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© Text • Helga Urban • Frankfurt • 2009

© Fotografie • Marion Nickig • Essen • 2009

Satz und Layout:

Lillian Schmidt • Essen

Herstellung und Verlag :

Books on Demand GmbH • Norderstedt

Printed in Germany

ISBN 978-3-8482-7111-5

INHALTSVERZEICHNIS

Papaver somniferum

VORWORT

Viele unserer schönen Gartenpflanzen stellen unter dem Aspekt „Gift“ ein Risiko dar. Leider ist das viel zu wenig bekannt. Selbst in Reichweite von Bürgersteigen oder gar Spielplätzen finden sich Pflanzen, die eindeutig als Giftpflanzen einzustufen sind, ohne dass dies der Allgemeinheit bewusst ist. Und in botanischen Gärten, z. B. im Senckenbergischen Arzneipflanzengarten im Botanischen Garten in Frankfurt, sind stark giftige Pflanzen für jeden Besucher frei zugänglich.

Die Gefahren, die bei Unwissenheit, Verwechslung oder Neugier, aber auch aus vermeintlicher Ausweglosigkeit oder gar böser Absicht von Giftpflanzen ausgehen, werden in diesem Buch anschaulich und an Hand nachgewiesener Fälle aufgezeigt. Dabei wird deutlich, in welch großem Umfang in der Geschichte der Menschheit Missbrauch mit Giftpflanzen betrieben wurde – bis in die jüngste Zeit hinein. Mord und Selbstmord kommen erschreckend häufig vor, aber eben auch Unfälle.

Eines möchte ich vorab klarstellen: ich habe zwar sorgfältig und nach bestem Wissen recherchiert, kann aber keinerlei Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit übernehmen. Erstens spielt die individuelle Disposition eines jeden

Einzelnen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Und zweitens sind die Angaben in der Literatur oft sehr widersprüchlich.

Nur ein Beispiel: Phytholacca, die Kermesbeere, wird sowohl im Aussehen als auch in der Giftigkeit sehr unterschiedlich beschrieben. Konsequenterweise hätte ich es ausprobieren müssen. Das habe ich in vielen Fällen getan, wenn ich es vor mir selbst vertreten konnte. Von Selbstversuchen zur Überprüfung der angegebenen tödlichen Mengen habe ich verständlicherweise aus reinem Selbsterhaltungstrieb abgesehen.

Dass eine Pflanze nicht aufgeführt ist, darf keinesfalls zu dem Trugschluss führen, dass sie nicht giftig oder gefährlich sei. Auch möchte ich meine Ausführungen nicht als Anleitung zu Selbstversuchen oder gar selbstmörderischen oder mörderischen Absichten verstanden wissen.

Das Buch versucht einen Spagat zwischen allgemeinverständlicher Beschreibung und exakter wissenschaftlicher Information, und zwar in einer Form, die das Lesen zum Vergnügen macht. Ich hoffe, dass mir dieses Kunststück gelungen ist. Und wenn nur ein einziger Unfall aus Unwissenheit durch dieses Buch vermieden werden kann, hat sich die Mühe bereits gelohnt.

Helga Urban

EINLEITUNG

Irgendwann einmal, wahrscheinlich in nicht allzu weiter Ferne, bringt mich der Garten um.

Entweder falle ich von der Leiter, wenn ich auf der obersten Stufe auf Zehenspitzen stehend mit der Teleskopschere hantiere, weil schon wieder Ranken der Glyzine in die Dachrinne wachsen. Oder ich breche mir das Genick beim Sprung vom Hochbeet, da der Ast, an dem ich mich festhielt, nicht damit gerechnet hat, mir als Stütze zu dienen. In meinem Teich von 1 m2 werde ich wohl kaum ertrinken, da müsste ich mich schon sehr ungeschickt anstellen. Eher wird man mich, vor Erschöpfung zusammengebrochen, eines Nachts zwischen meinen im Mondschein weiß glitzernden Blüten auffinden. Weil ich unzählige Kannen Wasser geschleppt habe, nur damit meine Pflanzen in extremen Trockenperioden überleben. Ich bin dann Nebensache. Es wäre nicht der schlechteste Tod, als Lebensretter, als Held diese Welt zu verlassen. Ich schreibe das gerade an einem 1. Mai. Wir haben die siebte Woche ohne einen Tropfen Regen, dafür Sonne pur von einem strahlend blauen Himmel, der mir zunehmend auf die Nerven geht, und Temperaturen wie im Hochsommer. Kein Wetter für Gärtner, die ihre Pflanzen lieben. Aber das nur zur Erklärung meiner momentanen Stimmung. Alle diese Möglichkeiten wären viel wahrscheinlicher, mein Ende im oder durch den Garten zu finden, als durch Gift.

Gift im Garten. Damit meine ich nicht E605&Co. Nein, Giftstoffe in den Pflanzen. Wie zauberhaft und verführerisch kommen sie oft daher, verlockend, unwiderstehlich, und dadurch teuflisch. Was wäre ein Garten ohne Geißblatt, Narzissen, Maiglöckchen, Rittersporn, Schneeball usw.? Wollen wir auf all das verzichten? Und selbst wenn wir es wollten, müssten wir ja wissen, worauf wir verzichten.

Besser ist, ihre Schönheit zu bewundern und ihre Gefährlichkeit zu kennen.

