Stephanie Fröba, geboren 1982 in Kronach, studierte zunächst Germanistik und Philosophie in Würzburg. Im Sommer 2005 wechselte sie an die FU Berlin, wo sie Ende 2007 ihren Magisterabschluss absolviert.

Dr. Alfred Wassermann, geboren 1963 in Weiden, lehrt als Privatdozent für Mathematik an der Universität Bayreuth. Zahlreiche Publikationen in den Fachgebieten Kombinatorik und Codierungstheorie.

Zum Buch

Die bedeutendsten Mathematiker

In biographisch-werkgeschichtlichen Porträts werden die Schlüsselfiguren und deren Gedankengänge vorgestellt, die von der Blütezeit der griechischen Antike bis hin zur Schwelle des 21. Jahrhunderts die Entwicklung der Mathematik geprägt haben. Die Errungenschaften des kreativen Prozesses des mathematischen Schaffens bleiben für immer bestehen, ihre Schöpfer werden durch sie unsterblich.

Dem Leser bleibt der Eindruck, einen kleinen Schleier von dieser verschlossenen Geheimwelt mit ihrer rätselhaften und abweisenden Formelsprache gelüftet zu haben.

Stephanie Fröba • Alfred Wassermann
Die bedeutendsten Mathematiker

Stephanie Fröba
Alfred Wassermann

Die bedeutendsten
Mathematiker

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Korrekturen: Christa Marsen, Oberursel
Covergestaltung: Thomas Jarzina, Köln
Bildnachweis: akg-images GmbH, Berlin
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-8438-0225-3

www.marixverlag.de

INHALT

Vorwort

THALES VON MILET (624–547 V. CHR.)

PYTHAGORAS VON SAMOS (~580–500 V. CHR.)

EUKLID VON ALEXANDRIEN (365–300 V. CHR.)

ARCHIMEDES VON SYRAKOS (287–212 V. CHR.)

APOLLONIUS VON PERGE (ungefähr 262 V. CHR.–190 V. CHR.)

DIOPHANTUS VON ALEXANDRIA (ungefähr 200–280)

Das Mittelalter von SUN TSU bis KHAYYAM

LEONARDO PISANO FIBONACCI (1170–möglicherweise 1250)

JOHANN MÜLLER – REGIOMONTANUS (1436–1476)

GIROLAMO CARDANO (1501–1576)
NICCOLÒ TARTAGLIA (1500?–1557)
SCIPIONE DEL FERRO (1465–1526)

MARINE MERSENNE (1588–1648)

RENÉ DESCARTES (1596–1650)

PIERRE DE FERMAT (1601–1665)

BLAISE PASCAL (1623–1662)

CHRISTIAAN HUYGENS (1629–1695)

SIR ISAAC NEWTON (1642–1727)

GOTTFRIED WILHELM LEIBNIZ (1646–1716)

DIE BERNOULLI-Familie

LEONHARD EULER (1707–1783)

JEAN-LE-ROND D’ALEMBERT (1717–1783)

JOSEPH LOUIS LAGRANGE (1736–1813)

GASPARD MONGE (1746–1818)

PIERRE SIMON LAPLACE (1749–1827)

ADRIEN-MARIE LEGENDRE (1752–1833)

PAOLO RUFFINI (1765–1822)

CARL FRIEDRICH GAUß (1777–1855)

JANOS BOLYAI (1802–1860)
NIKOLAI IWANOWITSCH LOBATSCHEWSKY (1792–1856)

AUGUSTIN-LOUIS CAUCHY (1789–1857)

CARL GUSTAV JACOB JACOBI (1804–1851)

NIELS HENRIK ABEL (1802–1829)

EVARISTE GALOIS (1811 bis 1832)

SIR WILLIAM ROWAN HAMILTON (1805–1865)

JOHANN PETER GUSTAV LEJEUNE DIRICHLET (1805–1859)

HERMANN GÜNTER GRAßMANN (1809–1877)

ERNST KUMMER (1810–1893)

JAMES JOSEPH SYLVESTER (1814–1897)
ARTHUR CAYLEY (1821–1895)

KARL THEODOR WILHELM WEIERSTRAß (1815–1897)

GEORGE BOOLE (1815–1864)

PAFNUTI LWOWITSCH TSCHEBYSCHEW (CHEBYCHEV) (1821–1894)

CHARLES HERMITE (1822–1901)

LEOPOLD KRONECKER (1823–1891)

GEORG FRIEDRICH BERNHARD RIEMANN (1826–1866)

JULIUS WILHELM RICHARD DEDEKIND (1831–1916)

SOPHUS LIE (1842–1899)

GEORG FERDINAND LUDWIG PHILIPP CANTOR (1845–1918)

FERDINAND GEORG FROBENIUS (1849–1917)

FELIX CHRISTIAN KLEIN (1849–1925)

SONJA KOVALEVSKAYA (1850–1891)

JULES HENRI POINCARÉ (1854–1912)

DAVID HILBERT (1862–1943)

HERMANN MINKOWSKI (1864–1909)

JACQUES-SALOMON HADAMARD (1865–1963)

ÉLIE CARTAN (1869–1951)

FELIX HAUSDORFF (1868–1942)

ÉMILE BOREL (1871–1956)

GODFREY HAROLD HARDY (1877–1947)
JOHN EDENSOR LITTLEWOOD (1885–1977)
SRINIVASA AIYANGAR RAMANUJAN (1887–1920)

LUITZEN EGBERTUS JAN BROUWER (1881–1966)

AMALIE EMMY NÖTHER (1882–1935)

HERMANN KLAUS HUGO WEYL (1885–1955)

STEFAN BANACH (1892–1945)

ANDREJ NIKOLAJEWITSCH KOLMOGOROW (1903–1987)

JOHN VON NEUMANN (1903–1957)

KURT GÖDEL (1906–1978)

ALAN MATHISON TURING (1912–1954)

PAUL ERDÖS (1913–1996)

NICOLAS BOURBAKI (1934)

Die Klassifikation der endlichen einfachen Gruppen

Weitere Entwicklungen im 20. Jahrhundert

Literaturempfehlungen

VORWORT

»Die Werke des Mathematikers müssen schön sein
wie die des Malers oder Dichters;
die Ideen müssen harmonieren
wie die Farben oder Worte.
Schönheit ist die erste Prüfung:
es gibt keinen Platz in der Welt für hässliche Mathematik.«

(G. H. HARDY)

Wir befinden uns gerade in einem goldenen Zeitalter der Mathematik. Denn noch niemals zuvor war unser Alltagsleben so von der Mathematik beeinflusst wie jetzt. Wie selbstverständlich verwenden wir heute Mobiltelefone, Internet, mp3-Player, Navigationssysteme, Satellitenkommunikation und Industrie-Roboter. Wir vertrauen auf die Medizintechnik, nutzen neue Materialien aus der Chemie und spekulieren mit komplizierten Aktienoptionen. All diese komfortablen Vorzüge wären ohne Mathematik und ohne Computer nicht möglich.

