Dr. med. Franziska Rubin

VON NULL
AUF DREI

Vom Kinderwunsch zum Wunschkind

ISBN 978-3-641-10238-8

1. Auflage 2014

© 2014 by Südwest Verlag, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten. Vollständige oder auszugsweise Reproduktion, gleich welcher Form (Fotokopie, Mikrofilm, elektronische Datenverarbeitung oder durch andere Verfahren), Vervielfältigung, Weitergabe von Vervielfältigungen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Hinweis: Das vorliegende Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Programmleitung: Silke Kirsch

Lektorat: Ina Raki

Umschlaggestaltung: zeichenpool, München, unter Verwendung eines Fotos von Justin Bastien

Layout und Satz: Nadine Thiel | kreativsatz, Baldham

Bildredaktion: Sabine Kestler

Bildnachweis: Berger, Axel: Abb. 1 o., 2 o.; Calvert Sonja/RTL2: Abb. 1 u.; mdr: Abb. 2 u. und 3 (Stella Könnemann); privat: Abb. 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14 u., 15, 16; Südwest Verlag: U1, Autorenfoto, U4 (Nicolas Olonetzky); Superillu: 14 o. (P. Schirnhofer)

Illustrationen: istockphoto: Illu. 4, 10, 19, 20, 24, 25, 26, 28 (Logorilla), 5, 18 (Si-Gal), 8 (cathyreece), 9, 11, 13, 14, 15, 16 (Alex Belomlinsky), 12 (CDH_Design); Thiel, Nadine: Illu. 1, 2, 3, 6, 7, 17, 21, 22, 23, 27, 30

www.suedwest-verlag.de

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1:
Der lange Weg zum Kinderwunsch

Fakten und Hintergründe
zum Thema: Kinderkriegen ist doch schwer!

Kapitel 2:
Auf der Jagd nach dem Baby: Von Trauma und Tränen

Fakten und Hintergründe
zum Start in die Kinderwunschbehandlung

Kapitel 3:
Nächster Versuch: Alternative Therapien statt Schulmedizin

Fakten und Hintergründe:
Mit alternativen Methoden erfolgreich zum Wunschbaby?

Kapitel 4:
Zwischen Niederlagen und Hoffnung – künstliche Befruchtung

Fakten und Hintergründe
rund um das Thema: künstliche Befruchtung

Kapitel 5:
Schwanger hoch zwei – das Bangen geht weiter

Fakten und Hintergründe
zum Thema: schwanger hoch zwei

Kapitel 6:
Doppeltes Drama – zu früh und zu klein ins Leben

Fakten und Hintergründe
zum Thema: Zwillingsgeburt und Frühchen

Kapitel 7:
Wer kommt denn da noch? Das Wunder Flora

Fakten und Hintergründe
zum Thema: Familie planen – Möglichkeit oder Illusion

Bildteil

Quellenverzeichnis

Links und Adressen

Literatur

Glossar

Vorwort

Eigentlich hatte ich mir das viel einfacher vorgestellt mit der Familiengründung. Ich hatte gedacht, ich bräuchte nur erst noch etwas mehr Zeit für den Beruf, dann den richtigen Mann – und dann würde das schon klappen. Pustekuchen.

Als mir die ersten zwei Wünsche endlich erfüllt worden waren, mutierte der dritte zum Alptraum. In den fünf Jahren bis zur Geburt unserer Zwillinge schwankten mein Mann Pete und ich zwischen Hoffnung und Drama. Ich erlebte Schwangerschaften, gefolgt von Fehlgeburten, und machte bittere Erfahrungen mit den falschen Ärzten. Alles noch emotional angefacht durch das Feuer der Hormone.

Es war eine lange Suche nach dem richtigen Weg zum Wunschkind. Ich probierte vieles aus. Ich vertraute naturheilkundlichen und bewusstseinserweiternden Therapien, schreckte auch nicht vor traditionellen chinesischen Kräutern zurück, die »nach nassem Hund« riechen und beinahe noch schlimmer schmecken. Ich probierte es mit einigem! Bis ich mich schließlich für den Weg der Maximaltherapie entscheiden konnte, die künstliche Befruchtung. Wieder eine Zeit voller Bangen und Rückschläge. Aber es hat sich gelohnt, denn schließlich bekamen wir unsere Zwillinge.

In dieser Zeit litt ich auch unter dieser bemerkenswerten Sprachlosigkeit, weil mir als Frau das »Natürlichste der Welt« nicht gelang: ein Kind zu bekommen. Nachdem ich mich lange genug mit Selbstvorwürfen überhäuft und stattdessen beschlossen hatte, mich zu öffnen, merkte ich, wie viele Frauen um mich herum ebenfalls Fehlgeburten durchlitten hatten oder es gerade mit der nächsten künstlichen Befruchtung versuchten.

