Gerd und Katharina Nickoleit
Fair for Future

Gerd und Katharina Nickoleit

FAIR FOR FUTURE

Ein gerechter Handel ist möglich

Ch. Links Verlag

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Der Ch. Links Verlag ist eine Marke
der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

1. Auflage, März 2021

entspricht der 1. Druckauflage von März 2021

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG Berlin

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Umschlaggestaltung: Hannah Kolling, Kuzin & Kolling – Büro für Gestaltung, Hamburg, unter Verwendung eines Fotos von Rawpixel (2646793)

Lektorat: Philipp Kaufmann, Ch. Links Verlag

Satz: Nadja Caspar, Ch. Links Verlag

ISBN 978-3-96289-113-8

eISBN 978-3-86284-493-7

Inhalt

Vorwort von Gerd Nickoleit

Vorwort von Katharina Nickoleit

Die Ursprünge der Bewegung

Vom Protest zum Handel

Die Gründung der GEPA

Geburtswehen

Reaktionen konventioneller Unternehmen

Was bedeutet Fairer Handel?

Die Prinzipien des Fairen Handels

Chancen für benachteiligte Gruppen

Faire Bezahlung

Kinderarbeit

Faire Geschäftsbeziehungen

Organisationsentwicklung und Personalschulung

Umweltschutz

Geschlechtergerechtigkeit

Transparenz

Welten treffen aufeinander

Mittler zwischen den Kulturen

Über den Handel hinaus

Fair zu handeln ist teuer

Raus aus der Nische

Das Fairtrade-Siegel

Fit für den Markt

Fair und bio – der entscheidende Schritt

Die Professionalisierung der Weltläden

Das Problem mit dem Handwerk

Kritik am Fairtrade-Siegel

Wirkung über die Nische hinaus

Fairtrade-Towns und kirchliche Institutionen

Handelsunternehmen oder Denkwerkstatt?

Zukunftsfähigkeit

Die Systemfrage muss gestellt werden

Auslagerung umweltschädlicher Industrien

Zölle, Subventionen, Handelsabkommen und Mehrwert

Die Folgen der Grünen Revolution

Unfaire Handelspraktiken

Die Macht der Verbraucher und ihre Grenzen

Antworten aus dem Fairen Handel

Sorgfaltspflicht und Lieferkettengesetz

Eine Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken

True Cost

Kaffeesteuer und andere Regularien

Weichenstellungen

Die Industrie reagiert

Fairer Handel im Norden

Regionale Entwicklung

Die Transportfrage

Teil der neuen Bewegung

Fridays for Future

Die neue Generation des Fairen Handels

Ausblick

Anhang

Glossar

Abkürzungsverzeichnis

Weiterführende Literatur und Websites

Abbildungsnachweis

Dank

Der Autor und die Autorin

Vorwort von Gerd Nickoleit

Ich wäre wohl nie zum Fairen Handel gekommen, wenn ich nicht schon früh großes Fernweh gehabt hätte. Reisen, das war mein Ziel, und sobald ich alt genug dazu war, setzte ich es um und trampte, ein Einmannzelt im Gepäck, quer durch Europa und bald auch darüber hinaus. Ich reiste bis in den Iran, erkundete die Türkei und Syrien, und wo auch immer ich hinkam, erlebte ich die Menschen als hilfsbereit und freundlich.

Aus diesen Reisen wurde ein Beruf. Zuerst ging ich 1965 als Entwicklungshelfer in den Iran und 1973 als Referent für Brot für die Welt als Beobachter des Weltkirchenrates nach Vietnam, wo ich die Situation der Flüchtlinge beobachten sollte. Die Menschen dort wollten keine Hilfsprojekte, sondern Verständnis für ihre Situation und Unterstützung dabei, in ihre Dörfer zurückkehren zu können. Damals wurde mir klar: Hilfe allein reicht nicht, was es braucht, ist politisches Engagement, das Veränderungen bewirkt.

Mit diesem Schlüsselerlebnis wurde ich von jemandem, der Spenden weiterreicht, zu jemandem, der auf Augenhöhe partnerschaftlich handeln wollte. Denn ich war und bin davon überzeugt, dass die Entwicklungen in den verschiedenen Ländern zwar ganz unterschiedlich verlaufen, aber trotzdem alle gleichwertig sind und kein Land andere dominieren darf. Was ich aber im Laufe der Jahre sah und noch immer sehe, ist die Fortsetzung unserer kolonialen Vergangenheit mit den Mitteln einer ungerechten Handelsstruktur, bei der wir hemmungslos unsere Stärke ausspielen. Wir nutzen unsere wirtschaftliche Macht und unseren technischen »Fortschritt«, um Handelspartner unter Druck zu setzen. Für die Maschinen, die wir produzieren, können wir jeden Preis verlangen, während die Menschen in Entwicklungsländern nur Rohstoffe haben, die sie gezwungenermaßen für jeden Preis verkaufen müssen, und sei er noch so niedrig. Kann man das nicht anders machen? Müsste man diesem ungerechten Welthandelssystem nicht eine Alternative entgegensetzen, die den sogenannten Entwicklungsländern eine faire Chance gibt: ein gerechtes Weltwirtschaftssystem?