Aber die Mathematik ist nicht erst in den letzten 50 Jahren entstanden. Nein, wir sammeln seit mindestens 2500 Jahren unser mathematisches Wissen an und entwickeln es Schritt für Schritt weiter. Genau deswegen werden in diesem Buch die bedeutendsten Persönlichkeiten dieses Schaffensprozesses vorgestellt. Zum einen schildern wir kurz deren Werdegang, zum anderen möchten wir beschreiben, welchen Beitrag die jeweiligen Personen zur Mathematik geleistet haben, und schließlich versuchen wir auch, einige wesentliche mathematische Probleme zu erläutern.

Um die Leistung eines Wissenschaftlers zu würdigen, sollte dabei schon erwähnt werden, welche Schwierigkeiten er zu überwinden hatte und was er erdenken konnte. Allerdings stößt man im Rahmen eines solchen Buches, welches ja die gesamte mathematische Entwicklung abdecken soll, manchmal an Grenzen. So ist insbesondere die Mathematik des 20. Jahrhunderts oft nur schwer in kurze Worte zu fassen. Die Leser mögen es also verzeihen, wenn an einigen Stellen Fachbegriffe nicht näher erläutert werden. Das Buch enthält auch ein paar – wenige – Formeln, die aber nicht abschrecken sollen, sondern vielleicht dem ein oder anderen technisch Interessierten zur Erläuterung dienen. Nicht so »formelsichere« Leser können jedoch getrost darüber hinweglesen.

Die Auswahl der Bedeutendsten Mathematiker ist natürlich bis zu einem gewissen Grad subjektiv. Sicherlich hätten auch viele andere, die hier nicht aufgeführt werden, genauso einen Platz darunter verdient. Die Einschränkung auf ein Buch ließ leider keine größere Würdigung der Mathematik des antiken Griechenlands zu. Auch für die Zeit des Mittelalters sind nur ganz wenige Vertreter aufgeführt. Gerade die Geschichte dieser langen »Epoche« wird momentan von den Historikern neu geschrieben, so dass wir dem sogenannten dunklen Zeitalter vermutlich größeren Respekt zollen müssen, als man jemals annahm. Ebenso müssen wir die großartigen Leistungen der chinesischen Mathematik außen vor lassen. Da aber besonders die mathematische Entwicklung während des 19. Jahrhunderts unsere heutige Mathematik maßgeblich geprägt hat, wird dieser Zeitraum hier ausführlich beleuchtet. Und trotzdem legen wir auch dabei Schwerpunkte, nämlich auf die Fortschritte der Analysis und der Algebra; deshalb können wir wiederum die großartigen Leistungen der Geometer Steiner, Plücker, Poncelet und anderer nicht würdigen. Bei den Mathematikern des 20. Jahrhundert haben wir uns fast ausschließlich auf die Zeit vor 1960 beschränkt. Denn einerseits wird sich die langfristige Bedeutung neuerer Arbeiten erst im Laufe der Zeit zeigen, andererseits würden wir zu vielen nicht erwähnten Wissenschaftlern unrecht tun, da wir uns aufgrund der unglaublichen Fülle an neuen Ergebnissen auf einen ganz geringen Teil beschränken müssten.

Grundsätzlich gibt es für die Entdeckung mathematischer Wahrheiten kein Patentrezept. So entdecken wir unter den Bedeutendsten Mathematikern Einzelkämpfer wie Gauß und Poincaré, die ihre großartigen Sätze alleine im stillen Kämmerlein bewiesen haben, stoßen aber auch auf Typen wie Erdös, die für ihre Wissenschaft ein weltumspannendes Netzwerk an Kollegen aufgebaut haben. Weiterhin zeigen sich bei den grundsätzlichen Haltungen gegenüber der Mathematik ganz unterschiedliche Ansichten unter den bedeutendsten Mathematikern. Am deutlichsten wird dies in der legendären Forschungsgemeinschaft von Hardy, Littlewood und Ramanujan. Hier stoßen innerhalb einer kleinen Gruppe die verschiedensten Charaktere zusammen. Während sich nämlich Hardy zu mathematischer Ästhetik bekannte, war Littlewood eher der unerschrockene Formelmanipulator und nochmals ganz anders Ramanujan, der tief gläubig die Mathematik im Traum von seiner Göttin eingegeben bekam. Ebendiese unvorhersagbaren Wege zur Mathematik sind das, was sie so spannend macht: Wir hoffen, Sie erfreuen sich am Lesen!

Berlin/Bayreuth im März 2007

Stephanie Fröba

Alfred Wassermann

THALES VON MILET

(624–547 v. Chr.)

Mit Thales von Milet entfaltete sich die zunächst nur praktisch orientierte Mathematik zur Wissenschaft. Noch vorher, in Babylon, dienten mathematische Berechnungen ausschließlich dem alltäglichen Leben, zum Beispiel der Baukunst oder der Verwaltung. Dementsprechend konzentrierte sich sowohl die Geometrie als auch die Algebra auf das Finden von Rechenverfahren und Lösungswegen. Ob deren Richtigkeit jedoch bewiesen werden konnte, blieb nebensächlich.

Genau darin unterscheidet sich aber die griechisch-hellenistische Mathematik in ihrer ersten Periode von der babylonischen Mathematik. Denn im sechsten Jahrhundert v. Chr. fand aus mathematischer Sicht die Geburt des Beweises statt.

Der Vater dieses Kindes ist nach antiken Überlieferungen Thales aus dem ionischen Stadtstaat Milet. Ihm wird der Beweis des folgenden Satzes zugeschrieben: Ein Dreieck, dessen längste Seite der Durchmesser eines Kreises ist, ist genau dann rechtwinklig, wenn der dritte Punkt auf dem Kreisbogen liegt. Hierbei handelt es sich um den heute allseits bekannten Thaleskreis.

Doch diese Zuordnung zu Thales ist genauso wenig nachweisbar wie die Annahme, dass der Satz über die Gleichheit der Basiswinkel des gleichschenkligen Dreiecks und der Satz über die Halbierung einer Kreisfläche durch jeden Kreisdurchmesser von ihm bewiesen wurden. Jedenfalls ist jegliche Existenz von einer thalesischen Schrift unbekannt, so dass wir unser Wissen über Thales nur von Dichtern und Philosophen wie Plato beziehen können. Deswegen bleibt seine tatsächliche mathematische Bedeutung letztendlich irgendwo im Dunklen.

Nichtsdestotrotz hat er sich mit dem nach ihm benannten Thaleskreis einen festen Platz in den Köpfen der Allgemeinheit geschaffen. Denn wer kennt jenen Satz nicht noch aus der Schule – sei es auch nur dem Namen nach?

Weitaus höher ist sicherlich Thales‘ philosophische Haltung einzustufen. Er war nicht nur einer der Ersten, der überhaupt begann, lästige Fragen an das Leben zu stellen, sondern gilt sogar als Stammvater der materialistischen ionischen Naturphilosophie. Dieser gehörte später kein Geringerer als der große Heraklit von Ephesos an.

Im Wesentlichen basierte die Weltanschauung des Thales von Milet auf einer rationalen Erklärung der Weltentwicklung, welche folglich die Götter als Urgrund der Welt ausschließt. Stattdessen glaubte der Mileser, dass das Wasser der Urstoff und damit das Grundelement des Lebens sei. Entscheidend dabei war die Konzentration auf das Wesen der Erscheinungen. Diese Perspektive begann mit Thales von Milet und wurde von da an zur weitverbreiteten Tendenz im Denken der griechischen Antike. Zusammen mit Anaximander und Anaximenes, beide ebenfalls aus Milet stammend, steht Thales schließlich für die milesische Aufklärung und damit für den Anfang der bedeutsamen griechischen Philosophie.

