1. KAPITEL
»Einer Waise stehen nur zwei Wege offen, ein anständiges Leben zu führen«, hatte Schwester Agnes gesagt. »Entweder sie heiratet einen einfachen, strebsamen Mann, oder sie sucht sich eine Anstellung, die ihren Fähigkeiten angemessen ist.«
Als ich an meinem einundzwanzigsten Geburtstag das Arbeitshaus für immer verließ, befand ich mich auf dem zweiten Weg, hauptsächlich deshalb, weil ich wohl nie die Gelegenheit haben würde, den ersten auszuprobieren. In der rechten Hand trug ich einen mittelgroßen Koffer aus abgewetztem Leder, der meine wenigen Habseligkeiten enthielt: einen dunkelbraunen Rock aus derbem Wollstoff, eine einfache graue Bluse, zwei Garnituren Unterwäsche und ein etwas besseres Kleid, das ich die letzten zwei Jahre beim sonntäglichen Kirchgang getragen hatte. Mein drittes und damit letztes Kleidungsstück, ein dunkelblaues, schlichtes Kleid mit einem eierschalenfarbenen Spitzenkragen, hatte ich angezogen, denn ich war auf dem Weg zu meiner ersten festen Anstellung. Ein Empfehlungsschreiben von Harriet Channing, der Vorsteherin des Arbeitshauses, bewahrte ich neben meiner Geburtsurkunde in dem Stoffbeutel auf, den ich mit der linken Hand umklammerte.
Lucille Hardy, geboren am 6. Februar 1876 als Tochter der Witwe Verity Hardy im Arbeitshaus Half-Moon-Alley, London.
Weiter unten war in einer anderen Handschrift wie in großer Eile hinzugefügt worden:
Verity Hardy verstarb drei Tage nach der Geburt.
Das war alles, was ich über meine Herkunft wusste. Die Urkunde wies meine Mutter als Witwe aus, doch wer mein Vater gewesen und wie er ums Leben gekommen war, darüber gab es keine Informationen, ebenso wenig, aus welcher sozialen Schicht meine Eltern stammten. Einzig, dass ich in dem Jahr, als Königin Viktoria zur Kaiserin von Indien gekrönt worden war, das Licht der Welt erblickte, erfüllte mich ein wenig mit Stolz.
»Deine Eltern waren auf jeden Fall sehr arme Leute«, meinte Schwester Agnes, als ich sie auf die Geburtsurkunde ansprach. »In einem Arbeitshaus suchen nur solche Menschen Zuflucht, die sonst elend am Straßenrand verhungern würden.«
So wurde das Arbeitshaus im Kirchspiel von St. Mary-le-Bow, inmitten der Londoner City, mein Zuhause. Die Aufsicht oblag der besagten Kirche, und wir sprachen die Betreuerinnen mit »Schwester« an, obwohl sie keine Nonnen waren. Seit der Reformation unter König Heinrich VIII. im sechzehnten Jahrhundert gab es keine Klöster mehr. Selbstverständlich wurde ich nach den strengen Regeln der viktorianischen Moral und der englischen Kirche erzogen. Das Arbeitshaus stand unter der Leitung von Hochwürden Dickens, dem Pfarrer für das gesamte Kirchspiel. Seinen schwabbeligen Wangen und der roten Nase nach zu schließen, war er selbst der beste Konsument des Messweins. Jeden Samstagnachmittag inspizierte er an der Seite von Harriet Channing das Arbeitshaus. Wir mussten uns dann alle in eine Reihe stellen und unaufgefordert die Hände nach vorne strecken. Hochwürden achtete sehr auf Sauberkeit, wehe denjenigen, bei denen er Dreck unter den Fingernägeln fand! Ich habe einmal einen Jungen in einer eiskalten Winternacht draußen die Steinplatten schrubben sehen, einzig aus dem Grund, weil er hingefallen war und dabei seine Hände beschmutzt hatte. Hochwürden Dickens besaß eine hohe Meinung von seiner amtlichen Wichtigkeit! Harriet Channing oblag die Oberaufsicht im Haus. Keiner wusste etwas über ihre Herkunft, aber es schien, als hätte sie ihr ganzes Leben hier verbracht. Wie alt sie eigentlich war, wusste niemand. Ihr hageres Gesicht mit den eingefallenen Wangen und das dünne, mit grauen Strähnen durchsetzte Haar machten sie seltsam alterslos. Sie war stets in Schwarz gekleidet. Hier eiferte sie wohl der Königin nach, die seit dem Tod ihres Gemahls ihre schwarzen Gewänder nicht mehr ablegte. Bei Mrs. Channing allerdings wurde nie etwas von einem eventuell existierenden Gemahl erwähnt.
Das Arbeitshaus war ein weitläufiges Gebäude aus georgianischer Zeit, einst das Stadthaus eines Regierungsbeamten. Wir Mädchen hielten uns im Westflügel auf, während die Jungen im Ostflügel untergebracht waren. Es gab zwischen den Geschlechtern so gut wie kein Zusammentreffen, darauf achteten die Schwestern streng. Das Arbeitshaus beherbergte etwa zwanzig Mädchen. Wir schliefen alle in einem großen, im Winter zugigen Saal. Wenn ich abends in meinem Bett lag und die Vorhänge darum herum geschlossen hatte, fühlte ich mich wie auf einer einsamen Insel. Das war mein Reich, ein Platz, der mir ganz allein gehörte! Das Bett in der Größe von einem auf zwei Meter war einundzwanzig Jahre lang meine Zuflucht. In klaren Nächten konnte ich durch ein Fenster die Sterne funkeln sehen und stellte mir vor, dass meine Eltern von irgendwo dort oben auf mich herabblickten. In meinen Träumen nahmen sie Gestalt an, verfügten über schöne und gütige Gesichter.
Beim sonntäglichen Gottesdienst predigte Hochwürden Dickens jedes Mal, dass wir täglich auf unseren Knien Gott dafür danken sollten, einen Platz im Arbeitshaus gefunden zu haben.
»Hunderte von Waisen müssen auf Londons Straßen verhungern, oder sie führen ein unsittliches Leben. Nicht selten endet dieses nach kurzer Zeit am Galgen«, mahnte er mit erhobenem Zeigefinger. »Darum betet jeden Morgen und Abend, und dankt denjenigen, die euch Nahrung und Kleidung geben, wie es einem Christenmenschen geziemt!«
So, wie Hochwürden es darstellte, schien es, als gebe es auf der Welt keinen besseren Platz als das Arbeitshaus Half-Moon-Alley. Heute möchte ich mich auch nicht darüber beklagen, ich hätte es wahrlich schlechter treffen können. Harriet Channing achtete, neben Reinlichkeit und Demut, auch auf eine gewisse Bildung. Das bedeutete einen großen Vorteil gegenüber anderen elternlosen Kindern. Von meinem sechsten bis zum dreizehnten Lebensjahr erhielt ich pro Tag eine Stunde Unterricht in Lesen, Schreiben und Rechnen. Dabei bewies ich eine rasche Auffassungsgabe, und ich verfügte über ein gutes Gedächtnis. Schon bald brachte mir Schwester Agnes hin und wieder ein kleines Buch aus der Bibliothek des Kirchspiels mit. Uns war es zwar streng verboten, diesen Raum zu betreten, doch Schwester Agnes hatte meinen Wissensdurst bemerkt.