Mit diesen Gedanken war ich Anfang der 1970er Jahre nicht allein. Es war die Zeit der Studentenbewegung, überall auf der Welt gingen junge Menschen gegen den Vietnamkrieg und für eine gerechtere Welt auf die Straße. Aktivisten machten in Hungermärschen auf das Elend im Globalen Süden aufmerksam, prangerten den Kolonialismus und die ungerechten Handelsstrukturen an. Während sich die einen radikalisierten und andere die Grünen gründeten, studierte ich Wirtschaft und Soziologie mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik. Als die Aktivistinnen so weit waren, dass sie nicht nur Aufmerksamkeit für ihre Sache, sondern sich auch organisieren wollten, war ich mit meinem Studium und der Auslandserfahrung der Einäugige unter den Blinden. Ich wurde erst Geschäftsführer der Aktion Dritte Welt Handel und war später 30 Jahre lang Leiter der Grundsatzabteilung der GEPA.

Fast ein halbes Jahrhundert nach den Hungermärschen trafen sich 2018 einige der alten Mitstreiter bei einer internationalen Konferenz in Mainz wieder. Inzwischen hatte sich der Faire Handel von einer verrückten Idee einiger Utopisten zu einem Marktsegment mit mehr als 1,8 Milliarden Euro Umsatz jährlich entwickelt. Zwischen den übrigen Teilnehmenden wirken die Gründungsmitglieder, manche noch immer mit Bart und in selbstgestrickten Socken, wie Außenseiter. Da waren Betriebswirte, die überlegten, wie man fair gehandelte Schokolade und Kaffee noch besser über die Supermärkte vertreiben könnte, und Qualitätsmanagerinnen, die über die Rückverfolgbarkeit von Teelieferungen diskutierten. Aber auch Abgesandte von Kooperativen, die selbstbewusst von ihrer Umstellung auf Bioanbau berichteten und entsprechende Preise forderten. Statt auf Luftmatratzen im Kinderzimmer übernachteten die Konferenzbesucher im Tagungshotel, und die Diskussionsergebnisse wurden im Anschluss nicht auf Matrizen abgezogen verschickt, sondern in einer vierfarbig gedruckten Broschüre veröffentlicht, die jedem DAX-Konzern zur Ehre gereichen würde. Keine Frage, der Faire Handel ist weiter gekommen und viel professioneller geworden, als wir es uns damals bei unseren Sit-ins hätten träumen lassen oder auch nur gewollt hätten.

Was ist vom Gründungsethos übriggeblieben? Geht es heute tatsächlich noch darum, die Welt gerechter zu machen, oder doch eher um ein Marketingtool, mit dem man kritische Verbraucherinnen erreichen möchte? Wenn ich mir die Entwicklung von einer Graswurzelbewegung zu einem Fairtrade-Siegel, das im Discounter zu finden ist, anschaue, sehe ich vieles, was mir nicht gefällt. Und was haben wir in den 50 Jahren gelernt, oder vielmehr, was wissen wir schon lange und setzen es immer noch nicht um? Viele unserer alten Forderungen wurden zwar als richtig anerkannt, aber statt sie endlich umzusetzen, wird noch immer darüber diskutiert. Und trotzdem glaube ich fest daran, dass ein fairer Welthandel eine der wichtigsten Lösungen für viele Probleme unserer Zeit ist. Denn noch immer leben wir im Westen auf Kosten der sogenannten Entwicklungsländer. Und noch immer bin ich der Überzeugung, dass sich das ändern muss.

Vorwort von Katharina Nickoleit

Als ich meinem Vater zusagte, mit ihm dieses Buch zu schreiben, wollte ich ihm vor allem einen lang gehegten Wunsch erfüllen, denn wer wie ich mit dem Fairen Handel aufwächst, wird nicht unbedingt zum Fan. Eher im Gegenteil. Fairer Handel, das bedeutete für mich, wochenlang den Vater zu vermissen, weil der unterwegs war, um die Welt zu retten. Es hieß, statt eines bunten Turnbeutels eine Jutetasche für die Sportsachen zu bekommen und mit dem Totschlagargument, anderen Menschen auf der Welt würde es wesentlich schlechter gehen als mir, die hoffnungslos unmodernen Jeans und abgetragenen Stiefel meiner Cousins anziehen zu müssen. Oder mich beim Weihnachtswichteln in Grund und Boden zu schämen, weil ich ein gebatiktes Tischset aus Indien verschenken musste, über das der zwölfjährige Empfänger wie erwartet vor Verärgerung tobte. Kurzum: Fairer Handel, das bedeutete für mich, in meiner Kindheit in der Hauptsache zu verzichten und Außenseiterin zu sein, da konnte mein Vater noch so oft sagen, dass es avantgardistisch sei, die Dinge anders zu machen.