Ich kenne sie. Ich werde nicht den Schierling mit der Petersilie verwechseln und die Suppe damit würzen. Auch nicht aus den Blättern der Herbstzeitlose einen Salat zubereiten, in der Annahme, es wäre Bärlauch, und ihn zur Krönung noch mit den herrlich blauen Blüten des Eisenhut verzieren. Höchstens …

Nein, so heimtückisch bin ich nicht. Was man nicht von allen Menschen sagen kann. Leider. Schon in der Antike ging das Morden mit Pflanzengiften in die Geschichte ein.

Sokrates’ „Schierlingsbecher“ war kein Versehen. Es war geplanter Mord. Man wusste sehr wohl um die Inhaltsstoffe und um die tödliche Dosis.

Damit Ihnen kein Versehen passiert, das Sie in eine andere Welt oder in andere vier Wände bringt, ist es nicht verkehrt zu wissen, was da so in Ihrem Garten blüht oder auch in Wald und Wiese.

Die giftigen scharlachroten Beeren des Maiglöckchens, Convallaria majalis, sehen nicht nur attraktiv aus, sie sollen, fatalerweise, auch noch süß schmecken

GIFTPFLANZEN GESTERN UND HEUTE

Die Geschichte der Giftpflanzen ist eine Geschichte der Verbrechen. Eine Geschichte der heimtückischsten Morde. Man hatte zu keiner Zeit die geringsten Skrupel, mit den so genannten klassischen Giften - Bilsenkraut, Tollkirsche und Schierling – unbequeme Menschen kaltblütig aus dem Weg zu räumen.

Moral und Unmoral, Gut und Böse, Schönheit und Hässlichkeit gehören nun einmal zu uns Menschen, so lange es uns gibt. Und diese Eigenschaften liegen so eng beieinander, die Übergänge sind so fließend, dass es beängstigend ist. Und oft, das ist das Schlimmste, löst das eine erst das andere aus.

Wer suchet, der findet. Eifriges Bemühen, den Geheimnissen der Pflanzenkräfte auf die Spur zu kommen, trug bald Früchte. Was anfangs eher zufällig war, ob Heilung oder Vergiftung, erweckte die Neugier. Der Wunsch, geeignete Mittel gegen Krankheiten zu finden, wuchs. So lernte man nicht nur viele Heilmittel kennen, sondern auch ihre Wirkstoffe und Gifte. Und schon war das Interesse für eine andere Verwendungsmöglichkeit geweckt: für das Verbrechen.

Die Lust zu töten, mit Stoffen, die nur Eingeweihten in ihrer Wirkung bekannt waren, hatte etwas Faszinierendes. Das Wissen um die geheimen Kräfte der Natur muss ein unglaubliches Machtgefühl ausgelöst haben.

Herrschsucht, Rachegelüste, Habgier, Neid, Eifersucht – auch heute nicht unbekannt – trieben grausame Blüten. Immer neue Giftmischungen wurden ausprobiert, und an die armen Versuchspersonen darf ich gar nicht denken. Auch die Dosierung überließ man nicht dem Zufall. Theophrast, ein Schüler von Aristoteles, berichtet von genau dosierten Eisenhut-Mengen, die erst nach Monaten zum Tod führten. Und somit nicht mehr nachweisbar waren. Man konnte gezielt den treffen, dem anders nicht beizukommen war. Kaiser, Könige, Fürsten, Päpste und Ehefrauen und -männer wurden geräuschlos beseitigt.

MORD UND SELBSTMORD

„… Du Inbegriff der holden Schlummersäfte, Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte, Erweise Deinem Meister seine Gunst! …“

(Goethe, Faust 1. Teil, Nacht)

Nun, Faust hatte es sich im letzten Moment anders überlegt. Doch wie viele werden vor dem letzten Schritt nicht zurückgezuckt haben, keinen Chor der Engel gehört haben, und folglich nicht haben sagen können: „Die Erde hat mich wieder!“

„Ich bitte Euch nicht um Land, nicht um Geld, nicht um Getreide. Auch Euer Wohlwollen suche ich nicht zu erlangen. Ein Gift fordere ich, Schierling will ich haben, sterben will ich.“ Das forderte Demosthenes, ein bedeutender griechischer Redner. Er nahm sich 322 v. Chr. das Leben, um einer drohenden Verhaftung zu entgehen. Er wird nicht der einzige gewesen sein, der den Tod durch Gift Folter und Kerker vorzog.

Aus dem letzten Jahrhundert vor Christus wird von einer Kenntnis über Pflanzengifte berichtet, die ohne unermüdliche Versuche an anderen und sich selbst nicht möglich gewesen wäre.

Mithridates II, König von Pontos im antiken Kleinasien, war eine Koryphäe auf dem Gebiet der Gifte und hat sogar ein Buch darüber geschrieben. Nur mit einem hatte er nicht gerechnet. Durch häufiges Einnehmen der zu seiner Zeit bekannten Gifte in kleinen Dosen wollte er sich vor Vergiftungen schützen. Nur, dass dann auch sein Selbstmord misslang, damit hatte er wohl nicht gerechnet. Was Gewöhnung ausmacht!

