiert. Der Deutsche Burkhard Schuchmann startete 2006 mit Schuchmann Winery. Bei Badagoni haben Italiener die Finger mit im Spiel. Eigentümer von Château Mukhrani (im 19. Jahrhundert einer der Top-Erzeuger, dann vom Markt verschwunden) ist hauptsächlich der schwedische Pharma-Unternehmer Frederik Paulsen, der sich einen deutschen Önologen als Betriebsleiter holte. Der Investor beklagte sich schon, dass er für sein Geld einige Châteaux in Bordeaux haben könnte. Die Antwort: dort wäre er einer unter Tausenden Gutsbesitzern. Aber sein Besitz in Georgien sei einmalig …

Wenn man das Land selbst heute mit dem Zustand vor 15 Jahren vergleicht, sind enorme Fortschritte unverkennbar. Die Hauptstadt pulsiert, der Straßenverkehr ähnelt einer Großstadt im Westen Europas (nur die Autos selbst sind alte Modelle). Es gibt viele gute Einkaufsmöglichkeiten in teilweise prächtigen Boulevards und keine Schwierigkeiten mehr, ein passables Hotel oder ein gutes Restaurant zu finden. Der Weinbau ist inzwischen ein belebendes Element der Wirtschaft und Wein ein wichtiger Exportartikel. Wobei hier die Zielrichtungen immer wieder etwas wechseln, je nachdem, wie gut oder kritisch der Kontakt zu Russland ist. Gerne würden die georgischen Erzeuger mehr im Westen Europas oder in Übersee verkaufen. Kontakte gibt es. Die Präsenz des Landes auf der bedeutenden Messe ProWein in Düsseldorf hat sich von Jahr zu Jahr gesteigert. Auch die internationalen Medien haben georgischen Wein entdeckt, oft im Zusammenhang mit den Meldungen aus 2017, als Wissenschaftler nachweisen konnten, dass hier Weinbau schon vor 8000 Jahren betrieben wurde.

Typisch für die Bürger des Landes, und unverändert über einen langen Zeitraum, ist die Herzlichkeit gegenüber Besuchern. Hier gilt: Man kommt als Gast und geht als Freund.

Rudolf Knoll

Foto: © Vinum

Rudolf Knoll ist Redakteur des europäischen Weinmagazins VINUM und hat Georgien in den letzten 15 Jahren mehrfach bereist und über die Entwicklung geschrieben.

Die Schreibweisen der georgischen Eigennamen variieren im Deutschen. Der Einheitlichkeit halber wurden deshalb nicht nur die Sorten und Appellationen in der meist verwendeten englischen Schreibweise belassen (z. B. Rkatsiteli statt Rkaziteli), sondern auch die Eigennamen von Personen, Dörfern, Flüssen und Landschaften (z. B. Vazisubani statt Wasissubani oder Sagarejo statt Sagaredscho). (Anm. d. Verlages)

Als die UNESCO im Jahr 2013 den „traditionellen Weinausbau in Amphoren (Qvevri)“ auf die Liste des immateriellen Weltkulturerbes setzte, waren viele überrascht. Nur wenige wussten, dass in Georgien überhaupt Wein hergestellt wird, geschweige denn, dass man dazu Tongefäße verwendet, die im Boden eingegraben werden. Dabei ist die Wissenschaft aufgrund vieler neuer archäologischer Funde der Meinung, dass Georgien nicht nur das Land mit der längsten ununterbrochenen Weintradition ist, sondern sogar das Ursprungsland des Weins sein könnte.

Wie kommt es, dass die Weinkenner der Welt erst jetzt auf den georgischen Wein aufmerksam werden? Auf der Suche nach der Antwort auf diese Frage habe ich eine beeindruckende neue Generation von Winzern kennengelernt. Es stellte sich heraus, dass diese Männer und Frauen selbst auf der Suche waren: Von einem unbezähmbaren Willen getrieben, hatten sie sich vorgenommen, einen einzigartigen, echt georgischen Wein zu erzeugen, der den besten europäischen Weinen ebenbürtig sein sollte. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, begaben sie sich auf die Spuren ihrer Vorfahren und setzten vor allem auf die althergebrachte Qvevri-Ausbaumethode. So entstand auf den Ruinen der Sowjetära eine neue und zugleich alte Weinkultur. Die mutigen Winzer-Pioniere legten neue Weingärten an, gruben neue Qvevri ein, bauten neue Maranis (Weinkeller) und begannen einen Wein zu machen, auf den sie mit Recht stolz sein können. Es ist den Georgiern gelungen, die Terroirs und Regionen, die 525 autochthonen Rebsorten und die Bewohner ihres Landes, ihre Gebräuche, ihre Gastfreundschaft und ihren vielstimmigen Gesang in der Welt bekannt zu machen.

