Inhaltsverzeichnis

Was wollen Sie wissen?

Nachbarn: Ein besonderes Verhältnis

Wer sind eigentlich die Nachbarn?

Welche Auseinandersetzungen kann es geben?

Welche Vorschriften gelten?

Streitigkeiten mit zivilrechtlichem Bezug

Streitigkeiten mit öffentlich-rechtlichem Bezug

Den Konflikt lösen

Habe ich überhaupt einen Konflikt?

Der Umgang mit Konflikten

Methoden der Konfliktbeilegung

Die außergerichtliche Streitbeilegung

Was ist Mediation?

Was tun, wenn die Nachbarn unerträglich sind?

Der Gang vor Gericht

Was sagen Recht und Justiz?

Ziviles Nachbarrecht

Hat man denn nirgends seine Ruhe?

Unangenehme Gerüche

Was im und am Haus noch stören kann

Öffentliches Nachbarrecht

Hilfe

Adressen, Kontakte

Abkürzungsverzeichnis

Musterbriefe

Stichwortverzeichnis

Impressum

Was wollen Sie wissen?

Seine Nachbarn kann man sich meist nicht aussuchen, trotzdem sind sie uns im Alltag sehr nahe. Streitigkeiten lassen sich nicht immer vermeiden. Ungelöste Konflikte können im täglichen Umgang sehr belastend sein. Wie lassen sich also Streitigkeiten so beilegen, dass man in Zukunft wieder normal nebeneinander leben kann?

Wie kann ich mich im Streitfall wehren?

Zunächst kommt es darauf an, gegen wen oder was Sie sich wehren müssen. Wer ist eigentlich Ihr richtiger Ansprechpartner? Gehen Sie direkt gegen den Nachbarn vor oder müssen Sie sich an eine Behörde wenden? Es gibt ein großes Angebot an Verfahren der Konfliktbeilegung. Sie reichen von der Selbsthilfe über die beratende Unterstützung bis zur Vertretung vor Gericht oder bei Behörden. Das Kapitel „Den Konflikt lösen“ (Seiten 35 ff.) hilft Ihnen, das passende Verfahren zu finden.

Wer muss die Prozesskosten eines Gerichtsprozesses zahlen?

Die Frage der Streitkosten hängt vom Streitaufwand ab und davon, wie die Auseinandersetzung betrieben wird. Die kostengünstigste Variante ist stets die direkte Auseinandersetzung mit dem Nachbarn. Wenn es zum Gerichtsverfahren kommt, zahlt grundsätzlich derjenige die gesamten Kosten des Rechtsstreits (eigenen Anwalt, gegnerischen Anwalt, Gerichtskosten) über die Instanzen, der im Verfahren am Ende letztlich unterliegt. Bei einem Teilunterliegen beider Streitparteien kann eine quotenmäßige Kostenbeteiligung erfolgen. Bei einem gerichtlichen Vergleich kommt es auf die Vereinbarung an. Üblicherweise werden dabei die Kosten gegeneinander aufgehoben, jeder zahlt seine Kosten selbst. Mehr Informationen zu den Kosten eines Rechtsstreits ab Seite 68.

Mein Nachbar baut auf seinem Grundstück und hält den Grenzabstand nicht ein. Was kann ich tun?

Wenn Sie direkt beim Nachbarn nichts erreichen, können Sie sich an die Baubehörde wenden und einen Antrag auf Baustopp stellen. Eventuell bietet sich auch ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) an und der Widerspruch respektive die Verpflichtungsklage, wenn der Baustopp abgelehnt wird.

Wie kann ich mich gegen eine Baugenehmigung wehren, wenn sie den Betrieb eines Gewerbes ermöglicht?

Der Eigentümer des Nachbargrundstücks hat in einem reinen Wohngebiet eine Baugenehmigung für eine kleine Autowerkstatt erhalten. Ist die Baugenehmigung mit Rechtsmittelbelehrung bekannt gemacht, kann und muss man dagegen innerhalb von einer Monatsfrist Widerspruch bzw. Anfechtungsklage erheben, eventuell einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen (siehe Seite 118). Fehlt eine Rechtsmittelbelehrung oder ist sie fehlerhaft, beträgt die Frist für die Reaktion ein Jahr.

Wie kann ich gegen die Genehmigung einer Hochspannungsleitung in der Nachbarschaft vorgehen?

Ein Stromversorgungsunternehmen plant die Verlegung einer neuen Hochspannungsleitung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens: Wie kann ich dagegen vorgehen? Innerhalb einer Zeitspanne der einmonatigen Auslegungsfrist zuzüglich zwei Wochen müssen Sie zwingend alle Einwendungen geltend machen, da Sie ansonsten ausgeschlossen (präkludiert) sind. Sodann ohne vorherigen Widerspruch mithilfe eines Anwalts vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) oder Verwaltungsgerichtshof (VGH) Klage erheben. Ein Anwalt ist notwendig, da beim OVG und VGH Anwaltszwang herrscht (siehe „Planfeststellungsverfahren“, Seite 113).

Wie kann ich gegen einen Bebauungsplan vorgehen?