Der berühmt-berüchtigtste Mord der Geschichte ist die Vergiftung des Sokrates 399 v. Chr. durch Schierling. Der griechische Philosoph wurde zum Tod durch den Giftbecher verurteilt. Man verwendete den aus den Samen gepressten Saft, der besonders viel von dem hochgiftigen Alkaloid Coniin enthält. Darauf lassen die Worte Sokrates schließen:

„Bringe mir den Trank, wenn er schon ausgepresst ist, wo nicht, so soll ihn der Mensch bereiten.“

Kein heimtückischer Mord also, ein Tod durch die eigene Hand. Nur, wo ist der Unterschied? Eine Wahl hatte er nicht.

So ist der „Schierlingsbecher“ zum Sinnbild für unfreiwilliges Abtreten in Würde geworden.

Gifte als Hinrichtungsmittel hatten bei den alten Griechen aus ästhetischen Gründen Priorität, da sie kaum das Aussehen verändern. Und für ihre Ästhetik waren die Griechen ja bekannt.

Auch Kleopatra, die letzte ägyptische Königin, kannte sich gut mit Giften aus und hatte nicht die geringsten Gewissensbisse, sie an ihren Mitmenschen zu testen. Antonius, römischer Feldherr und Kleopatras Geliebter, fürchtete sich vor ihren Giftkünsten. Er aß nichts bei ihr, was nicht vorher ein Vorkoster geprüft hatte. Was muss das für eine Liebe gewesen sein! Als er einmal ohne jeglichen Verdacht einen Becher Wein mit den Blüten ihres Kranzes an die Lippen führte, wurde er von ihr selbst daran gehindert. Mit den vergifteten Blüten wollte sie ihm zeigen, dass er auch mit Vorkostern nicht sicher war. Sie empfand dessen Anwesenheit als Beleidigung, was ja verständlich ist.

Römische Kaiser waren im Besitz von umfangreichen Giftsammlungen. Als kostspielige Handelsware gelangten sie in das römische Reich, oft aus dem Orient. Es wird vermutet, dass die tödliche Dosis mitgeliefert wurde. Zum Glück, wenn man bedenkt, wie viele vor qualvollen Versuchen verschont blieben.

Mohn, eine der ältesten Kulturpflanzen

An den Höfen Kleinasiens wurden Giftpflanzen nicht nur angebaut, sondern auch auf ihre Tauglichkeit geprüft. Geprüft am lebenden Objekt. Attalus III (Attalos III) 170–133 v. Chr., der letzte König von Pergamon, hatte sich an der Westküste Kleinasiens einen Giftgarten angelegt. Bilsenkraut und Schierling, Fingerhut und Schwarze Nieswurz (Christrosen) gediehen bei seiner liebevollen Pflege prächtig. Er lernte sie durch seine Versuche auf das Genaueste kennen, ihre Samen und Wurzeln, ihre getrockneten Blätter und frischen Säfte. Und von diesen Kenntnissen machte er ausgiebig Gebrauch. Selbst vor seinen besten Freunden machte er nicht halt. Und zwar auf ganz besonders heimtückische Art und Weise. Er ließ ihnen giftige und ungiftige Pflanzen, sorgsam gemischt, als Geschenk zukommen. Hier würde das englische Wort „gift“ für Geschenk gut hinpassen! Er selbst starb nicht an Gift, sondern an einem Sonnenstich! Zwischen seinen Giftpflanzen?

Schon 400 v. Chr. soll man um die tötende Kraft des Schierlings ( Conium maculatum) gewusst haben. Ab wann er allerdings als Mittel für den Strafvollzug zum Einsatz kam, ist unbekannt. Tatsache ist, dass in Athen ein „Cocktail“ aus Schierlings- und Mohnsaft gemischt wurde. Das Opium in dem Mohn lässt Todesschrecken nicht aufkommen, da der Schlaf in den Tod übergeht. Der Schierling lähmt die Atmung. So ist man auf der sicheren Seite: ein schneller, leichter und schmerzloser Tod.

Bei den schlimmsten Verbrechen war man nicht so human. Was damals aber als schlimm angesehen wurde, lässt sich aus heutiger Sicht schwer nachvollziehen. Für Schwerverbrecher ließ man den Schlaf bringenden Mohn weg. Schierling allein lässt die schleichende Lähmung von den Füßen aufwärts bei vollem Bewusstsein bis zum bitteren Ende „erleben“.

SITTEN WIE IM ALTEN ROM?

„ … Aconita trinkt man nicht aus irdnen Krügen. Der nur fürchte sie, wer einen edelsteinbesetzten Becher zum Munde führt …“

Ein Ausspruch des römischen Satirikers Juvenal in einer seiner Schilderungen über die Sitten im Alten Rom. Von Aconitum napellus ist hier die Rede, dem Blauen Eisenhut, auch Totenblume oder Teufelskraut genannt.

Die Worte lassen jedoch tief blicken. Die Kenntnis um die Inhaltsstoffe der Pflanzen und ihr Besitz waren den Reichen und Mächtigen vorbehalten. Das arme Volk hatte weder das Wissen noch die Mittel, sich die kostspieligen Giftpflanzen zu beschaffen.