Es ist der gesellschaftlichen Situation zu verdanken, dass sich Frauen erst dann für Kinder entscheiden, wenn ihre fruchtbarste Zeit schon längst vorbei ist. Gut, dass es dann so viele Möglichkeiten gibt, nachzuhelfen! Was glauben Sie, warum Hollywoodstars auffällig oft Zwillinge bekommen? Leider erzählen sie nicht, warum. Schade, denn es wird leichter, wenn man darüber reden kann und merkt, dass man nicht allein ist.

Viele Wege führen zum Wunschkind. Wichtig ist vor allem, welcher sich individuell richtig anfühlt. In diesem Buch beschreibe ich zahlreiche unterschiedliche Möglichkeiten, aber beleuchte auch – wenn möglich wissenschaftlich –, was hinter den Verfahren steckt und wie viel Erfolg sie tatsächlich versprechen. So können Sie lesen, was Sie erwartet, und herausfinden, welcher Weg für Sie der beste sein könnte. Und ich möchte Ihnen Mut machen, denn es ist faszinierend, was alles möglich ist. Statistisch gesehen hält mehr als jede zweite Frau am Ende dieses Weges ihr eigenes Kind in den Armen. Und manchmal passieren sogar kleine Wunder, so wie unsere Flora, die kurz nach den Zwillingen noch kam. Einfach so.

Ihnen wünsche ich viel Spaß beim Lesen – sowie dass Sie den richtigen Weg finden und auch bald so ein kleines Wunder in Ihren Armen halten!

Ihre Franziska Rubin

Der lange Weg zum Kinderwunsch

Man sagt ja, dass wir bereits in der frühen Kindheit ein Skript für unser Leben entwerfen. Es stimmt, schon als Kind wusste ich eigentlich ganz genau, wie alles einmal werden sollte.

Aber dann nahm mein Leben ganz schön Tempo auf und diese Vision wanderte für lange Zeit in mein Unterbewusstsein. Von da tauchte sie erst wieder auf, als es schon fast zu spät war.

Illu. 1

Studium, Spaß … und bloß nicht schwanger werden!

Seit ich angefangen habe, mich für das Thema Sex zu interessieren, habe ich mich eigentlich hauptsächlich damit beschäftigt, eine Schwangerschaft zu verhindern. Meine Eltern hatten mir mitgegeben, dass es ganz wichtig sei, erst einmal sein Abitur und dann sein Studium absolviert zu haben, bevor man überhaupt daran denkt, Kinder zu bekommen.

Ich wundere mich heute noch darüber, wie es meiner Mutter tatsächlich gelungen ist, mit so fadenscheinigen Erklärungen wie »Das tut der Frau sowieso nur weh« oder: »Wenn man einmal damit angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören und deshalb behält man lieber gleich die Unterhose an« zu erreichen, dass ich mit 18 Jahren immer noch Jungfrau war. Ich mied Sex wie der Teufel das Weihwasser. Mit 18 allerdings war meine »innere Sperrfrist« abgelaufen und ich versuchte mein Bestes, um schnell herauszufinden, wie diese zwei an sich widersprüchlichen Sätze zusammen gingen. Natürlich taten sie das gar nicht. Das hätte mir natürlich auch schon vorher auffallen können.

Die nächsten Jahre wurden ziemlich wild, ich genoss mein Leben – aber die Lektionen der Kindheit saßen tief und ich war auch immer sehr darauf bedacht, auf keinen Fall schwanger zu werden. Als ich Anfang 20 war, dachte ich einmal, es sei doch passiert, rief zu Hause an und mir wurde versichert, dass es eine gute Adresse gebe, dieses Problem loszuwerden. Hart, aber ehrlich. Gott sei Dank war das nicht nötig, ich war einfach nur zu gestresst gewesen, wodurch meine Regel einmal ausgeblieben war. Danach passte ich noch besser auf.

Warum hatten meine Eltern und ich dann auch – warum hatten wir alle so große Angst, ich könnte schwanger werden, bevor meine Ausbildung abgeschlossen war? Im Nachhinein verstehe ich das nicht mehr. Manche Freundin bekam im Studium ihr Kind und hatte es rückblickend nicht schwerer als andere, die viele Jahre warteten. Klar: Diese Gesellschaft macht es keiner Frau leicht, als Mutter beruflich erfolgreich zu bleiben. Wenn eine Frau jedoch jahrelang nur auf Ausbildung und Karriere setzt, birgt das natürlich die Gefahr, dass es dann für Kinder schlicht zu spät ist. Doch ich dachte damals, mich trifft das nicht, meine Mutter und Schwester wurden ja schon durchs Hingucken, wie sie selbst sagten, schwanger. Für mich waren Kinder erst mal gar kein Thema. Einige meiner besten Freundinnen bekamen Kinder. Ich hatte wenig Verständnis dafür und auch für ihre ganze anstrengende Situation. Das tut mir heute im Nachhinein sehr leid. Aber meine Aufmerksamkeit galt damals eben meinem Studium, dann meinem Job, meinen wechselnden Beziehungen, ein paar Freundinnen, Partys – und vor allem mir selbst. Ich hatte Erfolg und konnte mich vielen Dingen widmen, die mir am Herzen lagen.