»Unsere Möglichkeiten, Wissen zu vermitteln, sind beschränkt, doch aus Büchern kannst du alles lernen, was du möchtest.«
Wir achteten darauf, dass Mrs. Channing nichts davon erfuhr. Instinktiv wusste ich, dass sie es nicht gutheißen würde.
Was das Essen betraf, wurden wir nicht verwöhnt. Wenn ich an die Jahre im Arbeitshaus zurückdenke, so fällt mir in erster Linie ein, dass ich eigentlich immer hungrig war. Wochentags gab es Haferbrei, wässrige Gemüsesuppe, dunkles, trockenes Brot, manchmal einen Apfel oder eine Birne und Wasser. Nur am Sonntag nach dem Kirchgang wurde das Mittagessen zu einem Festmahl. Das Stück Rind- oder auch Schweinefleisch war zwar meistens zäh, die Kartoffeln zerkocht und das Gemüse geschmacklos, dennoch mundete es mir wie das zarteste Filet. Allerdings war es mir immer zu wenig. Ich weiß nicht, welcher Teufel mich damals an einem Sonntag geritten hat. Ich muss etwa zwölf, dreizehn Jahre alt gewesen sein. Nachdem ich mein karges Mahl verspeist hatte, war ich aufgestanden, nach vorne zu Mrs. Channing getreten und hatte ihr den leeren Teller entgegengestreckt.
»Bitte, ich möchte noch eine Portion!«
Alle in dem großen Saal hielten die Luft an. Mrs. Channing wurde erst bleich, dann schoss eine flammende Röte in ihre eingefallenen Wangen.
»Wie kannst du es wagen, du ungezogenes Kind!«
Sie erhob drohend die Hand. Einen Moment lang fürchtete ich, sie würde mich schlagen, und zog den Kopf ein, doch Mrs. Channing packte mich so fest am Oberarm, dass dort noch Tage später dunkle Male zu sehen waren, und zerrte mich hinter sich die steile Stiege zum Dachboden hinauf. Dort wurde ich für drei Tage in eine dunkle Abstellkammer voller Gerümpel gesperrt. Es gab keine Heizung, kein Wasser und auch keine Toilette. Einmal am Tag wurden mir von einem schweigsamen Mädchen ein Krug Wasser und ein Kanten trockenes Brot durch die Tür geschoben. Nach meiner Gefangenschaft musste ich in der Kirche mehrere Stunden auf den Knien verbringen und Gott für meine Sünden um Verzeihung bitten. Hochwürden Dickens ließ mich dabei nicht aus den Augen. Nach diesem Vorfall bat ich Mrs. Channing niemals wieder um etwas, doch die Nächte, in denen ich vor Hunger nicht einschlafen konnte, kann ich heute nicht mehr zählen.
Ansonsten war ich ein gehorsames Kind, betete fleißig jeden Morgen und Abend, so dass ich der Überzeugung war, dass meine Eltern allen Grund hatten, auf mich stolz zu sein. Ja, ich war gehorsam ... bis auf ein weiteres Mal! Die Strafe, die ich dafür erhielt, war so grausam, dass sie den Rest meines Lebens prägen sollte. Was waren dagegen ein paar Tage Gefangenschaft auf einem zugigen Dachboden?
»Es war der Wille Gottes, dich für deine Sünde zu bestrafen«, hatte Mrs. Channing streng bemerkt. »Es wird dir hoffentlich eine Lehre sein.«
Die meisten Mädchen verließen im Alter von vierzehn, fünfzehn Jahren das Arbeitshaus. Entweder gingen sie in die Fabriken, oder sie fanden eine Anstellung als Küchenmädchen in den herrschaftlichen Häusern der Stadt. Jungen war ein solch langer Aufenthalt nicht vergönnt. Waren sie kräftig genug, wurden sie nicht selten bereits mit sieben Jahren zu einem Kaminkehrer in die Lehre gegeben. Dann mussten sie durch die Schlote kriechen, um diese von innen zu reinigen. Oft geschah es, dass die Kinder dabei abstürzten und in das heiße Feuer fielen.
Viermal im Jahr kamen Männer ins Arbeitshaus, die sich unter den Mädchen die größten und kräftigsten für diverse Anstellungen heraussuchten. Eine der Schwestern hatte mir einmal das Buch Onkel Toms Hütte zum Lesen gegeben. Seitdem verglich ich die Auswahl der Arbeitskräfte mit einem Sklavenmarkt, hütete aber meine Zunge, etwas Diesbezügliches zu äußern. Auch ich saß jedes Mal, wenn die Männer kamen, auf einem Stuhl in der Halle und malte mir aus, welches Bild sie sich wohl von mir machten, sofern sie sich mich überhaupt anschauten. Sie sahen ein junges Mädchen, hoch gewachsen und sehr schlank, mit mausbraunem, glattem Haar und einem durchschnittlichen Gesicht, das weder zu rund noch zu schmal war. Hin und wieder sprach mich einer an, der mir eine Stellung offerieren wollte. Dabei beobachtete ich, wie er meine Hände mit den feingliedrigen Fingern und den ovalen Nägeln kritisch musterte. Aber wir alle hier waren an harte Arbeit gewöhnt, Putzen, Wäschewaschen oder die Gartenarbeit wurden von uns Waisen erledigt. Deshalb nickte der Betrachter meist wohlwollend, wiesen doch die Schwielen an meinen Händen darauf hin, dass ich zupacken konnte. Aber spätestens, wenn ich mich erhob, huschte ein Erschrecken über ihre Gesichter, und schnell wandten sie sich dem nächsten Mädchen zu. Wer wollte schon jemanden einstellen, der offensichtlich ein Bein nachzog?
Ich war elf Jahre alt, als die Königin ihr goldenes Thronjubiläum feierte. Es war uns – natürlich unter strengster Aufsicht – erlaubt worden, den pompösen Zug durch die Straßen zu bestaunen. Viel zu schnell war es vorbei, doch ich hatte einen kurzen Blick auf die Königin erhaschen können. Trotz des feierlichen Anlasses war sie wie üblich ganz in Schwarz gekleidet, einzig die weiße Schleierhaube stach den Zuschauern aus dem Dunkel der geschlossenen Kutsche ins Auge. Sie lächelte nicht, hob nur ab und zu die Hand, um ihren getreuen Untertanen zuzuwinken. Den ganzen Tag feierten die Londoner ausgelassen, durch die dicken Mauern des Hauses drangen bis in den späten Abend Musik und Lachen von der Straße herein.
»Da draußen ist es so lustig, ich wünschte, ich könnte dabei sein!«
Mit sehnsüchtigem Blick stand Katherine am Fenster und starrte in die Dunkelheit. Ich trat neben sie, doch außer einem fernen Lichtschein war von der Fröhlichkeit, die auf den Straßen herrschte, nichts zu sehen. Katherine, drei Jähre älter als ich, würde in zwei Wochen in eine Waffenfabrik nach Wapping gehen. Sie war, nachdem ihre Eltern beide an einem Fieber gestorben waren, vier Jahre im Arbeitshaus gewesen.