Auch die Persönlichkeit von Thales wurde wohl am besten dem Klischee eines Philosophen als dem eines Mathematikers gerecht, denn er galt laut Plato als etwas schlampig, sehr zerstreut und ein wenig wunderlich. Mit dem Bild eines Muster-Mathematikers hingegen assoziieren wir wohl eher Eigenschaften wie Perfektionsgier, Strenge und Genauigkeit. Jedoch muss eine derartige Vorstellung von Mathematikern keinesfalls zutreffend sein. Denn fraglich ist doch immer, ob es überhaupt die typische Mathematiker-Persönlichkeit gibt oder nicht.

Die Kenntnisse über Thales von Milet genügen leider nicht, um diese Frage auch nur ansatzweise zu beantworten. Allerdings gibt es zahlreiche ungesicherte Legenden über seine Person. Er soll vor allem weit herumgekommen sein, unter anderem nach Ägypten. Wie die Reisen eines jeden Weisen oder Wissenschaftlers, dienten sie auch Thales der Bereicherung seiner Kenntnisse, welche speziell bei ihm mathematischer und astronomischer Natur waren.

Etwas intimer und deshalb vielleicht auch interessanter zu erfahren, ist eine Anekdote aus dem Privatleben des Thales. Einst fragte man ihn nämlich, weshalb er keine Kinder zeugen wolle, woraufhin er die weise Antwort gab: »Aus Liebe zu den Kindern!« Demzufolge hat Thales seine eigene Lebensweise wohl so eingeschätzt, dass sie für Kinder, aber auch für jeden Zweiten an seiner Seite, kaum ertragbar wäre.

PYTHAGORAS VON SAMOS

(~580–500 v. Chr.)

Pythagoras ist ebenfalls einer der Mathematiker, dessen Namen wohl jeder bereits aus dem Schulunterricht kennen dürfte. Mit ihm verbinden wir vor allem die Formel a2 + b2 = c2, die sich noch mit der Leichtigkeit der Mittelstufen-Mathematik in unser Gedächtnis geprägt hat. Doch wer weiß darüber hinaus, dass Pythagoras auf der Mittelmeerinsel Samos um 580 vor Christus als Sohn eines Gemmenschneiders, also eines Edelsteinschleifers geboren wurde? Obwohl jegliches Wissen über sein Leben aus Textquellen stammt, die erst im dritten oder vierten Jahrhundert vor Christus verfasst wurden, kann man dennoch sicher sagen, dass er wirklich existiert hat. Ähnlich wie zuvor bei Thales, ist auch bei Pythagoras vieles ungewiss, vor allem was seine tatsächliche mathematische Leistung betrifft.

Den Quellen zufolge floh Pythagoras von der Insel Samos, als sie durch die Perser bedroht wurde. Seine Flucht führte ihn zuerst in Richtung Osten übers Meer nach Milet. Dort war es wiederum Thales, der sein mathematisches Talent erkannte. Deshalb wies Letzterer den jüngeren Pythagoras schließlich auf die phönizischen sowie ägyptischen Wissensschätze hin, woraufhin der neu entdeckte Begabte seine Reise fortsetzte, nach Phönizien. Dort blieb er sehr lange Zeit. Die Mysterien verschiedenster religiöser Kulte hatten Pythagoras in ihren Bann gezogen und banden ihn an Phönizien. Von dort aus ging er nach Babylon, wo er zwölf Jahre blieb. Zu diesem Zeitpunkt hatten die babylonische und altägyptische Mathematik und Astronomie noch den höchsten Rang inne. Auch Pythagoras musste erkennen, wie hoch entwickelt diese Wissenschaft bereits war. Nachdem er schließlich auch Babylon verlassen hatte, um sich im süditalienischen Croton niederzulassen, begann die Phase im Leben des Pythagoras, die nicht nur aus mathematischer Sicht am effektivsten gewesen ist, sondern aufgrund der Lebensführung für uns auch am spannendsten bleibt.

In Süditalien nämlich gründete Pythagoras, der von den phönizischen Kulten scheinbar nachhaltig geprägt war, eine religiöse Sekte. Aufgrund des raschen Erreichens einer ungewöhnlich starken politischen Macht des pythagoreischen Ordens wurde man schon bald vertrieben und floh nach Metapontum, was ebenso in Süditalien liegt. Unter den Sektenmitgliedern waren unter anderem auch einige bedeutende Philosophinnen. Zusammen mit den Übrigen lebten diese streng nach der Sektenlehre. Sie charakterisierte sich grundsätzlich durch Mäßigung des Lebens. Zum Beispiel herrschte eine Kleiderordnung, das Angesicht des Meisters durfte nicht erblickt werden, und auf Fleisch musste verzichtet werden. Deshalb ist vermutlich die Erzählung, dass Pythagoras nach Erbringen des Beweises des Satzes zum rechtwinkligen Dreieck den Göttern mit einem Tieropfer dankte, nicht mehr als eine Erfindung. Somit trägt sie auch nichts dazu bei, die Zuschreibung jenes Satzes an Pythagoras sicherzustellen oder zumindest gewisser zu machen. Wer den Beweis tatsächlich erbrachte, verharrt im Verborgenen.

Hintergrund der strengen, gemäßigten Lebensführung innerhalb des Geheimbundes war der Glaube an ein Weiterleben der Seele nach dem Tod. Aus Sicht der griechischen Antike war das zu diesem Zeitpunkt sehr ungewöhnlich. Weniger selten aber war die Existenz eines solchen Bundes überhaupt – sie waren zahlreich vorhanden. Allerdings zeichneten sich die Pythagoreer durch ihre Affinität zu Zahlen besonders aus. Sie betrieben und erforschten die Mathematik jedoch nicht um der Wissenschaft willen. Vielmehr glaubten sie fest daran, dass sie durch die Versenkung in das Reich der Zahlen mystische Erlebnisse oder Zugang zum Transzendenten – dem großen Ganzen – hätten. Mathematik war ein Mittel zum religiösen Zweck und außerdem ein absolutes Ideal.

Dabei zeichnete sich die Zahlentheorie nach Pythagoras durch die besondere Auffassung einer Zahlensymbolik aus. Man glaubte, dass in den Prinzipien der Zahlen auch die Prinzipien der Dinge lägen, wobei Erstere die ursprünglicheren darstellten. Während Thales noch der Meinung war, alles entstehe aus dem Wasser, so war bei Pythagoras die Welt im wesentlichen Zahl. Und die einzelnen Elemente aller weltlichen Dinge glichen somit den Elementen der Zahlen. Ferner sei der gesamte Himmel Harmonie und Zahl gewesen (nach Aristoteles, über die Pythagoreer). Letztere wurde also nahezu göttlich verehrt, insbesondere die 10. Ähnlich wie in der Heiligen- oder Göttervorstellung wurden den Zahlen bestimmte Eigenschaften und Absichten zugeschrieben, wonach sie also Handlungsspielraum besaßen, eben ganz wie Personen. Außerdem stammt die auch heute noch gängige Einteilung der Zahlen in ungerade und gerade von den Pythagoreern. Interessanterweise galten dabei ungerade als gut, hell und deshalb männlich, gerade hingegen als schlecht, dunkel und weiblich. Nennenswert bleibt zuletzt, dass diese Einteilung nur für Zahlen größer als 1 vorgenommen wurde, da man beispielsweise negative Zahlen bei Pythagoras nicht als Zahlen einstufte. Dieses Zahlenverständnis sollte noch über viele weitere Jahrhunderte erhalten bleiben.

