Inhalt

Montag, noch 5 Tage und 23 Schulstunden bis zu den Ferien

Freitag, allerletzter Schultag vor den Ferien

Pfingstsonntag, erster Ferientag in den Bergen

Ferienmontag, in den Bergen

Lustiger Überraschungsdienstag, in den Bergen

Eispremieren-Mittwoch, in den Ferien

Letzter Freier-Ferien-Freitag, in Bergaudorf

Cinderella-Samstag, in den Bergen

Wundersonntag, in Bergaudorf

Montag, erster Schultag nach den Ferien

Letzter Schultag, in der Grundschule

Bester Sonntag überhaupt

Montag,

noch 5 Tage und 23 Schulstunden bis zu den Ferien

Oh Mist, das war die Schulklingel! Ich sprinte die Treppen hoch zur 4b. Unser Klassenraum liegt im 3. Stock (!) und ich bin schon wieder zu spät. Und das ausgerechnet heute, wo unsere Klassenlehrerin Frau von Teufel (ja, die heißt wirklich so: Constanze von Teufel) uns eine Überraschung versprochen hat. Also los, nur noch zwei Treppenabsätze.

Oh, ’tschuldigung, in der Hektik habe ich ganz vergessen, mich vorzustellen, also kurz und knapp: Ich bin Milla. Ich wohne mit meinem Papa Max und meinem Hund Lupo in München. Meine Ferien verbringe ich am liebsten bei meinem Indianeronkel Charlie in den Bergen. Ich kann ziemlich große Kaugummiblasen machen und meine Lieblingsfarbe ist Lila. Und ich habe eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, das heißt, mit der Zusammensetzung von Buchstaben stehe ich auf Kriegsfuß. Grummel! Sonst noch was?

Hetz! Noch ein Treppenabsatz und ich muss auch noch den Turnbeutel mit hochschleppen. Schnauf! Das war das zweite Klingeln! Mist Katze! Alle Türen sind schon zu. Verflixt!

»Mit dir wird es nie langweilig«, sagt Papa immer. Ich weiß nicht, ob er das immer so gut findet, aber es stimmt. Ich bin immerhin in, Schatzsucherin, Indianernichte und Geschichtenerfinderin.

So, endlich oben, nur noch den Gang runterlaufen. Ich werde euch alles verraten, also macht euch auf was gefasst – denn jetzt kommt eine wirklich unglaubliche Geschichte, die aber genau so passiert ist! Großes ehrenwort!

Aber erst mal stehe ich vor der Tür zu unserem Klassenraum und höre, wie drinnen gelacht wird. Ich atme einmal tief durch und drücke die Klinke runter. Langsam mache ich die Tür auf – vielleicht hat Frau von Teufel ja noch gar nicht bemerkt, dass ich fehle, und ich kann mich ganz unauffällig hineinschleichen? In der Klasse herrscht ein totales Chaos, alle rufen, lachen und turnen durcheinander. Angie (meine liebste, beste, coolste Freundin for ever) trägt eine Krone auf dem Kopf, Finn einen roten Umhang und Nayra und Louis einen angeklebten Bart und bunte Perücken. Frau von Teufel schreibt irgendwas an die Tafel. Niemand bemerkt, dass ich zu spät komme . Ich gehe gleich zu Angie und frage, was denn hier abgeht.

»Theaterprojekt«, flötet sie mir entgegen, macht eine Pirouette und fügt hinzu: »Egal welches Stück, ich spiel die Prinzessin

»Prinzessinnen sind langweilig«, sage ich und schiele dabei auf ihre Krone. Die ist schon ziemlich schön (mit Glitzer und bunten Steinen!) und die würde mir mit meinen dunklen Locken bestimmt auch super stehen.

