Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7431-8632-3

Prolog

Ein Konvolut ist bekanntlich ein “Bündel von Schriftstücken“ oder Drucksachen. Verwendet wird es auch als Synonym für “Sammlung“ beispielsweise bei Schmuckstücken. Außerdem nimmt man es als Bezeichnung einer Gruppe von Gegenständen, die zusammen versteigert werden sollen. Der Begriff stammt vom lateinischen Wort “convolutum“ ab. Es bedeutet “zusammengerollt“.

Während des Studiums der Kunst, das er in Wirklichkeit niemals absolvierte - wie Recherchen ergaben - hat sich bei dem deutsch-niederländischen Kunstmaler Franz E. ein Konvolut an Bildern angehäuft, die niemand kaufen wollte. Er lagerte sie nicht auf Rahmen gespannt, er rollte sie einfach zusammen. So konnte er sie auch mitnehmen, wenn er auf seinem Motorrad unterwegs war.

Franz E. hatte in seiner Zeit als Kunstmaler - also 18 Jahre lang - tausende höchst problematische Briefe, Gutachten, E-Mails und Faxe von seinem privaten Mailkonto aus verschickt: Es waren Urkundenfälschungen der übelsten Art, welche durch die schlimme Unachtsamkeit einiger Behördenmitarbeiter ungeprüft in echte Fallakten gerieten, Leben und Existenz nichts ahnender Menschen zerstörten. Das Buch betrachtet das Leben des Fälschers und das eines seiner unehelichen Söhne.

Es wurde darauf geachtet, dass keine Namen von echten lebenden Personen hier Verwendung fanden. Sollte sich trotzdem jemand angesprochen fühlen, zumal es nicht unbegrenzt viele Namen gibt, so wäre es rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhalt

  1. Kapitel: Überfallkommando
  2. Kapitel: Rückblende
  3. Kapitel: Kunst und Kunst
  4. Kapitel: Erinnerungen
  5. Kapitel: Die Stiefmutter
  6. Kapitel: Jobangebot
  7. Kapitel: Die Brüder
  8. Kapitel: Doktor Hund
  9. Kapitel: Rückführung
  10. Kapitel: Der Obdachlose
  11. Kapitel: Erste große Liebe
  12. Kapitel: Die Fälscherwerkstatt
  13. Kapitel: Franz sein Tröpfchen
  14. Kapitel: Berufskolleg
  15. Kapitel: Stars und Sternchen
  16. Kapitel: Bundespolizei
  17. Kapitel: Der Gärtner
  18. Kapitel: Ferien im Hotel Mama
  19. Kapitel: Der Hausgeist
  20. Kapitel: Die Kiffer
  21. Kapitel: Prickelndes Treffen
  22. Kapitel: Die böse Sieben
  23. Kapitel: Zeitungszusteller
  24. Kapitel: Handymanie
  25. Kapitel: Die Beerdigung

Kapitel 1

Überfallkommando

Freitag: Er sprang aus dem Fester. Max B. war wieder auf der Flucht. Geschmeidig wie eine Katze kam er lautlos auf dem Steinboden an. Eigentlich hatte er geglaubt, er würde niemals wieder vor irgendetwas davonlaufen müssen. Doch da hatte er sich offensichtlich geirrt. Es kommt in diesem Leben immer anders als man denkt. Dabei war er sich dieses Mal keiner Schuld bewusst. Zumindest war das aus seiner Sicht so. Wie hätte er denn auch ahnen können, dass ein 15-jähriges Mädchen plötzlich für ihn zur ernsten Gefahr werden könnte?