Allein dieses mystische Programm der pythagoreischen Sekte reicht noch zu keinem mathematischen Verdienst aus. Sieht man davon ab, leisteten Pythagoras und seine Anhänger eine Unterscheidung der Zahlen in der Ebene in Dreiecks-, Quadrat-, Rechteck- und Fünfeckzahlen. Durch experimentelles Legen auf Sandbrettern fand man schließlich die Summationen einfacher Reihen.

Am populärsten jedoch ist die von Pythagoras durchgeführte Anwendung des arithmetischen, geometrischen sowie harmonischen Mittels auf die Musiktheorie. Mit der goldenen Proportion a : H = A : b gelangte er zu weiteren Zahlenspekulationen. So entstand auch das Pentagramm, ein regelmäßiges Fünfeck, dessen Diagonalen sich im Verhältnis des goldenen Schnittes teilen. Es wurde sogar zum Ordenszeichen der Pythagoreer.

Ebenjenen schien der mathematische Erfolg keineswegs gutzutun, da sie ihn zum Anlass nahmen, ihr Zahlen-Ideologiegebäude weiter auszubauen. Die sogenannte arithmetica universalis sollte das Geschehen der Welt in rationalen Zahlen ausdrücken. Umso ernüchternder war wohl die Entdeckung der pythagoreischen Schule, dass es zum Beispiel bei den Diagonalen im Einheitsquadrat irrationale Zahlen gibt. Damit brach die arithmetische Universalerklärung in sich zusammen; deshalb wurde Hippasos, der Entdecker der irrationalen Zahlen, auch unmittelbar aus dem Geheimbund ausgeschlossen. Man erzählt sogar, dass die Pythagoreer einen Schiffsbruch inszeniert haben, um ihn so zu ermorden.

Dennoch war jene Erkenntnis über die Irrationalität von Zahlen auf lange Sicht ein Fortschritt für die Mathematik – mehr vielleicht als alles andere aus der pythagoreischen Schule. Natürlich bedeutete jene neue Entdeckung damals zunächst eine mathematische Krise, jedoch ist es gerade dieser Zustand, der die Mathematik wachsen und fortschreiten lässt. Viel mehr noch lebt die Wissenschaft von ihren ganz großen Krisen. Hippasos‘ Entdeckung der irrationalen Zahlen war eine davon und schrie nach einer Lösung!

Der anfangs erwähnte Satz des Pythagoras a2 + b2 = c2 hat eine mindestens genauso große Bedeutung für die Mathematik, nämlich für die analytische Behandlung der Geometrie, die im 17. Jahrhundert mit Descartes und Fermat begann. Allerdings weiß man mittlerweile, dass ebendieser Satz schon lange vor Pythagoras den Babyloniern bekannt gewesen ist.

EUKLID VON ALEXANDRIEN

(365–300 v. Chr.)

Von Euklid von Alexandrien ist eines in keinem Fall wegzudenken, nämlich seine Elemente. Sie gehören zu den populärsten Büchern der Menschheitsgeschichte. Über zwei Jahrtausende nach seinem angenommenen Entstehungsdatum im Jahre 325 v. Chr. wurde es immer noch als Mathematik-Lehrbuch in den Schulen eingesetzt. So lange galten die Euklidschen Elemente unumstritten als die Grundlage der Mathematikausbildung schlechthin. Im Gegensatz zum vorherigen Geschehen in der antiken Mathematik liegt mit diesem großen Werk des Euklid von Alexandrien eine schriftliche Abhandlung vor, die auch eindeutig seinem Urheber zugeordnet werden kann. Jedoch handelt es sich bei den Elementen nicht um eine Zusammenfassung eigener Forschungsergebnisse Euklids selbst, sondern um eine Arbeit, die den nahezu gesamten mathematischen Stoff der Antike aufarbeitet und streng systematisch anordnet. Genau darin lag die vorzügliche Leistung jenes Mathematikers.

Da von Euklids Leben sehr wenig überliefert ist – man weiß nicht einmal, wo er geboren wurde –, lohnt es sich umso mehr, sofort in die Elemente einzusteigen. Alle der insgesamt 13 Bücher zeigen, dass Euklid unter dem Einfluss des so wichtigen antiken Philosophen Aristoteles stand, weil hier nämlich zu Beginn jeweils Definitionen und Postulate aufgeführt werden, die sich streng nach der aristotelischen Logik richten. Bei den Definitionen handelt es sich um Beschreibungen ohne jegliche anschauliche Erklärung, womit Euklid in den Elementen aus voller Überzeugung auf jegliche Anwendung verzichtet. Dies wiederum gestaltete sich im Sinne Platons idealistischer Auffassung der Mathematik, von welcher Euklid in den Anfängen seiner wissenschaftlichen Tätigkeit geprägt worden war. Schließlich gibt es die Vermutung, er habe die platonische Akademie in Athen besucht, noch bevor er aufgrund von Kriegswirrungen nach Alexandrien geflohen war. Eine Verbildlichung des Einflusses Platons und seiner Lehre auf den Mathematiker liefert eine treffliche Anekdote zu Euklids Zeit in Alexandrien. Ihr zufolge fragte ihn einst ein Hörer seines Unterrichtes, welchen Nutzen er denn davon habe, geometrische Lehrsätze zu lernen. Weil für Euklid jede Anwendung der Mathematik auf die Praxis einer Verderbnis glich, reagierte er dementsprechend verachtend. So beauftragte der Lehrer einen Sklaven, er solle dem Schüler eine Münze bringen, damit dieser armselige Mensch einen Nutzen von seinem Studium habe. Diese beachtliche Konsequenz im mathematischen Idealismus, die durch die Geschichte veranschaulicht und in den Elementen durchgeführt wird, wurde dann 2200 Jahre später von David Hilbert vollends auf die Spitze getrieben, und zwar mit seinen 1899 verfassten Grundlagen der Geometrie.

Inhaltlich sind die Elemente des Euklid in vier Bereiche untergliedert. Die Bücher eins bis drei gehören zu den planimetrischen Büchern und gehen auf die Quellen der ionischen Periode, besonders auf die Pythagoreer, zurück. Auch Buch fünf und Buch sechs fallen noch in den Bereich Planimetrie, allerdings lehnt sich Ersteres an die Mathematik des Eudoxus. Die Quelle des sechsten hingegen ist gänzlich fraglich. Euklid betitelte die planimetrischen Bücher wie folgt der Reihe nach: Vom Punkt zum Pythagoreischen Lehrsatz; Geometrische Algebra; Ein- und umschriebene regelmäßige Vielecke; Ausdehnung der Größenlehre auf Irrationalitäten; Proportionen, Anwendung auf Planimetrie.