Die Gemeinde plant, in Ihrer unmittelbaren Nachbarschaft ein Gewerbegebiet auszuweisen. Sie hat beschlossen, einen Bebauungsplan aufzustellen und hat dies bekannt gemacht. Welche Möglichkeiten stehen mir als Nachbar zu? Innerhalb der Offenlagefrist innerhalb eines Monats können bei der Gemeinde Einwendungen erhoben werden, über die die Gemeinde zu entscheiden hat. Nach dem Satzungsbeschluss durch den Gemeinderat und dessen öffentlicher Bekanntgabe kann durch einen Anwalt (beim OVG/VGH besteht Anwaltszwang) ein Normenkontrollantrag gestellt werden (siehe „Normenkontrolle, Bebauungsplan“, Seite 124).

Lärmendes Gewerbe: Wie kann ich die Gewerbeaufsicht zum Einschreiten veranlassen?

Von der gegenüberliegenden Straßenseite dröhnt jede Nacht bis 2.00 Uhr morgens Musik von einer Bar herüber. Nach 2.00 Uhr, wenn die Gäste gehen, verabschieden diese sich laut, knallen Autotüren und lassen die Motoren aufheulen. All das bringt Sie regelmäßig um Ihre Nachtruhe: Ihre Optionen sind ein Antrag auf Einschreiten der Gewerbeaufsicht, ein Antrag auf Sperrzeitenverlängerung und der Antrag auf Untersagung beziehungsweise Entzug der Gaststättenerlaubnis (siehe „Lärm von Nachbarn“, Seiten 98, 145 ff.)

Nachbarn: Ein besonderes Verhältnis

Nachbarn können sich meist nicht gänzlich aus dem Weg gehen. Das macht nachbarschaftliche Konflikte besonders heikel. Aber wer gilt eigentlich als Nachbar und in welchen Fragen kommt es häufig zum Streit?

Streitigkeiten zwischen Nachbarn kommen in allen möglichen Varianten vor. Dieses Kapitel soll Ihnen zunächst eine einführende Übersicht geben, wo nachbarschaftliche Konflikte auftreten und wie sie einzuschätzen sind. Dabei hat die Frage, wer oder was Nachbarn überhaupt sind, nicht nur eine rechtliche Bedeutung. Sie hat auch eine soziale Relevanz und wirkt sich auf das persönliche Wohlbefinden aus. Schon Gilbert Keith Chesterton, ein englischer Kriminalautor und Journalist, meinte:

Wir machen uns Freunde. Wir machen uns Feinde. Aber Gott macht uns den Nachbarn nebenan.

Doch auch, wenn Sie sich Ihre Nachbarn nicht ausgesucht haben: Sie können selbst bestimmen, welche Rolle die Nachbarin oder der Nachbar in Ihrem Leben spielen. Sie sind ihnen keineswegs schutzlos ausgeliefert.

Wer sind eigentlich die Nachbarn?

Nachbar ist nicht gleich Nachbar. Die Unterscheidungen sind auch rechtlich relevant.

Das Wort „Nachbar“ gibt es seit dem 8. Jahrhundert und bedeutet „Nahewohnender“, also der Mensch, der nebenan lebt. Dies können Eigentümer oder Mieter/Pächter von bebauten oder unbebauten Grundstücken sein, die nebeneinanderliegen; Eigentümer von Wohnungen in einer Wohnungseigentümergemeinschaft, aber auch alle Bewohner eines Mehrfamilienhauses, unabhängig davon, ob dies nun reine Mietwohnhäuser sind oder Häuser, in denen Wohnungseigentümer und Mieter von vermieteten Eigentumswohnungen leben.

Wohnungsnachbarn (Mieter)

Nachbarn einer Wohnungseigentümergemeinschaft (Wohnungseigentümer)

Hausnachbarn (Mieter)

Grundstücksnachbarn (Grundstückseigentümer)

Gewerbetreibende

Öffentliche Plätze oder Einrichtungen

Die Unterscheidung nach der Wohnsituation spielt juristisch eine ebenso große Rolle wie die Unterscheidung nach der Eigentumslage. Es ist ein Unterschied, ob Sie eine Wohnung in einem Mietshaus bewohnen oder ein alleinstehendes Haus. Verständlicherweise ist die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme in einer Wohnanlage größer. Andererseits können Pflichten wie die Hausflurreinigung oder der Winterdienst unter den Bewohnern aufgeteilt werden. In einem Einfamilienhaus gibt es mehr Freiheiten, aber auch keine Möglichkeit, die Lasten oder Pflichten zu teilen.

Auch der rechtliche Status, ob Sie Eigentümer oder Mieter sind, spielt eine Rolle. Ein Mieter kann selbst kaum die Rechte einer durch den Nachbarn verursachten Eigentumsverletzung geltend machen. Wohl kann er als Mieter den Eigentümer der eigenen Wohnung gegebenenfalls veranlassen, die Rechte auszuüben, die zu einer Beseitigung der Störung führen. Die Frage, wer gegen wen gegebenenfalls Ansprüche geltend machen oder in Anspruch genommen werden kann, betrifft die sogenannte Aktivoder Passivlegitimation. Aktivlegitimiert ist immer der- oder diejenige, der/die nach der gültigen Rechtslage Inhaber/in des eingeklagten Rechts ist. Passivlegitimiert ist der-/diejenige Beklagte, der/die aus dem eingeklagten Recht verpflichtet ist.

Welche Auseinandersetzungen kann es geben?