Ganze drei Monate war er mit Maike, der spielsüchtigen Schülerin zusammen. Er war der erste Junge, mit dem sie geschlafen hatte - der erste, mit dem sie verliebt, verlobt, verheiratet spielen wollte. Aber er merkte nicht, wie verdammt ernst sie diese Beziehung nahm, wie sehr sie ihn brauchte und liebte - auf eine besessene, fast krankhafte Art, die er nicht nachvollziehen konnte. Maike besuchte eine Hauptschule. In diesem Schuljahr würde sie sitzen bleiben. Das stand schon fest. Ihre Noten waren eine Katastrophe. Sie schwänzte oft die Schule, machte keine Hausaufgaben, trank heimlich Alkohol und trieb sich am liebsten mit älteren Jungen herum, wenn sie gerade mal nicht online war, was eher selten vorkam.

Max sah das alles viel lockerer. Er wechselte normalerweise seine Freundin so schnell wie andere ihre Unterwäsche. In der Hinsicht: ganz der Papa! Auch ansonsten unterschied er sich stark von der 15-jährigen Hauptschülerin. Er war gerade 18 geworden und besuchte die gymnasiale Oberstufe des Berufskollegs mit technischer Ausrichtung. Dual machte er dabei eine Ausbildung als informationstechnischer Assistent. Im Nebenjob trug er Zeitungen aus und machte gerade seine Führerscheine B und BE. Dumm war der gut aussehende junge Mann also nicht. Er benahm sich nur manchmal etwas blöd.

Jedenfalls war die Bettromanze mit Maike nicht ganz so aufregend verlaufen wie Max es sich vorgestellt hatte. Die 15-Jährige machte zwar ohne Murren alles mit, was der Volljährige sich von ihr in seinem großen Boxspringbett wünschte, aber sie langweilte ihn sehr schnell. Sich hinlegen und ihn dann machen lassen war nicht so ganz die Art von wilder, animalischer Leidenschaft, die er mit seiner Traumfrau erleben wollte. Etwas mehr Einsatz sollte schon sein. Und so schaute er sich schon längst wieder nach anderen Mädchen um, während Maikes Gefühle für ihn immer stärker wurden.

Gemeinsame Interessen hatten die beiden eigentlich keine. Während Max sich gern und viel bewegte und oft stundenlang mit seinem Mountainbike durch die Gegend fuhr, wenn er nicht gerade mit seinen Kumpels Bier oder Cannabis konsumierte, verzog sich Maike lieber ganz allein als Couchkartoffel in eine Sitzecke in seinem Zimmer, dunkelte den Raum ab, um an seiner Playstation ihr aktuelles Spiel spielen zu können: World of Warcraft - Legion.

Maike hatte mit 12 Jahren mit dem Spielen angefangen. Sie bekam die Spiele damals von ihrer älteren Schwester. Ihre Mutter war früh gestorben und der Vater, welcher die beiden Töchter alleine aufziehen musste, verdiente sein Geld als LKW-Fahrer. Er war selten zuhause. Maikes Schwester wog mehr als 100 Kilo. Sie war 22 Jahre alt, ohne Schulabschluss uns ohne Berufsausbildung, saß die meiste Zeit des Tages vor ihrem Computer und spielte ihr Spiel. Zwangsläufig probierte Maike es auch. Immerhin konnte es ja nicht so schwer sein, wenn ihre Schwester es auch schaffte. In kürzester Zeit hatte die Kleine sich einen Namen in elitären Online-Spielerkreisen gemacht und neue Ansprechpartner gefunden. Dort war sie jemand. In ihrem echten Leben war sie ein Nichts. Also entschied sich Maike für die Welt des Spiels. Das war viel schöner als ihr reales Leben. Nur leider sah man das auch: Maike wurde dick…

Nach dem ersten Hype um World of Warcraft: Legion stellt sich nun langsam auch für Maike der Alltag in Azeroth ein. Nicht mehr alle Weltquests werden abgeschlossen und auch die anfängliche Neugierde auf unentdeckten Missionen lässt bei ihr nach. Doch ist das etwas Schlimmes? Nein. Es gibt ihr die Freiheit zurück, das zu tun, worauf sie Lust hat: Zum Beispiel, sich wieder einmal intensiv mit ihrem Freund Max zu beschäftigen. Sicher. Sie könnte nun behaupten, dass sich ihre Gruppe souverän durch den grünen Albtraum gekämpft hat, doch das wäre gelogen. In Wahrheit sind sie alle schon am ersten Trashmob verendet, weil sie ein paar Feinde mehr “eingesammelt“ hatten als sie verkraften konnten.

