Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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© 2016 Klaus Mewes

Umschlagbild: © xixinxing Fotolia.com

Umschlagdesign, Satz, Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH

ISBN 978-3-7431-3123-1

Inhalt

Was trieb mich doch zu den Ärmsten, oh Zarathustra? War es nicht der Ekel vor unsern Reichsten?

– vor den Sträflingen des Reichthums, welche sich ihren Vortheil aus jedem Kehricht auflesen, mit kalten Augen, geilen Gedanken, vor diesem Gesindel, das gen Himmel stinkt,

– vor diesem vergüldeten verfälschten Pöbel, dessen Väter Langfinger oder Aasvögel oder Lumpensammler waren, mit Weibern willfährig, lüstern, vergesslich: – sie haben’s nämlich alle nicht weit zur Hure – Pöbel oben, Pöbel unten! Was ist heute noch »Arm« und »Reich«! Diesen Unterschied verlernte ich, – da floh ich davon, weiter, immer weiter, […]

Nietzsche, Also sprach Zarathustra

Fair is foul, and foul is fair:

Hover through the fog and filthy air.

Macbeth, Shakespeare

Für die, die keine Worte haben

An der tiefen Schlucht

Es war schon ziemlich spät, als wir die Schlucht erreichten.

Zu dunkel, um zu sehen, ob sie wirklich so tief war, wie wir glaubten.

Ein gähnendes schwarzes Loch brüllte uns bodenlos an.

Aber es gab kein Zurück mehr.

Der Weg dorthin war mit jedem zurückgelegten Meter ein Stück mehr verschwunden.

Verschwunden in den Tiefen der Erinnerung.

Wir setzten uns nieder und dachten über unsere Lage nach.

War das die von den dunkelsten Ängsten auferstandene Sackgasse, der Pfad ins Nichts?

Plötzlich erschien uns alles so sinnlos. Warum waren wir überhaupt aufgebrochen?

Was war eigentlich das Ziel gewesen? Hatten wir überhaupt ein solches gehabt?

Wie breit war die gähnende Leere vor uns?

Sollten wir uns nicht einfach fallen lassen in der Hoffnung, den Schmerz über diese Ziellosigkeit mit dem Aufschlag zu verlieren? Wer war überhaupt »wir«?

Vorsichtiges Tasten in der Dunkelheit.

Leere?

Vielleicht war auch dieses »wir« nur Illusion gewesen und ich war in Wirklichkeit alleine aufgebrochen …

Alleine. Einsam? Manchmal schon. Eins dieser »Manchmals« mochte jetzt sein.

Inzwischen hatte die Dunkelheit den letzten Rest des Lichtes besiegt.

Verdammte Trostlosigkeit. Gestern noch hatte doch alles so anders ausgesehen.

Wie kann es geschehen, dass sich alles so schnell ändert?

Gott? Zu dunkel.

Bin ich im Nichts?

Ratlos blieb ich am Abgrund stehen. Was sollte ich tun?

Als ich erwachte, war es strahlend hell.

Wärmende Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Ich sah mich um.

Was ich erblickte, war eine bodenlose Tiefe, die ein paar Meter weiter den Pfad im Nichts enden ließ.

Und tausend Brücken, die sie überspannten.

Und beinahe – hätte ich den Glauben verloren!

Prolog

Stille lag über dem Kreuzgang. Die Mittagshore war verklungen und bis zum Vesper-Gebet und dem Komplet, mit dem die frommen Minoriten schließlich ihr Tagwerk beenden würden, war noch reichlich Zeit.

Frater Honorius blickte sinnierend auf den Fluss, der am Fuße des kleines Ortes eine große Schleife bildete und dessen silbrig-glänzendes Band die grüne Landschaft durchtrennte wie das Licht seiner Öllampe die nächtliche Finsternis.

»Seltsam«, dachte er. »Da unten fließt sie träge dahin, die Moldau. Seit Anbeginn der Zeit. Und die Zeit, die uns Menschlein auf Erden gegeben ist, erscheint dagegen wie ein Wimpernschlag Gottes. Warum nur sind wir dazu verdammt, dieses Sandkorn an Zeit, das uns in dem großen Stundenglas zugeteilt ist, damit zu verbringen, in Sünde zu leben?« Unwillkürlich dachte er an seinen Lieblingspsalm aus dem Buch der Prediger. Es stimmte: Ein jegliches hatte seine Zeit und wenn diese Zeit um war, dann war es für gewisse Dinge einfach zu spät. Warum nur nutzten die Menschen ihre Zeit so oft, um die zehn Gebote zu übertreten, anstatt sich an diesen Psalm zu erinnern und gottgefällige Dinge zu tun?

»Na Bruder, denkst du wieder über die Sünden der Menschheit nach?«

Frater Honorius hatte nicht bemerkt, wie sich seine beiden Mitbrüder genähert hatten.

Schon oft hatte er mit Frater Pius und Frater Franziskus über dieses Problem disputiert.

Schließlich war die Sünde ein, vielleicht sogar der zentrale Teil ihres Glaubens und es war ihre Aufgabe, sich damit auseinanderzusetzen.

Vor drei Jahren hatten sie und viele Mitbrüder das Franziskanerkloster in Krumau an der Moldau zur Ehre des Herrn gegründet und seither hatten sie sich unablässig damit beschäftigt, dem Ursprung der Sünden auf den Grund zu gehen.

Natürlich – darin waren sie sich einig – lag dieser Ursprung in der Erbsünde. Alles andere wäre Ketzerei gewesen.

Allerdings durfte man es nicht dabei bewenden lassen. Schließlich gab es sehr viele ganz handfeste und konkrete Sünden, die täglich von den Menschen begangen wurden. Große und kleine – und genau hier lag der Haken: Waren alle Sünden gleich schlecht oder gab es Abstufungen? Gab es schlechtere und weniger schlechte Sünden?

Nach monatelangen Diskussionen hatten sie sich schließlich darauf geeinigt, dass die Sünde nicht als monolithischer Block betrachtet werden durfte. Es schien ihnen vielmehr tatsächlich so, als müsse es Abstufungen innerhalb der Schlechtigkeit geben.

Sie waren daraufhin daran gegangen, die Sünden zu klassifizieren, und hatten weitere Monate damit verbracht.

Erstaunlicherweise hatten sie sich schließlich aber recht schnell darauf einigen können, welche Sünden als die schlimmsten anzusehen waren.

Es waren sieben Sünden, die ihnen als die verwerflichsten Sünden galten, deren sich ein Menschenkind schuldig machen konnte.

»Natürlich!«, gab Honorius jetzt zurück. »Unsere Aufgabe ist es doch, den Menschen dabei zu helfen, möglichst ohne Sünde zu leben. Nur, wie sollen wir sie erreichen? Wir können für die Menschen beten – das ist das Wichtigste. Aber wir müssen es ihnen auch sagen. Leider erreichen wir damit aber nur jene, die uns unmittelbar zuhören können. Was aber ist mit all denen, die weit entfernt leben und uns nicht hören können?«

Pius lächelte: »Frater Honorius, ich kann dich beruhigen. Franziskus und ich haben viel darüber nachgedacht und schließlich ist uns die Lösung eingefallen: Wir werden ein Buch anfertigen, welches dann in den Klöstern vervielfältigt und durch diese verteilt werden kann!«

Er sah ihn triumphierend an.