Kommt es zum Streit, ist zuerst eine Frage zu klären: Handelt es sich um einen Konflikt mit den oder wegen der Nachbarn?

Ein Streit kann zahlreiche Anlässe haben. Doch wer ist eigentlich der Gegner? Streitigkeiten zwischen Nachbarn sind alle Auseinandersetzungen, die sich direkt an den Nachbarn selbst richten. Sie erfordern eine direkte Kommunikation mit dem Nachbarn. Juristisch formuliert ist der Nachbar aktiv- oder passivlegitimiert. Er ist also der verantwortliche Träger von Rechten und Pflichten.

Bei den folgenden Streitigkeiten geht es oft um Probleme, die wegen der Nachbarschaft entstanden sind, bei denen aber nicht der Nachbar selbst, sondern die Behörden zuständig sind, um das Problem zu lösen.

So gilt es, beim Bau von Häusern, Garagen oder sonstigen Gebäuden neben den Bestimmungen des öffentlichen Baurechts unter anderem Abstandsflächen oder Fensterrechte zur Verhinderung von Verdunkelungen des Nachbargrundstücks zu beachten. Aber auch nach Errichtung der Bauwerke gibt es oft Ärger, etwa wegen der Gartengestaltung, wegen Bäumen und Sträuchern an der Grundstücksgrenze oder wegen Grillrauch, Rasenmäher- und Laubsaugerkrach.

Sportvereine in direkter Nachbarschaft können durch Geräusche, die bei der Ausübung des Sports selbst entstehen (zum Beispiel Tennis), oder durch Veranstaltungen mit Zuschauerlärm nerven. Selbst Kirchenläuten oder Kuhglocken stören manchen Anwohner.

In Mehrfamilienhäusern gibt es die meisten Auseinandersetzungen wegen Lärmbelästigungen durch Hausarbeit, Kinder, Haustiere, Musik und Feiern, lauten Streit oder auch Sex. Es gibt Streitigkeiten über die Durchführung der Hausordnung oder den Winterdienst.

Über all diese Fälle mussten Gerichte bereits in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen entscheiden. Mehrfach sind Streitigkeiten unter Nachbarn aber auch schon derart eskaliert, dass dann Strafgerichte (öffentliches Recht) über Beleidigungen, Nötigungen, Körperverletzungen und sogar Todesfälle entscheiden mussten.

Welche Vorschriften gelten?

Die Unterscheidung zwischen den Vorschriften des privaten Rechts und des öffentlichen Rechts beeinflusst auch die Frage der zu beachtenden Vorschriften. In der Rechtsbeziehung zwischen Nachbarn gelten die Vorschriften des Zivilrechts.

Nur ein Teil der „normalen“ Beziehungen zwischen Nachbarn ist durch konkrete Gesetze geregelt, die dann aber die Rechte und Pflichten abschließend und ohne Ausnahme regeln.

So finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) die grundsätzlichen Rechte eines Grundstückseigentümers und die Begrenzung des Grundstücks, die Rechte und Pflichten bei gefahrdrohenden Anlagen, drohendem Gebäudeeinsturz oder Grundstücksvertiefungen sowie die Rechte bei Pflanzen an der Grundstücksgrenze, Überbau, Notweg, Zäunen und sonstigen gemeinsamen Einrichtungen (§§ 903–924 BGB). Die genauen Maße der Grenzabstände von Gebäuden oder auch Pflanzen sind in den Bauordnungen, den Ausführungsgesetzen zum BGB (AGBGB) und den Nachbarrechtsgesetzen der Länder geregelt.

Für Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaften gibt es zusätzlich die zum Grundbuch hinterlegte Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung, die verbindlich für alle Mitglieder der Gemeinschaft deren Rechte und Pflichten zum Gemeinschaftseigentum regelt. Auch bestehen meist weitere Hausordnungen, die von der Gemeinschaft beschlossen wurden. Bei Mietwohnungen ergeben sich weiterhin Rechte und Verpflichtungen aus den jeweiligen Mietverträgen und der im Haus bestehenden Hausordnung, die der Vermieter aufgestellt hat.

Vieles ergibt sich aber auch aus dem sogenannten „nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis“. Dies bedeutet: Wegen der nahen Lebensverhältnisse besteht zwischen den Nachbarn eine Sonderbeziehung, die auf gegenseitiger Rücksichtnahme, Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit (Treu und Glauben) beruht (§ 242 BGB).

Die folgenden Beispiele geben Ihnen eine Einführung in die typischen Probleme im Bereich des Nachbarrechts. Nach jeder Falldarstellung werden Lösungsvorschläge unterbreitet. Danach folgt eine juristische Bewertung mit Hinweisen, wie das Recht bei der Durchsetzung der Lösung helfen kann. Zur besseren Übersicht wird zunächst wieder zwischen Fällen unterschieden, die unmittelbar zwischen Nachbarn zu Streitigkeiten führen und das Zivilrecht betreffen, und solchen, die mit Behörden zu tun haben und das öffentliche Recht ansprechen.

Streitigkeiten mit zivilrechtlichem Bezug

Nachbarrechtliche Streitigkeiten enden bei privatrechtlichen Auseinandersetzungen vor dem Zivilgericht. In Ausnahmefällen kann auch die Polizei hinzugezogen werden.