»Warum gehen wir dann nicht nach draußen?«, mischte sich nun Enid in das Gespräch. Sie und Katherine waren bereits junge Mädchen, während ich noch ein kleines Kind war.
»Wir dürfen das Haus nicht verlassen! Außerdem ist das Tor schon längst verschlossen«, sagte ich.
Katharine lachte.
»Das ist es immer, sobald es dunkel wird! Aber glaubst du, das hat mich jemals daran gehindert, Spaß zu haben?«
Ich schüttelte verwirrt den Kopf. Aber vielleicht durfte man ja, wenn man älter war, Dinge tun, die sonst von den Schwestern streng verboten waren? Enid klatschte in die Hände.
»Ja, lass uns gehen! Das ganze Land feiert seine Königin, nur wir sind hier wie in einem Gefängnis eingesperrt!«
»Aber wie wollt ihr das Haus verlassen?«, wandte ich ein.
»Im südlichen Garten steht ein Apfelbaum. Mit etwas Geschick gelangt man über seine Äste auf die Mauer. Auf der anderen Seite ist dann ein weiterer Baum, über den man hinunterklettern kann. Man muss nur aufpassen, dass sich niemand in dem angrenzenden Kirchgarten befindet.«
Mein Herz begann aufgeregt zu klopfen.
»Aber ist das nicht schrecklich gefährlich?«
Katharine lachte und strich mir mitleidig übers Haar.
»Natürlich ist es gefährlich, du Baby! Aber sonst wäre es auch nicht interessant, oder? Was soll mir schon geschehen, wenn die Schwestern mich erwischen? In wenigen Tagen verschwinde ich sowieso von hier.«
Bis heute weiß ich nicht, ob Katherine und Enid mich aufforderten, sie zu begleiten, oder ob ich mich einfach den älteren Mädchen anschloss. Auf jeden Fall hinderten sie mich nicht, auf den Baum zu klettern. Beide hatten die Mauer längst erreicht, ich streckte ein Bein aus, um Halt zu finden, als der Ast unter mir brach. Ich spürte nur einen harten Schlag an meinem Kopf, und ein furchtbarer Schmerz schoss durch mein rechtes Bein.
Als ich erwachte, predigte Harriet Channing von der Strafe Gottes und dass ich dankbar sein sollte, jetzt nicht aus dem Arbeitshaus gewiesen zu werden, obwohl wegen meiner Ungehorsamkeit aller Grund dazu bestand. Aber das Kirchspiel hatte sich dazu durchgerungen, ein verkrüppeltes Kind nicht auf die Straße zu werfen.
Seitdem hinkte ich. Mein Bein war mehrmals gebrochen, und als ich Wochen später wieder aufstehen und erste Schritte machen konnte, war es einige Zentimeter kürzer geworden. Ich habe für mein kleines Abenteuer, das vorbei war, bevor es begonnen hatte, bitter bezahlen müssen.
Aus diesem Grund gab es niemanden, der mich in seine Dienste nehmen wollte. Man traute einer hinkenden Person eben nicht zu, dass sie flink und wendig war. Da ich aber nicht ewig von der Güte der Kirche leben konnte, besorgte man mir eine Näharbeit, die ich im Waisenhaus ausüben konnte. Ich besaß ein gewisses Geschick für Nadelarbeiten. Zweimal suchte ich eine Nähstube in der Stadt auf, um dort meine Arbeit zu verrichten, doch ich brauchte auf Grund meiner Behinderung für den Weg dorthin so lange, dass man mich gleich wieder entließ. Natürlich besaß ich kein Geld, um mit der Pferdetram zu fahren. So waren die Schwestern froh, dass eine Weberei sich bereit erklärte, wöchentlich Hemden und Krägen zu liefern. Tagein, tagaus, von morgens bis abends war es nun meine Aufgabe, Krägen an Hemden zu nähen. Was das Kirchspiel für meine Arbeit bekam, wusste ich nicht. So eintönig diese Aufgabe auch war, ich tat sie gerne, hatte ich doch jetzt das Gefühl, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Manchmal blieb ein Faden übrig, den ich dazu verwandte, ein schlichtes Taschentuch zu besticken. Schwester Agnes machte Hochwürden Dickens darauf aufmerksam, und ich durfte fortan an einer neuen Altardecke mitwirken. Offenbar machte ich meine Arbeit gut, wenn auch kein Lob je mein Ohr erreichte. Meine Zukunft als Näherin war damit beschlossene Sache.
An dem Tag, als das Arbeitshaus für immer seine Pforten hinter mir schloss, löste sich der Nebel nur langsam auf. Doch kaum war ich auf die belebte Straße getreten, kitzelte ein Sonnenstrahl meine Wange. Ich nahm das als gutes Omen für den Aufbruch in ein neues Leben. Nun lag es ganz allein in meiner Hand, welchen Weg ich in Zukunft beschreiten würde.
Der Name Hutsalon Madam Mellyn war großartiger als das Geschäft selbst. Beim Eintreten erkannte ich sofort, dass die ausgestellten Kreationen mehr auf ein Kundenklientel von wohlhabenden Kaufmannsfrauen als auf adlige Damen hinwiesen. Grace Mellyn war eine Frau mittleren Alters. Von Schwester Agnes hatte ich erfahren, dass sie seit dem Tod ihres Mannes vor rund zehn Jahren diesen Hutsalon betrieb. Sie musterte mich von oben bis unten und drückte kurz meine Hand, die ihrige war eiskalt.
»Du kommst also vom Arbeitshaus in St. Mary-le-Bow.« So, wie Mrs. Mellyn es aussprach, hörte es sich an, als sei es eine Schande, Waise zu sein. »Zeig mir das Empfehlungsschreiben!«
Ich tat es und wartete gespannt auf ihre Reaktion. Nicht, dass es für mich die Erfüllung meines Berufswunsches gewesen wäre, in diesem Geschäft zu arbeiten. Doch was blieb mir für eine andere Wahl, wenn ich nicht bettelnd durch die Straßen ziehen wollte? Nach einigen bangen Minuten räusperte sich Grace Mellyn.
»Nun gut. Harriet Channing ist mir persönlich als gute Menschenkennerin bekannt. Sie schreibt, dass du dich recht geschickt mit Nadel und Faden anstellst. Ich hoffe, du bist freundlich, zurückhaltend und rechtschaffend? Ehrlich, sauber und bescheiden?«
»All das, Mrs. Mellyn«, antwortete ich mit gesenktem Blick.
»Madam!«
Ich verstand nicht sogleich und blickte fragend auf.
»Man spricht mich mit Madam an«, wies sie mich zurecht.
Ich nickte. Es war mir zwar neu, dass eine einfache, nicht dem Adelsstand entstammende Frau so angeredet wurde, aber wenn es ihr Wunsch war, würde ich mich selbstverständlich fügen.