»Ihr Narren!«, rief Honorius aus. »Wisst ihr denn nicht, dass die Menschen nicht lesen können?! Nur wir Mönche sind im Besitz der Buchstaben und gerade wir benötigen ein solches Buch ja wohl nicht!«

Franziskus lächelte hintergründig: »Daran haben wir auch schon gedacht. Eine knifflige Frage, Du hast recht. Die Lösung aber ist gar nicht so schwer: Wir schreiben unsere Botschaft nicht auf, sondern zeichnen sie in Bildern. Bilder kann jeder Mensch lesen und es ist an uns, unsere Botschaft in Bildern auszudrücken, die auch verstanden werden.«

Während er sprach, entrollte Pius ein Pergament und hielt es Honorius unter die Nase. »Hier schau, dies ist das erste Bild. Was siehst du?«

Honorius blickte lange auf das Bild. Er erbleichte und sprach schließlich tief bewegt: »Meine Brüder, ich beuge mein Knie vor eurer Weisheit. Dieses Bild kann nur für eines stehen: für die schlimmsten Sünden, die sieben Todsünden:

Ich sehe einen halben Menschen, eine Schimäre mit einer Krone, die für den Hochmut (Superbia) steht. In der einen Hand hält er einen Bogen für die Rachsucht (Ira), in der anderen einen zugeschnürten Sack für den Geiz (Avaritia). Aus der Körpermitte schaut ein Tier, das die Maßlosigkeit (Gula) und weiter unten auch die Wollust (Luxuria) symbolisiert. Das Wesen steht auf einer Vogelkralle, die für den Überdruss (Acedia) steht und die von einer aus dem Steiß des Wesens entspringenden Schlange gebissen wird – das steht für den Neid (Invidia).

Meine Brüder – ihr zeigt den Menschen in einem einzigen Bild, was die sieben Todsünden sind!«

Frater Franziskus sah jetzt nachdenklich aus: »Ja Bruder, und wir werden noch andere Bilder für unsere Armenbibel zeichnen. Aber dieses Bild hier wird dasjenige sein, was sich den Menschen einbrennen wird. Das Bildnis der sieben Todsünden, das Bildnis von

Superbia Avaritia Luxuria Ira Gula Invidia Acedia.

Hoffen wir, dass unsere Botschaft sie erreichen wird …!”

Naufragium – Der Tag des Eisbergs

Das Telefon klingelt. Eine sanfte Stimme meldet sich, es ist Hans: »Kannst du bei Gelegenheit mal zu mir kommen?« Stein bejaht und führt das Gespräch mit dem Patienten zu Ende, der ihm gegenübersitzt. Er ist bester Stimmung und freut sich auf ein Gespräch mit Hans, den er zuletzt vor den gerade verstrichenen Weihnachtsferien gesehen hat.

Sicher will ihn Hans wieder im Team begrüßen, sicher wird er ihm berichten, was sich so alles zwischen den Jahren ereignete. Und sicher wird dazwischen auch wieder Zeit für ein paar zotige Witze sein.

Im Vorbeigehen zwinkert er der Sekretärin zu und betritt nach kurzem Klopfen Hans’ Büro.

Da sitzt er und Stein freut sich, seinen Chef wiederzusehen; seinen Chef, den Stein liebevoll seinen »Kollegen« nennt. Er findet, dass dies ihr Verhältnis zueinander besser als das hierarchische Wort »Chef« beschreibt.

Hans lächelt ihm zu und bedeutet ihm, sich zu setzen. Nach ein paar Begrüßungsfloskeln lässt er Stein zunächst von seinem Urlaub erzählen.

Schließlich entsteht eine Pause und Stein beginnt zu spüren, dass irgendetwas nicht stimmt.

Hans blickt auf seine Tischplatte, die Pause zieht sich und Stein fragt sich unwillkürlich, wohin die Reise diesmal wohl gehen wird.

Er kennt Hans und sein Mienenspiel mittlerweile recht genau und daher glaubt er, dass Hans heute mit irgendeiner neuen Idee komme, wie man noch mehr Geld verdienen könne oder wen man jetzt wieder als Feind bekämpfen müsse.

Vielleicht hat ihm Bollmann mal wieder eine übergebraten? Stein wartet auf die Hans-Show – er kann den alten Bollmann sensationell gut nachäffen.

Nichts passiert.

Als Hans den Blick von der Tischplatte erhebt, hat er einen seltsamen Glanz in den Augen. Er blickt Stein ausdruckslos an.

»Warum hast du eigentlich nicht gemerkt, dass Manfred mal wieder einen Privatpatienten so wie einen gesetzlich Versicherten behandelt hat? Weißt du eigentlich, wie viel Geld uns dadurch wieder durch die Lappen gegangen ist?! Das ist jetzt zum wiederholten Mal vorgekommen, dass Manfred, Wolfgang oder Roland so gehandelt haben und du es nicht bemerkt hast! Das geht nicht, das habe ich euch schon hundertmal gesagt. Du bist mein Vertreter, wenn ich mal nicht da bin, und ich verlange, dass das klappt!«

Stein kann sich nicht erinnern, sagt, er müsse das überprüfen.

»Nein Max, so läuft das nicht. Du bist dafür verantwortlich und du musst das dann auch ausbaden.«

Okay, meint Stein, er wolle sich nicht rausreden. Wenn das so sei, dann habe er zumindest aber nicht willentlich gegen die Anordnungen des Chefs verstoßen.

»Hmmm« – eine lange Pause verschärft die Spannung. Hans starrt wieder auf seine Tischplatte und Stein beschleicht eine dunkle Ahnung – heute ist also er dran.

Was mag wohl als Nächstes kommen?

»Außerdem – ich weiß, das wird dich treffen – muss ich dir leider sagen, dass du die Patientin Krämer völlig falsch behandelt hast.«

Pause.

Stein ist bestürzt; sicher, jedem passieren manchmal Fehler. Aber eine Falschbehandlung?!

Wie Hans das meine, was denn um Gottes Willen passiert sei?

Pause – Hans lässt Stein ein wenig zappeln.

»Nun ja, die Patientin ist doch todkrank, völlig durchmetastasiert – und du behandelst sie vier Wochen lang!!! Das Ende erlebt die doch gar nicht mehr!! Das ist doch totaler Quatsch!«

Stein kann sich gut an die Patientin erinnern, eine zwar sehr kranke, doch noch sehr rüstige Patientin mit schmerzhaften Knochenmetastasen. Er hatte bei dieser Patientin ganz bewusst und in Absprache mit ihr auf eine kürzere Behandlungszeit verzichtet.

Natürlich lässt Hans seinen Einwand nicht gelten, er besteht weiter darauf, dass Stein einen fatalen Fehler gemacht habe, und wird laut.