Auseinandersetzungen können schon allein dadurch entstehen, dass zwei Grundstücke direkt nebeneinanderliegen. Wenn zum Beispiel einer der Nachbarn einen Zaun zieht, damit nur noch von ihm Befugte sein Grundstück betreten oder auch darüberfahren können, kann dadurch dem Nachbarn unter Umständen jegliche Möglichkeit genommen werden, sein Grundstück zu erreichen. In anderen Fällen muss das Nachbargrundstück wegen Reparaturarbeiten betreten werden, was vom anderen Nachbarn verhindert wird.

Streit mit dem Nachbarn kann sich auch aus der Anlage und Pflege der einzelnen Gärten ergeben. Der eine liebt Naturgärten, während der andere seinen Rasen und die Beete und Rabatten akkurat hegt und pflegt. Unerwünschter Samenflug oder Blattfall, über die Grenze wachsende Äste, Zweige oder Wurzeln belästigen dann den ordnungsliebenden Nachbarn. Auch Dekorationsstücke wie Gartenzwerge und Ähnliches können stören oder sogar beleidigen.

Ärger verursachen dann auch die Bewohner des Grundstücks. So, wenn Lärm vom Nachbargrundstück beim Mittagsschlaf stört, oder, wenn abends lautstark gefeiert wird, auch während der Nachtruhe. Zusätzliche Belästigungen durch Rauch und Gestank ergeben sich bei Grillfesten, so wie auch die Tiere des Nachbarn stören können, zum Beispiel durch Hundegebell oder durch Streunen auf dem Nachbargrundstück und „Hinterlassenschaften“, die dann beim Rasenmähen unerwünscht umherfliegen.

In Mehrfamilienhäusern, in denen die Menschen noch näher nebeneinander leben, gibt es neben den Lärmbelästigungen dann oft auch Auseinandersetzungen wegen Nichteinhaltung anderer Mieterpflichten, zum Beispiel der Hausordnung.

Wenn unter den Parteien keine gütliche Einigung durch klärende Gespräche möglich ist, so hilft der Blick ins Gesetzbuch. In den §§ 903 – 924 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sind die grundsätzlichen Befugnisse eines Eigentümers festgelegt, so sind auch die Probleme von Überhang, Überbau, Notweg und die Zuführung von „unwägbaren Stoffen“ wie Schall, Rauch, Samen und Ähnlichem geregelt.

Nutzungsrechte

Die gewohnte Zufahrt zum hinteren Grundstück wird blockiert? Ein Problem, wenn dann kein Geh- und Fahrtrecht im Grundbuch steht.

Weitere Vorschriften ergeben sich aus den Ausführungsgesetzen der einzelnen Bundesländer zum BGB oder auch aus vertraglichen Vereinbarungen wie Teilungserklärung, Hausordnung und Mietvertrag.

Im Kapitel „Ziviles Nachbarrecht“ ab Seite 72 werden diese Probleme im Einzelnen ausführlich behandelt, auch werden Hinweise und Tipps zum weiteren Vorgehen gegen den jeweiligen Störer gegeben.

Steigen wir also gleich mal ein in ganz typische Konflikte zwischen Nachbarn.

„Der kommt mir nicht mehr auf mein Grundstück“

Anton ist Eigentümer eines großen Grundstücks am See und teilt dieses in ein direkt am See liegendes und ein davorliegendes Grundstück zur Straße auf, das er an Bruno verkauft. Das Grundstück am See hat keinen eigenen Zugang zur Straße, weshalb Anton und seine Besucher so wie früher immer über das Grundstück von Bruno gehen oder fahren, um vor Antons Haus zu parken. Bruno geht dafür über das Grundstück von Anton zum See. Jahrelang geht dies gut.

Weil aber der Hund von Anton auf dem Grundstück von Bruno ständig sein Geschäft verrichtet und Anton sich daran stört, dass Bruno im Garten hinter seinem Haus oft unbekleidet herumläuft, kommt es zum Streit. Nach einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Anton und Bruno zieht Bruno entlang der Grenze zwischen den beiden Grundstücken auf seiner Seite einen Zaun und versperrt damit den Zugang zum Grundstück von Anton. Er baut jedoch eine kleine Tür ein, damit er durch diese über das Grundstück von Anton zum See gelangen kann.

Anton kann deshalb seitdem sein Wohnhaus weder zu Fuß noch mit dem Auto erreichen, auch können seine Besucher nicht mehr direkt zu ihm gelangen und vor seinem Haus parken. Als Rache versperrt er seinerseits Bruno den Zugang zum See.

Gesetz und Recht: Ein Blick ins BGB ergibt: Gemäß § 903 kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit dieser nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.

Dies bedeutet: Anton und Bruno können es jeweils verbieten, dass Unbefugte ihr Grundstück betreten. Sie können sogar Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs erstatten, wenn andere dieses Verbot missachten. Bruno kann deshalb zum Schutz seines Grundstücks auch einen Zaun ziehen. Soweit dessen Ausführung ortsüblich ist und auch sonst keinen gesetzlichen oder örtlichen Vorschriften widerspricht, benötigt er dazu auch keine Baugenehmigung.