Trotzdem hatte ich schon früh etwas von meinem Vater geerbt: das Fernweh und den Wunsch zu reisen. Mein Weg, daraus einen Beruf zu machen, war, Journalistin zu werden. Angefangen habe ich mit Reisereportagen, doch wer so aufwächst wie ich, kann nur begrenzt über touristische Sehenswürdigkeiten in fernen Ländern berichten, wenn es dort so viel Wichtigeres gibt: das Versiegen der Quellen in den Anden, Wilderei von Elefanten, Plastikmüll im Ganges, Pestizide in Monokulturen, fehlende Krankenversicherungen, Kinderarbeit in Bergwerken, Migrationsbewegungen und das Überleben in den Slums. Statt über Tauchexpeditionen, Vulkantouren und Safaris zu schreiben, habe ich mich auf Umwelt, Gesundheit und Globalisierung in Entwicklungsländern spezialisiert und bin jedes Jahr drei bis vier Monate unterwegs, um darüber zu berichten. Mit jeder Reise verstärkt sich das Gefühl, weniger Auslands- als Krisenberichterstattung zu machen. Wenn man wie ich über viele Jahre an dieselben Orte zurückkehrt, dann ist nicht zu übersehen, wie sich der Planet verändert. Wie die Wälder im Amazonasgebiet und die Gletscher in den Anden verschwinden. Wie die Überschwemmungen in Ostafrika zunehmen und gleichzeitig die Bauern in Dürren ihre Ernten verlieren. Wie es an den Stränden in Goa immer weniger Krabben und Strandläufer gibt, der Fisch auf dem Markt immer teurer wird und das Meer die Inseln im Golf von Bengalen verschlingt.

Das ist tatsächlich genauso apokalyptisch wie es klingt, und inzwischen bin ich sicher, dass wir als Menschheit mit den Folgen der Klimakrise, dem Schwinden von Naturräumen und der Artenvielfalt unaufhaltsam auf eine Katastrophe zusteuern, deren Folgen immer unbeherrschbarer werden. Aber ich will nicht nur von Desastern berichten, sondern auch aufzeigen, was es an positiven Ansätzen zur Lösung der diversen Probleme gibt. Und dabei stelle ich regelmäßig fest, dass gerade bei den Punkten Nachhaltigkeit und Umwelt vieles von der Bewegung des Fairen Handels schon lange vorgedacht worden ist. Die Sache mit der Jutetasche als Turnbeutel tritt da in den Hintergrund – wir alle werden den Begriff Verzicht ohnehin ganz neu definieren müssen, wenn wir das Ruder noch herumreißen wollen. Und so schreibe ich dieses Buch nun doch nicht in erster Linie, um meinem Vater einen Wunsch zu erfüllen, sondern weil ich glaube, dass die Prinzipien und Mechanismen, die der Faire Handel im Laufe der letzten 50 Jahre entwickelt hat, uns bei der Bewältigung der heraufziehenden Krisen helfen können.

Die Ursprünge der Bewegung

Wir sind reich, weil ihr arm seid, war das Credo der Menschen, die im Frühsommer 1970 in 70 Städten in Hunger- und Friedensmärschen durch Städte und Dörfer zogen. In den Universitätsstädten waren es Studenten, anderswo Mitglieder der kirchlichen Jugendverbände und überall Antiapartheit-, Ökound Frauengruppen, die sich im Zuge der 68er-Bewegung gegründet hatten. »Es herrschte eine Aufbruchstimmung, so wie 2019 bei den Fridays for Future-Demonstrationen«, erinnerte sich Berthold Burkhardt, der als Jugendreferent seiner Gemeinde die Jugendlichen in den 1970er Jahren begleitete.

»Wir hatten das Gefühl, wir müssen den Erwachsenen, die das Sagen hatten, zeigen, dass da was Wichtiges im Gange ist.« Rund 30 000 junge Menschen gingen auf die Straße, ließen sich jeden gelaufenen Kilometer sponsern und spendeten die Einnahmen für den Aufbau von Genossenschaften in Peru oder zur Einrichtung einer Fruchtsortieranlage in Pakistan. Doch im Kern ging es den Aktivistinnen um etwas anderes: um eine gerechtere Weltwirtschaft, in der der Mensch vor dem Profit kommt. Sie forderten eine Abkehr vom »nachkolonialen Ausbeutungssystem«. Hinter dem Begriff verbarg sich die Überlegung, dass der Großteil der Entwicklungsländer aus den Kolonien der Industrieländer hervorgegangen war. Als Kolonien waren diese Länder lediglich Rohstofflieferanten, in denen es weiter keine wirtschaftliche Entwicklung gab, denn die Verarbeitung von Erzen, Baumwolle, Kaffee und anderen Produkten fand in Europa statt, wo sich Know-how und Wohlstand entwickelten. Weil die Preise für Rohstoffe im Verhältnis zu den Industrieprodukten sanken, wuchs die Verschuldung der Dritten Welt – ein Missverhältnis, das noch heute besteht. Die Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien bestehe deshalb nur auf dem Papier, meinten die Aktionsgruppen, tatsächlich seien sie nach wie vor abhängig von den ehemaligen Kolonialmächten.