Stein dämmert, dass dies nur der Auftakt ist – Hans geht immer nach dem gleichen Schema vor, wenn er andere fertigmachen will. Zu seinem ebenso ausgeklügelten wie überschaubaren Repertoire gehört es, zunächst mit Banalitäten zu beginnen und den Druck dann ganz langsam zu steigern. Sobald das Opfer glaubt, dass der Sturm überstanden sei, und im Begriff steht, sich zu entspannen, schlägt Hans überraschend mit der großen Keule zu.

Stein spürt, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellen, als Hans nun erzählt, er habe sich über Weihnachten so einige Gedanken gemacht. Er habe sich stundenlang in die Eiseskälte auf seiner Terrasse gesetzt und einen Kaffee nach dem anderen getrunken. Schließlich habe er gewusst, was zu tun sei.

Nach diesen Worten blickt er Stein stählern in die Augen – Pause – beide starren auf den Tisch.

Stein ist völlig überfordert. Was um Himmels willen ist bloß in Hans gefahren?! Fieberhaft überlegt er, was den Anlass zu diesem Feuerüberfall geliefert haben könnte, aber ihm fällt nichts ein. Er hat sich in all den Jahren extrem loyal seinem Chef gegenüber verhalten, hat niemals intrigiert und ihm auch sonst immer den Rücken freigehalten. Gemeinsam haben sie die Firma hochgefahren, sodass sich der Gewinn in den letzten Jahren mehr als verdoppelt und die medizinische Qualität extrem verbessert hat. Was zum Teufel ist also los?!

»Ich habe dir«, hebt er an, »meine Freundschaft angeboten. Ich habe dir in den letzten Jahren meine Hand reichen wollen. Aber du, Max, du hast meine Freundschaft ausgeschlagen. Und daher ziehe ich jetzt mein Angebot offiziell zurück. Ab jetzt, Max, werde ich dich genauso behandeln, wie ich auch alle anderen behandelt habe.«

Stein schnürt es die Kehle zu. Was ihn zutiefst beunruhigt, sind nicht nur Hans mit tonloser Stimme gesprochene Worte, ist nicht nur der kalte Blick, mit dem dieser ihn währenddessen mustert; es ist vor allem die Tatsache, dass er weiß, was eine Kriegserklärung von Hans zu bedeuten hat.

Obwohl er weiß, dass es sinnlos ist, erwidert er: »Hans, was habe ich dir denn getan?! Eigentlich läuft doch alles gut und wir haben doch gar keine Probleme miteinander! Was um Himmels willen ist denn los?!«

»Weißt du Max, die ersten paar Wochen, als du hier vor vier Jahren angefangen hast, die stecken mir einfach noch in den Knochen. Außerdem vertraust du mir nicht und das, Max, das zahle ich dir jetzt heim.«

»Aber«, gibt Stein zurück, »das ist doch schon ewig her, ich hab halt ein wenig gebraucht, um mich zurechtzufinden – was ist denn daran so schlimm? Das kannst du mir doch nicht im Ernst zum Vorwurf machen! Und natürlich vertraue ich dir. Guck dir doch meinen Vertrag an!«

Stein meint, bei dem letzten Satz ein feines Zucken in den Augen von Hans wahrgenommen zu haben.

Tonlos wiederholt Hans seinen letzten Satz.

»Das zahle ich dir heim, das zahle ich dir heim, das zahle ich dir heim …«, echot es in Steins Kopf. Er beginnt zu schwitzen, als er beginnt, die Dimension dieser fünf Worte zu erfassen.

Er denkt an Stella, seine geliebte Stella. Er denkt an ihre drei gemeinsamen kleinen Kinder, das Haus, die Existenz, die sie sich hier gerade erst wieder aufgebaut haben.

Fieberhaft überlegt er, was nun zu sagen ist, während Hans ihn durchdringend ansieht.

»Hans, bitte tu mir das nicht an, tu uns das nicht an! Du weißt, was wir in den letzten Monaten durchgemacht haben. Wir sind erst vor drei Wochen mit dem Wiederaufbau des Hauses fertig geworden. Wir, meine Familie und ich, wir sind am Ende, wir pfeifen aus dem letzten Loch. Bitte, ich mach hier alles, ich halt meine Schnauze und tu meine Arbeit, aber bitte tu uns das nicht an. Wir brauchen dringend eine Auszeit, wir brauchen Ruhe; noch so ein Jahr wie das letzte packen wir einfach nicht mehr …«

Pause.

Hans taxiert wieder die Tischplatte, lässt Stein schmoren.

Schließlich blickt er auf: »Das zahle ich dir jetzt heim.«

Steins Verzweiflung steigert sich in ungeahnte Höhen: »Willst du, dass ich gehe?«

Keine Antwort, nur ein verächtliches Zucken in den Mundwinkeln. Demütigend.

Schließlich löst sich die Schockstarre und Stein rafft sich auf: »Okay Hans, ich bitte dich nur um eines. Wenn du mich loswerden willst, wenn du also willst, dass ich gehe, dann bitte ich dich darum, dass wir es so machen wie unter Männern. Du sagst es mir, gibst mir ein wenig Zeit und ich schaue mich dann nach was Neuem um und gehe. Aber bitte mach es nicht so wie bei den anderen; spiel nicht deine grausamen Spielchen mit mir. Du weißt, dass ich das nicht verdient habe. Das ist das Einzige, worum ich dich bitte, wenn es das ist, was du wirklich willst.«

Das verächtliche Zucken wird stärker. »Tschüss Max, wir sehen uns dann morgen in der Morgenbesprechung.«

TERRA – Zeit der Erde

Der schwere Wagen schob sich mühelos den Berg hinauf. Als er den Scheitelpunkt erreicht hatte, bot sich seinen Insassen ein atemberaubendes Bild – unter ihnen lag ein lang gestrecktes Tal. Ein Tal, gesäumt und beschützt von einem natürlichen Wall majestätischer Berge. Silbrig glänzte ein Fluss, der in sanften Bögen durch das Tal mäanderte, die Ufer gesäumt von saftigen Weiden, malerischen Weilern und einem kleinen Städtchen, dessen Dächer im Licht der Nachmittagssonne blitzten. Lieblich. Einladend.

Nach der langen Fahrt durch eintönige Kieferwälder kam der Anblick einer Verheißung gleich – eine neue Welt tat sich ihnen auf.

Stella und Max legten die letzten Kilometer äußerst beschwingt zurück. Wie lange hatten sie darauf gewartet, endlich wieder in diese Gegend ziehen zu können! Die letzten Jahre hatten sie im Westen der Republik verbracht, hatten passable, ja gute Jahre verbracht, hatten ihrer Tochter Emma noch einen kleinen Bruder geschenkt, den sie Oskar nannten, und waren miteinander glücklich gewesen.

Es hätte perfekt sein können, wenn da nicht immer diese Sehnsucht nach den Bergen gewesen wäre.

Verschiedentlich hatte sich Max darum bemüht, einen Job dort in der Gegend zu finden, hatte jedoch schließlich einsehen müssen, dass diese rar gesät sind, wenn man Arzt für Krebsheilkunde ist. So hatten sie sich schließlich bereits an den Gedanken gewöhnt, im Westen zu bleiben, als Max eines Tages der Anruf eines flüchtig bekannten ehemaligen Kollegen erreichte. Er hätte vielleicht eine Stelle für ihn, er könne sich das ja mal anschauen.