Anton kann jedoch nicht verbieten, dass Bruno sich in seinem eigenen Garten, ohne Einsicht durch die Öffentlichkeit, nackt sonnt oder dort badet. Handlungen auf dem eigenen Grundstück, die das ästhetische oder sittliche Empfinden des Nachbarn verletzen oder sogar den Verkehrswert des Nachbargrundstücks mindern, sind grundsätzlich nicht als Beeinträchtigung zu werten (RG 76, 130/32; BGH 95,307). Hier ist aber letztlich der Einzelfall entscheidend.

Anton kann jedoch nun nicht mehr sein eigenes Grundstück erreichen. Üblicherweise wird deshalb bei der Teilung von Grundstücken in ein Vorder- und ein Hinterliegergrundstück zugunsten des Hinterliegers ein Geh- und Fahrtrecht gemäß § 1018 ff. BGB vereinbart und dieses auch im Grundbuch eingetragen, wobei der Umfang der Nutzung und oft auch eine Beteiligung am Unterhalt des Weges dann einzelvertraglich ausgehandelt werden. Besteht ein solches im Grundbuch eingetragenes Geh- und Fahrtrecht, darf Anton auch über das Grundstück von Bruno gehen und fahren, wie dies auch seine Besucher dürfen.

Im vorliegenden Fall hat Anton bei der Aufteilung der Grundstücke vergessen, sich ein solches Geh- und Fahrtrecht zu sichern. Er ist aber der Ansicht, dass Bruno es weiterhin dulden muss, dass er über dessen Grundstück zu seinem eigenen Haus fährt, schließlich sei dies schon jahrelang so üblich und er habe deshalb bereits aus Gewohnheit dieses Recht. Gemäß Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH V ZR 155/18) müssen Dienstbarkeiten gemäß §§ 1018 ff. BGB wie ein Geh- und Fahrtrecht im Grundbuch eingetragen werden, um wirksam zu sein. Ein Gewohnheitsrecht gibt es hier nicht.

Anton hat deshalb nur noch ein Notwegerecht gemäß § 917 BGB. Danach kann ein Grundstückseigentümer vom Nachbarn verlangen, dass er dessen Grundstück als Zugang beziehungsweise Zufahrt benutzen darf, wenn seinem Grundstück die notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt und er somit sein Grundstück nicht mehr ordnungsgemäß benutzen kann.

Art und Ausmaß dieser Nutzung müssen begründet notwendig sein, bei einem Wohngrundstück ist auch die Zufahrt für Kraftfahrzeuge zur Erreichbarkeit des Grundstücks notwendig (BGH NJW-RR 09/515). So muss es auch möglich sein, dass zum Beispiel Lieferanten für Heizstoffe oder auch Krankenwagen das Anwesen von Anton erreichen können.

Dieses Notwegerecht gilt jedoch nicht für seine Besucher. Wenn die über das Grundstück von Bruno nur fahren wollen, um vor dem Haus des Anton parken zu können, ist dies nicht erlaubt, da nicht notwendig. Besucher haben, wenn in der Nähe auf der Straße eine Parkmöglichkeit besteht, ihr Fahrzeug dort abzustellen (BGH NJW-RR 14,398). Bruno kann zusätzlich für das Befahren seines Grundstücks von Anton eine Notwegrente verlangen.

Die Höhe der Notwegrente bemisst sich gemäß einer Entscheidung des BGH (BGH V ZR 297/89) grundsätzlich nach dem Wertverlust, den der Eigentümer des durch den Notweg belasteten Grundstücks hinnehmen muss, nicht nach dem Vorteil oder dem Nutzen, den der Berechtigte zieht.

Sollten die Parteien von sich aus keine Einigung über die Höhe der Notwegrente erzielen können, so muss hierzu ein Sachverständiger eingeschaltet werden. Er hat den Wertverlust des Verkehrswerts des Grundstücks zu errechnen und dann mit 4 Prozent auf die Dauer von 25 Jahren abzuzinsen (OLG München 7 U 4085/11).

Im Gegenzug kann Anton aber auch in Zukunft verbieten, dass Bruno sein Grundstück betritt, um zum See zu gelangen. Auch hier gibt es kein Gewohnheitsrecht. Auch ein Notwegerecht ist hier nicht gegeben, da das Grundstück von Bruno unmittelbaren Anschluss an einen öffentlichen Weg hat und er über das Grundstück von Anton nur zum See gelangt.

Wie geht es weiter? Wenn sich Anton und Bruno nicht wieder vertragen und gütlich einigen, so bleibt für jeden nur die Möglichkeit, ihre jeweiligen Ansprüche auf Unterlassung gemäß § 1004 ff. BGB beziehungsweise auf Gewährung und Duldung des Notwegerechts gemäß § 917 BGB gerichtlich geltend zu machen.

Was ist die beste Lösung? Das Sprichwort „Rache ist süß“ kollidiert mit dem anderen bekannten „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“. Weil sich Nachbarn kaum aus dem Weg gehen können, kann man wohl davon ausgehen, dass der Racheakt nicht das letzte Lachen ist. Reaktion erzeugt Gegenreaktion. Es beweist Stärke, wenn man trotzdem den Weg in die Verhandlung sucht. Manchmal braucht es zunächst eine Eskalation, um den Nachbarn zum Verhandeln zu zwingen. Dann sollte man aber darauf achten, dass die Eskalation nicht in die Lösung (also das vorgestellte Verhandlungsergebnis), sondern lediglich in die ernsthafte Verhandlung führt.