Ich studierte Medizin, reiste um die Welt, jobbte als Skilehrerin, schrieb meine Doktorarbeit … und dann kam das Fernsehen. Meine Schwester suchte damals für ein Honorar von 50 Mark Kandidaten für »Herzblatt«. Hunting, also Kandidaten jagen, nannten sie das. Ich war gerade im 2. Staatsexamen und hatte eigentlich gar keine Zeit. Trotzdem füllte ich aus Neugier den Fragebogen aus und wurde sofort eingeladen, bei Herzblatt mitzumachen.

Bald war der Termin heran: Die Sendung begann. Ich war so aufgeregt, dass ich mich ständig verhaspelte und Schwierigkeiten hatte, meinen vorher mühsam auswendig gelernten Text raus zu bekommen. Ich war eine von drei Frauen, die um die Gunst des einzelnen Mannes auf der anderen Seite der Wand buhlen mussten. Es war ein fast vorhersagbares Spiel: Der Typ auf der anderen Seite war Medizinstudent und ich auch, alle fieberten mit, ob wir uns finden würden. So kam es dann auch.

Als sich die Wand öffnete, sah ich, wie ihm vor Schreck das Gesicht entgleiste. Meine Hose war zu kurz, der Ausschnitt zu tief und der Lippenstift zu rot. Das fand ich selbst auch: Ich hatte zwar meine eigene Kleidung mitbringen dürfen, in welcher Kombination ich sie tragen sollte, hatte jedoch der Regisseur bestimmt. Und die Maskenbildnerin, die zu meinem Entsetzen Damenbartstoppeln unter dem Make-up hatte, verschärfte meine Wirkung noch entsprechend.

Nichtsdestotrotz, noch bevor diese Herzblatt-Sendung ausgestrahlt wurde, bekam ich eine Einladung zum Casting für ein neues Fernsehformat. Die erste Aufgabe bestand darin, auf der Straße wildfremde Leute zu interviewen. Das machte mir sofort Spaß, ich kam leicht mit anderen ins Gespräch trotz der uns beobachtenden Kamera. Der folgende Part war schon komplexer. Der Regisseur stellte mir zwei junge gecastete Leute an die Seite und gab mir dazu zwei Aufgaben: Für die Frau sollte ich auf der Straße einen Mann finden, der bereit wäre, ihr ein Klavier in die Wohnung hochzutragen und für den Mann eine Frau, die mit ihm essen gehen würde.

Ich hielt also – zuerst mit dem jungen Mädchen an meiner Seite – auf der Straße Ausschau nach gutaussehenden Männern, die es gerade nicht zu eilig hatten und so einen Quatsch mitmachen würden. Und ich fragte den Regisseur, ob ich die Aufgaben nicht lieber ändern könnte.

Bis heute halte mich nicht gern an Vorgaben, wenn ich glaube, eine bessere Idee zu haben. Das wurde mir als angehende Ärztin im Krankenhaus ständig zum Verhängnis, hier war eher Anpassung erforderlich. Beim Fernsehen aber war diese Art willkommen und führte sogar zum Erfolg. Ich suchte also für den Mann eine Frau, die ihn dabei unterstützen sollte, Unterwäsche auszusuchen, da angeblich seine Unterwäsche seiner Freundin gar nicht gefiel, er sich aber in modischen Belangen nicht auskannte.

Und für die junge Frau suchte ich einen Mann, der beim bevorstehenden Abendessen mit ihren Eltern ihren Freund mimen sollte. Angeblich hatte sie den Eltern schon seit Wochen vorgemacht, sie hätte einen netten Freund. Jetzt wollten sie ihn kennen lernen.

Wir hatten riesigen Spaß, die Leute machten gern mit und ich bekam meine erste eigene Sendung. »Luft und Liebe«, ein Flirtformat für RTL2.

Doch das war erst der Anfang, schon bald kam noch eine kleine Kindersendung dazu. Gleichzeitig musste ich mein 2. und 3. Staatsexamen machen, das ganze Praktische Jahr ableisten und meine Doktorarbeit zu Ende schreiben.

Das war alles sehr spannend, aber auch anstrengend. Ich war viel unterwegs und versuchte, überall mein Bestes zu geben. Die Zeit verrann wie im Flug, ans Familiegründen dachte ich kaum.

Mit Ende 20 bekam ich dann auch noch die Chance, den Kinderkanal von ARD/ZDF mit aufzubauen. Eine tolle Gelegenheit! Wir moderierten fast rund um die Uhr, ständig waren Ideen gefragt, vieles wurde auf dem Sender live ausprobiert, es passierten so ziemlich alle Pannen, die man sich vorstellen kann …

Eine besondere Herausforderung war es, mit Kindern vor der Kamera zu agieren. Wenn ich die Kinder ungeschickt befragte, bekam ich bestenfalls ein »Ja« oder »Nein« zur Antwort. Manche der kleinen Studiogäste verstummten gar völlig, sobald es losging. Absprachen funktionierten nicht – und oft wurde erst im Nachhinein klar, warum.