»Egal«, sagt Angie noch mal und wirft mir eine Kusshand zu. »Sag ›Königliche Hoheit‹ zu mir.« Ich tippe mir an die Stirn und kann gerade noch Louis abwehren, der mir einen Räuberschlapphut aufsetzen will. Da schlägt Frau von Teufel auf ihren Gong. Das ist das Zeichen, dass wir still sein sollen. Funktioniert manchmal – heute aber auf jeden Fall nicht. Also versucht sie es noch mal. Jetzt haben es alle gehört, halten die Klappe, setzen sich auf ihre Plätze und schauen erwartungsvoll zu unserer Superlehrerin. Und das ist sie wirklich! Natürlich müssen wir auch all das langweilige Schulzeug lernen, aber Frau von Teufel findet einfach immer einen Weg, dass es Spaß macht und aufregend ist. Wir machen Experimente, denken uns Sachen aus und dürfen alles ausprobieren, was uns interessiert. Einmal sind wir auf den Alten Peter* gestiegen (*das ist ein Kirchturm in München direkt neben dem Viktualienmarkt) und haben ausprobiert, was passiert, wenn man ein Ei und eine Kartoffel gleichzeitig nach unten wirft. Ist das Ei schneller unten oder die Kartoffel? Ich verrate jetzt nicht, was passiert ist – außer, dass Frau von Teufel mächtig Ärger bekommen hat, weil das Ei auf dem Kopf eines Polizisten und die Kartoffel in der Sahnetorte einer feinen Dame gelandet ist. Sorry!

Also: Wir sind alle gespannt, was die Teufel sich für unser Theaterprojekt ausgedacht hat.

»Guten Morgen, 4b«, sagt sie feierlich.

»Guten Morgen, Frau von Teufel«, antworten wir im Chor.

»Hey, ; Milla ist auch schon da, dann können wir ja anfangen.«

, sie hat wohl doch gemerkt, dass ich zu spät war. Oder sagt sie das nur, weil ich relativ häufig (also fast immer) zu spät komme? Bei Papa und mir ist morgens einfach zu viel los, erst stehen wir zu spät auf und dann kommt eins zum anderen und es wird immer schlimmer, also immer später. Egal. Ich versuche es einfach wegzulächeln – und Frau von Teufel zwinkert mir zu.

»Ihr fragt euch sicher schon, welches Theaterstück ich für uns ausgesucht habe?«, fängt sie an.

Ja, und wie. Die Theaterstücke, die die vierten Klassen am Ende des Schuljahres aufführen, sind immer legendär. Ein Riesenspektakel, letztes Jahr gab es sogar einen Bericht in der Zeitung darüber – mit Bild.

Aber unsere Lehrerin macht es spannend. »Ich würde mal sagen, es ist ein echter Klassiker – jeder von euch kennt es.«

»Romeo und Julia«, rät Helena und alle lachen.

»Das fliegende Klassenzimmer«, schlägt Louis vor.

»Das wäre !«, bestätigt sein Kumpel Abdul.

»Nee, gar nicht, es muss auf jeden Fall eine Prinzessin haben«, erklärt Angie, immer noch mit dem Krönchen auf dem Kopf. Aber die Jungs stöhnen laut auf und sagen, sie haben weder Bock auf Prinzessinnen noch auf Königinnen. Da protestiert Angie natürlich entschieden und alle beginnen laut durcheinander zu diskutieren.

Frau von Teufel beobachtet das Ganze höchst amüsiert und grinst.

»Soll ich es verraten?«, fragt sie ganz leise.

»Ja!«, rufen alle, »ja, klar, bitte!« Und dann wird es so still, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte.

Schwungvoll öffnet Frau von Teufel beide Seiten der Tafel. Ta-da! Ich starre, wie alle anderen, nach vorne und versuche, möglichst schnell zu begreifen, was dort steht. Eigentlich kann ich mittlerweile trotz meiner Lese-Rechtschreib-Schwäche ganz gut lesen, ich bin ja auch schon in der 4. Klasse und zehn Jahre alt. Aber wenn ich aufgeregt bin, verwandeln sich die Buchstaben vor meinen Augen trotzdem immer noch in kleine, fiese Ameisen. Sie grinsen mich an, machen sich über mich lustig und wollen mich ärgern. Voll nervig! Die gemeinen Krabbelviecher verdrehen vor meinen Augen Buchstaben, lassen andere verschwinden oder tauschen sie aus, bis die Wörter gar keinen Sinn mehr ergeben. Deshalb bin ich nicht so schnell im Lesen wie die anderen und höre schon das Stöhnen und Grummeln meiner Klassenkameraden, bevor ich endlich entziffert habe, dass dort steht. Echt jetzt? Das soll unser Theaterstück sein?