Und diejenigen, die sich einen edelsteinbesetzten Becher leisten konnten, schreckten vor nichts zurück. Nero, römischer Kaiser von 54–68 n. Chr., bevorzugte eine Mischung aus Schierling, Eisenhut und Opium. Er soll sie an seinem Bruder Britannicus erfolgreich erprobt haben, aus Neid über seine schöne Stimme. Bewiesen ist das allerdings nicht und auch eher unwahrscheinlich. Nero verurteilte nicht gerne zum Tode, eher zur Zwangsarbeit. Dann hatten die Betreffenden noch die Chance, sich selbst zu töten. Auch Seneca, ein römischer Philosoph und Naturforscher, wurde von Nero zum Selbstmord gezwungen. Und der Schierlingsbecher war wieder mit im Spiel, im grausamen.

Ob durch Zufall oder gezielte Suche: Als die Römer 238 v. Chr. Korsika und Sardinien besetzten, fanden sie ein Pflanzengift, das Sinne und Verstand raube und die Lippen krampfartig verziehen lässt, dass es wie Lachen aussieht. Vermutlich handelte es sich um die Tollkirsche, Atropa bella-donna. Ein boshaftes, hämisches Lachen wird auch heute noch als sardonisches Lachen“ bezeichnet.

Aconitum napellus

Im Alten Rom gab es keinerlei Rechte für das Ungeborene. Man fand es praktisch und selbstverständlich, das werdende Leben zu töten, wann und wo immer es unerwünscht war. Dass zu oft zu hohe Dosen der pflanzlichen Giftstoffe zum Einsatz kamen, ist nicht verwunderlich. Schlimm ist, dass auch die Frauen daran glauben mussten. Der positive Aspekt bei der Geschichte war eine immer bessere Kenntnis der Giftwirkung.

Aber auch durch Gifte, die den Liebestrank erst erfolgreich machten, haben viele ein vorzeitiges Ende gefunden. Hier waren die Nachtschattengewächse gefragt.

Der Stechapfel, Datura stramonium, dessen Samen als Pulver oder Weinextrakt genommen wurden, und das Bilsenkraut, Hyoscyamus niger, sollten nicht nur die Sinne und den Willen trüben, sondern auch zu extremer Hemmungslosigkeit führen. Die wenigsten werden sich das freiwillig einverleibt haben.

Datura stramonium, der Stechapfel – ein treffender Name

Solange es Menschen gibt, gibt es auch Feinde. Nichts liegt näher, als sie loszuwerden oder zumindest außer Gefecht zu setzen. Gifte mit betäubender Wirkung waren hier gefragt. Atropa bella-donna, die Tollkirsche, Solanum, der Nachtschatten, und die sagenumwobene Mandragora oder Alraune wurden dem Wein zugefügt und den ahnungslosen Feinden kredenzt.

Aber auch Brunnenvergiftungen kamen vor. Die älteste Überlieferung stammt von 600 v. Chr. Große Mengen Helleborus-Wurzeln wurden in einen Fluss geworfen. Die Krieger löschten ausgiebig ihren Durst mit diesem Wasser, was zu heftigen Durchfällen führte. Verständlicherweise mussten sie die Bewachung aufgeben und sich ergeben. Wenn schon eine Niederlage, so peinlich hätte sie nicht sein müssen.

Jahrhunderte später wurde unter Caesar zur Wasservergiftung Bilsenkraut und Eisenhut verwendet.

Mit der Zeit übte man mehr Zurückhaltung, Gifte als Kampfmittel einzusetzen. Römer und Griechen, Feldherren, Dichter und Philosophen fanden es zunehmend unter ihrer Würde, mit Hilfe von Gift einen Sieg davon zu tragen. Das Heimtückische überließ man Verbrechern.

Genau so alt wie das Wissen um die Gifte ist der Wunsch, sich vor ihnen zu schützen. Da anscheinend keine Strafe hoch genug war, dem teuflischen Spiel mit den Giften Einhalt zu gebieten, kam man auf die abwegigsten Ideen, wodurch das Gift sich verraten könnte. Ob Haifischzähne, Adlerfüße, Achat und Steine aus der Serpentingruppe oder Einhornpulver, an was glaubte man nicht alles. Noch im 17. Jahrhundert stand in Frankreich neben dem Esstisch ein kleiner, gewissenhaft verschlossener Schrank. Diese Kredenz (lat. credere, glauben) enthielt all die Utensilien, die Speisen auf einen möglichen Giftgehalt zu prüfen. Heute versteht man unter einer Kredenz eine Anrichte und unter kredenzen etwas anbieten oder darreichen. Das hört sich schon besser an. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste bei jedem Bissen denken, es wäre mein letzter!

Aber noch nicht einmal die so genannten Vorkoster konnten verhindern, dass an den Tafeln der Reichen und Mächtigen mit Gift manipuliert wurde. Schließlich wusste man im Orient und im Okzident, dass das Gift je nach Art und Menge erst nach Stunden oder sogar wesentlich später wirkt.

Wer nach Möglichkeiten sucht, Böses zu tun, wird sie finden. Gifte lassen sich verstecken in Getränken und Brot, unter Fleischgerichte wurden sie gemischt und in Früchte injiziert. Denken Sie nur an den „ungemein giftigen Apfel“ der bösen Stiefmutter in Schneewittchen.

Außerdem kam man schon sehr früh darauf, dass auch Rauch vergiften kann. Ich meine damit nicht die heute viel diskutierten Zigaretten. Die giftigen Eigenschaften von Oleander-, Tollkirschen- oder Stechapfelblättern wurden beim Verbrennen in den Rauch übertragen.