Aktivistinnen bei einem »Hungermarsch«, Frankfurt am Main, 1970

Die christlichen Jugendlichen nahmen die biblische Aufforderung, das »Salz der Erde« zu sein, ernst und erweiterten das Bibelzitat um »Sand im Getriebe«. Sie forderten nicht etwa mehr Entwicklungshilfe, die sie als scheinheiliges Mittel der Machtausübung betrachteten, sondern eine neue, gerechte Weltwirtschaftsordnung. Unter dem Motto »Handel statt Hilfe« gaben sie ein an die Bundesregierung adressiertes Flugblatt mit sechs Forderungen heraus. Darin verlangten sie neben Schuldenschnitten unter anderem die Senkung von Zoll- und Handelsschranken, um es Entwicklungsländern zu ermöglichen, nicht nur Rohstoffe, sondern auch fertigproduzierte Waren nach Deutschland zu exportieren. Und sie forderten einen Stopp für die Subventionierung landwirtschaftlicher Produkte, die günstiger aus Entwicklungsländern bezogen als hierzulande produziert werden konnten. Das alles sind Punkte, die noch immer als sinnvolle Mittel zur Förderung von Entwicklungsländern erachtet und diskutiert werden, aber kaum umgesetzt wurden.

Plakat zum Thema Postkolonialismus, 1972

Die Zusammenhänge zwischen Kolonialzeit, Zollschranken, Subventionen und Armut sind komplex und lassen sich nicht ohne weiteres in einem Satz erklären. Doch genau darum ging es den Aktivistinnen: aufzuklären, um in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Verknüpfungen zwischen Erster und Dritter Welt und ein Gefühl für die Verantwortung des Globalen Nordens zu erzeugen. Um diese Informationen unter die Leute zu bringen, kauften manche Aktionsgruppen im Supermarkt Schokolade, entfernten die Etiketten der Hersteller und ersetzten sie durch ein zu einer Banderole zugeschnittenes Flugblatt »Süß für uns, bitter für andere«, das zum Thema Arbeitsbedingungen auf Kakaoplantagen aufklärte.

Vom Protest zum Handel

Auf die Idee, selbst Produkte aus Entwicklungsländern zu kaufen, kamen die Aktivisten, nachdem sie einen Blick in die Niederlande geworfen hatten. Unser Nachbarland war und ist uns in Sachen Fairer Handel immer fünf Jahre voraus. Das läge, so sagen Niederländerinnen, die sich mit der Frage beschäftigt haben, an einem ausgeprägt schlechten Gewissen, das wegen der langen Kolonialgeschichte früher als in Deutschland eingesetzt habe. Die Stiftung S.O.S. – heute Fairtrade Original – importierte schon seit den 1960er Jahren Kunsthandwerk von kleinen Produzentengruppen, und zunächst bezog die 1970 gegründete Aktion Dritte Welt Handel, kurz A3WH, ihre Produkte über S.O.S. Meistens verkauften die Aktivisten die Produkte an Infoständen in Kirchengemeinden oder am Rande von Kundgebungen. Der Handel sollte in jeder Beziehung ein Gegenentwurf zum konventionellen Handel sein, gerechter, besser, mit anderen Produzentinnen, anderen Produkten und anderen Kunden – nicht umsonst hieß der Faire Handel über 20 Jahre lang bis Anfang der 1990er Jahre Alternativer Handel.

GEPA-Plakat, 1979

Die Aktion Dritte Welt Handel wuchs so schnell, dass ein Jahr später ein fester Mitarbeiter gebraucht wurde – Gerd wurde der Geschäftsführer und damit der erste bezahlte Angestellte des Fairen Handels in Deutschland. Er war hauptamtlich zuständig für den ideologischen Überbau der Bewegung und dafür, deren Anliegen in Worte zu fassen. In seinem ersten Grundsatzpapier »Die Entwicklung der Unterentwicklung«, auf das noch viele weitere folgen sollten, formulierte er die Ziele und Strategien der Organisation. Die Aktion Dritte Welt Handel sei als Modell nicht dazu geeignet, Herrschaftsstrukturen und Abhängigkeitsverhältnisse zu ändern, sondern sie sei dazu gedacht »über den Effekt der Bewusstseinsbildung Kräfte auszulösen, die um vieles größer und wirksamer sind als das Modell selbst«. Denn, so schrieb er, das eigentliche Ziel, nämlich »allen Menschen die Teilhabe an den Gütern dieser Erde und den Genuss der vollen Menschenrechte zu ermöglichen«, sei nur zu erreichen, wenn die breite Bevölkerung erfahre, dass die Problematik der Dritten Welt weit über das Thema Hunger hinausgeht und Entwicklung sehr viel mit Weltwirtschaft, Zollpolitik und Herrschaftsverhältnissen zu tun hat. Um dieses Anliegen optisch umzusetzen, veränderten bis heute ungenannte Aktivistinnen in einer gut durchdachten Guerillaaktion ein Plakat von Brot für die Welt: Indem sie die ausgestreckte Hungerhand in eine Faust verwandelten und das B abschnitten, wurde daraus ein Aufruf zur Revolution.