Um einen konkreten inhaltlichen Einblick in die euklidsche Arbeit zu erhalten, die, wie man sehen wird, noch sehr lange die wesentliche Diskussion der Mathematik darstellen sollte, muss man die den Definitionen folgenden fünf Postulate kennenlernen:

1. Jeder Punkt darf mit jedem Punkt durch eine Strecke verbunden werden.

2. Jede begrenzte Linie darf geradlinig zusammenhängend verlängert werden.

3. Man darf Kreise mit beliebigem Durchmesser und Mittelpunkt ziehen.

Dabei dienten außerdem nur Lineal und Zirkel als Konstruktionshilfsmittel.

4. Alle rechten Winkel sind gleich.

5. Das Parallelenpostulat behauptet, dass, »wenn eine gerade Linie beim Schnitt mit zwei geraden Linien bewirkt, dass, wenn auf derselben Seite entstehende Winkel zusammen kleiner als zwei rechte werden, dann die zwei geraden Linien bei Verlängerung ins Unendliche sich treffen auf der Seite, auf der die Winkel liegen, die zusammen kleiner als zwei rechte sind«.

Den Postulaten folgen neun Axiome, die zusammengenommen die logischen Voraussetzungen sind, auf deren Basis weitere Schlüsse zulässig sind. Gerade das letzte Postulat besaß ein so großes Diskussionspotenzial, dass es jahrhundertlang bis ins 18. Jahrhundert die Mathematiker an ihre Schreibtische zwingen sollte. Denn im Kontrast zu den übrigen vier Postulaten, erscheint das fünfte nicht offensichtlich zu sein. Bereits Euklids Zeitgenosse Ptolemaios versuchte, das letzte Postulat mittels der anderen zu beweisen, was ihm wie vielen Mathematikern nach ihm nicht gelingen sollte. Schließlich erwies es sich um 1800 als unabhängiges Postulat. Dennoch erbrachte der lange Prozess jener Beweisversuche die Entdeckung anderer Postulate, die in Äquivalenz zu dem fünften Euklidschen stehen. Somit erhielt die streng aufgebaute Euklidsche Geometrie gewissermaßen eine austauschbare Variable. Solche äquivalenten Postulate fanden beispielsweise Wallis, Legendre und Gauß. Dieser hatte sich darüber hinaus darauf konzentriert, eine widerspruchsfreie Geometrie zu finden, die dem fünften Euklidschen Postulat widerspricht. Ob Gauß das tatsächlich gelang, wird sich hier noch zu einem späteren Zeitpunkt herausstellen.

Der letzte Teil der Elemente widmet sich der Elementaren Stereometrie, der Exhaustionsmethode bei Kegel, Pyramide und Kugel sowie regulären Polyedern. Inhaltlich gehen diese ebenfalls auf die ionische Periode zurück. Den größten Einfluss für die Mathematik verübten neben dem ersten Teil der Elemente aber die mittleren beiden Teile, die sich mit Zahlentheorie und Irrationalitäten befassen. Darin erscheint zum ersten Mal der Euklidische Algorithmus. Dieses Verfahren zur Berechnung des größten gemeinsamen Teilers wird auch heute noch im Wesentlichen unverändert eingesetzt. Weiterhin kommt in jenen beiden Teilen vor allem der Beschreibung der Primzahlen weittragende Bedeutung zu.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Mathematik wird eine Behauptung über die Primzahlen gemacht, die von einer herausragend genauen Argumentationskette gekräftigt wird. Es handelt sich dabei um die These, dass es unendlich viele Primzahlen gebe. Doch wie erkannte Euklid diese Wahrheit über Primzahlen damals? Zunächst sei in Erinnerung gerufen, dass Primzahlen immer nur durch sich selbst sowie durch 1 teilbar sind. Außerdem hatte die griechische Mathematik zu dem Zeitpunkt, als Euklid sich den Primzahlen widmete, bereits bewiesen, dass sich jede natürliche Zahl als Produkt von Primzahlen darstellen lässt. Bei Unendlichkeit der Zahlen müssten dann ebenso von jenen Faktoren unendlich viele existieren – so war die zu beweisende Aussage. Bereits beim Durchrechnen aller Produkte aus den Primzahlen 2, 3, 5 und 7 stieß Euklid auf Lücken, also auf Zahlen innerhalb dieser begrenzten Menge von 2 bis 210, die nicht durch die obigen Primzahlen faktorisierbar sind. Das Resultat der Rechnung war infolgedessen eine notwendige Erweiterung der Primzahlen. Allerdings kann dieser mühsame Weg zur Ermittlung immer weiterer Primzahlen nicht lange gegangen werden und deshalb so nicht bewiesen werden, dass die Primzahlenkette unendlich weit geht. Doch Euklid hatte eine neue Idee, um die unendliche Anzahl der Primzahlen zu beweisen. Er multiplizierte die damals sicheren vier Primzahlen 2, 3, 5 und 7 miteinander und erhielt 210. Dazu addierte er 1 – wie sich zeigen wird: ein genialer Schritt! Das Ergebnis 211 ist nun also so konstruiert, dass es nicht durch eine der vier Primzahlen teilbar ist. Bei jeder möglichen Division durch die obigen Primzahlen bleibt schließlich ein Rest von 1. Deshalb muss es entweder weitere Faktoren zwischen 2 und 211 geben, die Primzahlen sind, oder das Ergebnis 211 ist selbst eine Primzahl. Hier trifft Letzteres zu.

Genau dieses euklidsche Verfahren ermöglicht, jede beliebige endliche Liste von Primzahlen um mindestens eine Primzahl zu erweitern, die eben nicht Teil der vorherigen Auflistung war. Zwar verrät die Zahlenkonstruktion Euklids noch gar nicht, um welche neue Primzahl oder um welche neuen Primzahlen es sich handelt, jedoch beweist sie die Unendlichkeit jener besonderen Zahlen eindeutig und auf geniale Weise. Wenn zur Endlichkeit immer mindestens ein weiteres hinzukommt, dann hebt sie sich auf und wird dadurch endlos zur Unendlichkeit. Letztlich setzte Euklid somit den Grundstein für die kommende »Never-ending-story« der Primzahlenforschung. Es wird sich noch zeigen, wie viele Mathematiker sich die Zähne daran ausbissen, eine Ordnung in das chaotische Auftreten der Primzahlen zu bringen. Auch Euklid kannte dafür kein strukturierendes Prinzip – nein – vielmehr ist er schuld daran, dass das Chaos nicht endet.

ARCHIMEDES VON SYRAKOS

(287–212 v. Chr.)