»Ich werde es mit dir versuchen, Mädchen. Dein Lohn beträgt einen Schilling, sechs Pence die Woche bei freier Kost und Logis. Du wirst dir das Zimmer im Souterrain mit meinem zweiten Mädchen Kitty teilen.«
Als hätte die Erwähnte hinter der Tür gewartet, betrat sie jetzt den Raum. Auf den ersten Blick weckte Kitty in mir die Erinnerung an Katherine, um ihren Mund lag der gleiche leichtfertige Zug. Ansonsten war sie ein hübsches, dralles Mädchen, kaum älter als ich selbst. Sie zwinkerte mir, wie es schien, verschwörerisch zu, so dass ich mich fragte, wie Kitty wohl mit der gestrengen Grace Mellyn zurechtkam.
»Kitty, das ist Lucille Hardy. Sie wird ab sofort hier arbeiten. Zeig ihr euer Zimmer, damit sie sich frisch machen kann. Ich erwarte euch in zehn Minuten wieder hier. Ist das klar?«
Kitty knickste.
»Selbstverständlich, Madam!«
Wir wandten uns zur Tür, doch Mrs. Mellyn rief mich noch einmal zurück.
»Eines muss ich gleich klarstellen, Lucille, ich dulde keine Männergeschichten! Weder hier in diesem Haus noch außerhalb. Sollte mir diesbezüglich etwas zu Ohren kommen, kannst du sofort deine Sachen packen.« Bevor ich antworten konnte, fiel ihr Blick auf mein rechtes Bein. »Aber ich denke, da brauche ich mir bei dir ohnehin keine Sorgen zu machen.«
Ich fühlte, wie mir die Röte in die Wangen schoss. Deutlich hatte mir ihr Blick zu verstehen gegeben, dass sie es für ausgeschlossen hielt, dass sich je ein Mann für mich interessieren würde. Warum sollte ich es ihr verübeln? Ich hielt es ja selbst für unmöglich.
Das Zimmer, das ich mir mit Kitty teilen sollte, lag im Kellergeschoss des Geschäftes und wurde über ein paar Stufen direkt von der Straße aus betreten. Durch das kleine Fenster fiel nur wenig Licht in den Raum, der zweckmäßig und ganz ohne Komfort eingerichtet war. Als Schlafstatt gab es nur ein Bett, das aber für zwei Menschen breit genug war. Außer einem Kleiderschrank, einem Tisch mit zwei Stühlen und einer wackligen Anrichte, auf der eine Waschschüssel stand, war kein Mobiliar vorhanden. Gekocht werden konnte auf einem gusseiserenen Herd in der Ecke. Trotzdem erschien es mir wie das Paradies auf Erden. Endlich hatte ich ein eigenes Reich! Nun ja, fast ein eigenes. Aber ein Zimmer mit nur einem anderen Menschen zu teilen war für mich ein Luxus, den ich niemals zuvor genossen hatte.
Rasch wusch ich mir die Hände und richtete mein Haar. Den Rest des Tages führte mich »Madam« in das Einnähen von Schweißbändern in die Hutkrempen ein. Nach zwei, drei Versuchen kam ich damit gut zurecht. Stolz bemerkte ich, wie Madam wohlwollend nickte.
»Mrs. Channing scheint nicht zu viel versprochen zu haben. Gut, du wirst genügend zu tun haben. Aber du wirst hier im Hinterzimmer arbeiten. Für die Kundschaft bin nur ich, in Ausnahmefällen auch Kitty, zuständig. Ich wünsche nicht, dass du dich vorne im Laden blicken lässt.«
Bitter nickte ich. Ich hatte keinen Zweifel daran, warum ich nicht in Erscheinung treten sollte. Wer wollte schon von einer hinkenden Verkäuferin bedient werden?
Jahrelang an das Nähen gewöhnt, machte es mir nichts aus, den ganzen Tag über Stoffe und Hüte gebeugt zu arbeiten. Kitty und ich saßen bereits vor Sonnenaufgang im Hinterzimmer. Abends fiel ich todmüde ins Bett, so dass ich kaum Gelegenheit hatte, etwas mehr über meine Zimmergenossin zu erfahren. Während der Arbeit hatte Madam das Schwatzen streng untersagt. So vergingen die ersten Tage nahezu schweigsam, und dann war es Sonntag, der einzige freie Tag, den wir hatten. Für mich war es selbstverständlich, den Vormittagsgottesdienst zu besuchen. Während ich mich ankleidete, räkelte sich Kitty verschlafen im Bett.
»Gehst du nicht in die Kirche?«, fragte ich sie.
Sie antwortete mir mit einem verächtlichen Laut.
»Du meine Güte! Sonntag ist der einzige Tag, an dem ich ausschlafen und mich dem süßen Nichtstun hingeben kann! Da kann ich mir wirklich angenehmere Beschäftigungen vorstellen, als dem hirnlosen Geschwätz irgendeines Pfaffen zu folgen!«
Ich fragte Kitty nicht, was sie den Tag über vorhatte, und machte mich auf den Weg. Der Morgen war kalt, aber klar. Auf den Straßen herrschte noch nicht viel Betrieb. Automatisch lenkte ich meine Schritte in Richtung St. Mary-le-Bow, so wie ich es jahrelang getan hatte. Doch dann stockte ich und erblickte eine andere Kirche auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Nein, ich würde nicht dorthin zurückkehren, wo ich hergekommen war. Ich war jetzt frei! Keiner konnte mich länger zwingen, Hochwürden Dickens’ Predigten von Sünde, Tod und Verderben anzuhören! Ich lächelte und straffte die Schultern. Es war einfach, stets den Anweisungen von anderen Menschen Folge zu leisten, einfach und bequem. Doch das war für mich endgültig vorbei! Es stand mir nun frei, eigene Entscheidungen zu treffen. Je eher ich damit anfing, desto besser! Und so betrat ich das mir unbekannte Gotteshaus, aber die Predigt war auch nicht besser oder schlechter als die von Hochwürden Dickens. Als ich die Kirche gegen Mittag verließ, hatte sich das Wetter geändert. Nieselregen und Wind machten ein Umherschlendern wenig attraktiv, darum ging ich zum Salon zurück. Vielleicht war Kitty ja noch da, so dachte ich, und wir könnten gemeinsam etwas unternehmen, vielleicht ein Museum besuchen. Seit jeher war es mein Wunsch gewesen, einmal die Ausstellungen im Britischen Museum zu sehen. Hoffentlich würde es nicht viel Eintritt kosten, denn mit meinem schmalen Gehalt konnte ich mir keine größeren Ausgaben erlauben.
Als ich das Zimmer betrat, fuhr ich erschrocken zurück. Ja, Kitty war noch da, sie lag sogar noch immer im Bett, aber sie war nicht allein! Der Mann, der bei meinem Eintreten wie von der Tarantel gestochen in die Höhe gefahren war, war nackt und funkelte mich wütend an.
»Wer zum Teufel ist das?«
Kitty, die nicht die Spur von Verlegenheit zeigte, zog sich die Decke über ihre vollen Brüste.
»Ach, nur meine Mitbewohnerin. Ich dachte, sie würde den ganzen Tag fortbleiben.«
Der Mann sprang aus dem Bett und fuhr in seine Hose, die zerknüllt auf dem Boden lag. Dabei konnte ich nicht umhin, einen Blick auf sein bloßes Hinterteil zu werfen. Sofort stieg mir die Schamröte in die Wangen, schnell drehte ich mich um. Am liebsten wäre ich einfach davongelaufen, aber meine Beine waren wie gelähmt. Zudem war dies hier ebenso mein Zimmer wie das von Kitty. Der Mann drückte sich an mir vorbei. Dabei streifte er meinen Arm, und ich zuckte zurück.