»Cinderella heißt doch Aschenputtel auf Englisch«, ruft die schlaue Helena.

»Aschenputtel?«, protestiert Angie, die neben mir sitzt. »Nicht Ihr Ernst, Frau von Teufel, oder? Das ist doch was für Babys!«

»Ja, wir sind doch nicht im Kindergarten!«, beschwert sich jetzt auch Nayra. Unmut und Enttäuschung macht sich in der Klasse breit. Voll blöd! So ein Babykram! Langweilig!

»Nur weil du eine Prinzessin wolltest«, schimpft Louis und wirft Angie seine blaue Lockenperücke entgegen. Ich kann sie gerade noch aufhalten, als sie ihm im Gegenzug die Kirschtomaten aus ihrer Brotbox an den Kopf pfeffern will – stattdessen streckt sie ihm dann die Zunge raus. Ich lache, dabei bin ich genauso enttäuscht wie die anderen. Ich mein, Aschenputtel? Das soll unser Abschluss-Theaterstück sein? Menno! Das ist ja wohl nicht wahr! Ich bin maßlos enttäuscht. Wir wollten ein anspruchsvolles Stück, nicht so ein Baby-Märchen-Quatsch. Warum dann nicht gleich Hänsel und Gretel? Oder Schneewittchen und die sieben Zwerge? Wer will denn so was sehen? Damit kommen wir ganz sicher nicht in die Zeitung. Höchstens in der Rubrik: Peinlichstes Theaterstück einer vierten Klasse ever!

Alle regen sich fürchterlich auf. Nur unsere Lehrerin lächelt immer noch still in sich hinein. Ich wette, Frau von Teufel hat einen genialen Plan. Also besser gesagt, ich hoffe inständig, sie hat irgendeinen Plan!

Schließlich holt sie tief Luft und fragt: »Wisst ihr eigentlich, was Klischees sind?«

Schlagartig sind alle still und starren sie an. Was soll das denn jetzt? Ich dachte, es geht um das Theaterstück. Die schlaue Helena meldet sich und antwortet: »Klischees sind, wenn man sagt: Mädchen verstehen nichts von Fußball oder Jungen können besser Sachen am Computer machen.«

»Was verstehst du denn von Fußball?«, mischt sich Abdul ein und alle lachen. Alle außer unserer Lehrerin, die gibt Helena recht. »Ja, , genau solche Vorurteile sind Klischees. Aber wie bei einem Vorurteil stimmt ein Klischee nicht unbedingt mit der Wirklichkeit überein, man nennt es deshalb auch ein ›Stereotyp‹.«

»Was für’n Typ?«, fragt mich Angie. Ich zucke mit den Schultern.

»Ein Typ mit einer Stereoanlage?«, sage ich und alle lachen.

» Stereotype sind vereinfachte Vorstellungen, die wir über eine bestimmte Gruppe von Leuten haben. Zum Beispiel, dass in Bayern alle die ganze Zeit Lederhosen tragen, Bier trinken und bayrisch sprechen – das ist ein Stereotyp. Fallen euch noch mehr Klischees oder Stereotypen ein?«

»Mädchen verstehen nichts von Technik«, ruft Nayra rein, »das sagt mein Bruder immer, aber es stimmt gar nicht!« Frau von Teufel nickt und nimmt Louis dran, der sich aufgeregt meldet: »Oder, dass Männer nicht kochen können. Stimmt nämlich nicht, weil mein Papa kocht viel besser als meine Mutter.«

Frau von Teufel nickt wieder. »Ja, , genau so was meine ich. Diese Aussagen beruhen nicht auf Beweisen, sondern auf Vorurteilen.«

»Aber was hat das mit Aschenputtel zu tun?«, fragt Angie ein bisschen gelangweilt.

»Ganz einfach, in Aschenputtel gibt es ganz viele Klischees, wie in jedem Märchen. Ich habe mir gedacht, wir versuchen erst mal, die alle mal zu finden und das Märchen dann umzuschreiben und etwas ganz neues draus zu machen. So was wie . Was meint ihr?«

Wir schauen uns an. So ganz vorstellen kann sich keiner etwas darunter. Und irgendwie hört sich das auch nach richtig viel Arbeit an. Warum können wir nicht einfach ein fertiges Theaterstück aufführen? Aber Angie sieht das anscheinend ganz anders, sie hat immer noch das Krönchen auf dem Kopf und grinst wie ein Honigkuchenpferd.