Einige Telefonate und ein Treffen später waren nun also Max und Stella unterwegs in die Stadt, die bald ihre neue Heimat werden sollte.

Sie waren unterwegs zu Hans, den auch Stella gerne kennenlernen wollte.

Wenig später bogen sie auf den staubigen Parkplatz der Firma ein und stiegen aus.

Es war ein heißer und sonniger Tag, und so waren die beiden bestens gelaunt. Die Sekretärin bedeutete ihnen, sich kurz zu setzen und zu warten. Dr. Fetscher komme sofort.

Nach ein paar Minuten trat er aus seinem Büro: Er war durchtrainiert, mittleren Alters wie Max und hatte eine blonde Tolle, die verriet, dass sich deren Besitzer morgens viel Zeit nahm, um sie zu stylen. Außerdem hatte er einen sportlichen Teint, männliche Gesichtszüge und eine scharf geschwungene Nase. Sein Mund war eigentlich etwas zu klein, aber Max war sich sicher, dass es viele Frauen geben dürfte, die Hans mit dem Attribut »interessant« beschreiben würden. Und die Art, wie er Stella ansah, verriet, dass sich Hans dessen bewusst war.

Der schmale Oberlippenbart befremdete zunächst etwas, rundete das Bild bei näherem Hinschauen jedoch markant ab.

Er trug einen weißen Arztkittel mit einem kleinen Schild auf der linken Brustseite. CA Dr. Fetscher stand darauf. CA – Chefarzt, das war durchaus beeindruckend.

Während Max kurz darüber nachdachte, dass solche Schilder wohl die Orden der Moderne seien und dass dieses hier wohl dem »Pour le Mérite« entspräche, fiel sein Blick auf Hans’ Schuhe. Diese standen in merkwürdigem Kontrast zu der Würde des Kittels; eine seltsame Mischung aus grünem Turnschuh und schwarzem Herrenschuh, die vielleicht einen gewissen Nonkonformismus zum Ausdruck bringen sollte.

»Soso, ein Mann mit Schuhtick«, dachte Max.

Hans begrüßte die beiden äußerst jovial und bat sie zu sich in sein Büro.

Darin duftete es stark nach dem schweren Eau de Toilette, das Hans wie eine unsichtbare Wolke hinter sich herzog.

Er schien aufgeregt zu sein, denn er redete viel und schnell. Besonders auffällig erschien den beiden die ständige und zum größten Teil völlig deplatzierte Benutzung des Wortes »sozusagen«; es kam in fast jedem Satz gleich mehrmals vor und wurde zu allem Überfluss zumeist so schnell genuschelt, dass es wie »sozagen« klang. Max begann, sich vor Stella ein wenig fremdzuschämen, während Hans sie unverdrossen mit einem Wortschwall sondergleichen übergoss. »Sozagen«.

Hatte Hans einen Tick? Oder war er nur aufgeregt?

Hans begann, die Firma in den höchsten Tönen zu loben, ohne dabei jedoch zu vergessen, sich über seine beiden Mitarbeiter auszulassen.

Wenn man Hans’ Worten glauben wollte, mussten Dr. Stenner und Herr (ohne Dr.) Hiebl die letzten Heuler sein, Gestrandete, Verdammte, deren klägliche Existenzen hier nun ein Gnadenbrot gefunden hatten, weil er leider keine anderen Mitarbeiter gefunden habe. Wie zum Beweis der unbedingten Richtigkeit seiner Ausführungen hielt er Stella und Max schließlich eine Kopie unter die Nase – das polizeiliche Führungszeugnis von Stenner.

Dazu erklärte er feixend »Der hat einen Eintrag. Wegen Stalking seiner Ex. Hat er mir aber verschwiegen, als ich ihn einstellte, hat damals einfach gesagt, das Führungszeugnis reiche er nach. Aber was soll’s – jetzt habe ich zumindest ein Druckmittel, wenn ich mal eines brauchen sollte.

Und der Hiebl? Na ja, wirst schon sehen. Aber lass mal, dadurch verbessern sich deine Chancen, hier einen Bomben-Vertrag zu bekommen. Wir ertrinken hier in Arbeit und ich bin faktisch alleine, kriege niemanden. Also, Stella, wenn dein Max hier mitmacht …«

Er blickte die beiden verschwörerisch an »Ich habe dem Bollmann schon einen vom Pferd erzählt, den hab ich schon da, wo ich ihn haben will! Ach ja, zum Verständnis: Der Bollmann ist hier in der Firma der Geschäftsführer. Wir haben einen eigenen Geschäftsführer, weil wir als hundertprozentige Tochter des Städtischen Krankenhauses relativ selbstständig arbeiten können. Bollmann ist so ein richtiger Typ von hier – der mag es gar nicht, wenn man ihm widerspricht und kehrt immer den großen Macker raus – Grögaz, größter Geschäftsführer aller Zeiten, hähähä! In Wirklichkeit hat der nichts drauf und traut sich gar nicht, Entscheidungen zu treffen. Wenn man ihm was erzählt, dann nickt er wichtig und rennt danach immer gleich zum Appl. Das ist der Geschäftsführer der Klinik, zu der die Firma gehört. Der muss ihm dann sagen, was er tun soll. Na ja, der hat halt einen Hauptschulabschluss und hat sich hochgewartet. Und jetzt isser da und kann es eigentlich gar nicht. Aber das ist gut für uns, sehr gut sogar und ich sage euch, es ist ein Glücksfall, dass der Bollmann da ist, wo er ist. Dem muss man nur das Gefühl geben, dass das, was man ihm sagt, seine eigenen Ideen waren und schon läuft der Laden. Sozagen.«

»Sozagen« schien draußen immer noch die Sonne und es war immer noch heiß. Und das Eis auf dem Marktplatz schmeckte herrlich. Und so sahen Max und Stella in dieser kleinen Episode nicht das Wetterleuchten dessen, was viel später kommen sollte.

Warum auch?

»Sozagen«.

Ein paar Tage später nahm Stein mit Fetscher den Fahrstuhl und sie fuhren hinauf in die dritte Etage, wo sie Bollmann treffen sollten, um über Steins Arbeitsvertrag zu sprechen. Fetscher hatte Stein instruiert, am besten alles zu akzeptieren, was Bollmann vorschlage; er habe diesen so manipuliert, dass der Idiot denke, er selbst habe wieder einmal grandiose Ideen ausgeheckt. Bollmann werde Stein einen Vertrag vorschlagen, der in Wirklichkeit von ihm, Fetscher, entworfen worden sei. Stein solle ihm ruhig vertrauen, es sei sicher nicht sein Schaden.

Oben angekommen, betraten sie das Büro von Bollmann. Stein sah sich verstohlen um; an der Wand hingen die üblichen Verdächtigen – irgendwelche Kunstdrucke, die man in einer derartigen Stellung zu haben hat, ein Kalender (Werbegeschenk) mit – wer hätte das gedacht – einer Berglandschaft und natürlich die unvermeidlichen Zertifikate überflüssiger Zertifizierungen. Das Beste an dem Büro war noch der Blick aus dem Fenster, der allerdings im Hinblick auf das Kalendermotiv wenig Abwechslung bot.