Berthold Burkhardt, der 50 Jahre später mit seinem Bart und der Wollweste genau so aussah, wie man sich einen Veteranen des Fairen Handels vorstellt, war unterdessen Referent bei Brot für die Welt geworden. Er erinnerte sich schmunzelnd daran, wie er dem damaligen Direktor dringend riet, keine Anzeige zu erstatten, sondern die Sache auf sich beruhen zu lassen, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Tatsächlich hat Brot für die Welt danach nie wieder um Almosen gebeten, sondern um Beiträge für entwicklungspolitische Arbeit.

Die Aktionsgruppen der evangelischen und katholischen Jugendverbände organisierten in den Gemeinden Basare, auf denen man nicht nur Kunsthandwerk wie Masken und Holzfiguren kaufen konnte, sondern auch mit indischen Gewürzen gemeinsam kochte, sich am Spiel mit Schattenpuppenfiguren aus Indonesien versuchte oder Sarongs und Ponchos anprobieren konnte. Ziel der Basare war weniger der Verkauf als vielmehr eine Annäherung an die Dritte Welt, die Verständnis für andere Kulturen und Interesse an den dortigen Lebensumständen wecken sollte. Die Erlöse gingen als Spenden an ausgewählte Projekte. Die Bewegung passte zu der sich in Lateinamerika verbreitenden Befreiungstheologie um Ernesto Cardenal, zu den großen ökumenischen Jugendtreffen von Taizé und überhaupt zu der Aufbruchsstimmung, die sich überall breitmachte.

Plakat von Brot für die Welt im Original und seine Veränderung, 1972
Regina Nickoleit (rechts) beim Verkauf von Kunsthandwerk in der Kirchengemeinde, Waldenbuch, 1973
Verpackung des »Indiokaffees«, 1973

Manche Kirchenobere beobachteten die Aktionen dennoch mit gemischten Gefühlen. »Es wird in den Gemeinden mehr gehandelt als gebetet«, lautete eine Kritik. Einerseits freute man sich über das Engagement des Nachwuchses, andererseits wollte man die konservativen älteren Mitglieder nicht verprellen. Außerdem fürchtete man, dass die Leute weniger spenden würden, wenn sie fair gehandelte Produkte kauften. Doch das Gegenteil war der Fall. Weil das Thema Hilfe für die Dritte Welt dank der vielen Aktionen nicht mehr nur zu Weihnachten, sondern rund ums Jahr aktuell war, bekamen die großen kirchlichen Hilfswerke plötzlich auch außerhalb der Vorweihnachtszeit Spenden. Die Zeit war reif für einen Wandel, auch in den Kirchen. »Anders leben, damit andere überleben« war eine der Kampagnen von Misereor in den 1970er Jahren, und es war nur folgerichtig, dass die Organisation gemeinsam mit Brot für die Welt in den Alternativen Handel einstieg. Das war auch deswegen interessant, weil er ihnen eine Absatzmöglichkeit für Produkte aus Entwicklungshilfeprojekten bot. »Wir haben uns damals gesagt, diese Leute leben von unseren Almosen. Warum helfen wir ihnen nicht, an ihren Produkten mehr zu verdienen, bessere Preise zu bekommen und dadurch eine würdevollere Art der Unterstützung zu bekommen als durch ein Almosen«, erinnerte sich Berthold Burkhardt. Der »Indiokaffee« war der erste fair gehandelte Kaffee, der aus einem Hilfsprojekt von Misereor aus Guatemala importiert wurde.

Erwin Mock, der damals dort dafür zuständig war, hat seinen Besuch bei den Bäuerinnen noch gut vor Augen. »Die Menschen haben unter den ärmlichsten Bedingungen gelebt, die man sich vorstellen kann. In einfachen Hütten ohne Strom und fließend Wasser, weit weg von der nächsten Straße«, erzählt er und zeigt ein Bild, auf dem eine Frau einen Kaffeesack von einem Stirnband gehalten über einen Pfad durch die Berge schleppt. »Für die Bauern war es damals ein unglaubliches Erlebnis, dass sie zum ersten Mal gute Preise bekommen haben, die sie im eigenen Land nicht erhielten. Das war ein ungeheurer Fortschritt.« Heute ist aus der einst kleinen Kooperative die Dachorganisation Fedecocagua geworden, der mehr als 20 000 Genossinnen angehören, die schon lange nicht mehr in der Armut leben, wie Erwin Mock sie aus den 1970er Jahren beschreibt.