»Ich hoffe, sie ist keine Schwatzbase!« Zu meinem Entsetzen kniff er mir in die Wange. »Kleine, du bist auch nicht zu verachten. Wenn auch etwas mager für meinen Geschmack. Beim nächsten Mal klopfst du aber vorher an!«
Dann war er so schnell verschwunden, dass ich beinahe dachte, einem Trugbild erlegen zu sein, wären da nicht das zerwühlte Bett und Kittys aufgelöste Haare gewesen.
»Wie kannst du nur!«
Sie lachte und verschränkte die Arme unter dem Kopf.
»Komm, hör auf, hier den Moralapostel zu spielen, Lucille! Es tut mir Leid. Ich dachte, an deinem ersten freien Tag würdest du länger in der Stadt bleiben.«
»Es regnet und stürmt«, murmelte ich, kam dann aber auf den Punkt zu sprechen: »Es tut dir also nur Leid, dass ich euch überrascht habe? Nicht, was du getan hast?«
Kittys Blick war der eines Unschuldsengels.
»Die Menschen haben eben unterschiedliche Auffassungen, wie sie den Sonntag verbringen.«
Vom ersten Tag an hatte ich gespürt, dass Kitty etwas Leichtfertiges anhaftete.
»Werdet ihr heiraten?«, fragte ich.
Ich erntete ein erneutes, diesmal spöttisches Lachen.
»Heiraten? Gott bewahre! Er ist bereits verheiratet und hat fünf schreiende Bälger und eine Frau, die aus dem Stillen nicht mehr herauskommt. Da sucht sich jeder gesunde, kräftige Mann eben anderweitig sein Vergnügen.«
Empört schnappte ich nach Luft. Wären Kitty und dieser Mann ihrer Leidenschaft erlegen und hätten nicht mehr warten können, bis sie vor Gott ein Paar waren, so hätte ich dafür gewisses Verständnis aufbringen können, auch wenn ich es nicht billigte. Meine jahrelange, prüde Erziehung unter Hochwürden Dickens und Harriet Channing war dafür zu tief in mir verwurzelt. Dass sich Kitty aber wie ein leichtes Mädchen einfach so wegwarf, konnte ich nicht akzeptieren.
»Warum tust du so etwas, Kitty?«, fragte ich und setzte mich auf einen Stuhl. »Möchtest du nicht auf den Mann warten, der dich von Herzen liebt und dich zu seiner Frau machen möchte?«
Langsam stand Kitty auf und hatte wenigstens den Anstand, sich einen Morgenmantel überzuziehen. Dann ging sie zum Herd und setzte den Teekessel auf. Um ihre Lippen lag ein wehmütiges Lächeln.
»Ach, Lucille! Ich weiß ja, dass dir das Glück der Liebe versagt bleiben wird.« In ihrer Stimme lag Bedauern, und ich wusste, dass sie auf mein verkürztes Bein anspielte. »Aber es gibt eben Frauen, und zu denen gehöre ich, die die Männer brauchen. Genauso wie die Männer Frauen wie mich brauchen. Wir haben beide unseren Spaß, ohne Verpflichtungen, weißt du.«
»Aber was willst du einmal deinem Ehemann sagen?«
Kitty setzte sich ebenfalls und stützte ihr Kinn in die Hände. Grübelnd nagte sie an ihrer Unterlippe.
»Ich glaube nicht, dass ich zur Ehe tauge. Es gibt so viele gut aussehende, starke Männer, wieso sollte ich mich da an einen binden? Jahr für Jahr ein Kind großziehen, mit jedem dicker um die Hüften werden und nichts mehr vom Leben haben, außer Windeln zu wechseln?«
Ich war entsetzt, fühlte aber zugleich eine mir bisher unbekannte Erregung. Natürlich wusste ich, was sich zwischen Mann und Frau unter der Bettdecke abspielte. Na ja, in groben Zügen jedenfalls. Aber das taten doch nur Leute, die verheiratet waren! Deutlich klangen mir noch die Worte von Schwester Agnes in den Ohren, die mich stets vor dem Laster und der Unmoral gewarnt hatte. War Kitty ein so leichtes Mädchen? Nahm sie vielleicht sogar Geld dafür? Ich wagte nicht, sie danach zu fragen. Schließlich lebte und arbeitete ich mit ihr zusammen. Ich erkannte, dass mein Aufbruch in ein neues, unbekanntes Leben nun endgültig begonnen hatte. Was für Abgründe, von denen ich bisher nichts geahnt hatte, würden sich noch vor mir auftun?
»Wie lange geht das schon?«, fragte ich. »Hast du denn keine Angst, dass Madam Mellyn davon erfährt? Sie würde dich sofort auf die Straße setzen!«
Ihre Augen funkelten vor Vergnügen.
»Madam Mellyn? Ach, die ist bei weitem nicht so unschuldig und tugendhaft, wie sie dir vielleicht erscheinen mag. Sie versteht es nur gut, den Moralapostel zu spielen, um ihr Ansehen bei den Kundinnen nicht zu gefährden. Aber wenn du wüsstest ...«
»Wenn ich wüsste? Was meinst du damit?«
Kitty lachte kehlig.
»Unsere nach außen hin so tugendhafte Grace Mellyn befindet sich jeden Sonntag draußen in Chelsea. Bereits vor Sonnenaufgang wird sie von einer komfortablen Kutsche abgeholt, die sie erst spät am Abend wieder heimbringt. Und dabei handelt es sich nicht um harmlose Besuche bei Verwandten.«
»Willst du damit etwa andeuten, dass Madam ...«
»... ebenfalls eine Liaison hat«, vollendete sie meinen Satz. »Irgendein Mitglied des Parlaments. Das darf natürlich niemand wissen, denn der gute Herr verfügt nicht nur über ein herrschaftliches Anwesen irgendwo auf dem Land, sondern auch über die entsprechende Frau samt Kindern darin.«
»Und woher weißt du das?«
»Der Mann, den du mit deinem plötzlichen Erscheinen vergrault hast, ist ein Bediensteter des besagten Politikers. So schließt sich der Kreis.«
Verwirrt schüttelte ich den Kopf. In was für einen Sumpf war ich da hineingeraten? Kitty dachte auch keinen Moment daran, ihre Beziehung zu dem Mann abzubrechen.
»Da du sonntags in die Kirche gehst, schlage ich vor, dass du nicht vor zwei Uhr zurückkehrst«, sagte sie. »Bis dahin gehört das Zimmer mir! Von zwei bis acht Uhr werde ich dann verschwinden, so dass du hier machen kannst, was du willst!«
Empört schnappte ich nach Luft.
»Willst du damit vielleicht andeuten, dass ich ...«
Lachend legte mir Kitty eine Hand auf die Schulter. Ihr Blick ruhte auf meinem rechten Bein.