Hinter einem Schreibtisch, dessen Besitzer offenbar der Meinung war, dass das Genie im Chaos wohnt, saß ein älterer Herr mit hoher Stirn und einem freundlichen Gesicht.

War das der berüchtigte Geschäftsführer? Der Bollmann mit den plötzlichen Wutausbrüchen, der »unberechenbare Vollidiot«, vor dem Fetscher Stein so eindringlich gewarnt hatte?

Schlaue Äuglein blitzten Stein an, als Bollmann die Herren bat, sich zu setzen. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln kam Bollmann recht schnell zum Geschäft. »Also Dr. Stein, ich habe da einen Vertrag für Sie vorbereitet, der Sie, denke ich, zufriedenstellen wird. Sie bekommen ein Grundgehalt von zweiundsiebzigtausend Euro und eine Gewinnbeteiligung von elf Prozent. Was sagen Sie dazu?«

Stein überlegte. In seiner jetzigen Stellung verdiente er für einen Arzt mit seiner Ausbildung nicht schlecht. Das jetzt angebotene Grundgehalt wäre demgegenüber ein ziemlicher Rückschritt. Vielleicht ließe es sich durch die Gewinnbeteiligung entsprechend ausgleichen, aber Stein hatte keinen blassen Schimmer, wie hoch der Gewinn der Firma eigentlich war.

»Vielleicht wäre es möglich, die Gewinnbeteiligung zugunsten des Grundgehalts zu reduzieren?« Bollmann lehnte sich zurück und Fetscher begann, unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. Während Bollmann ihn lange ansah, spürte Stein, dass es offensichtlich keinen Verhandlungsspielraum gab. »Höchstens ein Prozent weniger vom Gewinn und dafür viertausend Euro mehr Grundgehalt. Sie müssen schon bereit sein, ein Risiko einzugehen, sonst sind Sie hier falsch, Herr Dr. Stein.« Stein schien es, als sei der letzte Satz mit einem Anflug von Verachtung hervorgestoßen worden.

»Also, so wird das hier gespielt«, dachte Stein. »Scheiß drauf, wird schon schiefgehen.« Er vertraute auf das, was Fetscher ihm vorher eingeschärft hatte. Er vertraute Fetscher. Dieser würde ihn schon nicht im Regen stehen lassen und außerdem: Wie sollte man sonst in Zukunft vertrauensvoll zusammenarbeiten?!

So schlug er in die dargebotene Hand ein, und der Pakt war besiegelt.

Auf der Fahrt nach unten schwieg Fetscher und grinste in sich hinein. Stein dachte nach. Schließlich fragte er Fetscher, wie hoch denn nun der Gewinn sei. Fetscher gab darauf eine ausweichende Antwort, redete etwas von Bilanzen und Jahresabschluss, legte Stein die Hand auf die Schulter und gab ihm erneut zu verstehen, dass er es sicher nicht bereuen werde.

Stein ärgerte sich über sich selbst und sein rudimentäres Verhandlungsgeschick, aber Fetscher strömte eine eigentümliche Zuversicht aus, die ansteckend wirkte.

Wird schon schiefgehen.

Einige Zeit nach der Vertragsunterzeichnung traf Stein auf einem Kongress eine alte Bekannte aus vergangenen Ausbildungstagen. Simone Piel war inzwischen Professorin und Lehrstuhlinhaberin an einer großen deutschen Universität. Sie war schon immer tough gewesen und hatte manchmal auch Stahlkappen an den Ellenbogen gehabt, aber Stein war immer bestens mit ihr klar gekommen und so freute er sich aufrichtig über das Wiedersehen. Nach einer herzlichen Umarmung fragte sie ihn, was er denn jetzt so mache, und er erzählte ihr glücklich von seinem Wechsel zu Hans.

Ihr Gesicht verfinsterte sich augenblicklich, sie sah Stein lange an. Dann sagte sie tonlos: »Hoffentlich bereust du das nicht noch mal«, drehte sich um und verschwand in der Menge.

Noch verstörender war die Reaktion des alten Professors Oppitz, den er ebenfalls auf dem Kongress traf. Stein hatte ihn nie sonderlich gemocht, aber jetzt kam Oppitz freudestrahlend auf ihn zu und begrüßte ihn als »sein Gewächs« – Oppitz war sein alter Chef, unter dem er zusammen mit Simone und kurzzeitig auch Hans (daher kannten sie sich) gedient hatte. »Gedient« traf es ziemlich gut, dachte Stein, als er Oppitz etwas widerwillig die Hand schüttelte. »Wissen Sie, lieber Stein«, sagte er, nachdem auch er die Neuigkeit erfahren hatte, »von allen meinen Ärzten, die im Laufe der vielen Jahre durch die Ausbildung bei mir gegangen sind, gibt es nur einen Einzigen, den ich garantiert niemals wiedersehen möchte: Das ist Hans Fetscher. Ich wünsche Ihnen daher im wahrsten Wortsinn alles Gute.«

Die leisen Bedenken verstummten in den nächsten Wochen während der Umzugsvorbereitungen. Und als sie schließlich mit Sack und Pack und ihren zwei Kindern in ihrer neuen Heimat angekommen waren, hatten sie sich stattdessen bereits in Aufbruchsstimmung und Zuversicht verwandelt. Stella hatte im Internet ein Haus gefunden und sie hatten es im Vertrauen auf eine rosige Zukunft gekauft. Ein eigenes Haus! Stein hatte zunächst Bedenken gehabt, hatte an die Raten und sein immer noch völlig unklares Einkommen gedacht. Aber Stella hatte ihn überzeugt. Wird schon schiefgehen; was kostet die Welt?!

Als sie gerade angefangen hatten, sich erste Wege durch die Berge von Umzugskartons zu bahnen, brach Steins erster Arbeitstag in der Firma an.

Der Tag begann mit einer bösen Überraschung: Steins zukünftiges Büro war seit mehreren Wochen und trotz, laut Fetscher, mehrfachen Aufforderungen, diesen Zustand rechtzeitig zu ändern, nicht über das Rohbaustadium hinausgekommen. Es gab weder eine Tür noch sonstige Installationen, von Möbeln ganz zu schweigen. Eine Alternative bot sich nicht und von Fetscher war plötzlich nichts mehr zu sehen, sodass Stein etwas ratlos in dem kärglichen Raum stand. Wie sollte er hier Patienten behandeln?

Zu allem Überfluss wurde ziemlich schnell klar, dass Fetscher mit der Charakterisierung der beiden anderen Kollegen nicht übertrieben hatte.

Stenner und Hiebl waren tatsächlich zwei schräge Typen. Stenner blickte einem grundsätzlich nicht in die Augen, wenn man mit ihm sprach. Er war ziemlich beleibt, hatte als Nase einen knolligen Zinken im Gesicht, rote Haare und einen Seitenscheitel. Hiebl war noch fetter, liebte blaue Hemden, die mit Fettflecken und anderen Essensresten verunziert waren und hatte die Angewohnheit, fürchterlich zu nuscheln. Stein bemerkte recht schnell, dass die Nuschelei eine Art Verbalcamouflage war, mit der Hiebl meist erfolgreich verschleierte, dass er keine Ahnung von dem Fach hatte, welches er medizinisch bearbeitete.