Nach ungefähr zehn Stunden ohne richtige Pause liegen aber nun fünf der insgesamt sieben Bosse im Dreck - und sie hatte Spaß wie schon lange nicht mehr! Keine Frage, all diese positiven Erfahrungen hängen natürlich stark mit der Gruppe zusammen, die sie um sich versammelt hat. Ohne geht es nicht. Trotzdem war es das erste Mal seit Jahren, dass nicht die dicke Beute ihre angestrebte Belohnung war, sondern eher die schöne Erfahrung. Das hatte sie eine gefühlte Ewigkeit lang total vermisst. Neu für Maike waren ebenfalls die »Mythisch+« -Dungeons. Sie werden immer schwerer. Dafür locken bessere Belohnungen. Der ideale Zeitvertreib, um einen spannenden Abend mit oder ohne Freund zu erleben.

Legion hat es geschafft, ihre Ängste aus dem Weg zu räumen. Diese Erweiterung wurde zunächst als völlig ungeeignet für Zweitcharaktere beschrieben - aber das ist sie nicht. Maike hat nun mehrere Charaktere auf Maximallevel. Dank Artefaktforschung und Weltquests können diese Twinks bald ebenfalls an Schlachtzügen teilnehmen.

»Hallo. Ich bin wieder da.«, hörte sie die Stimme von Max durch das Treppenhaus schallen. Kurz darauf wurde die Zimmertür aufgerissen. Da stand er vor ihr. »Sag bloß, du hast bis jetzt durchgespielt?«, wollte er wissen. Sie nickte. Schwarze Ringe unter ihren Augen verrieten, dass es stimmte. Immerhin hätte sie sich nicht so weit durchkämpfen können mit ihrer Gruppe, wenn sie zwischendurch Pausen eingelegt hätte. Das sollte Max doch eigentlich verstehen können, auch wenn er selbst kein Spieler war - oder etwa nicht?

Max schüttelte verständnislos den Kopf. »Mach dir nichts vor. Du bist spielsüchtig. Da führt kein Weg dran vorbei. Du brauchst Hilfe. Meine Mutter hat nebenan gearbeitet. Du bist nur aus dem Zimmer gekommen, um zur Toilette zu gehen oder um dir etwas zu essen aus dem Kühlschrank zu holen. Ansonsten warst du nicht einmal ansprechbar. Wie lange willst du dich noch so kaputt machen? Was soll das werden?«, fragte er, während er jetzt einfach die Playstation ausschaltete…

Maike sah sofort purpurrot. Wie konnte er das nur tun? Das Spiel war weg. Der Kontakt zu ihrer Online-Gruppe war weg. Wütend brüllte sie ihn an: »Spinnst du! Das kannst du doch nicht machen.«. Max setzte sich zu ihr aufs Bett. »Ich kann noch viel mehr. Es ist mein Zimmer und mein Zuhause. Also darf ich bestimmen, was hier gemacht wird und was nicht. Und was soll ich mit einer Freundin, die immer nur vor der Playstation sitzt und spielt? Du nimmst mich doch gar nicht wahr, wenn du das Spiel spielst? Ich bin für dich doch nur Mittel zum Zweck - nicht mehr und auch nicht weniger«, sagte er.

Die 15-Jährige drohte ihm prompt an, sich von ihm sofort zu trennen, wenn er sie nicht weiter spielen lassen würde. Max reagierte jedoch anders als sie es wohl erwartet hatte. Er hielt ihr die Tür auf, warf ihr ihre Sachen aufs Bett und meinte: »Okay. Damit habe ich sowieso schon gerechnet. Dann nimm bitte deine Sachen und geh! Ich halte deine Spielsucht nicht mehr aus. Ich bin kein Psychologe - ich bin selbst noch Schüler. Willst du es dir nicht noch mal in aller Ruhe überlegen, wenn du nicht spielst? Oder wirfst du die drei Monate mit mir für dieses dämliche Computerspiel in die Tonne?«.