Es waren bei Weitem nicht nur die so genannten klassischen Gifte Schierling, Tollkirsche und Bilsenkraut, die Angst und Schrecken verbreiteten.

Nikandros, griechischer Arzt und Dichter, der ein großes Wissen über pflanzliche Gifte, ihre Wirkung und die dazu gehörigen Gegenmittel hatte, schrieb im 2. Jahrhundert v. Chr.:

„Pflücke nie die giftige Eibe, … denn sie bringt Dir einen tränenreichen Tod. Das Gift derselben schnürt den Schlund und den engen Weg durch die Kehle zu.“

Die Eibe, Taxus baccata, führt durch ihr Alkaloid Taxin über Atemlähmung zum Tod. Ihr Ruf als Todesbaum ist alt. Der Extrakt der Nadeln war ein willkommenes Mittel, andere, aber auch sich selbst, aus dem Weg zu räumen.

Die Wiedergeburt des klassischen Altertums fand in der Renaissance nicht nur in den schönen Künsten statt, auch in den dunklen, den teuflischen.

Caterina Sforza (1463-1509) hatte sich ein fundiertes Wissen von Arzneimitteln und Giften angeeignet. Nur aus Wissbegier? Von ihr soll das Rezept stammen: Saft der Samen von Euphorbia lathyris, der Kreuzblättrigen Wolfsmilch, vermischt mit dem getrockneten und gepulverten Eigelb von in Essig gekochten Eiern. Das Ergebnis: ein langsam wirkendes Gift. Mit nur 4 g zog sich der Abschied von dieser Welt über 6 Wochen hin. Allein der Milchsaft vieler Wolfsmilcharten kann Vergiftungen hervorrufen.

Das war auch die Zeit, in der die Abtreibungen wieder zunahmen. Abkochungen der Zweigspitzen des Sadebaums, Juniperus sabina, taten das Gewünschte – und noch mehr. Ist die Dosis nur hoch genug gewesen, fand auch die Mutter ein schnelles Ende.

ABERGLAUBE UND MAGIE

„In die Traum- und Zaubersphäre sind wir, scheint es, eingegangen.“

(Goethe, Faust I, Walpurgisnacht)

Das Mittelalter, die Zeit zwischen dem Ende des Altertums und dem Beginn der Neuzeit, war eine Zeit der Magie und Hexerei. Eine Zeit des Schwarzen Bilsenkrauts, der Tollkirsche und der Alraune. So wurde die Jungfrau von Orleans beschuldigt, ihre Macht über die Engländer im Hundertjährigen Krieg unter anderem von den magischen Kräften der Alraunwurzel zu beziehen. Wo das endete, ist allgemein bekannt. So finster war diese Zeit zwischen alt und neu (ca. 500 bis 1500, das ist allerdings Auslegungssache) gar nicht. In Vergessenheit geraten waren die in Jahrtausenden erworbenen Kenntnisse auf keinen Fall. Sie wurden nur anders ausgelegt.

Nicht mehr der Mord stand im Vordergrund. Ziel aller Wünsche waren Glücksgefühle und ein besseres Leben. Und sei es nur für Stunden. Was lag da näher, als auf die bewährten Giftpflanzen zurückzugreifen.

Der Aberglaube nahm Formen an wie nie zuvor. Selbst intelligente Menschen konnten sich ihm nicht ganz entziehen. Was heißt konnten? Wer freut sich nicht heute noch über ein vierblättriges Kleeblatt, oder hat ein mulmiges Gefühl, im Fahrstuhl auf die 13 zu drücken? Wenn es diesen Knopf und dieses Stockwerk überhaupt gibt!

„Der Aberglaub´, in dem wir aufwachsen, verliert, wenn wir ihn erkennen, darum doch seine Macht nicht über uns.“

(Lessing, Nathan der Weise, Tempelherr)

Ein blinder Glaube, völlig unwissenschaftlich, hatte seine Hochblüte. Duftstoffe aus dem Tier- und Pflanzenreich, Edelsteine, wie Rubine, die Reihe ließe sich lange fortsetzen, alles sollte vor tödlichen Giften schützen. Hätte nur Sokrates seinen Schierlingstrunk aus einem Becher aus dem Horn des Einhorns nehmen können!

Kraut war im Mittelalter gleichbedeutend mit Zaubermittel. Und der größte Zauberer war derjenige, der sich am besten in der Welt der Pflanzen auskannte. Hier mischten sich das Wissen, die Intelligenz und der Glaube. Auch oft genug mit fatalen Folgen. Was diente nicht alles dazu, Menschen in einen Liebestaumel zu versetzen, häufig mit dem Erfolg eines vorzeitigen Endes. Nicht der Liebe, sondern des Menschen!

Tropeinhaltige Pflanzen aus der Familie der Nachtschattengewächse – wie Bilsenkraut, Stechapfel, Nachtschatten und Tollkirsche – waren jetzt besonders gefragt. Aber auch der Schlafmohn und natürlich die Alraune gesellten sich hinzu.