Einmal erzählte uns beispielsweise ein kleines schwerhöriges Mädchen im Vorgespräch begeistert, wie sie ihren Klassenkameraden die ganzen Fragen für die bevorstehende Klassenarbeit verraten konnte. Die Lehrerin trug nämlich ein Mikrofon, das direkt mit ihrem Hörgerät verbunden war, und hatte vergessen, es auszuschalten, nachdem sie das Klassenzimmer verlassen hatte. Die Kleine hörte deshalb das Gespräch der Lehrerin mit einer Kollegin mit an – und wurde schwer beliebt, weil sie die Klasse einweihte. Eine tolle Geschichte! Leider verstummte das Mädchen auf dem Sender und meinem Co-Moderator und mir stand der Schweiß auf der Stirn: Die Livesendung dauerte noch 15 Minuten und keines der Kinder wollte einen Mucks sagen … Nach der Sendung klärte sich alles auf. Die Kinder hatten vermeiden wollen, dass die Lehrerin davon erfährt. Denn vielleicht würde sie so ja das Mikro irgendwann noch mal vergessen und die Kinder könnten wieder etwas Interessantes erfahren.

Ich mochte die vielen kleinen Besucher sehr. Ich nahm die Kinder ernst und interessierte mich für ihre Sorgen und Gedanken. Sie waren wie kleine Geschwister für mich. Vermutlich kein Wunder, denn ich bin das älteste von drei Kindern. Aber mütterliche Gefühle hatte ich nie. Auch nicht das Gefühl, dass ich selbst gern ein Kind hätte. Später, dachte ich immer. Später wollte ich eine große Familie haben.

Und wie Familie aussehen sollte, dazu hatte ich ein klares Vorbild: Als Kind war ich mit einem Jungen befreundet gewesen, der vier ältere Brüder hatte. Die ganze Familie lebte auf einem ausgebauten Bauernhof und hatte Hunde, Katzen und viele Pferde und Ponys. Wir spielten im Heu, machten lange Ausflüge auf den Ponys und kletterten nachts aufs Dach. Sozusagen ein modernes Bullerbü – hier war das Leben doch ein Ponyhof. So wollte ich es später auch mal haben. Erstaunlicherweise fiel mir aber auch doch schon als Kind auf, dass die Mutter der Jungs oft genervt und müde wirkte. Obwohl ich gerade erst zehn Jahre alt war, bemerkte ich manchmal ihre verklebten Wimpern, vermutlich mangels Zeit zum Abschminken. Trotzdem bewunderte ich sie.

Ich fand’s toll auf dem Bauernhof des Freundes, ebenso wie in meiner eigenen Familie. Wir Kinder hatten viele Freiheiten, spielten draußen, ich verbrachte während meiner Kindheit viel Zeit auf dem Feld bei den Pferden, unsere Eltern stritten sich nie. Es mangelte mir an nichts.

Als ich 19 war, kam der große Knall: Meine Eltern trennten sich in einem waschechten Rosenkrieg und ich beschloss, dass »Familie zu haben« jetzt noch nicht auf meinem Plan stand. Familie war verwirrend und schwierig. Konnte toll sein, wenn alles klappt. Aber fürchterlich, wenn nicht. Also: Jetzt nicht. Vielleicht irgendwann, in ferner Zukunft.

Aber wann ist die Zukunft? Dieser damals gefasste Entschluss sollte mich mein halbes Leben lang begleiten. Viele Jahre später erst würde ich mich darüber wundern, dass ich so lange keinen Kinderwunsch gehegt hatte, bis es schon fast zu spät war.

Die ganzen Freiheiten und Möglichkeiten, die meiner Generation zur Verfügung stehen, haben einen entscheidenden Haken: Mit jeder Auswahl entscheide ich mich gegen andere Möglichkeiten. Zudem gibt es kein Schema, althergebrachte Vorgaben funktionieren nicht mehr.

Der kleine Mann im Ohr, der mir als Kind erzählt hatte, was ich zu tun habe, wurde immer leiser mit den Jahren. Das war gut, aber es bedeutete auch: Ich musste mich immer wieder selbst erfinden. »O.K., für Familie habe ich recht viel Zeit, mein ganzes Leben lang«, dachte ich. Um Kinder zu bekommen, hatte ich immerhin etwa 20 bis 30 Jahre Zeit. Aber da gab’s ja leider noch ein anderes Problem: Ich musste erst mal den richtigen Mann finden.