Wenn die Garage plötzlich nicht mehr genutzt werden darf

Das Notwegerecht ist tatsächlich nur gegeben, wenn das betroffene Grundstück keine andere notwendige Verbindung zu einem öffentlichen Weg hat und es sonst nicht ordnungsgemäß, das heißt rechtmäßig, genutzt werden kann.

Dies mussten auch Hauseigentümer aus dem Raum Aachen erfahren, deren Garagen sich nicht vorne an der Straße, sondern hinter den Häusern befinden. Die Garagen können nur erreicht werden, wenn hierzu über Nachbargrundstücke gefahren wird. Sie stammen aus den 1940er-Jahren, auch belegen Schriftstücke die jahrzehntelange Nutzung und Überfahrt über die fremden Nachbargrundstücke. Außerdem hat auf dem Gelände der gewerbliche Mieter Klempnerbetrieb Röhrich ein Lager und seine Werkstatt. Ein Wegerecht ist im Grundbuch aber nicht eingetragen.

Das Nachbargrundstück, über das zum Erreichen der Garagen gefahren werden muss, wurde veräußert und der neue Eigentümer untersagt das Befahren seines Grundstücks und beginnt sogar mit der Errichtung einer Toranlage, um das Befahren zu unterbinden.

Was ist die beste Lösung? Menschen denken oft nur an sich. Das ist gar nicht negativ gemeint. Das Problem, das sie lösen wollen, sitzt so tief in den Gedanken, dass sie gar nicht an die Konsequenzen denken, die sich für andere ergeben. Im Bewusstsein ist nur die unerträgliche Vorstellung, dass Andere das Eigentum nutzen und ohne Vergütung über das Grundstück fahren. Dann ist der Gedanke im Bewusstsein dominant, dass den Anderen einmal gezeigt werden muss, „wo der Hammer hängt“ – man möchte dem Anderen Schaden zufügen.

Um eine Lösung zu finden, muss man also die Absichten des Anderen kennen. Die wiederum erfährt man nur in einem offenen Gespräch. Im ersteren Fall dürfte es kein Problem sein, den Eigentümer auf die eigene Betroffenheit hinzuweisen, um einen Kompromiss zu finden. Im zweiten Fall wäre es eine zielführende Strategie, sich auf die Betroffenheit des Eigentümers einzulassen, um eine vernünftige Regelung zu finden. Nicht immer sind Gespräche möglich. So wie hier.

Gesetz und Recht: Das Landgericht Aachen und später das Oberlandesgericht (OLG) Köln gaben den Klägern zunächst recht: Sie seien aufgrund von Gewohnheitsrecht zur Nutzung des Weges zum Erreichen ihrer Garagen, zum Transport von Mülltonnen sowie zur Ausübung eines Gewerbebetriebs berechtigt.

Wie der BGH (BGH, V ZR 155/18) entschied, gibt es kein gewohnheitsmäßiges Geh- und Fahrtrecht durch lang andauernde Nutzung, selbst wenn die Nutzung für einen Gewerbebetrieb erforderlich ist.

Den Eigentümern der Garagen und des Gewerbes steht deshalb nur ein Notwegerecht zu, wenn dieses erforderlich ist.

Zur Klärung dieses Notwegerechts und dessen Erforderlichkeit hat der BGH am 20.01.2020 an das Berufungsgericht, das OLG Köln, zurückverwiesen. Eine Entscheidung hierzu ist noch nicht gefallen.

Der BGH hat jedoch festgestellt, dass ein Notwegerecht für einen Gewerbebetrieb voraussetzt, dass das Grundstück nach seinen konkreten Verhältnissen eine gewerbliche Nutzung größeren Umfangs erlaubt, insbesondere unter anderem eine Wareneinlagerung erforderlich und nicht anderweitig möglich ist. Dies hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, der geprüft werden muss.

Inwieweit das Notwegerecht aber auch auf die privaten Garagen zutrifft, ist fraglich. Die Garagen sind nämlich, da ihnen eine Verbindung zur öffentlichen Straße fehlt, von Anfang an mangels korrekter Erschließung rechtswidrig errichtet worden, weswegen auch die Zufahrt zu diesen, wegen der rechtswidrigen Errichtung, nicht unbedingt erforderlich ist.

Wenn das Gericht tatsächlich für den Gewerbebetrieb und die Garagen ein Notwegerecht bejaht, so natürlich wiederum nur gegen Bezahlung einer Notwegrente.

Gemäß Urteil des OLKG Rostock vom 11.06.2020 besteht ein Notwegerecht nicht einmal, wenn im Bebauungsplan bereits Flächen für Geh-, Fahrt– oder Leitungsrechte vorgesehen sind.

Maßgeblich für das Notwegerecht ist ausschließlich, dass der Eigentümer nicht selbst durch eine willkürliche Handlung die Notlage herbeigeführt hat, zum Beispiel durch eine entsprechende Bebauung. Das Hinterliegergrundstück muss von vornherein ohne direkten Straßenanschluss gewesen sein. Ihm kann auch nicht vorgeworfen werden, dass er angrenzende, in seinem Eigentum stehende Grundstücke so bebaut hat, dass nun auch über diese kein Anschluss des Hinterliegergrundstücks möglich ist, da er hier wie ein unbeteiligter Dritteigentümer zu behandeln ist, der dazu ebenfalls nicht verpflichtet wäre.