Sie war nicht fähig, jetzt noch etwas zu sagen. Zum Diskutieren hatte sie keine Lust. Wieder und wieder blickte sie auf den schwarzen Bildschirm, fast als ob sie hoffen würde, dass sich die ganze Technik plötzlich wie durch ein Wunder von alleine einschalten würde und sie weiter spielen könne. Doch die Technik tat ihr diesen Gefallen nicht. Der Monitor blieb schwarz und sagte auch nichts zu ihr. Das Spiel hatte sie schon lägst gefressen. Sie bemerkte nicht einmal mehr den Unterschied zwischen dem Spiel und der realen Welt. Zumindest nicht wirklich. Und so sehr sie sich auch Mühe gegeben hatte, es Max recht zu machen: Das Spiel hatte gewonnen.

Niedergeschlagen nahm sie ihre Sachen, stopfte sie in ihren Rucksack und ging. Es war das erste Mal, dass Max sie alleine im Dunkeln zum Bahnhof gehen ließ. Sonst brachte er sie immer nach Hause in das kleine, etliche Kilometer entfernte Dorf, in dem sie wohnte. Sollte jetzt wirklich alles aus sein mit Max? Hätte sie vorhin doch bloß ihren Mund gehalten und nichts gesagt. Sie selbst hatte die Trennung ausgesprochen und Druck auf Max ausgeübt. Das war voll und ganz danebengegangen. Ob er ihr jetzt noch eine zweite Chance geben würde?

Noch in derselben Nacht begann sie, via Facebook an Max B. zu schreiben. Doch anstatt ihre wahren Gefühle für ihn aufzuschreiben, verrannte sie sich in Drohungen, Beschimpfungen und Beleidigungen. Schließlich blockierte er sie, um das Zeug nicht mehr lesen zu müssen, und endlich schlafen zu können. Am nächsten Tag musste er Zeitungen austragen und fit sein. Der Nebenjob war verdammt anstrengend und ging ganz schön in die Knochen. Immerhin trug er zwei Bezirke aus

Und dann kam dieser Freitag, den er am liebsten aus seinem Gedächtnis gestrichen hätte: Gegen 16:00 Uhr stand Maike plötzlich zusammen mit 3 dicken Mädchen und zwei Jungen vor der Haustür von Max. Es war die Gruppe junger Leute, mit denen sie auch online stets zusammen World of Warcraft spielte. Sie waren gekommen, um Max zu verprügeln - zwei schlanke Jungen und vier dicke Mädchen. Jeder für sich ein guter Online-Spieler - als Gruppe fast unschlagbar. Zumindest im Netz. Der 18-jährige Zeitungszusteller kam von einer Tour zurück und sah die Gruppe gerade noch rechtzeitig vor dem Haus seiner Mutter. Für ihn sahen diese Figuren wesentlich gefährlicher aus als sie es in Wirklichkeit waren. Der hoch gewachsene blonde Jüngling war in den Augen von Max fast zwei Meter groß, obwohl er es höchstens auf 180 cm Körperlänge brachte, der magische Zwerg war kleiner als seine Mutter. Er besaß keine Zauberkräfte. Die jungen Damen konnten sich vor Körperfett kaum bewegen. In den Augen von Max waren es Kriegerprinzessinnen in Rüstung auf der Jagd…

Schnell huschte er in einem unbeobachteten Moment in die Garage, holte sein Springmesser und lief in sein Zimmer. Als sie an der Haustür klingelten hielt er es dort vor lauter Panik nicht mehr aus. Flink wie ein Wiesel rannte er in die Wohnung seiner Großmutter hinunter, öffnete ihr Wohnzimmerfenster und sprang hinaus. Er war auf dem Gelände seit 2 Jahren zuhause und kannte es gut. Ohne dass die Gruppe der Online-Spieler es bemerkte, rettete er sich, indem er einfach quer über die angrenzenden Sportplätze flüchtete und dabei rekordverdächtige Zeiten lief. Dann musste er nur noch über einen hohen Zaun klettern. Und weg war er!