Der aus Syrakos stammende Mathematiker Archimedes hat vor allem mit dem Satz »Störe meine Kreise nicht!« an Popularität gewonnen. Vielleicht kennt man auch mehr die Aufforderung an sich, als dass man weiß, wer ihr Urheber war. Das schmälert zwar die tatsächlich große Bedeutung des antiken Mathematikers Archimedes keineswegs, nur hatte jener Ausruf unmittelbar für sein Leben eine tragische Folge. Denn Archimedes soll nämlich, während er nachdenklich Kreise in den Sand malte, gleich nach ebenjener Bitte an einen römischen Legionär von genau demselben ermordet worden sein. Man kann aber davon ausgehen, dass es ihm nicht leidtäte und er um Widerruf bitten würde, sofern er die Chance dazu hätte. Denn Archimedes liebte die Mathematik mehr als sein eigenes Leben – er war einer von denjenigen, die nahezu besessen waren! Sein ganzes Glück fand er in der Mathematik, welches ihn sogar Essen und Trinken nur allzu oft vergessen ließen. Wenn Archimedes dennoch ab und zu am Herd stand, malte er immer noch geometrische Figuren in die dort herumliegende Asche. Auf ähnliche Weise, wie er zum Essen gezwungen werden musste, scheuchte man ihn zum Waschen und Salben. Doch auch dabei ließ er nicht von seiner Leidenschaft ab und benutzte seinen eingesalbten Körper als Zeichenfläche.

Doch so sehr Archimedes auch von der Mathematik in ihren Bann gezogen wurde, so wenig war er interessiert daran, seine wissenschaftliche Arbeit schriftlich zu fixieren. Vielmehr waren es Freunde und Bekannte, die ihn dazu drängten. Sie hatten anscheinend schon damals realisiert, dass dieser Mann mathematische Schätze in sich trug, die für die Nachwelt von großer Bedeutung sein sollten. Aufgrund dieser Wertschätzung und Anerkennung vonseiten der zeitgenössischen Außenwelt sind auch so viele der Schriften des Archimedes erhalten geblieben.

Zu den größten Leistungen jenes Besessenen zählen einerseits die Ausprägung sowie die einzelnen Errungenschaften einer gänzlich neuen Disziplin – der mathematischen Physik –, außerdem die wichtigen Erkenntnisse auf einem rein mathematischen Gebiet, nämlich auf dem der Integralrechnung.

Bei Letzterem wird Archimedes insbesondere von dem Mathematiker Eudoxus und dessen Ausschöpfungsmethode für Flächenberechnungen inspiriert. In gewisser Weise setzte er die Ausmessungslehre krummlinig begrenzter Flächen des Eudoxus fort und gelangte zu neuen Ergebnissen auf demselben Gebiet. Doch auch Zenon und Anaxagoras hatten bereits vor Archimedes eine Vorstellung des unendlich Kleinen und somit bereits den unerlässlichen Ansatz für die Integralrechnung vorgegeben. Wiederum in der Tradition des Eudoxus übernahm Archimedes die Methode des indirekten Beweises. Dabei folgten die Sätze immer strenger Logik und mathematischer Gültigkeit.

Aus dem regen Briefkontakt mit dem zeitgenössischen Mathematiker-Kollegen Eratosthenes geht hervor, dass Archimedes seine geometrischen Erkenntnisse sehr oft mittels mechanischer Anschauung gewonnen hat. Mechanik und Statik bestehen auch ohne die strenge Beweiskraft der Mathematik und dienen dem Mathematiker deshalb, sich einen Begriff von der zu beweisenden Sache zu machen. Diesen Zusammenhang beschrieb Archimedes in seinem Werk der Methodenlehre. Also nutzte er die Geschenke der mechanischen Anschauung ganz bewusst für seine Beweise und stellte sich gerade somit gegen die Protagonisten der mathematischen Tradition. Sowohl Pythagoras als auch Euklid wehrten sich ja vehement gegen jegliche Anschaulichkeit, weil sie der Meinung waren, diese würde den Idealen der Mathematik schaden. Archimedes hingegen demonstrierte zum Beispiel mit der Quadratur des Parabelsegments, dass der Einbezug der Mechanik einen mathematischen Profit darstellt. Bei dem genannten Beispiel dienten die Verhältnisse an der Waage, um zu einem Beweis zu gelangen. Wie erfolgreich und wichtig dieses nahezu revolutionäre Verfahren des Archimedes gewesen ist, vermittelt besonders die Tatsache, dass die Quadratur von Parabelsegmenten, also die Flächenbestimmung des von einer Parabel und einer Geraden eingeschlossenen Gebiets, zu den überhaupt ersten exakt gelösten Quadraturproblemen zählt. Insofern brachte Archimedes also einen wesentlichen Fortschritt für die antike Mathematik.

Die Kreiszahl π konnte Archimedes durch die genauen Grenzen und einschränken. Hierbei zeigt sich auch die für Archimedes so charakteristische moderne Strenge, insofern er im Gegensatz zu anderen Mathematikern seiner Zeit nicht einen Näherungswert angab, sondern mathematisch beweisbare Abschätzungen nach unten und nach oben lieferte. Für π schaffte er dies, indem er den Kreis durch reguläre 96-Ecke von innen und von außen annäherte.

Mithilfe seiner revolutionären Integralrechnung untersuchte Archimedes ferner rotationssymmetrische Figuren, das heißt, er erforschte den dreidimensionalen Körper, der entsteht, wenn eine Ellipse sich um eine Achse dreht. Daneben beschäft igtesich Archimedes mit Spiralen und bestimmte deren Tangenten.

Archimedes selbst betrachtete aber nicht so sehr die Integralrechnung als seine größte Errungenschaft, sondern vielmehr seine Ergebnisse zu Zylinder und Kugel. Dabei zeigte er, dass das Volumen eines Zylinders zwei Drittel des Volumens der kleinsten Kugel, die den Zylinder umfasst, beträgt. Umgekehrt, also für den Zylinder, der die Kugel umschließt, gilt das gleiche Verhältnis. Schließlich wünschte er sich, dass auf seinem Grabstein genau diese Figur abgebildet würde. Und tatsächlich konnte Cicero 75 v. Chr. das verfallene Grab von Archimedes aufgrund dieser Abbildung entdecken. Im Zusammenhang jener Lieblingsergebnisse des Archimedes muss aber auch erwähnt werden, dass er dabei beachtlicherweise in der Lage war, die Fläche jedes Kugelsegments zu bestimmen.

Weiterhin wird berichtet, dass Archimedes Ägypten bereiste und dort die Archimedische Schraube erfand, die heute noch zur Bewässerung von Feldern eingesetzt wird. Daher bringt man heute vielleicht diese Leistung am meisten mit Archimedes in Verbindung. Den Kontakt zu Mathematikern in Alexandria hielt Archimedes noch lange Zeit nach seinen Reisen, indem er ihnen neue Resultate zusandte. Um Plagiaten vorzubeugen, schickte er jedoch nur die Ergebnisse ohne die dazugehörigen Beweise. Manchmal fügte er zur Sicherheit auch falsche Resultate hinzu, um die Kollegen zu verunsichern. Wegen dieser Reise geht man außerdem davon aus, dass Archimedes das Werk Euklids genau kannte. In Syrakos, dem heutigen Syracusa auf Sizilien, war er mit dem König Hieron II. freundschaftlich und verwandtschaftlich verbunden.

Aus Überlieferungen wissen wir außerdem, dass Archimedes schon zu Lebzeiten ein allgemein bekannter Mann war. Dies beruhte weniger auf seinen mathematischen Entdeckungen als vielmehr auf seinen praktischen Erfindungen, speziell von Kriegsgeräten. So wird von seinen Hebeln, Flaschenzügen, Brennspiegeln, Wurfmaschinen und anderen Verteidigungsmaschinen berichtet. Für Archimedes selbst scheinen allerdings gerade seine populärsten Anwendungen nur der eigenen Unterhaltung während der geometrischen Untersuchungen gedient zu haben. Denn tatsächlich interessiert war er eigentlich hauptsächlich an reiner Mathematik.