Hier geht die Zauberei über in die Magie. In die Beeinflussung von Menschen und Ereignissen auf übernatürliche Art und Weise. Geister, Dämone, und willkürlich herbeigeführte Trance-Zustände waren gern gesehene Helfer. Im Guten wie im Bösen. Ob es sich nun um „weiße Magie“, die Schutz und Heilung, ersehnte Liebe und Fruchtbarkeit zum Ziel hatte, oder um „schwarze Magie“ mit ihren Verwünschungen und Böswilligkeiten handelte.

Die sagenumwobenste Pflanze ist wohl die Alraune, Mandragora officinarum. Und zwar ihr Wurzelstock. Mit einiger Fantasie hat er eine menschliche Gestalt. Das allein genügte, um in ihm magische, übernatürliche Kräfte zu sehen. Die Alraun-Wurzel wurde zu sündhaften Preisen gehandelt. Also wieder einmal etwas für die Reichen und Mächtigen. Oder sie wurde gefälscht. Es kann ja nicht allzu schwer gewesen sein, mit dem Messer etwas nachzuhelfen. War man stolzer Besitzer dieses heiß begehrten Lustobjekts, wurde es auch liebevoll gepflegt, gebadet, angezogen usw. Was allerdings der Giftigkeit keinen Abbruch tat.

„Tue Mandragora-Wurzeln in jungen, gärenden Most und belasse sie darin drei Monate. Wer davon trinkt wird vom Schlaf umfangen und unsinnig. Aber nach dem Schlaf löst sich die Geistesstörung und keine sonderliche Schädigung erwächst daraus.“

Sehr beruhigend. Solche Rezepte gab es viele. Allein die Wurzeln auszugraben sei tödlich. Und nur möglich um Mitternacht bei Vollmond mit Hilfe eines schwarzen Hundes, der sie aus dem Boden riss. Der Wurzelstock soll dabei einen fürchterlichen Schrei ausstoßen. Kein Wunder, dass dieses glücksbringende Objekt der Begierde seinen Preis haben musste – wo es so umständlich zu ernten ist. Die Alraune, ist sie Gift oder Schlafmittel oder macht sie Spagat zwischen beiden?

Geheimnisvolle Alraune

Die Magie eine Erscheinung des Mittelalters? Auch heute liegt sie wieder im Trend. Flowerpower, der Hang zu Esoterik, ist das etwas anderes?

Ein Buch über Hexen wollte ich nicht schreiben.

So ganz ohne geht es jedoch nicht.

„… denn wenn es keine Hexen gäbe, wer, Teufel, möchte Teufel sein!“

(Goethe, Faust II, Klassische Walpurgisnacht, Mephistopheles)

In dieser Zeit wurde geglaubt, dass es mit Macht und teuflischen Fähigkeiten ausgestattete Menschen gebe. Meistens waren es Frauen, die in der Tat hervorragende Kenntnisse über Kräuter hatten. Groß genug, um sie für verschiedene Zwecke einzusetzen. Die scheinbar übernatürlichen Kräfte der Hexen wurden jedoch oft durch äußerlich oder innerlich angewandte Gifte hervorgerufen. So kamen die berüchtigten Hexensalben auf. Neugierde und der Wunsch, selbst vom Teufel einen Nutzen zu ziehen, übten einen besonderen Reiz aus. Die wichtigsten Bestandteile waren die hochgiftigen Nachtschattengewächse wie Bilsenkraut, Tollkirsche und Stechapfel. Wahrscheinlich wird man auch auf Eisenhut (Aconitum) und Alraune nicht verzichtet haben. Man schmierte sich mit der Salbe ein und wartete, was passierte: ein meist tiefer Schlaf mit zuckenden Bewegungen und verwirrter Fantasie. Das Verblüffende ist, das alles völlig real erlebt wird. Man glaubt zu fliegen, und ist der festen Überzeugung, es auch getan zu haben.

Colchicum autumnale, die Herbst-Zeitlose, eine Zauberpflanze, die es in sich hat

Und von den Spitzen der Herbst-Zeitlose, Colchicum autumnale, wurde in der Walpurgisnacht vom 30. April auf den 1. Mai auf dem Brocken (heute vielleicht vielen besser bekannt unter Blocksberg) Gemüse gekocht. Von den Hexen natürlich.

Mit Beginn der Neuzeit begann auch die Hexenverfolgung. Immer auf der Seite des Bösen, des Heimtückischen, so wurden sie auch im Märchen dargestellt (Hänsel und Gretel). Mit dem Teufel unter einer Decke, durch Zauber und Magie Unheil verbreitend, wenn das kein Grund war, sie auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen! Nur, ich werde den Verdacht nicht los, dass die Hexenverfolgung eine Frauenverfolgung war.

Starke Gifte, wie das Aconit des Eisenhuts, wurden zwar immer noch für mörderische Absichten benutzt, aber Arsen erfreute sich zunehmender Beliebtheit. Es ist leichter und unauffälliger zu verabreichen als die meist starken Pflanzengifte.