Nur im Rahmen von Gottesdiensten zu verkaufen, reichte vielen Aktivisten bald nicht mehr, sie wollten ihre solidarischen Produkte zur Alltagsware machen. Dazu brauchte es mehr Verkaufsorte. Der erste befand sich in der Wohnung von Friedrich Müller, der als Urvater der Weltläden gilt. Er importierte auf eigene Faust Kunsthandwerk aus Hongkong, verstaute es in einem seiner Kleiderschränke und verkaufte es in seinem Wohnzimmer. Aus diesem Wohnzimmerladen ging 1973 der erste richtige Dritte-Welt-Laden hervor, der in Stuttgart gegründet wurde. »Kein Verkauf ohne Information«, lautete die Devise der nun entstehenden Läden. Ein zu einem »Himmel und Hölle«-Spiel faltbares Mitteilungsblatt enthielt beispielsweise Informationen über Löhne, Arbeitsbedingungen und Weltmarktpreise.

»Wir hatten mindestens so viel Papier im Laden wie Waren«, erinnert sich Birgit Schößwender, die heute beim Weltladen-Dachverband arbeitet. »Weltläden waren Orte der Information. Der Handel war sekundär.« Dort etwas zu kaufen, war nicht nur ein Akt der Solidarität, sondern auch ein Ausdruck dafür, dass man politisch aktiv war, bestimmte Dinge kritisch sah und Politik mit dem Einkaufskorb betreiben wollte. Leute ohne dieses Bewusstsein hatten es vielerorts schwer, die Läden überhaupt zu finden, und wenn doch, fand die Otto Normalverbraucherin sie wenig attraktiv. Oft waren es winzige Räume ohne Schaufenster, in denen in einem vom Sperrmüll und auf Flohmärkten zusammengetragenen Regalsammelsurium neben viel Papier eine überschaubare Produktpalette angeboten wurde: Alpakapullover und Batiken, Trommeln und Masken – alles Dinge, für die es sonst keinen Markt gab.

Sie sollten vor allem von fremden Kulturen erzählen und vermitteln, wie die Menschen im Globalen Süden lebten. Kamen sie nicht von den Missionsgesellschaften, die über den Verkauf ihre Projekte finanzierten, stammten die Waren aus damals sozialistisch regierten Ländern wie Tansania, Mosambik, Sri Lanka und Algerien, mit denen man sich solidarisch erklärte. Etwas später kam unter dem Motto »Hunger nach Gerechtigkeit, Durst nach Revolution« auch Kaffee aus Nicaragua dazu, mit dessen Absatz die Revolution unterstützt werden sollte. Ab 1978 gab es in den Weltläden auch ein Produkt zu kaufen, das zu einem Symbol wurde: die »Jute statt Plastik«-Tasche, ein von Frauengruppen aus Bangladesch handgenähter Beutel, Erkennungszeichen der Sympathisanten der Bewegung. Die Tasche stand für eine andere Lebensart. Wer sie trug, signalisierte damit, etwas für die Ärmsten zu tun. Um den Umweltaspekt ging es dabei nur in zweiter Linie, vor allem war die Tasche ein politisches Produkt, an dem sich ein Zusammenhang deutlich machen ließ: die Abhängigkeit eines Landes wie Bangladesch vom Export von Jute und was es bedeutet, wenn die chemische Industrie Kunststoffseile entwickelt und der Bedarf an Jute sinkt. Übrigens stellt sich erst seit der weitverbreiteten Verwendung von Kunststoffseilen das ständig wachsende Problem des Fischereimülls. Anders als zuvor verrotten verlorengegangene Netze nicht mehr nach ein paar Wochen, sondern geistern für Jahrhunderte als tödliche Fallen für Meerestiere durch die Ozeane. Fünf Millionen Mal wurde die »Jute statt Plastik«-Tasche verkauft, heute ist sie im Deutschen Museum in Bonn ausgestellt, und Originale werden unter der Überschrift »Kult-Tasche« für 60 Euro auf eBay angeboten – zum mehr als 20-Fachen des ursprünglichen Preises. Die Organisation in Bangladesch gibt es übrigens immer noch, sie stellt heute diverse Handwerksprodukte her. Dass die Jutetasche schnell fusselte und der Kaffee nicht schmeckte, das war den von der Sache überzeugten Kundinnen ziemlich egal. »Es ging um den Symbolwert, nicht um den Gebrauchswert«, sagt Birgit Schößwender.