Viel später, als Hiebl von Fetscher schon längst von seinem Posten entfernt worden war, fragte ein Patient nach ihm. Auf Steins Antwort, dass dieser nicht mehr in der Firma arbeite, gab der Patient ein lapidares »Das habe ich mir gedacht« zurück. Auf Steins erstaunte Nachfrage meinte er augenzwinkernd: »Herr Doktor, mir können Sie’s doch jetzt ruhig sagen: Der war doch gar kein Arzt, oder?«

Mit dieser Episode ist eigentlich alles über Hiebl gesagt; zumindest, wenn man die kleine Tüte unterschlägt, in der Hiebl jeden Tag seine Bierchen in die Firma schmuggelte.

Stenner und Hiebl, die deutsche Version von Laurel & Hardy, die »Ritter der Faulenzia« – sie hatten eigentlich den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als eifersüchtig darüber zu wachen, nicht etwa mehr als der jeweils andere zu arbeiten.

In der täglichen Morgenbesprechung mit dem gesamten Team saßen sie neben Stein und Fetscher in der ersten Reihe und sahen sich mit dem Beamer die elektronischen Krankenakten der aktuellen Patienten an; Stein bemerkte recht schnell, dass keiner der beiden diese Akten ausreichend verstand. Rief Fetscher den Namen eines ihrer Patienten auf – man sollte vielleicht lieber Opfer sagen –, blieben sie regungs- und teilnahmslos sitzen, obwohl jedem klar war, dass sie den Patienten nun vorzustellen hatten.

Fetscher machte zunächst immer eine Kunstpause, während der jeder im Raum die Luft anhielt, und ließ dann, nachdem wie immer nichts passiert war, seinen Standardsatz in den Raum gleiten, der mit einem lang gezogenen »Offenbar« begann: »Offenbar hat dieser Patient …«

Während der nächsten Monate wartete Stein täglich darauf, dass irgendwann einmal einer von den beiden begriff, dass er seine Patienten vorstellen musste, wenn diese aufgerufen wurden.

Es glich dem Warten auf Godot.

Einige Zeit später wurden die beiden dann auch recht kühl von Hans an die Luft gesetzt.

So kam Stein in ein Unternehmen, in dem sich fünfzig Prozent des ärztlichen Personals der Entschleunigung hingaben, was angesichts der hohen Zahl an Patienten, die es täglich zu bewältigen galt, dazu führte, dass eigentlich alles an Fetscher und ihm hängen blieb.

In den ersten Monaten war es daher keine Seltenheit, dass Stein morgens bereits um acht Uhr ankam und abends erst um 23 Uhr die Firma wieder verließ.

Nachdem sich der kleine Schock über die erwähnten Zustände gelegt hatte, durchforstete Stein systematisch sämtliche Ablaufebenen auf Änderungsbedarf.

Es gab viel zu tun. Stein stellte fest, dass die Behandlungskonzepte zum Teil völlig veraltet waren. Auch die Arbeitsorganisation wies große Defizite auf und so begann er, in Absprache mit Fetscher und mit dessen ausdrücklicher Billigung, den Laden umzukrempeln.

Das machte ihm großen Spaß und mit der Zeit wuchsen er und Fetscher zu einem schlagkräftigen Team zusammen. Stein kümmerte sich um die medizinische und organisatorische Seite und Fetscher war für die ökonomische Optimierung der neuen Konzepte zuständig.

Stein fiel auf, dass Fetschers »Sozagen«-Tick mit der Zeit abklang und es freute ihn, seinen Teil dazu beigetragen zu haben, dass der Arbeitsdruck auf Hans und in der Folge auch dessen Tick nachgelassen hatten.

Innerhalb kurzer Zeit lief der Laden immer besser und Steins Hochgefühl steigerte sich in ungeahnte Höhen, als er erfuhr, dass der zuletzt ermittelte Gewinn bei 1,4 Millionen Euro lag. Wahnsinn: 11 Prozent davon und dazu noch das Grundgehalt! Das war wirklich unglaublich und führte im Folgenden dazu, dass Stein Hans gegenüber erst recht unbedingte Loyalität an den Tag legte.

Er ackerte wie ein Berserker, um sich dieses Einkommens als würdig zu erweisen und es gab so manche Nacht, in der er sich leise neben seine schon schlafende Frau ins Bett legte, um bereits ein paar Stunden später wieder Patienten zu behandeln.

Hans gab sich während dieser Zeit alle Mühe, verbindlich zu sein. Während der Arbeit herrschte ein sehr lockerer Umgangston, es wurde viel gelacht und im ersten Sommer besuchten die Ehepaare Stein und Fetscher sogar gemeinsam ein Konzert.

Bei dieser Gelegenheit lernten Stella und Stein auch Hans’ Ehefrau Margret kennen. Margret war eine hochgewachsene Frau mit Gesichtszügen, die man durchaus attraktiv nennen konnte, schwarzen, langen Haaren, die meist in einem dicken Zopf zusammengebunden waren, und großen grünen Augen.

Man sah ihr an, dass sie in jüngeren Jahren eine sehr schöne Frau gewesen sein musste, allerdings hatten Alter und wohl auch gewisse Erlebnisse ihren Tribut gefordert und man meinte, wenn man sich länger mit ihr unterhielt, hinter der perfekten Small-Talk-Fassade eine unbestimmte Traurigkeit zu spüren.

Es wurde ein recht fröhlicher Abend, sodass die Steins einige Zeit später beschlossen, das Ehepaar Fetscher zum Essen zu sich nach Hause einzuladen, was gerne angenommen wurde.

Stella gab sich alle Mühe, sie war eine hervorragende Köchin, was Fetscher mehrmals anerkennend goutierte. Er schien ganz begeistert zu sein und ließ es sich nicht nehmen, das Haus der Steins ausgiebig zu besichtigen, wobei er weder Kinder- noch Schlafzimmer aussparte.

An diesem Abend konnte Stein noch nicht ahnen, dass Fetscher ihn aufmerksam taxierte, ihn wog und schließlich in sein Koordinatensystem einordnete, mittels dessen er jeden beurteilte.

Hans waren die beiden Autos auf dem Grundstück ebenso wenig entgangen wie der Umstand, dass Familie Stein sehr glücklich zu sein schien. Schließlich war auch nicht zu übersehen, dass Stein, der etwas älter als Hans war, mit seiner zehn Jahre jüngeren Stella eine sehr harmonische Ehe führte.

Ein paar Wochen danach trafen sich Stein und Fetscher auf ein Bier in einer Kneipe. Aus einem wurden zwei, drei, am Ende ganz viele und Stein fiel zum ersten Mal auf, welche unglaublichen Mengen an Alkohol Hans inkorporieren konnte, ohne wirklich betrunken zu wirken oder gar zu lallen.

Hans redete allerdings sehr viel und je später es wurde, umso mehr schwoll der Wust von Geschichten an, die er Stein um den Kopf schlug. Lustige und haarsträubende Geschichten, die immer auf einen einzigen Endpunkt zuliefen: den Hauptakteur Hans möglichst glänzend aussehen zu lassen. Hatte Stein zunächst noch amüsiert, ja zum Teil bewundernd zugehört, so ermattete er schließlich, war irgendwann nur noch höflich und versuchte, sich seine Ermüdung nicht anmerken zu lassen.