Illu. 2

Die Suche nach dem »Richtigen« – der Prinz »kütt«

Als ich zwischen 18 und 30 war, hatte ich sehr unterschiedliche Partner. Nur eins hatten alle gemeinsam: Keiner war der Richtige. Jeden fand ich auf seine Weise toll – der eine war sexy, der andere besonders witzig –, alle habe ich geliebt, aber wirklich lange zusammen sein wollte ich mit keinem. Ich war immer die, die ging. Nie wäre mir die Idee gekommen, schwanger werden zu wollen.

Das kam mir dann, als ich schließlich 30 wurde, selbst komisch vor und ich entschloss mich, herauszufinden, was der Grund dafür sein könnte. Mein 30. Geburtstag setzte mir überhaupt ganz schön zu, denn meine Mutter und meine Großmutter hatten jeweils mit 30 ihr erstes Kind bekommen. Innerlich hatte ich damit jetzt wohl meine eigene Erlaubnis, auch endlich eine Familie zu gründen. Aber im wahren Leben war ich Lichtjahre davon entfernt: Mein damaliger Freund war zwar durchaus dafür bereit, aber ich eben nicht. Unsere Beziehung war schwierig und ich konnte mir uns beide gar nicht als Eltern vorstellen. An meinem 30. Geburtstag beschloss ich drei Dinge: Ich wollte ausziehen, endlich den Richtigen finden und eine Therapie beginnen.

Das mit dem Ausziehen war schnell getan. Die Therapie wurde allerdings zu einer richtigen Herausforderung, denn als ich der Frage nach meiner Männerwahl nachging, taten sich emotionale Abgründe auf, die mich viele Jahre lang beschäftigen sollten.

Kurz gesagt, war die Erkenntnis aus dieser Therapie: Unbewusst hatte ich mich immer dafür entschieden, mich nur in Männer zu verlieben, die mir nicht wirklich gefährlich werden konnten. Jetzt, wo mein Vater im Sterben lag, konnte ich sehen, dass ich jeden Mann mit ihm verglichen hatte. Mein Vater und ich hatten eine sehr innige, fast symbiotische Beziehung gehabt. Als ich 19 Jahre alt war, verließ er meine Mutter für eine andere Frau und wollte auch uns Kinder nicht mehr sehen. Ich fühlte mich damals verlassen und verraten. Dieser Schlag hatte gesessen, der Schmerz war groß! Das sollte mir nie wieder passieren. Dieser unbewusste Entschluss wurde mir zum Verhängnis, ich suchte in jedem Mann meinen Vater, wünschte mir dieses unglaubliche Verständnis, die Nähe, die wir zueinander gehabt hatten – aber ich wollte auf keinen Fall wieder verlassen werden. Damit war natürlich jede Beziehung zum Scheitern verurteilt. Symbiose hat einen hohen Preis: Man muss sich selbst ein ganzes Stück weit aufgeben. Das führt dazu, dass es irgendwann langweilig wird (man hat sich nahtlos ineinandergepasst). Dazu kam noch: Ich musste ja abhauen, wenn es zu ernst wurde, damit nicht ich selbst verlassen werden konnte.

So hieß es, mein »Beuteschema« komplett zu überarbeiten. Als geborene Prinzessin wollte ich natürlich auch einen Prinzen, am besten mit Pferd und Ländereien, aber auch mit einer umwerfenden Ausstrahlung, Güte, Klugheit … und vor allem wollte ich einen, der weiß, was er will.

Nach drei weiteren Beziehungen, in denen andauernd die Schwerter ausgepackt wurden, war mir dann klar, dass ich eigentlich selbst ganz genau wusste, was ich wollte und bestimmt niemanden brauchte, der mir sagte, wo es langging. Also kam kein Alphatier in Frage. Aber ein Weichei wollte ich auch nicht haben!

Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass mein Traummann eher dezent daher kommt, vielleicht vordergründig kein Macher, aber durchaus ein Gütiger, Kluger mit Ausstrahlung sein konnte. Und dass ich nicht alles mit ihm teilen muss, sondern dass wir an einem Strang ziehen können, obwohl wir vieles unterschiedlich sehen. In den Jahren nach meinem 30. Geburtstag verabschiedete ich mich also von meinem bisherigen Bild vom Traummann. Das war hart, aber heute bin ich froh darüber.

Und jetzt noch ein Kind!

Die fünf Jahre zwischen 30 und 35 vergingen wie im Flug. Mir war inzwischen klar geworden, dass ich tatsächlich eine Familie haben wollte. Bald. Aber ich arbeitete unglaublich viel, war ständig unterwegs. So viel Spaß mir die Arbeit machte, so sehr hasste ich das Herumreisen. Immer wieder fand ich mich wartend auf einem Bahnhof oder Flughafen wieder. Meine Wohnung stand meist leer.

Mit Mitte 30 stellte ich plötzlich erschrocken fest, dass diese arbeitsreiche Zeit rasend schnell verronnen war.

Also entschloss ich mich zum nächsten schweren Schritt: ich sagte eine ganze Fernsehreihe ab, damit ich öfter zu Hause sein konnte. Es ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit für eine selbstständige Fernsehmoderatorin, sich auf diese Art ein Bein abzuhacken und nur noch auf einem zu stehen, das ja auch jederzeit abgesägt werden kann.