FRAUEN UND GIFTE

„Der Herrschaft Zauber aber ist das Geld, Ich weiß mir Bessres nicht auf dieser Welt Als Gift und Geld …
Das Gift erschleicht im Dunklen Geld und Macht, Und hab es gut befunden. Hinunter stieß ich in das Schattenreich Mann, Brüder, Vater und ich ward zugleich Geehrt und reich …“

(Adalbert von Chamisso 1781-1838, Die Giftmischerin, Auszüge)

Das Mystische, Heimliche und Heimtückische scheint im Wesen der Frauen zu liegen, ja angeboren zu sein. Von der Antike bis heute sind es immer wieder die Frauen gewesen, die eine Vorliebe für Gift haben. Sie greifen seltener zu Pistole und Messer. Sie morden spitzfindiger, sauberer, mit einem Wort ästhetischer. Nicht im Affekt. Ihr Mord wird geplant, bis ins kleinste Detail. Und je raffinierter sie vorgehen, desto schwieriger ist die Aufdeckung.

Fundierte Kenntnisse brauchen sie allerdings dazu, und die haben sie.

Von den Römerinnen mit ihren Liebestränken, den hochmittelalterlichen Zauberinnen und Hexen mit ihrem Giftwissen bis zu den Vergifterinnen zur Zeit Ludwig XIV., die mit ihrem „Beruf“, besser vielleicht mit ihrer Berufung, Unsummen verdienten, waren es Frauen, die Gift mischten und verabreichten.

Wurde dieses Wissen vererbt, die toxische Dosis durch ein Versehen, also durch Zufall, entdeckt oder wurde akribisch danach gesucht?

Es ist nicht verwunderlich, dass Frauen auch die größere Erfahrung mit Arzneimitteln haben. Die Grenze zwischen Arznei und Gift ist kaum zu ziehen.

Medea und Hekate aus der griechischen Mythologie kannten sich recht gut in der Welt der Pflanzen aus. Während Medea aus Eifersucht ihrer Nachfolgerin ein vergiftetes Kleid nebst Haarkranz zukommen ließ, mit verblüffendem Erfolg, und aus Rache an ihrem untreuen Ehemann auch noch die gemeinsamen Kinder umbrachte (man stelle sich das heute einmal vor – die Menschheit wäre am Aussterben), hat Hekate sich aufs Heilen verlegt. Obwohl Göttin der Zauberkunst, dunkel und Furcht einflößend dargestellt, Inbegriff der schwarzen Magie, hat sie ihre Kenntnisse Segen bringend eingesetzt.

Was waren, über Jahrtausende hinweg, die Motive der Frauen? War es nur die Lust am Töten? Das kann ich mir schlecht vorstellen. Eher Rachsucht, Gewinnsucht und Eifersucht und die Beseitigung „Im-Wege-Stehender“, in erster Linie wohl des Ehemannes.

Das Gefühl, Macht zu besitzen, etwas in der Hand zu haben, so stark wie ein Mann zu sein, wird wohl auch eine Rolle gespielt haben. Hier ersetzt durchtriebene Klugheit die körperliche Kraft.

Die Tat so zu verdecken, dass sie als Fügung des Schicksals erscheint, war die Stärke des „schwachen Geschlechts“. Wie gut, heute haben wir das nicht mehr nötig.

Nicht nur andere mussten ihr Leben lassen, auch gegen sich selbst haben sie ihr tödliches Wissen angewandt. Vor unserer Zeitrechnung soll es auf einer Insel im Ägäischen Meer Sitte gewesen sein, dass sich alte Frauen durch Gift das Leben nehmen. Ein Brauch, der bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. üblich war. Schierling oder Mohn dienten als Mittel zum Zweck. Wobei ich mich eindeutig für Mohn entscheiden würde.

UND HEUTE?

Ist die Giftdroge entzaubert? Für die schöpferische Muße, die eigentlich zur „Zauberdroge“ gehört, lässt unser heutiges Leben keine Zeit mehr. Der Zauber ist verflogen, die Atmosphäre stimmt nicht mehr, allein die organische Chemie hat die Wirkung nicht.

Was will man denn heute? Eine erhöhte Leistungsfähigkeit, der Müdigkeit ein Schnippchen schlagen, Durchhalten um jeden Preis. Schnell einen Kaffee oder Tee, der Griff zur Zigarette in immer kürzeren Abständen. Diese „Giftdrogen“ helfen zwar über den toten Punkt – aber nur bis zum nächsten. Von Genuss kann da wohl kaum die Rede sein.

Früher wurden die Pflanzengifte für geplante Verbrechen gezielt eingesetzt. Heute lauert der Tod im Garten eher durch Unwissenheit oder Versehen. Für die heimtückischsten Morde gibt es andere, noch teuflischere Mittel. Man denke nur an Polonium! Die Nachtschattengewächse sind dagegen Waisenknaben.

Fast so heimtückisch ist der besonders in Indien verbreitete so genannte Selbstmordbaum, Cerbera odollam. Die Früchte sind es, die nach 3 bis 6 Stunden den sicheren Tod durch Herzversagen bringen. Das Gift ist schwer festzustellen; eine Pflanze, die deshalb auch für Morde willkommen ist. Diese Früchte, die eine Ähnlichkeit mit Mango haben, gelten heute als das weltweit am häufigsten eingesetzte Pflanzengift, wenn man genug von unserer guten, alten Erde hat.

Für den Fall, dass das bei Ihnen auch so ist, Sie in Indien oder anderen Teilen Südasiens weilen und keinen Rückflug gebucht haben – zuckern Sie die Frucht reichlich. Warum sollte man sich nicht die letzten Minuten versüßen? Wollen Sie dagegen allein zurückfliegen und planen den perfekten Mord, hier ein Tipp:

Die bittere Frucht scharf und feurig gewürztem Essen zufügen. So kommt kein Verdacht auf.