Das war das erste Mal, dass er Hans so erlebte. Es sollten noch viele weitere Male folgen, sodass Stein die Geschichten schließlich , genauso wie offenbar alle anderen Mitarbeiter der Firma, in- und auswendig kannte.

Besonders auf Betriebsfeiern ließ Hans seinem Redeschwall freien Lauf und Stein würde wohl nie die Weihnachtsfeier vergessen, bei der sich Hans stundenlang wechselweise Bier reinkippte und seine versammelten Mitarbeiter mit seinen Storys unterhielt, wobei er nicht bemerkte, dass ihn am Ende niemand mehr bewundernd ansah – manch einer kämpfte mit dem Schlaf, aber niemand wagte es, ihn zu unterbrechen.

Am Ende dieses ersten feuchtfröhlichen Abends standen beide zuletzt draußen bei Fetschers Motorrad. Torkelnd schwang er sich auf die Sitzbank und versuchte vergeblich, den Zündschlüsselschlitz zu treffen. Stein war entsetzt und versuchte, Hans davon abzuhalten, in diesem Zustand noch zu fahren. Das schien diesen aber nur noch mehr zu motivieren und so stocherte er unvermindert weiter mit dem Schlüssel in der Luft herum, während er zurückgab: »Weißt du Max, ich erzähle dir jetzt mal was. Ich hatte mal eine Freundin, das war meine große Liebe. DIE große Liebe, weißt du, die einzige. Ich war mit ihr in Amerika und da habe ich mit ansehen müssen, wie sie von einem Lastwagen totgefahren wurde. Vor meinen Augen! Ich konnte ihr nicht helfen. Seitdem ist mir, ehrlich gesagt, alles scheißegal. Alles.«

Betroffen schaute Stein dem schlingernden Motorrad nach.

Am nächsten Morgen saß Hans pünktlichst in der Morgenbesprechung. Hatte er einen Kater? Es war ihm nichts anzumerken.

Während der ersten Wochen bemerkte Stein einen älteren Arzt, der ab und zu einmal gesenkten Blickes durch die Firma schlich. Das sei der alte Chefarzt Hader, klärte ihn Frau Ertl, die langjährige Dame an der Patientenaufnahme, auf. Er erfuhr, dass dieser noch ein paar Monate bis zur Rente habe und bis dahin noch hier arbeite.

Als eines Tages das Gespräch darauf kam und Stein Hans nach Hader fragte, grinste dieser diabolisch. »Den habe ich da hinten in diesem Kabuff eingesperrt. Weißt du eigentlich, wie viel Kraft das kostet, einen Chefarzt in einen solchen Käfig zu sperren? Einen Chefarzt?!

Es gab hier auch mal einen Oberarzt, der hieß Prechtel. Der ist direkt von der Arbeit in der Klappsmühle gelandet, hähähä.«

Das Herumschleichen des alten Hader stand ein wenig im Gegensatz zu der Aufbruchstimmung, in welcher das Unternehmen sich befand. Alle waren motiviert und es machte Stein große Freude zu sehen, wie seine Arbeit langsam Früchte trug. Auch Hans wurde nicht müde, die ökonomischen Stellschrauben immer feiner zu justieren. »Max, ich habe einen Kumpel, der ist Steuerberater. Der hat mich auf eine grandiose Idee gebracht. ›Hans‹, hat er gesagt, ›das Krankenhaus ist doch gemeinnützig und zahlt deshalb keine Steuern, oder?‹ ›Ja klar‹, habe ich gesagt. ›Hans, eure Firma gehört doch zu 100 % dem Krankenhaus, oder?‹ ›Ja, klar‹, habe ich gesagt. ›Seid ihr denn auch gemeinnützig?‹ ›Nö‹. Darauf er: ›Du Idiot, weißt du nicht, dass Töchter von gemeinnützigen Unternehmen ebenfalls gemeinnützig sein können?!‹ Ich: ›Du meinst: steuerfrei?‹ Er darauf: ›Genau das!!‹«

Er blickte Stein triumphierend an, während dieser sich fragte, was das wohl für seine Gewinnbeteiligung bedeuten mochte. »Genau, Max«, Hans erriet Steins Gedanken, »genau: Wir zahlen keine Steuern und dein Gehalt wird explodieren! Ich hab das schon in die Wege geleitet, uns kann niemand aufhalten!« Bei diesen Worten blitzte die blanke Gier aus Hans’ Augen.

In den Tagen, die auf dieses Gespräch folgten, legte sich Stein noch mehr krumm. Wie einfach doch alles war! Er konnte es nicht fassen! Hans hatte eine Goldmine angebohrt und ihn, Max Stein, zum Partner beim Goldwaschen gemacht! Seine Dankbarkeit war grenzenlos. Ja, er bewunderte Hans! Hans, den kühlen Rechner, der immer recht hatte und immer gewann. Und der ihn dazu auserkoren hatte, sein Partner zu sein!

Stein sah Hans in diesen Monaten genau so, wie Hans sich selbst sehen wollte, nein: wie Hans sich selbst sah!

Ohne es zu bemerken, wurde Stein zu dem Spiegel, in dem Hans sich selbst bewunderte.

Eines Tages war es dann so weit: Hans wollte mehr. Er wusste, dass Stein nicht mehr zurückkonnte.

Es klopfte leise an Steins Tür. Durch den sich öffnenden Spalt schob sich ein Gesicht, dessen Züge härter als üblich wirkten. »Max, wir haben ein Problem«, begann er.

Max lehnte sich überrascht zurück und sah ihn fragend an.

Stein berichtete, dass der Krankenhausgeschäftsführer Appl vor einiger Zeit mit dem Geld aus einer schwarzen Kasse eine Arztzulassung, einen sogenannten Arztsitz, gekauft habe, also eine Art Lizenz, die erforderlich ist, wenn ein Arzt eine Praxis betreiben will. Nun werde so eine Zulassung in einem Krankenhaus nicht benötigt – das sei ja mehr etwas für eine Praxis, aber der Appl könne für das Krankenhaus mit dieser Zulassung eine weitere Firma eröffnen – vorausgesetzt, er kaufe noch eine andere Zulassung von einer anderen Fachrichtung, denn es sei ja vorgeschrieben, dass eine solche Firma aus zwei verschiedenen Fächern bestehen müsse. Eine derartige Firma sei schließlich ein Mittelding zwischen Arztpraxis und Krankenhaus und der Clou sei eben, dass ein Krankenhaus, das eigentlich keine Praxis betreiben dürfe, solch eine Firma gründen und besitzen könne. Dafür benötige es aber eben zwei Arztsitze.

Nun müsse der Appl handeln, da sonst diese Zulassung verfalle und womöglich auffliege, dass er am Aufsichtsrat vorbei einfach mal eben dreihunderttausend Euro dafür ausgegeben habe.