Ausschlaggebend war damals für mich auch ein Gespräch mit einer sehr bekannten Frau von Mitte 40, die mir anvertraute, wie wichtig es ihr immer gewesen war, mehrere Jobs zu haben – und die es darüber versäumt hatte, Kinder zu bekommen. Das sollte mir nicht passieren! Was wir beide damals noch nicht ahnten: Gut fünf Jahre später sollte sie zwar ein Lifting haben, aber keinen Job beim Fernsehen mehr.

Die Zeit zu Hause, die ich mit meiner Entscheidung gewonnen hatte, war anfangs schwer zu füllen. Es kam mir falsch vor, mit Freundinnen in Cafés zu sitzen oder auf Partys zu gehen, wo ich doch so viel hätte arbeiten können. Ich hatte fast ständig ein schlechtes Gewissen. Dennoch wusste ich irgendwie, dass das der Weg ist, der mich zum Ziel führt. Zu der Zeit habe ich auch meinen früher oft so angespannten Vater verstanden, der selbstständig gewesen war und immer sagte: »Wenn ich in den Urlaub fahre, kommt mich das doppelt so teuer wie andere. Ich muss den Urlaub bezahlen und ich verdiene kein Geld in der Zeit.«

Ein ähnliches Gefühl saß auch in mir. Anfangs dachte ich wirklich fast jeden Tag: Mensch, was hättest du heute für einen tollen Job machen können oder was hättest du heute verdienen können, jetzt hättest du da sein können oder dort.

Andererseits fand ich es aber auch schön, nicht am Flughafen zu stehen. Ich spürte: Das ist das richtige Leben. In all dem Widerstreit der Gefühle war mir bewusst, dass ich jetzt die Chance nutzen musste, eine Familie zu gründen – oder ich würde das nicht mehr schaffen. Und dann könnte ich ja noch mein ganzes Leben lang weiter arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt war mir allerdings nicht klar, dass es noch andere Probleme geben würde, als den Prinzen zu finden. Siegessicher dachte ich: das wird schon klappen mit den Kindern.

Also: Jetzt war eigentlich alles vorbereitet, was ich selbst in der Hand hatte. Ich hatte Zeit, ich war zu Hause, ich konnte viel rausgehen. In dieser Zeit schlich sich ein ganz neues, böses Gefühl von hinten an: Manchmal war ich richtig verzweifelt, weil andere, denen ich vermutlich vorher nie Zeit gehabt hatte zuzuhören, mir das Gefühl gaben: Na ja, du bist ja jetzt schon Mitte 30, wie wär’s denn eigentlich mal mit einer Familie? Oder noch klarer: Beeil dich mal mit dem Kinderkriegen, worauf wartest du noch? Manche vermuteten auch, dass ich eh lieber Karriere als Kinder wollte. Tja, mittlerweile wollte ich lieber Kinder als alles andere, aber das zuzugeben, hätte meiner Meinung nach sehr »schwach« geklungen. Und zudem: Was konnte ich auch tun – ohne den richtigen Mann?

Aber die große Liebe, das ist etwas, was man wirklich nicht erzwingen kann. Das Gefühl zu haben, von jemandem wirklich ein Kind zu wollen, das ist entweder da – oder eben nicht. Diese Entscheidung hängt wirklich von der Person ab und vielleicht auch vom richtigen Zeitpunkt.

Ich versuchte, die Schwarzseher zu ignorieren und mein neues Leben trotzdem zu genießen. Und irgendwann fing es an, richtig Spaß zu machen. Ich lernte viele Leute kennen, natürlich auch viele Männer. Ich hatte meine Sinne geschärft und gab mir Mühe, nicht wieder auf alte Muster reinzufallen, mir nicht wieder die Typen auszusuchen, mit denen es am Ende nicht funktionieren würde.

Und dann kam Pete. Wie so oft in meinem bisherigen Leben passierte das wie die meisten für mich wichtigen Dinge: völlig unerwartet und vielleicht auch etwas sonderbar. Simone, eine gute alte Freundin, war in Köln und wir wollten gemeinsam in der Stadt spanisch essen gehen.

Wir schlenderten gerade zum Taxistand, als ich aus dem Augenwinkel sah, wie Simone ihre Hand hob und einen alten weißen Golf anhielt. Simone ist etwas ungewöhnlich. Sie kann aus Händen die Zukunft lesen und weiß auch sonst vieles, was andere nicht wissen. Aber Autos hält sie sonst eher nicht an. Der Fahrer des Wagens – Pete – dachte, sie wolle ihn auf den kaputten Scheinwerfer an seinem Auto aufmerksam machen. Er wollte gerade weiterfahren, als Simone schon in sein Auto hüpfte – und ich sofort hinterher, denn ich wollte nicht mitten auf der Straße zurückbleiben, allein zwischen Autos und Bahngleisen.