Frau von Teufel holt ein dickes altes Märchenbuch aus ihrer Lehrertasche und hält es hoch: »Ich dachte, wir lesen erst mal das alte Märchen. Wer möchte vorlesen?«

Vorlesen vor der ganzen Klasse, das ist mein absoluter Albtraum. Ich hasse es. Ich kann es nicht und ich werde es auch nie können, so viel ist sicher. Also rutsche ich unauffällig tiefer den Stuhl herunter und versuche, mich unsichtbar zu machen. Frau von Teufel weiß, dass ich nicht vorlesen mag, aber ab und zu nimmt sie mich trotzdem dran, um mir ›Mut zu machen. Funktioniert aber nie. Ich finde es furchtbar peinlich, laut vorlesen zu müssen, denn ich lese immer noch viel langsamer als die anderen und verlese mich dauernd und mache ganz blöde Fehler, über die dann alle lachen, weil die angeblich so lustig sind. ! Ich halte die Luft an. Meine Lehrerin schaut sich um und lächelt in meine Richtung. Bitte nicht. Ich schüttle den Kopf, um zu zeigen, dass ich auf keinen Fall vorlesen möchte. Dann nimmt sie Abdul dran, der hinter mir sitzt und sich gemeldet hat. Puh! Glück gehabt.

Abdul kann super vorlesen, richtig mit Betonung und verschiedenen Stimmen. Wenn er vorliest, macht es wirklich Spaß zuzuhören, und deshalb sind jetzt alle still. Abdul weiß, dass alle ihn anschauen und warten, aber er hat keine Angst, er findet das toll. Ich glaube, er lässt sich extra viel Zeit dabei, das Buch aufzuschlagen und die richtige Stelle zu suchen, weil er es genießt, im Mittelpunkt zu stehen. So was kann ich überhaupt nicht verstehen.

»Einem Mädchen war die Mutter früh gestorben und jeden Tag ging es zu ihrem Grab und betete«, liest Abdul. Ich merke, wie Angie mich mitleidig anschaut, und brauche einen Moment, bis ich verstehe warum. Meine Mutter ist auch gestorben, als ich noch klein war. Sie liegt in einem Grab in Bergaudorf, das ich immer besuche, wenn ich dort bin – nur mit dem Beten habe ich es nicht so. Ich schlucke und höre zu, wie Abdul weiterliest. Aschenputtel hat ein schweres Leben, die Stiefmutter ist sehr böse, genauso wie ihre Stiefschwestern, aber das wisst ihr ja sicher alles selber. Wie gesagt, jeder kennt die Geschichte: magische Haselnüsse, Wunscherfüllungs-Täubchen, Töpfchen/Kröpfchen, Prinz. Bäumchen rüttel dich, Bäumchen schüttel dich. Rucke di guh, Blut ist im Schuh. Und wenn sie nicht gestorben sind … dann leben sie noch heute.

Als Abdul fertig mit Vorlesen ist, applaudieren wir alle, weil er es aber auch richtig gut gemacht hat.

»Sind euch denn bei Aschenputtel noch mehr Klischees und Stereotypen aufgefallen?«, ermutigt uns Frau von Teufel.

»Die böse Stiefmutter«, rufe ich, ohne mich zu melden, denn es regt mich wirklich auf. »Warum sind Stiefmütter im Märchen immer böse? Das ist doch ein Schmarrn. Es gibt doch auch voll nette Stiefmütter und Stiefschwestern.«

Ich habe mich schon ganz oft darüber geärgert, denn ich wünsche mir schon lange eine Stiefmutter, eine nette natürlich. Und gegen ein paar nette Stiefschwestern hätte ich auch nichts einzuwenden.