Rache ist zäh wie Kaugummi

Hans und Rosi, beide um die 50 Jahre alt, beziehen ein Reihenhaus in der Kunststraße am Stadtrand von Neuhausen. Sie bewohnen das Eckhaus. Neben ihnen wohnt Gerda zusammen mit ihrem 18-jährigen Sohn Georg. Gerda ist verwitwet, Georg ist noch in der Ausbildung. Hans vermutet aber, dass er sich hauptberuflich mit Partys beschäftigt. Die Nachbarn wissen nicht viel voneinander, außer dass jede Familie über zwei Autos verfügt. Die Garagen der Häuser liegen direkt nebeneinander, sodass ein Auto in oder vor der Garage geparkt werden kann. Das andere Auto muss auf der Straße geparkt werden. Der Parkraum ist eng und wird durch Pflanzenkübel beschränkt, die der Kunststraße einen wohnlichen Charakter vermitteln.

Eines Morgens möchte Hans sein Auto aus der Garage fahren. Die Zufahrt wird jedoch von Georgs Auto blockiert. Hans ist ärgerlich, denn er muss dringend zur Arbeit. Hans klingelt am Nachbarhaus. „Es gibt sicher eine bessere Möglichkeit sich kennenzulernen“, denkt er.

Gerda erklärt, dass ihr Sohn noch im Bett liege. Hans bittet sie, ihn zu wecken. Als Georg erst nach 15 Minuten erscheint, um das Auto wegzufahren, kann Hans nicht anders, er muss die Situation kommentieren und sagt: „Junger Mann. Etwas mehr Fleiß, Anstand und Rücksichtnahme helfen Ihnen sicher, wenn Sie mal wollen, dass etwas Vernünftiges aus Ihnen wird!“

Am nächsten Tag klebt ein Kaugummi an dem BMW von Hans. Natürlich vermutet Hans, dass Georg diesen Gruß hinterlassen hat. Er kann es aber nicht beweisen, beseitigt also ärgerlich den Kaugummi.

Am Tag darauf klebt ein Kaugummi nicht nur an seinem BMW, sondern auch an dem Twingo von Rosi. Der Verdacht gegen Georg wächst. Hans und Rosi fühlen sich bedrängt, sie sind sicher, dass man sich so etwas nicht gefallen lassen muss. Deshalb schreibt Rosi mit Lippenstift eine Ermahnung auf die Windschutzscheibe des Autos von Georg. „Pass auf!“ sind ihre Worte. Sie hat sie so auf die Windschutzscheibe platziert, dass die Sicht beim Fahren beeinträchtigt wird. Die Situation eskaliert.

Hans informiert das Ordnungsamt über den gesamten Vorfall. Hinsichtlich des Zuparkens wird ihm gesagt, dass man für die vergangenen Fälle nichts machen könne. In Zukunft könne man ja mal vorbeischauen, ob korrekt geparkt wird. Aber weil es nur eine Seitenstraße ist, seien die Chancen schlecht. Für mögliche Sachbeschädigungen sei das Ordnungsamt nicht zuständig. Hans fühlt sich von den Behörden im Stich gelassen. Die Situation wird von Tag zu Tag unerträglicher.

Längst ist es nicht mehr nur der Kaugummi, der an der Windschutzscheibe klebt. Das Lebensgefühl in der Kunststraße wird beeinträchtigt. Hans und Rosi wissen nicht mehr weiter.

Was ist die beste Lösung? Die erste Frage, die Sie sich stellen sollten, lautet: „Habe ich überhaupt einen Konflikt?“ Oder anders formuliert: „Was genau regt mich so daran auf, dass ein Rotzlöffel aus der Nachbarschaft einen Kaugummi auf meine Windschutzscheibe klebt?“

Oft geht es gar nicht um den Kaugummi, sondern um die Frechheit und die damit einhergehende Zumutung. „Was nimmt der sich heraus?“ Man empfindet eine persönliche Zurückweisung.

In einem solchen Fall mag man sich überlegen, wer darüber entscheidet. Ist es der Angreifer oder der, der angegriffen wird? Man mag sich auch fragen, warum man es dem Anderen überlässt zu entscheiden, was für einen selbst Respekt bedeutet und was nicht.

Offenbar ist Hans Einschätzung und Reaktion dem Nachbarsjungen wichtig, sonst müsste er sich nicht so viel Mühe machen, Hans zu zeigen, dass er sich nicht einschüchtern lässt.

Die Frage nach dem eigentlichen Konflikt wird im Kapitel „Den Konflikt lösen“ (siehe Seiten 35 ff.) ausführlicher besprochen.

Versetzen Sie sich in die Situation von Hans hinein: Hier ist die erste Weichenstellung, die Sie zu treffen haben. Spielen Sie das Spiel des Nachbarsjungen mit oder spielen Sie Ihr eigenes Spiel? Geht es um die Sache (also darum, dass die Belästigung in Zukunft unterbunden wird oder um Schadenersatz) oder darum, Respekt einzufordern?

Im ersten Fall sollten Sie überlegen, wie Sie den Nachbarn zu dem gewünschten Verhalten bewegen können. Suchen Sie das Gespräch. Wenn der Nachbarsjunge dafür nicht zur Verfügung steht, sprechen Sie mit Gerda und schildern Sie Ihre Not. Gerda hat sicherlich Einfluss auf ihren Sohn.