»Okay«, entgegnete Stein, »und wo ist jetzt das Problem für uns dabei?!«

»Mann, du kapierst es nicht, oder? Die wollen eine zweite Firma neben unserer! Und die Zulassung, die die kaufen wollen, ist eine chirurgische! Die Verhandlungen mit dem Arzt sind schon so gut wie abgeschlossen! Das müssen wir verhindern, denn dann ist Appl gezwungen, uns die schon vorhandene Zulassung zuzuschlagen – er braucht ja zwei und wenn er die zweite nicht kriegt, dann verfällt die, die er bereits hat. Und dann hätte er die Kohle, die er dafür bezahlt hat, in den Sand gesetzt! Das heißt, dass er mächtig unter Druck ist und dass er mich wird fragen müssen, ob wir den vorhandenen Sitz nicht in unsere Firma integrieren könnten, damit nichts rauskommt. Max, ich will, dass diese Zulassung zu uns kommt; die müssen wir mit der Brechstange zu uns holen!«

Im weiteren Verlauf erläuterte Hans seinen Plan und Max erfuhr, dass ihm die Rolle der Brechstange zugedacht war: Hans hatte in Erfahrung gebracht, wie viel Appl dem arbeitsmüden Chirurgen Schmid für seine Zulassung geboten hatte. Sein Plan war, dass sich jemand unter falschem Namen und falscher Identität als Rechtsanwalt an Dr. Schmid wenden und diesem suggerieren solle, im Mandantenauftrag dessen Zulassung kaufen zu wollen. Dieser Jemand solle dann einfach hunderttausend Euro mehr bieten als Appl. Dies werde Schmid dann sicher in Richtung Appl kommunizieren und wie er den Appl kenne, werde der dann die Verhandlungen abbrechen. Somit käme die bereits vorhandene Zulassung am Ende zu ihnen.

Stein musste nicht lange überlegen, wer der besagte »Jemand« sein sollte.

Er zögerte. War das nicht Betrug, Lüge, Täuschung? Würde man damit nicht den Eigner der Firma verraten und einen alten Kollegen prellen?

Hans erriet seine Gedanken. »Max, erinnere dich mal daran, wie viel du hier verdienst und wem du das zu verdanken hast! Wir haben die Wahl: Entweder wir ziehen hier ein ganz großes Ding auf oder wir kneifen, wenn es ernst wird, und kochen im gleichen Saft wie alle anderen. Max, ich brauche dich jetzt, sag mir, dass ich mich auf dich verlassen kann!«

Er warf Stein einen lauernden Blick zu.

Während sich Stein noch in Gedanken entsetzt fragte, welche Nummer denn jetzt plötzlich abgezogen werde, ertappte er sich dabei, wie er langsam nickte. »Okay, ich mach’s«, hörte er sich sagen, woraufhin Hans ihm den Hörer in die Hand drückte. »Tu es. Tu es jetzt«, raunte ihm Fetscher zu.

»Praxis Dr. Schmid, Sie sprechen mit Angelika.« »Guten Tag, hier ist Rechtsanwalt Sporer, ich möchte bitte den Doktor sprechen.« Nach einer Pause meldete sich eine brüchige Männerstimme. Stein schlug einen offiziellen Ton an, sein Mandant habe ihn beauftragt, dreihundertfünfzigtausend Euro für Schmids Zulassung zu bieten, von der er sich ja offenbar trennen wolle. Schmid biss sofort an; es wurde ein weiteres Telefonat vereinbart, in dem Details besprochen werden sollten.

Das jedoch sollte nie stattfinden – wie Hans es vorhergesehen hatte, pokerte Schmid und verlangte von Appl mehr Geld. Dieser brach daraufhin erbost die Verhandlungen ab und wandte sich, durch den zunehmenden Zeitdruck bedrängt, verzweifelt an Hans. Ob dieser ihm nicht helfen könne. Nun ja, für eine solche Zulassung habe er eigentlich so gar keinen Bedarf, aber dem Appl könne er das ja nun nicht abschlagen. Aber es wäre schön, wenn der Appl sich zu gegebener Zeit an den Gefallen erinnern würde, den er, Hans, diesem damit erweise.

Am Abend dieses Tages fragte Stein sich zum ersten Mal ernsthaft, wem er da seine Arbeitskraft verkauft hatte. Nein, er fragte sich in Wirklichkeit, ob er dabei war, auch noch etwas anderes zu verkaufen.

Hans hatte ihm unmissverständlich klargemacht, dass die Zeit, in der die eine Hand die andere wäscht, nun angebrochen war.

Stein lag in der folgenden Nacht lange wach und dachte an Männerbünde und Initiationsriten. Diese Epsiode stieß ihn ebenso intensiv ab, wie sie ihn anzog. Dieses »Wir gegen den Rest der Welt!«, dieses »Elf Freunde sollt Ihr sein!«, gab es das wirklich?

Ist es nicht das, was sich alle Jungs und Männer ersehnen und doch nie bekommen?

Strebte Hans nach einem Männerbund aus furchtlosen Gesellen, die, mit ihm als Führer, durch alle Gefahren hindurchgingen und alle Feinde besiegen konnten, solange sie nur wie Pech und Schwefel zusammenhielten und ihm, dem Anführer, bedingungslos vertrauten?

Und war es das, was Stein wollte? Wohin würde es führen, wenn er jemandem vertraute, der mit solchen Wassern gewaschen war?

Und was war mit dem alten Mann, der nun leer ausgegangen war?

Er wischte die Zweifel beiseite. Warum war der alte Mann auch so gierig gewesen? War er nicht eigentlich selbst schuld?! Stein beschloss, sich nicht mehr mit diesen trüben Gedanken zu befassen; er konnte seine Handlung sowieso nicht ungeschehen machen.

In den darauffolgenden Monaten ließ Hans immer öfter seine freundliche Maske fallen und die Zahl der Gegner in den Reihen der Kollegen anderer Abteilungen des Krankenhauses nahm von Woche zu Woche zu.

Er lieferte sich einen brutalen Dauerkrieg mit den Chefs zweier anderer Abteilungen, Heil und Morscher, indem er diese mit schneidenden E-Mails provozierte und immer wieder heimlich bei der Geschäftsführung des Krankenhauses denunzierte. Oft nutzte er die Morgenbesprechungen, um mit dem Beamer in hämischer Absicht seine neuesten E-Mails an die Wand zu werfen, und beglückte eine stetig wachsende Anzahl von Mitarbeitern der Firma mit einer Art Doku-Mobbing-Soap, indem er in loser Folge über den Fortgang der Ereignisse berichtete. Dabei schien es ihn nicht im Entferntesten zu beunruhigen, wenn seine Gegner zurückschlugen. Im Gegenteil, es spornte ihn an, zumal er wusste, dass er beim Intrigieren immer die Nase vorn haben würde. Es schien, als bereite es ihm das größte Vergnügen, wenn er den anderen Schläge unter die Gürtellinie versetzen konnte. Dabei ging es ihm offenbar nicht etwa darum, sich bei irgendeiner Frage durchzusetzen, sondern lediglich um den Vorgang an sich. Er schien aus der Tatsache, jemanden ärgern, ja quälen zu können, den höchsten Lustgewinn zu ziehen.

Divide et impera