Sein Schulfreund im Nachbarort wunderte sich sehr als Max plötzlich per Bus bei ihm auftauchte. »Was machst du denn hier? Ich dachte du trägst heute wieder Zeitungen aus«, rief er ihm zu als sein Mitschüler bei ihm klingelte. »Kann ich mich bei dir verstecken? Ich bin auf der Flucht. Maike will mich von ihrer Online-Spielgruppe verprügeln lassen«, sagte Max. »Kein Problem. Komm einfach rein und mach es dir bequem«.

In den folgenden Stunden rief er alle paar Minuten bei seiner Mutter an, die dann jeweils nachschauen sollte, ob die Gruppe schon weg war oder immer noch vor dem Haus auf ihn wartete. Erst dann traute er sich wieder nachhause. Er war inzwischen total durchgeschwitzt und musste erst einmal unter die Dusche, bevor er seine Zeitungstour zu Ende bringen konnte. Doch dann klingelte erst einmal sein Handy Sturm. Max hatte in allen sozialen Netzwerken veröffentlicht, dass ihm eine bekannte Gruppe von Online-Spielern nachstellt und ihn zusammenschlagen will. Zwangsläufig meldete sich nun nach und nach der gesamte Bekanntenkreis von Max, um darüber im Netz zu diskutieren. Was sonst?

Als er endlich seine restlichen Zeitungen austragen konnte, sich dabei von Mama und dem Familienhund begleiten ließ, war es mittlerweile schon dunkel geworden. Als er fertig war schaltete er sein Handy sofort wieder an, um sich mit all jenen auszutauschen, die jetzt mit ihm über die Aktion von Maike und ihrer Gruppe diskutieren wollten. So verbrachte er die Zeit bis Mitternacht. Seine Mutter konnte nur noch den Kopf schütteln. Diese jungen Menschen von heute redeten und schrieben sich im Netz um den Verstand - und das jeden Tag stundenlang, bis ihnen der Kopf überlief.

Zur Ruhe kam Max in dieser Nacht nicht. Und so entschied er sich letztendlich, die Nacht bei einem Kumpel zu verbringen, den er von früher kannte. Auf der Fahrt zu ihm schrieb er ihm den ganzen Ablauf der gefährlichen Aktion von Maike und seine Flucht auf, verfasste eine Sprach-Memo, und erzählte es ihm dann nochmals persönlich als er bei ihm eintraf. Bis zum anderen Morgen schmiedeten sie dann Pläne, wie Max sich an Maike für ihre Nachstellungen rächen könne. Sie beschlossen schließlich, alle alten Freunde von früher zusammen zu trommeln und Maike in ihrer Hauptschule aufzusuchen. Außerdem sollte Max eine Strafanzeige bei der Polizei gegen das Mädchen einreichen.

Gesagt. Getan. Zunächst einmal verschlief der ganze Heldenclub an dem Morgen, an dem sie eigentlich in Maikes Schule wollten. Die Nacht war zu lang gewesen, das Cannabis zu gut und die Stimmung viel zu überkochend. Es fehlten ein paar Stunden Schlaf. Und als die Wecker klingelten ging nichts mehr. Also mussten sie ihren tollen Plan erst einmal auf die nächste Woche verschieben. Doch das mit der Polizei klappte. Die verständnisvollen Herren in den dunkelblauen Uniformen hörten aufmerksam zu. In der nächsten Woche tauchten Max und sein Club der Helden dann tatsächlich in Maikes Schule auf dem Schulhof während der großen Pause auf. Das war unheimlich peinlich für die 15-jährige Schülerin. Max hatte eine Kopie der Strafanzeige dabei und hielt sie ihr unter die Nase. Auch ein paar Lehrer, die gerade Pausenaufsicht hatten, hörten zu. Wenn die Gruppe ihm nochmals nachstellen würde, gäbe es wieder eine Strafanzeige, erklärte Max seiner ehemaligen Herzdame. Sie schien es nicht wirklich zu verstehen, auch wenn an diesem Nachmittag ein Polizeiwagen vor ihrer Haustür stand…