Neben Pete saß noch ein anderer junger Mann im Auto. Simone überredete die beiden, die englisch miteinander sprachen, uns zum Spanier zu fahren, und verriet ihnen ganz beiläufig auch gleich noch, wo wir nach dem Essen unseren Absacker nehmen würden.

Aus diesem Absacker wurde eine lange Nacht mit vielen Cocktails und noch mehr Salsatanzen. Heute behauptet Pete zwar, er könne keinen Salsa tanzen. In dieser Nacht damals klappte das aber sehr gut. Da sieht man mal wieder, was die richtige Motivation ausmacht.

Als das mit Pete begann, fühlte sich alles so leicht an! Ich war schwer verliebt, wir verstanden uns außergewöhnlich gut und ich konnte Nähe spüren und sogar genießen, ohne dauernd Konflikte anzuzetteln.

Aber ich hatte ein neues Problem, das mir gehörig Angst einjagte: Ich war inzwischen 35 und Pete einige Jahre jünger. Wollte er auch schon Kinder? Und was, wenn nicht? In mir stieg damals die Panik hoch. Torschlusspanik nennt man das wohl. Ich musste Pete die Pistole auf die Brust setzen! Ich wollte die Wahrheit hören, bevor ich mich rettungslos in ihn verliebte und es dann vielleicht für immer vorbei war mit meinem Familientraum. So kam es zu einem Sofagespräch, das wir bis heute gern zitieren. Genau genommen zieht Pete mich damit auf, weil ich ihm ernsthaft gesagt habe, ich wolle zwar gern mit ihm zusammen sein, aber ich sei halt schon so alt und das mit uns würde nur möglich sein, wenn er auch Kinder wolle – er solle sich das überlegen. Pete nahm meine sonderbare Ansprache erstaunlich gelassen hin. Ein anderer Mann wäre vermutlich vom Sofa gesprungen und hätte fluchtartig die Wohnung verlassen. Das tat er nicht, er reagierte freundlich, aber ich glaube, er war auch etwas verwirrt.

Kurz darauf flog er zu seinen Eltern und Geschwistern nach Australien. Er erzählte seiner Schwester Liz von mir und meinem Anliegen. Scheinbar hat er so von mir geschwärmt, dass sie ihm kurzerhand riet, er solle zugreifen, um mich nicht zu verlieren. Von diesem Jahresurlaub kam er früher als geplant wieder zurück, strahlte mich an und meinte: »It’s ok.«

Glück gehabt. Ich war sehr froh. Rückblickend zeigt mir meine damalige unentspannte Aktion nur, wie sehr ich mittlerweile unter Druck stand, doch noch eine Familie zu gründen.

Illu. 3

Wir lachten schon damals bald über diese Szene, aber hätten wir gewusst, wie lang der Weg zur eigenen Familie noch werden würde, wäre uns das Lachen möglicherweise rasch vergangen.

Vorfreude – und dann nichts als Schneegestöber

Aber erst mal war alles gut, geradezu großartig. Wir hatten uns, und wir hatten ein bisschen Zeit. So fühlte es sich an. Wir unternahmen kleine Reisen, waren viel unterwegs und plötzlich tat es mir ein bisschen leid, dass ich Pete so schnell zum Vater machen wollte. Heute behaupte ich zwar immer, ich hätte niemals geahnt, wie viel Arbeit Kinder machen, aber ich glaube, das stimmt nicht ganz. Eine Ahnung hatte ich wohl schon damals. Und vor allem war mir auch klar, dass es mit kleinen Kindern erst mal vorbei ist mit der großen Freiheit.

Trotzdem entschieden wir uns ein paar Wochen später dazu, loszulegen. Wir wollten es drauf ankommen lassen, schwanger zu werden.

Doch selbst das war nicht so einfach wie gedacht. Wieder spielte mir meine Arbeitslust einen Streich. Das heißt, immer wenn es gerade interessant wurde, wenn ich also durch fleißiges Zählen und Beobachten wusste, dass ich mich einem Eisprung näherte, war ich gar nicht zu Hause, sondern wieder unterwegs. Oder ich fing an, ständig zu überlegen, welcher große Auftrag vor mir lag und dass ich da doch lieber noch nicht schwanger sein sollte. So waren wir anfangs noch ziemlich halbherzig unterwegs.

Nichtsdestotrotz, ungefähr nach einem halben Jahr blieben meine Tage aus. Unglaublich. Was hatte ich mir überhaupt jemals für einen Stress gemacht? Das war ja wahrlich kinderleicht! Ich konnte mein Glück erst einmal nicht fassen und wartete noch ein paar Tage. Ich sonnte mich in dem wunderbaren Gefühl, vielleicht schwanger zu sein. Wie aufregend das war. Etwas Winziges wuchs in mir heran und das fühlte sich prima an. Dann ging ich in die Apotheke, wie man das so macht, holte einen Schwangerschaftstest und fuhr nach Haus. Das hatte ich nun schon ewig nicht mehr getan. Und überhaupt hatte ich es noch nie in der Hoffnung getan, wirklich schwanger zu sein. Wenn ich so einen Streifen vorher in der Hand gehalten hatte, dann mit panischer Angst in den Augen, der Test könnte positiv sein. Verrückt. Dieser jetzt zeigte jedenfalls ganz klar an: schwanger. Ich wäre fast in Ohnmacht gefallen vor Freude.