Im letzteren Fall sollten Sie überlegen, warum dafür das Verhalten anderer wichtig ist.

Bei jeder Vorgehensweise muss berücksichtigt und bedacht werden, dass eine Aktion eine Reaktion hervorruft und dass sich der Nachbar dann nicht als der agierende (= aggressive), sondern als der reagierende Teil (= Verteidiger) sehen mag.

Bedenken Sie auch, dass Ihre Reaktion für den Nachbarn stimulierend ist. Überlegen Sie bitte, was der Nachbarsjunge wohl macht, wenn seine Angriffe ins Leere gehen und keine Reaktion bei Ihnen hervorrufen? Wer eine Eskalation vermeiden will, sollte also zunächst mit sich selbst im Reinen sein und dann – falls es überhaupt noch nötig ist – das Gespräch suchen.

Gesetz und Recht: Juristisch betrachtet, besteht sowohl für das Ankleben des Kaugummis wie für die Beschriftung mit dem Lippenstift ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB, ein Schadenersatzanspruch nach § 823 BGB, wenn ein Schaden an dem Fahrzeug entstanden ist, oder ein Unterlassungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 BGB), wenn Wiederholungen zu befürchten sind. Ob das Verhalten des Nachbarsjungen in diesem Fall bereits als eine Beleidigung angesehen werden kann, ist mehr als fraglich.

Die Rechtslage ist schwierig. Es muss plausibel nachgewiesen werden können, wer den Kaugummi an die Scheibe klebt. Ein Schaden dürfte kaum entstehen, wenn der Kaugummi restlos beseitigt werden kann. Auch eine Wiederholungsgefahr ist darzulegen.

Wie geht es weiter? Zu empfehlen wäre es, bei einer guten Gelegenheit das Thema in einem Gespräch mit dem Nachbarn anzusprechen. Ideal wäre es, wenn das Gespräch aus einer zwanglosen Situation entwickelt wird. Wenn das Gespräch direkt mit Vorwürfen und Forderungen beginnt, neigt der Gesprächspartner entweder zu Gegenangriffen oder er macht dicht, das heißt, er lässt sich auf die Forderungen gar nicht ein. In dem Gespräch geht es also darum, dass der Gesprächspartner ein Ohr für die eigenen Nöte bekommt. Es ist also geschickt, das Gespräch so zu führen, dass das Thema wie zufällig aufkommt. „Apropos parken: Gestern habe ich in der Zeitung gelesen, dass jemand die Feuerwehrzufahrt im Nachbarort zugeparkt hat. Deshalb sind Menschen gefährdet worden. … Ich habe da übrigens auch ein Problem …“

Immer wieder Hundehaufen!

Das kann richtig teuer werden, wenn der Nachbar Klage vor Gericht erhebt. Ein Tierhalter sollte aber ohnehin verhindern, dass sein Hund den Nachbargarten als Toilette benutzt.

Wenn das nichts bringt, muss man massiver werden. Drohungen sollten immer mit dem Angebot verbunden werden, einen anderen Weg zu gehen: „Ich überlege, dich anzuzeigen. … Was würde sich daraus ergeben? … Vielleicht ist es schlau, wenn wir beide das vermeiden …“

Streunende Hunde und Katzen

Auch Eigenheimbesitzer können wegen ihrer Vierbeiner Ärger mit dem Nachbarn bekommen – vor allem, wenn ihr Hund regelmäßig seine Haufen in dessen Garten hinterlässt

Antons Hund läuft gelegentlich auf das Grundstück von Nachbar Bruno, um dort seine Geschäfte zu verrichten. Bruno ist darüber sehr verärgert, Anton bietet deshalb an, die Hinterlassenschaften jeweils zu entfernen. Dies passt Bruno jedoch nicht. Er erklärt: „Das fehlt noch, dass Sie hier einfach in meinem Garten rumlaufen, um irgendwelche Haufen zu entsorgen! Kommt ja gar nicht infrage, sorgen Sie dafür, dass Ihr Hund nicht auf mein Grundstück kommt, sonst werde ich selbst dafür sorgen.“ Er droht an, den Hund zu vergiften oder zu erschießen. Wenig später wird der Hund verletzt aufgefunden.

Was ist die beste Lösung? Das Thema Hund kann schon deshalb herausfordernd sein, weil Hunde emotional besetzt sind. Für den Hundehalter ist das dann so, als wenn die eigenen Kinder angegriffen werden. Die müssen um jeden Preis beschützt und entschuldigt werden. Themen wie Hundeverhalten können leicht in Grundsatzdebatten enden, sodass sich kaum noch eine Lösung finden lässt. Dann kommen Argumente auf wie: „Ein Hund hat auch Persönlichkeit und ein Recht auf Freiheit“ oder ähnlich. Es lohnt nicht, sich auf solche Argumente einzulassen.

Ein Gespräch ist trotzdem der beste Lösungsansatz. Es ist geschickt, das Gespräch nicht mit dem Reizthema zu beginnen, sondern den Blick des Hundehalters allmählich auf das Problem zu lenken, ohne dass er den Hund in Schutz nehmen muss. Es geht nicht um Schuld, es geht um eine Lösung! Das ist gar nicht so einfach.