»Nein, ganz sicher nicht! Aber ich denke, wir können beide mit diesem Abkommen leben, oder? Ich hoffe sowieso, bald genügend Geld zu verdienen, um aus diesem Loch hier herauszukommen. Dann nehme ich mir eine eigene kleine Wohnung!«
Ich fragte Kitty nicht, wie und wo sie zu so viel Geld kommen wollte. Der Verdienst bei Madam würde dazu niemals reichen. Nein, in diesem Moment steckte ich meinen Kopf in den Sand. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass Kitty ihren Körper für Geld verkaufte, dass die Frau, für die ich arbeitete, ein heimliches Verhältnis mit einem verheiraten Mann hatte. Ich wusste nur, dass ich mich so schnell wie möglich nach einer anderen Arbeitsstelle umsehen musste.
Drei Monate später arbeitete ich immer noch bei Madam Mellyn und teilte mir mit Kitty das feuchte, kleine Zimmer. Zweimal hatte ich tatsächlich versucht, anderswo eine Anstellung als Näherin zu finden, doch jedes Mal wurde ich ohne Begründung abgelehnt. Das war gegenüber einer Waise aus dem Arbeitshaus auch nicht notwendig. So arrangierte ich mich mit Kitty, hielt mich an unsere Sonntagsaufteilung und verrichtete im Salon fleißig und sauber meine Arbeit. Längst nähte ich nicht mehr nur Schweißbänder in die Hüte ein. Für die Frühjahrskollektion hatte ich mir etwas Besonderes ausgedacht. Aus Stoffresten und Wollfäden fertigte ich kleine Früchte: rotbackige Äpfel, grüne Birnen, Kirschen, kleine Bananen und sogar Ananasfrüchte. So entstand ein richtiges Obstarrangement, das ich anschließend auf die Krempen nähte. Madam Mellyns Kundschaft war begeistert. Die Kreationen waren so begehrt, dass ich oft bis spät in die Nacht stickte und nähte. Es machte mir nichts aus, denn so hatte ich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Wenn Kitty mir bei der Arbeit zuschaute, wurden ihre Augen rund vor Bewunderung.
»Ich wünschte, ich könnte das auch«, seufzte sie. Sie arbeitete zwar genauso fleißig und korrekt, doch fehlte es ihr an der notwendigen Fantasie, etwas Kreatives auszuprobieren.
Einmal saßen wir im Nähzimmer, das nur durch einen schweren Vorhang vom Verkaufsraum abgeteilt war, als eine Kundin den Laden betrat. Sie wurde von Madam Mellyn überschwänglich begrüßt. Die Frau eines wohlhabenden Bankiers kaufte jede Saison mindestens vier Hüte in dem Salon.
»Madam Mellyn! Sie sind eine wahre Künstlerin!«, lobte die ältliche Dame mit hoher, piepsiger Stimme. »All meine Freundinnen sind begeistert von den Fruchthüten.« Sie kicherte. »So nenne ich Ihre Kreationen. Sie werden in der nächsten Zeit eine Menge zu tun haben, denn ich habe Ihren Salon mindestens einem Dutzend Damen empfohlen!«
»Ich danke Ihnen.« Madam Mellyns Stimme klang demütig, aber es schwang auch eine gute Portion Stolz darin. Ich presste meine Lippen aufeinander und beugte mich tiefer über den Hut, an dem ich gerade eine Efeuranke aufstickte. Die Bankiersfrau lachte erneut.
»Sie sind zu bescheiden, Madam! Viel zu bescheiden! Wer über so viel Kunstfertigkeit verfügt, sollte sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Hier, sehen Sie diesen Hut. Die kleine Ananas ist entzückend, einfach umwerfend! Ich beneide Sie wirklich um Ihre geschickten Finger.«
»Es ist mir eine Freude, wenn meine Arbeit dazu dient, Ihr gutes Aussehen zu verschönern, auch wenn das kaum möglich ist«, biederte Madam Mellyn sich an. Im Hinterzimmer schoss mir die Röte in die Wangen. Nein, ich war nicht böse, dass Madam Mellyn meine Arbeit als die ihrige ausgab, dass sie nicht richtig stellte, dass in Wahrheit nicht sie, sondern eine Angestellte die Obstarrangements kreierte und herstellte. Ich wusste, dass mein Platz im Hintergrund war. Trotzdem gab es mir einen leichten Stich ins Herz.
»Warum sagt sie nicht, dass du es entworfen hast?«, flüsterte mir Kitty zu. »Sie heimst den ganzen Ruhm und auch das Geld für etwas ein, was sie nur dir zu verdanken hat. Du solltest ein höheres Gehalt von ihr fordern!«
»Ich befinde mich nicht in der Situation, Forderungen stellen zu können«, antwortete ich scheinbar gleichgültig und fuhr mit dem Sticken fort, doch ich stach die Nadel fester in den Stoff, zog den Faden straffer an und fragte mich nicht zum ersten Mal, was mich eigentlich noch hier hielt.
Inzwischen war es Frühling geworden, und in den zahlreichen Parks der Stadt erwachte neues Leben. Nach wie vor ging ich sonntags in die Kirche, danach schlenderte ich meistens ziellos durch die Straßen. Gerne stand ich am Ufer der Themse und betrachtete die neu errichtete Brücke mit ihren beiden wuchtigen gotischen Brückentürmen. Zu gerne hätte ich einmal den Fußgängersteg, der in schwindelnder Höhe die beiden Türme verband, erklommen, aber die Besichtigung der Tower Bridge kostete so viel Eintritt, wie ich in einer Woche verdiente. So begnügte ich mich damit, staunend zuzusehen, wie sich mehrmals täglich die breite Fahrbahn hob, um Schiffen die Durchfahrt in den Hafen zu ermöglichen.
Als die Tage wärmer wurden, nahm mich Kitty in den Vergnügungspark Vauxhall am südlichen Ufer der Themse mit. Dort lockten Alleen und überdachte Promenaden Spaziergänger an. In kleinen, grün gestrichenen Erfrischungsbuden wurden Wein und Punsch, Tabak und Schnupftabak, Schinkenaufschnitt und halbe gebratene Hühnchen verkauft. Unter den knospenden Bäumen spazierten jeden Sonntag Scharen von Männern und Frauen. Manche Damen schienen allerdings von zweifelhafter Herkunft und Moral zu sein, denn ihre Wangen waren zu rot und die Kleider zu weit ausgeschnitten, als dass man ihnen Ehrbarkeit nachsagen konnte. Zuerst war ich schockiert, dass Kitty freundlich nach rechts und links grüßte, mal bei der einen, dann bei der anderen »Dame« zu einem Schwätzchen verweilte. Doch die letzten Monate hatten mich gelehrt, dass das wahre Leben, wie es sich mir in London darbot, so weit von den Lehren des Arbeitshauses entfernt war wie der Mond von der Erde. Es dauerte nicht lange, bis zwei Gentlemen – einer offenbar ein Bekannter meiner Zimmergenossin – uns an einen Tisch luden, wo man leichten, hellen Wein servierte. Sie stellten sich als Henry und Peter vor. Bestimmt waren die Namen falsch, ebenso wie ihre fadenscheinigen Anzüge mit den durchgescheuerten Ellenbögen und ausgebleichten Westen darauf schließen ließen, dass sie nur am Sonntag die feinen Herren spielten. Kitty flirtete ohne Hemmungen mit beiden, derweil ich mich zurückhielt. Nur ab und zu nippte ich an dem Wein, denn ich wollte auf jeden Fall einen klaren Kopf behalten.»Sie arbeiten also auch bei Madam Mellyn?«, versuchte Peter ein Gespräch zu beginnen.