In Über schwimmende Körper legte Archimedes den Grundstein für die Entwicklung der Hydrostatik. Darin ist das berühmte Archimedische Prinzip enthalten, mit dem das Gewicht eines Objekts, das in einer Flüssigkeit schwimmt, bestimmt werden kann. Die Legende erzählt, dass Archimedes dieses Prinzip entdeckte, während er in der Badewanne saß und darüber grübelte, wie er nachweisen konnte, dass bei einer Krone des Königs mit billigem Metall Gold gespart worden war. Nach seiner Entdeckung ist Archimedes angeblich, laut »Heureka« (»ich hab’s«) rufend, nackt zu seinem König gelaufen. In Über schwimmende Körper geht es aber auch um die Stabilität verschieden geformter Körper in einer Flüssigkeit.

Letztlich beschäftigte Archimedes sich in einem weiteren Werk, der Sandrechnung, mit der Anzahl der Sandkörner, die in unserer Welt Platz haben. Dazu baute er ein Zahlensystem auf, mit dem er mit Zahlen bis zur Größenordnung 1064 umgehen konnte. Auch hier zeigt sich Archimedes‘ Brillanz nicht nur im Gehalt seiner Entdeckungen, sondern auch in der Einfachheit und Klarheit der Darstellung.

All die mathematischen Werke des Archimedes gerieten jedoch nach seinem Tod schnell in Vergessenheit, lediglich Heron, Pappus und Theon in Alexandria bezogen sich auf ihn. Erst durch Eudocius wurden seine Werke 600 n. Chr. wieder in größerem Umfang bekannt und Abschriften angefertigt. Aufregung haben in letzter Zeit die Archimedischen Palimpseste hervorgerufen. Die Werke des Archimedes wurden vor allem von der Schule von Leo, dem Geometer, in Konstantinopel ab dem 9. Jahrhundert studiert. Diese florierende Zeit Konstantinopels wurde jedoch durch den vierten Kreuzzug beendet, als die Stadt erobert wurde. In der darauffolgenden Zeit wurde das Pergament der alten Schriften benötigt und mit Gebetstexten überschrieben. Einer davon wurde im 19. Jahrhundert bei Bethlehem als Palimpsest erkannt, wo er sich wohl seit dem 16. Jahrhundert befand. Danach gelangte der Text nach Jerusalem, und 1906 erkannte der Archimedes-Spezialist Heiberg schließlich, dass bedeutende Original-Werke des Archimedes darin verborgen lagen. Die Werke wurden damals fotografiert, verschwanden aber kurz darauf. Erst 1998 tauchten sie bei einer Auktion bei Christie’s stark beschädigt wieder auf. Ein unbekannter Bieter ersteigerte sie und übergab sie einem Museum in den USA, wo sie nun weiter mit modernen Methoden erforscht werden.

APOLLONIUS VON PERGE

(ungefähr 262 v. Chr.–190 v. Chr.)

Apollonius war bekannt als der »große Geometer«. Auf ihn gehen die Begriffe Ellipse, Parabel und Hyperbel zurück. Über sein Leben ist allerdings nicht sehr viel bekannt.

Apollonius wurde in Perge, dem heutigen Murtana bei Antalya in der Türkei, geboren. Als junger Mann ging Apollonius nach Alexandria, studierte bei Euklid und lehrte dort später auch. Er besuchte Pergamon, wo es eine Universität und eine Bibliothek nach dem Vorbild Alexandrias gab.

Obwohl Apollonius viele Schriften verfasste, ist er fast ausschließlich durch sein achtbändiges Werk Conica über die Kegelschnitte bekannt. Davon sind allerdings nur die ersten vier Bände im griechischen Originaltext erhalten. Von den Bänden V bis VII existieren noch arabische Übersetzungen, während Band VIII ganz verloren gegangen ist. Folglich konnte dessen Inhalt nur aus den Arbeiten späterer Autoren teilweise rekonstruiert werden.

Als Kegelschnitte bezeichnet man die Kurven, die sich aus dem Schnitt eines Kegels mit einer Ebene ergeben. Je nach Winkel zwischen Ebene und Kegel ergeben sich Ellipsen, Hyperbeln oder Parabeln. In den ersten vier Bänden der Conica ist das Wissen der damaligen Zeit über Kegelschnitte zusammengetragen. Die anderen vier wiederum enthalten die Forschungsergebnisse von Apollonius selbst. Damit gelang es ihm, weit über die Geometrie von Euklid hinauszugehen. Ferner konnten seine Ergebnisse erst ab dem 17. Jahrhundert erneut verbessert werden. Faszinierend daran ist vor allem, dass ihm seine Erkenntnisse ohne die heutigen Hilfsmittel, wie das algebraische Rechnen oder die Verwendung von Koordinaten und Funktionsgraphen, gelungen sind.

Des Weiteren gibt es Hinweise, dass Apollonius noch sechs weitere Bücher geschrieben hat. Eines davon, De Locis Planis, wurde im 17. Jahrhundert von Fermat rekonstruiert. Andere existierten noch in arabischen Übersetzungen, sind aber heute verloren. In einem zweibändigen Werk über Tangentenprobleme wird das Apollonische Berührungsproblem behandelt: »Konstruiere alle Kreise, die drei gegebene Kreise berühren«. Auch in der Astronomie hat Apollonius wichtige Beiträge geliefert. Durch ihn wurde das Modell der Epizyklen verbreitet, welches allerdings schon vor seiner Zeit bekannt gewesen ist. Darin bewegen sich die Sterne auf Kreisbahnen, deren Mittelpunkte sich wieder auf der Bahn eines Kreises bewegen, in dessen Mittelpunkt sich die Erde befindet. Dieses Modell wurde am Ende der Wegbereiter für das Ptolemäische Weltbild.

DIOPHANTUS VON ALEXANDRIA

(ungefähr 200–280)

Diophantus, der oft als »Vater der Algebra« bezeichnet wird, ist hauptsächlich bekannt durch sein Werk Arithmetica. Darin behandelt er die Lösung algebraischer Gleichungen und Zahlentheorie. Unglücklicherweise ist nahezu überhaupt nichts über sein Leben bekannt – auch die oben angegebenen Lebensdaten sind mehr als vage. Zumindest lässt sich Diophantus‘ Leben in dem eingegrenzten Zeitraum von 150 v. Chr. bis 350 n. Chr. ansiedeln. Daneben ist ein Zahlenrätsel überliefert, in dem Diophantus als 84-Jähriger vorkommt.

Das Außergewöhnliche an Diophantus ist zunächst, dass sein mathematischer Stil ganz aus der griechischen Tradition herausfällt. Denn er arbeitete nicht mit geometrischen, sondern hauptsächlich mit algebraischen Mitteln. Typisch für Diophantus ist auch die Verwendung von Abkürzungen und Symbolen, also die Verwendung von Algebra-typischen Variablen. So hat er die bereits weitentwickelte babylonische Rechenkunst wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Möglicherweise stammte er sogar selbst aus Babylon. Immerhin wurden auf babylonischen Keilschrifttafeln Rechenaufgaben gefunden, deren Zahlenbeispiele sich mit denen der Arithmetica von Diophantus decken.