Helena gibt mir recht: »Ja, das ist totaler Blödsinn, meine Stiefmutter ist und ich finde sie und manchmal mag ich meinen Halbbruder viel lieber als meine Ganzschwester.« Helena hat eine ganz große Patchworkfamilie. »Patchwork« heißt Flickenteppich, und die Familie wird so genannt, weil ganz viele unterschiedliche Stoffstücke, oder Familienmitglieder, plötzlich was schönes Neues ergeben. Helenas Flicken sind eine Stiefmutter, ein Stiefvater und mehrere Stiefgeschwister.

Louis meldet sich und findet, der Prinz sollte nicht nur schön sein und tanzen, sondern irgendwie cooler sein. Und Angie erklärt, es sei ja wohl total oberflächlich, dass der Prinz sich nur in Aschenputtel verliebt, weil sie so schön ist und tolle Kleider trägt – er kennt sie ja gar nicht wirklich.

»Sie könnte sich von dem Täubchen ja auch ein Handy wünschen oder ne Playstation – das würde dem Prinzen sicher besser gefallen als die schönen Kleider«, schlägt Louis vor und alle lachen.

»Und warum verliebt sie sich in den, nur weil er ein Prinz ist? Das ist ja wohl voll albern«, findet Angie.

»Du wolltest doch unbedingt eine Krone«, sage ich. »Dann musst du halt einen Prinzen heiraten.«

»Oder ein Königreich erobern«, kontert sie und Frau von Teufel lacht laut.

»Ich seh schon, ihr habt tolle Ideen, ich bin sicher, wir schreiben eine supertolle neue Version von Aschenputtel, ganz ohne Stereotypen oder vielleicht mit ganz neuen?«

Und auf einmal klingt die Aschenputtel-Idee doch gar nicht mehr so unspannend. Das kann ja was werden. Pause!

Ich sitze zusammen mit Angie auf der Schulhofmauer, unserem Lieblingsplatz, wenn die Schaukel gerade besetzt ist. Zeit für einen neuen Kaugummiblasenwettbewerb: Angies ist größer, aber dann …  – Die riesige Bubbelgumblase zerplatzt und klebt auf ihrer Nase. Dann bemerken wir, wie sich unter uns unsere alte Lehrerin Frau Lampe mit unserer neuen Lehrerin Frau von Teufel unterhält. Da müssen wir natürlich lauschen – es könnte ja um uns gehen. Wir spitzen die Ohren: Und es geht wirklich um uns, genauer gesagt um unseren »Schulübertritt«. Nach diesem Schuljahr müssen wir ja auf eine andere Schule, weil die Grundschule nur vier Jahre lang dauert. Das ist voll die Mist Katze!

»Also von meinen werden wohl die meisten eine Empfehlung fürs Gymnasium bekommen, das Niveau ist schon sehr hoch«, sagt Frau Lampe. Sie hat die Parallelklasse und gibt immer voll damit an, dass die angeblich so viel besser sind als wir.

Frau von Teufel seufzt. »Es ist so schwierig, jetzt für jedes Kind die richtige Entscheidung zu treffen. Man entscheidet über ihre ganze Zukunft und dabei sind sie erst zehn Jahre alt.«

»Ja, aber bei manchen weiß man eben schon, dass sie es auf einem Gymnasium nicht schaffen würden. Egal, was die Eltern sich wünschen. Nach den Pfingstferien sind die Anmeldungen für die weiterführenden Schulen.«

Was? Schon nach den Ferien? So bald? Bestürzt schaue ich Angie an. Ich habe geahnt, dass diese Entscheidung bald ansteht, es aber bis jetzt erfolgreich verdrängt. Die Vorstellung, die Schule wechseln zu müssen, deprimiert* mich total (*das heißt: traurig machen). Ich hatte schon einmal Angst, in einer (so haben damals alle die Förderklasse genannt!) zu landen, wegen meiner Lese-Rechtschreib-Schwäche, und ich habe keine Lust, jetzt auf eine Idiotenschule gehen zu müssen. Tausend Fragen rattern durch meinen Kopf: Wie erkennt man, was eine Idiotenschule ist? Welche Schulen kommen infrage? Wo gehen meine Freunde hin?

»Ich geh aufs Leopold-Gymnasium«, sagt Angie, »wie die Lucy.« Lucy ist Angies große Schwester, die ist schon länger auf dem Gymnasium und hat immer richtig viele Hausaufgaben.