Ich war übrigens noch nie in Indien, und habe diesen Baum auch nicht, obwohl seine weißen Blüten himmlisch duften.

Der Zauber gehört in die Welt von gestern.

Der Teufel hat sich dagegen nicht verabschiedet.

Die heimtückischen Früchte des „Selbstmordbaums“ (Cerbera odollam), werden in unseren Gärten nicht reifen

KLEINE GIFTKUNDE

WAS SIND DENN ÜBERHAUPT GIFTE?

Stoffe, die zu Gesundheitsschäden bei Mensch und Tier führen können. Ob unabsichtlich oder absichtlich spielt dabei keine Rolle. Der Schaden ist der gleiche. Langsam oder schnell, vorübergehend oder für immer, ein bisschen krank oder tot (nicht nur ein bisschen) spielt dagegen eine große Rolle.

Arzneimittel werden zu Giften, wenn sie in zu großer Menge und falsch angewendet werden. Das gilt genauso für Genussmittel, die im Übermaß als Genussgifte (Kaffee, Tee, Tabak) oder als Rauschgifte (Alkohol) wirken.

Im Grunde genommen wird alles ab einem gewissen Grad zum Gift, früher oder später. Die Beeren der Tollkirsche früher, Erdbeeren später, wesentlich!

Das traditionelle Piktogramm für Gift

AUF DEN INHALT KOMMT ES AN!

Giftpflanzen enthalten Pflanzengifte. Alkaloide, Glykoside, Proteine und auch ätherische Öle sind die wichtigsten. Aber so einfach ist es nicht. Die Stärke der Giftstoffe ist nicht nur in den einzelnen Pflanzenteilen unterschiedlich und abhängig von Reifezustand und Alter (der Pflanze), sondern auch vom Klima, vom Standort, der Jahreszeit und – ob man es glaubt oder nicht – vom Stressfaktor (der Pflanze). Die Tomaten habe ich zwar bei meinen Giftpflanzen nicht aufgeführt. Bei ihnen kann man aber sehr gut das Verhältnis zwischen Gift und Reife sehen:

Alkaloid-Gehalt:
Grüne Tomaten: 870 mg/kg
Gelbe Tomaten: 450 mg/kg
Rote Tomaten
(geerntet und nachgereift): 360 mg/kg
Rote Tomaten
(2-3 Tage an der Pflanze): nicht nachweisbar

(Quelle: Tabelle Giftpflanzen, Roth, Daunderer, Kormann)

Beim Trocknen der Pflanze verlieren manche Gifte ihre Giftigkeit und manche eben nicht. So können die angegebenen Gefährlichkeitsgrade nur ein Anhaltspunkt sein. Eine Garantie übernehme ich nicht.

Die wichtigste Klasse der giftigen Pflanzeninhaltsstoffe sind die ALKALOIDE. Sie kommen am häufigsten vor und sind somit die häufigsten Übeltäter. Es sind komplizierte Verbindungen mit basischem Charakter, die immer Stickstoff enthalten. In vielen Pflanzen sind gleich mehrere Alkaloide enthalten. Ihre Namen werden meist vom Gattungs- oder Artnamen der Pflanzen abgeleitet. Wie das Atropin von Atropa bella-donna, der Tollkirsche, oder Nicotin von Nicotianum tabacum. Die als sehr giftig eingestuften Pflanzen wie Bilsenkraut (Hyoscyamus niger: Hyoscyamin), Eibe ( Taxus baccata: Taxin), Eisenhut (Aconitum napellus: Aconitin), Schierling (Conium maculatum: Coniin), Stechapfel (Datura stramonium:

ALKALOIDE

Atropa bella-donna, die Tollkirsche

GLYKOSIDE

Helleborus niger, die Christrose

ÄTHERISCHE ÖLE

Tonkabohnen mit ihrem himmlischen Duft

Atropin, Scopolamin) enthalten alle Alkaloide. Sie bescheren uns Herzbeschwerden, Atemlähmung bis stillstand und den Tod, was ja gleichbedeutend ist.

Als nächstes haben wir die GLYKOSIDE, die es auch in sich haben. Es sind Moleküle, bei denen ein Teil chemisch mit einem oder mehreren Zuckermolekülen verbunden ist. Sie lösen sich am besten in Flüssigkeit, also in unserem Blut. Es gibt sehr viele unterschiedliche Glykoside. Cardenolide haben der Fingerhut (Digitalis: Digitoxin), das Maiglöckchen ( Convallaria majalis: Convallatoxin) und der Oleander (Nerium oleander: Oleandrin) aufzuweisen. Zu den Bufadienoliden gehört z. B. das Hellebrigenin der Christrose (Helleborus). Beide Gruppen werden als Herzglykoside zusammengefasst. Sie verursachen Herzrhythmusstörungen. Als Dritte im Bunde sind die Saponine mit von der Partie. Ähnlich der Seife besitzen sie einen Molekülteil, der sich gut in Wasser, und einen, der sich gut in Fett lösen lässt. Zu finden sind sie im Efeu (Hedera helix) als alpha-Hederin. Saponine können zu Kreislaufbeschwerden führen.