Die Arithmetica ist ein 13-bändiges Werk, in dem 130 Probleme gesammelt sind, die allesamt durch das Aufstellen und Lösen algebraischer Gleichungen mit einer oder mehreren Unbekannten angegangen werden müssen. Dazu gibt es teils eine Lösung, teils unendlich viele Lösungen. Dabei suchte Diophantus aber immer nur nach positiven rationalen Lösungen. Negative oder irrationale Lösungen erachtete er als absurd. Durch die Einschränkung auf positive Zahlen blieb es Diophantus letztlich verwehrt, eine systematische Theorie zu entwickeln, weil er zu viele Fälle unterscheiden musste. Gleichungen, von denen nur ganzzahlige positive Lösungen gesucht werden, heißen heute deshalb Diophantische Gleichungen. Eine typische Aufgabe der Arithmetica ist zum Beispiel, zwei Zahlen zu finden, deren Produkt und deren Summe gegeben sind.

Von den 13 Bänden der Arithmetica sind lediglich sechs erhalten. Die anderen scheinen bereits sehr früh verloren gegangen zu sein. Vor einigen Jahren wurden arabische Übersetzungen einiger Bände, die aus dem ausgehenden 8. Jahrhundert stammen, gefunden. Dabei ist immer noch ungeklärt, ob sich darunter bisher unbekannte Bände befinden.

Auch in der Zahlentheorie hatte Diophantus bereits fortgeschrittenes Wissen. So war ihm bekannt, dass sich jede positive ganze Zahl als Summe von vier Quadraten schreiben lässt, was schließlich erst im 18. Jahrhundert von Lagrange endgültig bewiesen werden konnte.

In Europa lernte man Diophantus erst durch Regiomontanus wieder kennen. In der Folge wurde 1621 von Bachet die erste lateinische Ausgabe der Arithmetica erstellt. Ebendieser Ausgabe gehörte auch Fermats Exemplar der Arithmetica an, in das er seine berühmten Randnotizen zur Zahlentheorie machte.

DAS MITTELALTER VON SUN TSU BIS KHAYYAM

Sun Tsu (400) aus China war einer der ersten Mathematiker, die sich mit dem Chinesischen-Reste-Satz beschäftigten. Dieser Satz hat heute in Anwendungen der Zahlentheorie, speziell der Datenverschlüsselung große Bedeutung.

Âryabhata (476 geb.)

Von den Mathematikern des mittelalterlichen Indiens sind nahezu keine Lebensdaten überliefert. Genauso verhält es sich bei Âryabhata, über dessen Leben nicht viel mehr bekannt ist als sein Geburtsjahr und -ort. Während die Angabe des Jahres 476 auf ihn selbst zurückzuführen sein soll, vermutet man, dass der Ort sich wohl in der Nähe von Pataliputra befunden hat, was auch ganz nah bei der damals weit bekannten Hochschule Nalanda lag.

Ganz sicher jedoch stammt das erste indische Mathematikwerk, von welchem der Verfasser bekannt ist, von Âryabhata. Dieses erschien in Versform, unter dem Titel Âryabhatiya, und behandelt ausschließlich astronomische und mathematische Fragen. Dabei setzt der Inhalt voraus, dass der Leser Kenntnis von der kurz vorher erschienenen Astronomieabhandlung Siddhatas hat. Wesentlich ist es aber ein Werk durchschnittlichen Niveaus, also vergleichbar mit dem des indischen Hochschulstoffs. Seine insgesamt 123 Stanzen hat Âryabhata außerdem in vier Teile untergliedert, die sich in deutscher Sprache etwa so nennen: Stanzen, Mathematik, Zeitrechnung und Das Himmelsgewölbe.

Weil nun die Âryabhatiya über 1000 Jahre lang einen mächtigen Einfluss auf die Fortentwicklung der indischen Mathematik haben sollte, lohnt es sich, einige der Fragestellungen des Buches hier nachzuvollziehen. Besonders auffällig in Âryabhatas Werk sind die verschiedenen Näherungswerte für π. So tritt zum Beispiel bei der Bestimmung des Kreisumfanges der Wert 62832/20000 auf, woraus sich π = 3,1416 ergibt, also ein ziemlich genauer Wert. Woanders wird π = 3,14166666 . . . verwendet, ein weiteres Mal erscheint der Wert 3,14146. Erstaunlicherweise wird hingegen bei der Näherungsformel für das Kugelvolumen von einem ganz anderen π-Wert ausgegangen, nämlich von 16/9.

Letztlich zeigt gerade dieser Wert, aber auch die gesamte Inkonsequenz im Umgang mit π ganz klar, wie ernorm damals noch die Schwierigkeiten waren, den genauen Charakter der Zahl π im Zusammenhang der Kreis- und Kugelberechnung zu bestimmen. Entscheidende Schritte auf diesem Gebiet der Mathematik waren Lamberts Nachweis der Irrationalität von π von 1761 sowie Lindemanns Aufzeigen der Transzendenz im Jahr 1882.

Der indische Mathematiker Brahmagupta (598–670) schrieb bedeutende Werke sowohl in der Mathematik als auch der Astronomie. Wichtig sind darunter vor allem zwei Bücher, nämlich Brahmasphutasiddhanta von 628 und Khandakhadyaka, welches von ihm 665 als 67-Jähriger geschrieben wurde.

Von Brahmagupta stammt die erste systematische Darstellung, wie mit negativen Zahlen und der Null gerechnet werden kann. Damit konnte er lineare Diophantische Gleichungen der Form ax+by=f für die Unbekannten x, y vollständig lösen. Brahmagupta war in der Lage, quadratische Gleichungen in zwei Unbekannten zu lösen. So bestimmte er die kleinste positive ganzzahlige Lösung der Gleichung x2–61y2 = 1. Diese lautet x = 1 766 319 049 und y = 226 153 980. Zur Berechnung nutzte er einen Vorläufer der Kettenbruchentwicklung, die erst 1768 von Lagrange ausführlich erforscht wurde. Des Weiteren beschäftigte sich Brahmagupta bereits mit Finanzmathematik, zum Beispiel mit der Bestimmung des Zinsfußes. Infolge seiner Arbeit an der Summation von Reihen gab er als Summe der Quadrate der ersten n natürlichen Zahlen die Formel n(n+1)(2n+1)/6 an, ebenso die Formel für die dritten Potenzen.

Außerdem lieferte Brahmagupta eine Formel zur Bestimmung der Fläche und der Länge der Diagonalen eines Vierecks, wenn dessen Eckpunkte auf einem Kreis liegen. In der Astronomie bestimmte er die Länge des Jahres auf 365 Tage, 6 Stunden, 5 Minuten und 19 Sekunden. Interessant ist auch seine Interpolations-Formel, die er zur Erstellung einer Tabelle mit Sinus-Werten verwendete. Heute weiß man, dass Brahmagupta sogar schon einen Spezialfall der sogenannten Newton-Stirling-Interpolationsregel einsetzte.