»Ja«, antwortete ich einsilbig.
Ich fand den »Herrn« nicht sonderlich attraktiv, auch wenn er auf andere Frauen vielleicht interessant wirkte. Mit seiner schlanken Figur und den gut geschnittenen Gesichtszügen war er gewiss nicht abstoßend, doch die Kinnpartie war zu weich, die Tränensäcke unter seinen grauen Augen waren zu dick, und sein Lachen war zu laut, um Eindruck auf mich zu machen. Am liebsten wäre ich aufgestanden und nach Hause gegangen, aber ich wollte Kitty nicht alleine in der Gesellschaft der Männer lassen, obwohl ich mir sagte, dass sie alt genug sei, um zu wissen, was sie zu tun und lassen hatte. Peter schien meine abweisende Haltung eher zu ermuntern, als dass er das Interesse an mir verloren hätte.
»Kommen Sie jeden Sonntag hierher, Lucille?«, fragte er ganz ungeniert. Es ärgerte mich, dass er einfach meinen Vornamen benutzte. Andererseits hatte Kitty uns auch nur mit diesem vorgestellt.
»Ich habe meine Kollegin begleitet und muss zugegeben, dass es eine schöne Anlage ist«, antwortete ich nun etwas freundlicher. Peter konnte ja nicht wissen, dass ich Kittys »Neigungen« keinesfalls teilte.
Er begann nun, über die zahlreichen Vergnügungen, die London bot, zu plaudern, und ich konnte mich damit begnügen, ab und zu ein »Ach, wirklich?«, »Das ist ja interessant!« oder »Nein, das wusste ich noch nicht« einzuwerfen. Derweil beobachtete ich aus den Augenwinkeln, wie Henry seinen Stuhl so dicht neben Kittys schob, dass sie beinahe schon auf seinem Schoß saß. Er hatte einen Arm um ihre Hüfte gelegt, die andere Hand tätschelte ihr Knie. Kitty sah ihn mit geröteten Wangen und einem Blick an, der mir verheißungsvoll erschien. Henry leckte sich in regelmäßigen Abständen die rissigen, spröden Lippen. Es war eindeutig, welche Absichten er verfolgte. Im nächsten Moment spürte ich, wie Peter seinen Arm um meine Schultern legte.
»Ich denke, wir sollten das Etablissement wechseln«, flüsterte er mir ins Ohr. »Henry und ich teilen uns eine kleine Wohnung ganz in der Nähe. Unsere Vermieterin ist zu Besuch bei Verwandten auf dem Lande.«
Ich erhob mich so ruckartig, dass mein Stuhl polternd zu Boden fiel.
»Was erlauben Sie sich!« Vor Empörung zitterte ich am ganzen Körper und griff nach Kittys Arm. »Komm, ich möchte sofort nach Hause!«
»Spinnst du?«, fauchte mich Kitty an und schüttelte unwillig meine Hand ab. »Wenn dir Peter nicht gefällt, kannst du auch Henry haben. Ich finde euch beide entzückend! Ich denke, wir werden zusammen viel Spaß haben. Sei doch nicht so prüde, Lucille!«
Kess schenkte sie erst Henry, dann Peter ein Lächeln, das in meinen Augen einfach nur ordinär und lüstern aussah. Nein, das war nicht meine Welt und würde es niemals sein! Lieber würde ich meine freie Zeit künftig im Britischen Museum oder in einer öffentlichen Bibliothek verbringen, als noch einmal diesen lasterhaften Garten zu betreten!
»Dann gehe ich eben allein. Du musst selbst wissen, was du tust, Kitty!«
Während ich den dreien den Rücken kehrte und fortging, hörte ich deutlich Peters verächtliche Stimme:
»Die Kleine ist nicht nur verklemmt, sondern auch noch ein Krüppel!«
Worauf Henry kichernd antwortete: »Eigentlich sollte sie froh sein, wenn sich zwei gut aussehende Burschen wie wir herablassen, ihr unsere kostbare Zeit zu widmen.«
Wider Willen schossen mir die Tränen in die Augen. Ich hatte mich zwar bereits daran gewöhnt, von den Menschen wegen meines Ganges verspottet zu werden, dennoch tat es jedes Mal erneut weh.
Vielleicht war es meiner äußerst sensiblen Verfassung an diesem Tag zuzuschreiben, dass ich den Mann am Tor von Vauxhall bemerkte. Normalerweise wäre er mir nicht aufgefallen, doch aufgrund des eben Erlebten meinte ich, jeder Passant würde sich nach mir umdrehen und mich neugierig anstarren. Dieser Mann tat es ohne Zweifel! Zudem fiel auch er mir ins Auge, was nicht an seiner dunkelbraunen, einfachen Kleidung, sondern an der Art lag, wie er den Kopf trug. Sein Hals schien beinahe nicht vorhanden zu sein, es sah so aus, als säße sein breiter Schädel direkt zwischen den Schultern. Als sich unsere Blicke kreuzten, senkte er schnell den Kopf.
Eine Missgeburt hat eine andere getroffen, dachte ich mit einem Anflug von Sarkasmus. Als ich jedoch im Salon angekommen war, hatte ich die kurze Begegnung bereits wieder vergessen.
Erst am kommenden Sonntag wurde ich wieder an den Mann erinnert. Als ich zur Kirche ging, meinte ich für einen Moment, ihn auf der gegenüberliegenden Straßenseite gesehen zu haben. Doch als ich näher hinschaute, war er verschwunden. Während des Gottesdienstes konnte ich mich nicht auf die Worte des Pfarrers konzentrieren, immer wieder schweiften meine Gedanken ab. Ich stellte Überlegungen über meine Zukunft an. Es konnte und durfte nicht mein Ziel sein, den Rest meines Lebens in Madam Mellyns Hutsalon zu verbringen. Aber welche anderen Möglichkeiten boten sich mir? Vielleicht sollte ich versuchen, eine Arbeit in einer der Fabriken im East End zu bekommen? Die Arbeit war zwar schwer, aber gut bezahlt. An diesem Tag verspürte ich wie nie zuvor ein ziehendes Gefühl von Sehnsucht nach einer Familie, nach Menschen, zu denen ich gehörte, von denen ich geliebt und geachtet wurde. Doch das würde mir wohl Zeit meines Lebens verwehrt bleiben. Meine Überraschung stand mir deutlich ins Gesicht geschrieben, als ich beim Verlassen des Kirchenschiffes den geheimnisvollen Fremden mit dem dicken Kopf in der letzten Bank sitzen sah. War es Zufall, dass er den gleichen Gottesdienst besucht hatte? So schnell ich konnte, lenkte ich meine Schritte nach Hause. Ich wusste, dass Kitty heute keinen »Freund« eingeladen hatte. Auf der Straße wandte ich mich mehrmals um. Folgte der Mann mir? Tatsächlich meinte ich, zwei, drei Mal seinen dunklen Mantel in der Menschenmenge zu sehen.