Kapitel 2

Rückblende

Am nächsten Abend suchte Max das Gespräch mit seiner Mutter. Diese kleine zierliche Frau konnte wie ein Fels in der Brandung sein und so beruhigend wirken, wenn die Erde für ihren jüngsten Sohn mal wieder wackelte - im Rheinland oder andernorts. Und heute konnte er das mal wieder sehr gut gebrauchen. Jede Menge noch nicht ganz verarbeitete alte Erinnerungen krochen in ihm hoch, sausten in seinem Kopf herum, tauchten wieder ab, um dann erneut an die Oberfläche seiner Gehirnzellen zu springen. Alles drehte sich im Kreis. Es gab keinen Ausgang, um diesen Erinnerungen zu entkommen. Schlimmer. Sie begannen nun, sich mehr und mehr mit denen der jüngsten Vergangenheit zu vermischen. Das irritierte den jungen Mann noch mehr. Er war nicht in der Lage, alte und neue Erinnerungen richtig zu trennen. Das verunsicherte ihn noch mehr.

»Mama, findest du, dass es feige von mir war, aus dem Fenster zu springen und abzuhauen?«, wollte er wissen.

»Ja. Mutig war es sicher nicht… «, antwortete Mia B. »Und warum bist du gesprungen? Ich bin doch viel kleiner und schwächer als du, musste alleine mit der Gruppe klar kommen. Mir haben sie übrigens nichts getan. Sie wollten nur mit dir reden, haben sie gesagt«.

»Hast du eine Ahnung, wie es heute auf den Schulhöfen zugeht!«, warf ihr Sohn ein. »Das sind keine harmlosen Prügeleien mehr. Da geht es richtig zur Sache. Die schlagen genauso brutal zu wie sie es in den Filmen und Computerspielen gesehen haben. Wenn du von einer ganzen Gruppe angegriffen wirst, hast du keine Chance. Da hilft nur noch Abhauen. Ansonsten hast du Recht, kleine Mama: Ich bin viel größer und stärker als du es je sein wirst.«.

»Und was willst du mir damit noch sagen?«, fragte die Mutter.

»Erinnerst du dich noch an meine erste Entführung im Alter von fünf Jahren - damals in den Niederlanden?«, sagte Max.

»Du sprichst vom 29. April 2004 - dem Tag als uns ein falsches Sondereinsatzkommando in meinem niederländischen Haus überfiel. Ja, ich erinnere mich noch gut daran. Immerhin bin ich an diesem Tag auch verschleppt worden. Diese so genannten Polizisten nahmen mich in eine Art von Beugehaft. Ich sollte mein Haus weit unter Wert an einen Interessenten verkaufen. Das wollte ich natürlich nicht. Also drohten sie mir damit, dich für immer verschwinden zu lassen. Als ich diese sittenwidrigen Verträge nicht unterschreiben wollte, ließen sie mich in eine niederländische Einrichtung in der Nähe von Heerlen bringen - zusammen mit Triebtätern, Alkoholikern, Schizophrenen und Satanisten. Die Wände waren überall mit der Zahl »666« beschmiert. Am 30. April feierten sie den Geburtstag des Teufels. Ich hatte in der Zeit jede Nacht ein Messer unter meinem Kopfkissen liegen, um mich in einer Angriffssituation verteidigen zu können.«.