Auf die Pioniere der Qvevri-Weine ist nun das Augenmerk von Weinkennern auf der ganzen Welt gerichtet. Aber die vielfältige georgische Weintradition hat noch mehr zu bieten. Historische Weingüter kommen heute zu neuen Ehren und produzieren exzellente Weine nach europäischer und georgischer Art. Große Weinfirmen, die Erben der sowjetischen Weinindustrie, haben sich den modernen internationalen Standards angepasst. Große wie kleine Weinproduzenten tragen dazu bei, Georgiens Weinkultur mit ihrem Reichtum, ihrer faszinierenden Vielfalt und ihrer Wandelbarkeit neu zu beleben.

Das vorliegende Einführungsbuch hat sich das bescheidene Ziel gesetzt, diese vielschichtige Weintradition einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Es ist weder als ethnographisches noch als önologisches Werk gedacht und erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Ich hoffe, dass es den Leser neugierig macht und dazu anregt, sich auf eine Entdeckungsreise zu einer urtümlichen und zugleich erstaunlich zeitgemäßen Weinkultur zu begeben.

AUF SPURENSUCHE

EIGENWILLIG UND UNBEZÄHMBAR

Ein Blick auf die Geschichte Georgiens kann uns helfen zu verstehen, warum die georgische Weinkultur heute ein Comeback erlebt. Durch seine geopolitische Lage zwischen Ost und West hat Georgien immer wieder unruhige Zeiten erlebt. Kriege, Einfälle fremder Heere und die nur widerwillig geduldete Herrschaft benachbarter Großreiche – des russischen, des persischen, des osmanischen und des mongolischen – haben die Geschichte und Kultur Georgiens und das Selbstgefühl seines Volkes bestimmt. Wie David gegen Goliath hat dieses Land immer gegen überlegene Mächte angekämpft,1 um seine politische Unabhängigkeit, seinen christlichen Glauben und seine kulturelle Identität zu bewahren. Wie ein Schilfrohr im Wind hat es sich der Fremdherrschaft gebeugt, ist aber nicht daran zerbrochen, sondern hat sich immer wieder aufgerichtet.

Der unbezähmbare Wille der Georgier war im Kaukasus sprichwörtlich. Viele glaubten an einen Zusammenhang mit dem georgischen Wein, dem geradezu magische Kräfte nachgesagt wurden. Die Ahnen der Georgier, die die Sonne anbeteten, waren überzeugt, dass der Wein die Kraft der Sonne in sich aufzunehmen vermochte. Die Menschen, die den Traubensaft auspressten und tranken, glaubten dadurch unbesiegbar zu werden; der Weingenuss und seine Einwirkung auf die Wahrnehmung war ihre Art, mit dem Weingott Aguna und den anderen Göttern in Verbindung zu treten.

„Als Gott den Menschen schuf, gab er ihm auch den Wein“, sagt ein altes Sprichwort aus Kachetien. Für die Georgier bestand immer ein Zusammenhang zwischen den Begriffen „Wein“ und „Sieg“ – damit konnte der Sieg über den Feind, über das Schicksal oder über die Mühen des Alltags gemeint sein. Vielleicht glaubten sie, dass ihre Kultur jede Erschütterung überstehen würde, solange ihnen der Wein erhalten blieb. Auch den Gegnern Georgiens blieb der eigentümliche Bezug der Georgier zu ihrem Wein nicht verborgen. Alle Eroberer verwüsteten bei ihren Feldzügen auch die Weingärten, weil sie durch die Vernichtung der georgischen Weinkultur auch den Mut und das Selbstgefühl des Volkes zu schwächen hofften. Zum Glück war diese Hoffnung vergebens.

1 Der Kaukasus und Georgien gehörten zum Sassanidenreich (224–651), zum Safavidenreich und zum Osmanischen Reich (1501–1736). Das Russische Reich annektierte Georgien im Jahre 1800, Persien verzichtete Anfang des 19. Jahrhunderts endgültig auf das Land. Georgien blieb bis 1917 unter der dominanten Herrschaft des Zarenreiches und gehörte danach zur Sowjetunion, bis es 1991 unabhängig wurde.