Zu einem Spiel faltbares Informationsblatt, 1976
Weltladensortiment, 1980

Die Gründung der GEPA

Importiert wurde die Jutetasche über die zwei Jahre zuvor gegründete Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt, kurz GEPA. Bis 1975 bezogen die Weltläden ihre Waren über die niederländische Handelsgesellschaft S.O.S., die wiederum einen Teil ihrer Produkte aus Hilfsprojekten von Misereor bezog – der Weg von Holland nach Aachen, wo das Hilfswerk bis heute seinen Sitz hat, war kurz. Als der Umsatz in Deutschland beträchtlich wuchs, wurde zunächst eine deutsch-holländische Tochtergesellschaft für den Import gegründet. Weil man mit der Informationspolitik und der Preisgestaltung der Niederländer nicht einverstanden war, entschloss man sich schließlich zur Gründung einer eigenen Handelsgesellschaft: der GEPA.

Die GEPA war das erste und ist bis heute das größte erfolgreiche ökumenische Projekt. Neben Misereor und Brot für die Welt (die laut Statut Spendengelder nur in Projekten ausgeben dürfen und in Finanzierungsfragen von der Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Entwicklungsdienst vertreten werden) gehörten auch die Jugendverbände beider Kirchen, die katholischen Sternsinger sowie verschiedene Arbeitsgemeinschaften der Dritte-Welt-Läden zu den ersten Gesellschaftern. Den Kirchen war bewusst, dass sie mit der Finanzierung der GEPA ein hohes wirtschaftliches Risiko eingingen, denn es war klar, dass es unmöglich war, gleichzeitig soziale Standards einzuhalten und sich selbst durch eigene Gewinne zu finanzieren. Außerdem finanzierten sie über die Hilfswerke die Bildungsarbeit, stellten Materialien zur Verfügung und hatten sogar Rednerdienste. Jede Gemeinde oder Schulklasse konnte eine Referentin anfordern, die dann quer durch die Republik reiste, um einen Vortrag über Gerechtigkeit und Alternativen Handel zu halten.

Mitarbeiter der GEPA, Schwelm, 1983

Die Gesellschafter der GEPA kamen somit aus völlig unterschiedlichen gesellschaftlichen Ecken. Auf der einen Seite gab es linke Entsandte der Weltläden, auf der anderen Seite teilweise eher konservative Kirchenvertreter. Ersteren ging es vor allem um politische Bildung, über die die globalen Handelsbeziehungen zwischen Nord und Süd verändert werden sollten. Letztere wiederum sahen im Verkauf der direkt gehandelten Produkte eine Chance, die Lebensverhältnisse bei den Handelspartnerinnen zu verbessern. Lieber gerecht handeln statt spenden war ihre Devise. Diese beiden Strömungen gibt es im Fairen Handel bis heute, und noch immer werden endlose Debatten darum geführt, wie man beides unter einen Hut bringen kann. Begonnen haben sie bei uns im Wohnzimmer, wo in regelmäßigen Abständen Ausschüsse der GEPA tagten. Weil wir nicht genügend Stühle hatten, saßen die Teilnehmer tage- und nächtelang auf dem Boden im Kreis und redeten sich die Köpfe heiß, die Kinder und ein Hund irgendwo dazwischen. Um alle bewirten zu können, liehen wir uns bei den diese bärtigen jungen Männer sehr argwöhnisch betrachtenden Nachbarn Geschirr aus, während in der Küche große Mengen schwarze Bohnen und Reis nach mexikanischer Art gekocht wurden. Irgendwer hatte immer eine Gitarre dabei, die kurz bevor alle ihre Schlafsäcke und Isomatten auspackten herausgeholt wurde.

Bei diesen Sit-ins ging es viel um das Selbstverständnis der Bewegung. Diejenigen, die die politische Bildung in den Vordergrund rückten, verstanden sich zuerst als Pioniere, als Vorreiter einer Bewegung, aus der ein partnerschaftliches Handeln zwischen Produzenten und Konsumentinnen, zwischen reichen und armen Ländern entstehen sollte. Dennoch durften auch sie den wirtschaftlichen Erfolg nicht aus den Augen lassen, die Idee des Alternativen Handels wäre sonst unglaubwürdig gewesen. Die andere Fraktion sah die Aufgabe der Weltläden eher darin, durch den direkten Handel im Globalen Süden Arbeitsplätze zu schaffen, um so die Armut zu reduzieren. »Flugblätter machen nicht satt«, sagten sie, und »mit dem Verkauf von Masken verändere man nicht den Welthandel«. Sie verwiesen auf Handwerksgruppen, die dagegen protestierten, dass ihre Produkte nur als Medium zur Kommunikation gesehen wurden, während sie davon leben mussten. Ihr Anliegen war es, den Absatz zu steigern, wobei die vielen Produktinformationen auch für sie wichtig waren, denn um die Käufer zu motivieren, mehr Geld für ein Produkt auszugeben, mussten diese verstehen, warum sie das tun sollten. Dazu gehörten auch genaue Aufschlüsselungen des Zustandekommens der Verkaufspreise, die im Übrigen noch heute offen kommuniziert werden. Auch die Inhalte dieser Informationsblätter wurden diskutiert. Wie links durften sie sein? Wie stark durfte auf der Verpackung für die sandinistische Revolution in Nicaragua geworben werden?