»Genau. Und mich haben sie am selben Tag in eine alte umgebaute Klosteranlage nach Simpelfeld verschleppt. Ich verstand kein einziges Wort von dem merkwürdigen Dorfniederländisch, welches sie dort sprachen, hatte panische Angst. Sie drohten mir an, meine Mutter zu töten - also dich -, wenn ich nicht mache, was sie sagen. Ich habe die meiste Zeit des Tages unter Tischen gesessen und mich versteckt. Da waren auch noch andere deutsche Kinder. Die wurden von den Betreuern geschlagen, wenn sie nicht hörten. Es ging dort zu wie im Mittelalter. Ich war wirklich heilfroh als du mich endlich gefunden und dort raus geholt hast. Doch seitdem bekomme ich Panik, wenn mir eine Gruppe nachstellt. Das habe ich durch Maikes Aktion ganz intensiv gemerkt. Kann man dagegen etwas tun?«, rief Max.

»Garantieren kann ich nicht, dass es dir hilft, aber man kann es versuchen. Es fällt in den Fachbereich der Psychologen und Psychiater. Ob das etwas für dich ist, musst du selbst entscheiden. Du bist inzwischen volljährig. Und jeder Mensch ist anders. Was dem einen hilft, ist für den anderen der blanke Horror. Verallgemeinern kann man hierbei also nichts. Außerdem muss die Chemie zwischen Arzt und Patient stimmen. Sonst klappt das nicht«, sagte Mia.

»Wer hat eigentlich damals den Auftrag für unsere Verschleppung erteilt und das Ganze bezahlt?«, fragte Max.

»Laut Recherchen soll das dein Vater gewesen sein. Sein Informant soll die Oma gewesen sein.«.

»Was? Die haben gemeinsame Sache gemacht?«, fragte Max.

»Es sieht so aus. Das Motiv deines Vaters ist einfach: Ich hatte einen Anwalt mit der Vollstreckung deines Unterhaltstitels beauftragt, weil dein Papa ganze 5 Jahre lang keinen Kindesunterhalt gezahlt hatte. Anstatt korrekt zu zahlen, stellte er uns unter Terrormaßnahmen. Das Motiv deiner Oma ist ebenso einfach: Ich wollte sie nicht mehr versorgen, weil man es mit der alten Beißzange unter einem Dach nicht aushalten kann. Sie wollte mich aber nicht frei geben. Ich soll sie bis zu ihrem Tod versorgen müssen, kein eigenes Leben haben dürfen. Und manche Menschen sind für relativ wenig Geld schon bereit, anderen das Leben zu zerstören… wie beispielsweise dein Vater, der nicht danach fragt, ob an seinen Geldscheinen Blut klebt… «.

Nachdem das geklärt war, wollte der 18-jährige Oberstufenschüler noch über die brutalen Prügeleien auf den heutigen Schulhöfen sprechen. Über die Ursache sind sich die Experten noch uneins. Sicher ist jedoch, dass die relativ hohen Schülerzahlen sowie die Lebhaftigkeit und Unruhe der Schüler viele Unfälle fast unvermeidbar machen. Schulweg – Schulhof – Sportunterricht: Hier passieren die meisten Unfälle. Hauptschüler erwischt es dabei meist auf dem Schulhof, Gymnasiasten und Realschüler im Sportunterricht und Berufsschüler auf dem Schulweg. Eine interessante Statistik! Warum sind die Unfallorte je nach Schulart derart unterschiedlich?

Eltern stehen alljährlich immer wieder vor der Frage: Wer zahlt die Kosten für den Schulunfall? Die gesetzliche Unfallversicherung ist dafür zuständig. Und das schon eine ganze Weile. Genauer gesagt seit dem 1. April 1971. Der Versicherungsschutz der Schüler erstreckt sich dabei nicht nur auf die Unterrichtszeit. Wenn ein Kind bei einer Rauferei auf dem Schulhof verletzt wird, so werden die Arzt- und Krankenhauskosten von der gesetzlichen Unfallversicherung getragen. Bei schlimmen bleibenden Unfallfolgen hat das Kind sogar Anspruch auf eine Rente. Bei all den Unfällen, die durch eine Prügelei der Schüler untereinander verursacht werden, wird die Versicherung jedoch versuchen, sich die Kosten vom Verursacher zurückzuholen.