Außer Atem erreichte ich das Zimmer.
»Ich werde verfolgt«, platzte ich vor der überraschten Kitty heraus und schloss die Tür hinter mir ab.
Kitty sprang auf.
»Wie meinst du das?«
Ich deutete mit der Hand nach draußen.
»Ein Mann beobachtet und verfolgt mich! Ich sah ihn letzten Sonntag zum ersten Mal. Heute habe ich ihn in der Kirche gesehen, dann ist er mir hierher gefolgt!«
»Oh!« Kitty drängte sich an mir vorbei und spähte aus dem Fenster. Da gab es außer dem Bürgersteig mit hastig vorbeieilenden Füßen nicht viel zu sehen. »Ist er hübsch?«, fragte sie gespannt.
Wider Willen musste ich lächeln. So war Kitty eben – unbekümmert und unbeschwert.
»Nein, ganz im Gegenteil! Außerdem ist er bestimmt schon fünfzig oder noch älter.« Ich griff nach ihrer Hand. »Kitty, ich bin kein ängstlicher Mensch, aber ich bin überzeugt, dass er mich wirklich verfolgt hat!«
Kitty grinste breit.
»Wahrscheinlich hast du sein Interesse geweckt. Warum auch nicht? Vielleicht ist er ja schrecklich reich, dann muss er nicht unbedingt mehr in der Blüte seines Lebens stehen.«
»Du bist unmöglich!«, hielt ich ihr entgegen. »Wie soll das nur eines Tages mit dir enden?«
Ihre Augen blitzten vor Übermut.
»Nun, ich werde einen reichen Mann heiraten. Vielleicht sogar einen Lord oder Earl! Dann werde ich in einem herrschaftlichen Haus jeden Nachmittag eine Teegesellschaft geben, wozu ich nur die ersten Damen des Landes bitten werde. Wir werden dann kleine zierliche Tassen mit elegant abgespreiztem kleinem Finger zum Mund führen und uns denselbigen über die Londoner Gesellschaft zerreißen. Selbstverständlich wirst du auch eingeladen werden.«
Gerührt schloss ich Kitty in die Arme. Auch wenn die Vorstellungen des Mädchens fern jeglicher Realität, ihr Verhalten mehr als naiv, manchmal sogar ordinär war, irgendwie hatte sie etwas an sich, weswegen ich sie gern hatte. Vielleicht, weil sie der erste Mensch auf der Welt war, der mich nicht spüren ließ, dass mein Hinken mich zum Menschen zweiter Klasse stempelte.
»Wenn du willst, begleite ich dich ins Museum«, wechselte Kitty plötzlich das Thema. »Die alten Mumien würde ich mir gerne noch einmal ansehen. Wenn ich mir vorstelle, dass das wirklich einmal lebende Menschen waren, die geatmet, gelacht und geliebt haben ...«
Erfreut stimmte ich zu, und wenige Minuten später verließen wir das Haus. Von dem Mann war nichts mehr zu sehen, und für den Rest des Tages vergaß ich den seltsamen Fremden.
Ich saß im Hinterzimmer und arbeitete konzentriert, obwohl es beinahe unerträglich heiß war. Seit Tagen brannte die Sonne von einem wolkenlosen Himmel, und die Gerüche der Stadt verwandelten sich in einen furchtbaren Gestank. Jeder, der es sich leisten konnte, war aufs Land gefahren, um dort den Sommer zu verbringen. Nur gut, dass wir bereits an der Herbstkollektion arbeiteten. Durch die Hitze waren meine Finger schweißnass, und ich hätte unmöglich helle, luftige Sommerhüte besticken und benähen können. Mindestens jede halbe Stunde wuschen Kitty und ich uns die Hände, dennoch schwitzten wir bereits nach wenigen Minuten wieder. Madam Mellyn hatte Kitty für einige Besorgungen nach Covent Garden gesandt. Kitty war voller Freude, dem stickigen Laden für einige Stunden entfliehen zu können, gegangen.
Da die meisten Damen des Kundenkreises aus der Stadt aufs Land gefahren waren, war im Salon nicht viel zu tun. Obwohl die Mittagsstunde bereits überschritten war, hatte heute noch keine Kundin den Laden betreten. Madam Mellyn saß in einer Ecke, blätterte in Modezeitschriften und fächelte sich von Zeit zu Zeit Luft zu.
»Vielleicht gibt es heute ein Gewitter«, murmelte sie gerade in dem Moment, als die Türglocke anschlug. Schnell fuhr sie sich glättend über ihr Haar, strich sich über den Rock und trat dann mit einem verbindlichen Lächeln auf dem Gesicht in den Verkaufsraum.
»Guten Tag, Mrs. Mellyn«, konnte ich zu meiner Verwunderung eine männliche Stimme vernehmen. Es kam höchst selten vor, dass ein Herr den Salon betrat, und wenn, dann höchstens in Begleitung seiner Frau, doch ich vernahm keine weitere weibliche Stimme.
»Womit kann ich Ihnen dienen?«, fragte Madam. Deutlich hörte ich ihrem Tonfall an, dass sie über die einfache Anrede »Mrs.« indigniert war. »Suchen Sie etwas für Ihre Frau?«
»Ich bin nicht verheiratet.«
»Ach? Dann vielleicht für Ihre Frau Mutter oder Schwester?«
Madam Mellyns Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass der Kunde offenbar nicht ihrer sonstigen Klientel entsprach. Ich legte den Hut beiseite und erhob mich leise. Neugierig spähte ich durch den Spalt im Vorhang in den Verkaufsraum, um gleich darauf wie von einer Nadel gestochen zurückzuweichen. Im Laden stand der Mann, der mich seit Tagen verfolgte! Es bestand kein Zweifel! Wieder war er in dunkles Braun gekleidet, trug trotz der Hitze einen Schal und einen Hut, der seinen Kopf noch grotesker aussehen ließ. Mein Herz pochte aufgeregt. Was wollte der Fremde von mir? Seine nächsten Worte trugen nicht gerade zu meiner Beruhigung bei, denn er sagte:
»Arbeitet bei Ihnen eine Miss Lucille MacHardy? Vom Arbeitshaus bei St. Mary-le-Bow wurde mir diese Adresse genannt.«
»MacHardy? Es tut mir Leid, aber das Mädchen, das ich großzügigerweise in mein Haus aufgenommen habe, heißt zwar Lucille, aber Hardy mit Nachnamen.« Ich spähte wieder durch den Spalt und sah, wie ihre Miene eine abweisende Haltung angenommen hatte. »Was wollen Sie von ihr?«
Der Mann lächelte, was sein rundes Gesicht gleich etwas freundlicher erscheinen ließ.
»Das, Mrs. Mellyn, würde ich ihr gern selber sagen. Ist Miss MacHardy zu sprechen?«
Madam Mellyn runzelte die Stirn.
»Es ist nicht üblich, dass meine Mädchen hier Männer empfangen«, antwortete sie scharf. »Sie werden mir schon sagen müssen, worum es sich handelt. Schließlich bin ich für das Wohl und Heil der mir anvertrauten Personen verantwortlich!«
Hardy
war