Mit Informationen bedruckte Verpackung des Nicakaffees, 1980

Ein kleiner Ausschnitt des Verpackungstextes lautete: »Der steinige Weg in die Freiheit. Angesichts der wachsenden militärischen, politischen und wirtschaftlichen Bedrohung ihres eigenständigen Weges brauchen die Menschen Nicaraguas unsere Solidarität.« Eine andere Diskussion drehte sich darum, ob es angebracht war, Kaffee von Fedecocagua zu kaufen, wo doch deren Chef Mitglied im als kapitalistisch geltenden guatemaltekischen Kaffeeverband war.

Aktivist bei Informationskampagne zu »Jute statt Plastik«, 1980

Mit etwas Abstand betrachtet, ist es schwer zu glauben, wie viel Zeit und Energie in diese Grabenkämpfe zwischen Gruppen, die doch eigentlich alle etwas Ähnliches wollten, floss. Viele linke Bewegungen sind an solchen endlosen Diskussionen zerbrochen, und auch der Alternative Handel stand mehr als einmal kurz vor dem Scheitern. Nicht wenige Weltläden schlossen, weil sich die Mitarbeiterinnen nicht über die Richtung einigen konnten, und schließlich traten die verschiedenen Weltladenverbände bei der GEPA aus, weil sie die von den finanzstarken Gesellschaftern getroffenen Entscheidungen nicht weiter mittragen wollten. Sie gründeten gemeinsam den Weltladen-Dachverband. Tatsächlich wirkt der Streit zwischen den beiden Strömungen »Mehr Bewusstseinsbildung« und »Mehr verkaufen« bis in die Gegenwart fort. Dazu kommen wir noch.

Bei den Diskussionen ging es auch darum, wer Produkte bei der GEPA kaufen und anbieten durfte. Die Resultate des basisdemokratischen Prozesses waren für diejenigen, die den Handelspartnerinnen im Süden möglichst große Absatzmärkte erschließen wollten, nicht selten enttäuschend. So wurde etwa entschieden, der CDU keine Jutetaschen zu verkaufen, denn die sollte nur bekommen, wer auch das entsprechende Bewusstsein hatte.

Bei der CDU vermutete man, dass es daran mangelte und man das Symbol der Bewegung nur haben wolle, um neue Wählergruppen anzusprechen. Auch der Betreiber eines Atomkraftwerkes, der Werbematerial in Jutetaschen verpackt verteilen wollte, erhielt eine Absage. Ebenso erging es Karl-Heinz Böhm, der Kaffee aus seinem Hilfsprojekt in Äthiopien über den Fairen Handel verkaufen wollte. Seine Anfrage wurde abgelehnt, weil es sich bei seinem Vorhaben nicht um eine Kooperative, sondern um ein Regierungsprojekt handelte. Auch sonst wurden die Feindbilder sorgsam gepflegt. Es gab die bösen Kapitalisten auf der einen und die guten Aktivistinnen auf der anderen Seite und dazwischen einen tiefen Graben. Kinder, die den Wunsch nach einer Coca-Cola äußerten, erhielten einen Apfelsaft und einen Vortrag über den Kolonialismus der Großkonzerne. Nicht, dass sie den gebraucht hätten, schließlich stand in jedem Kinderzimmer die Platte »Banana« vom Grips Theater in Berlin, auf der es um einen transnationalen Konzern ging, der wie eine Krake ein südamerikanisches Land erwürgt. Dessen deutscher Generalmanager fuhr – natürlich – einen Mercedes. Ähnlich schwarz-weiß malte das Musical »Circus Mensch« in seinem Lied über den Kaffeebauern José aus Guatemala. Dieser pflegt seine Kaffeebüsche so liebevoll wie seine zwölf Kinder, und er wird von den »reichen Riesen«, die ihm einen Hungerlohn zahlen, »bis aufs Blut« ausgesaugt. Am Schluss des Liedes wird dazu aufgefordert, »unseren Freund José« nicht alleinzulassen und den bereits erwähnten Indiokaffee zu trinken.

Die GEPA war nicht die einzige Fairhandelsorganisation, die in den 1970er Jahren gegründet wurde. Die beiden nächstgrößeren sollen hier genannt werden: In Hildesheim formierte sich El Puente, wo Handelspartner sogar mit über die Strategien in Deutschland entscheiden. In Ravensburg gründete sich Weltpartner (früher Dritte Welt Partner, kurz DWP), die ausschließlich an Weltläden verkauft und die Zusammenarbeit mit dem Großhandel weiterhin ablehnt.