Sofort weihte ich Pete ein, der sich milde freute. Prima, eigentlich hatte er vermutlich nichts anderes erwartet. Oder war ihm manchmal dieser beschleunigte Kinderwunsch gar nicht geheuer? Er fühlte wohl meinen Druck und hatte auch ein bisschen Angst davor, was da auf ihn zukam. In einem schwachen Moment gestand er mir seine Ängste, bis über beide Ohren verschuldet in einer deutschen Reihenhaussiedlung zu enden. Er, aufgewachsen in den Weiten Australiens, auf einer riesigen Rinderfarm. Aber die Angst konnte ich ihm nehmen, denn das entsprach auch nicht gerade meinen Lebensplänen.

Nach diesem erfreulichen Testergebnis ging ich zu meiner Frauenärztin und erzählte ihr von der möglichen Schwangerschaft. Sie machte gleich auch noch einmal einen Urintest und gratulierte mir.

»Herzlichen Glückwunsch, Sie sind schwanger. Gehen wir doch mal rüber und gucken uns das im Ultraschall an.«

Also kletterte ich auf den Stuhl. Da ich vorher während meines Studiums eine Zeitlang auch in der Gynäkologie gearbeitet hatte, wusste ich, wie es ungefähr aussah, dieses kleine Böhnchen im Teich, der winzige Embryo in der Gebärmutter. Nach ein paar Wochen sogar mit einem kleinen pochenden Herzen, wie ein Punkt, der blinkt. Die Ärztin begann mit dem Ultraschall, freudig gebannt starrte ich auf den Bildschirm. Aber da war nur Schneegestöber.

In dem Moment wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Die Ärztin guckte, wie man das so aus einer Soap kennt: wenn der Arzt auf den Ultraschall schaut und sich sein Gesicht plötzlich verfinstert.

Ich stieg wieder runter vom Stuhl, wir gingen ins Besprechungszimmer hinüber und sie sagte: »Es tut mir leid, es ist irgendwie nicht so richtig gelaufen. Ich würde das lieber noch beobachten, wir müssen jetzt erst mal Blut abnehmen, ich gebe Ihnen dann Bescheid.«

Kinderkriegen ist doch schwer

Bedröppelt dackelte ich nach Hause und berichtete Pete von diesem Ergebnis. Wir waren verstört, irgendwie war das schwierig zu begreifen.

Der Bescheid kam relativ schnell, der Schwangerschaftswert im Blut fiel ab und ich wusste, es war eine Fehlgeburt. Innerhalb weniger Tage musste ich ins Krankenhaus zu einer Ausschabung. Ich packte also ein kleines Köfferchen, das ich gar nicht brauchte, weil das alles nur ein paar Stunden dauerte. Für den kurzen Eingriff wird eine Vollnarkose gemacht und dann die Gebärmutter sozusagen leer gekratzt. Auch bei einer solchen Operation hatte ich während des Studiums sogar mal selbst mit Hand anlegen dürfen. Ich war erstaunt, wie schnell eine Ausschabung gemacht ist, wenn die Patientin erst mal in Narkose ist. Schon damals fragte ich mich, wie schlimm dieser Eingriff wohl für die betroffene Frau sei. Gut, jetzt war ich halt auf der anderen Seite und es war ziemlich schlimm, aber ich musste mich zumindest nicht konzentrieren.

Nach der Ausschabung wachte ich benommen auf und bekam den obligatorischen Hinweis, dass ich jetzt drei Monate nicht mehr schwanger werden sollte. Dann durfte ich wieder nach Hause. Als ob ich so ausgeschaut hätte, als wollte ich gleich als nächstes über meinen Mann herfallen.

Mir war wahrlich nicht nach Lachen zumute. Es war eigenartig, denn mit dieser Fehlgeburt war plötzlich etwas in mein Leben gekommen, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Und das, obwohl ich als Ärztin eigentlich hätte wissen müssen, wie häufig Fehlgeburten vorkommen. Insbesondere in meinem Alter von immerhin 35 Jahren.

Da war es plötzlich, dieses Gefühl von Unsicherheit. Die Enttäuschung war sehr groß, denn es hätte ja auch ein Kind werden können. Meine Ärztin sagte mir dann, was alle Ärzte sagen: »Ja, es ist wahrscheinlich besser so, dass es nichts geworden ist, denn die Chancen für einen genetischen Defekt sind sehr groß, wenn es zu diesem frühen Zeitpunkt abgeht.«