Und dann war Max wieder bei seinem aktuellen Lieblingsthema angelangt: 15 Jahre alt mit Namen Maike. Er ließ jetzt kein gutes Haar mehr an ihr, seit sie ihm mit ihrer Gruppe nachgestellt hatte. Für ihn war sie jetzt eine Stalkerin, mit der er nichts zu tun haben wollte. Trotzdem lieferten sich die beiden fortan im Netz sehr krasse schriftstellerische Scheinkämpfe. Er nannte sie Hure, Nutte, Flittchen und Schlampe, weil sie hintere seinem Rücken mit anderen Jungen herum gemacht habe. Sie nannte ihn Mistkerl, Fremdgänger und Verbrecher, weil er anderen Mädchen schöne Augen machte. Und so ging das dann hin und her - Stunde um Stunde.

Zur Vernunft kam anscheinend keiner von beiden. Ansonsten konnte es ja auch nicht besser werden, weil in den sozialen Netzwerken so viele Trolle immer wieder Öl ins Feuer gossen, die beiden Kontrahenten es jedoch nicht merkten. Mia, die Mutter von Max schlug ihm schließlich nochmals vor, er solle sich doch mal alleine in der Öffentlichkeit mit Maike treffen, sich mit ihr persönlich aussprechen, damit endlich Frieden ist. Max war - man glaubt es kaum - tatsächlich dazu bereit. Doch Maike wollte nicht. Stattdessen drohte sie ihm wieder an, sie würde ihn umbringen lassen - von ihren Leuten. Danach hörte Max eine Weile nichts mehr von ihr.

Bis er eines Abends auf Drohungen eines im unbekannten jungen Mannes im Netz hingewiesen wurde. Er rief ihn an und schaffte es zum allerersten Mal, dass einer aus Maikes Online-Spielwelten bereit war, ein vernünftiges Gespräch mit ihm zu führen. Dabei erfuhr er, dass Maike all ihren männlichen Freunden erzählt, Max habe sie vergewaltigt und dann weggeworfen wie ein ungeliebtes Spielzeug. Zum ersten Mal konnte er hier nun etwas richtig stellen. Von Maikes Lügen hatte er nichts gewusst, konnte jetzt aber verstehen, warum so viele Online-Spieler ihn als ihren Ex-Freund verprügeln wollten, wenn sie ihr den Blödsinn ungeprüft glaubten.

Verstehen konnte Max dieses Mädchen nicht. Immerhin hatte sie ihm den Laufpass gegeben und sich von ihm getrennt - nicht umgekehrt. Das Spiel war ihr wichtiger als ihr Freund. So sah die traurige Wirklichkeit aus. Das Strafverfahren gegen Maike war aktiv und trotzdem hörte sie mit ihren Aktionen und Lügen nicht auf. Anscheinend hielt sie das alles nur für ein Spiel - genau wie im Netz. Doch das war es nicht. Auch nicht für Max.

Richtig schlimm wurde es als Max eine neue Freundin hatte. Lara war schöner, schlanker, sportlicher und intelligenter als Maike. Ihren Führerschein hatte sie bereits gemacht, sie besuchte die Oberstufe und war auf direktem Weg zum Abitur - genau wie Max. Um nicht zuzunehmen ging sie jeden Tag joggen. Und dummerweise veröffentlichen die jungen Leute von heute jeden Stand ihrer neuen Beziehung in den sozialen Netzwerken. Auf die Idee, dass die Ex-Freundin oder der Ex-Freund diese Informationen auch lesen könnte, und darüber ziemlich sauer werden könnte, kommen sie nicht. So dauerte es gar nicht lange bis auch Lara von Maike verbal attackiert, beschimpft, beleidigt und bedroht wurde. Als die anfing, es mit Maike ausdiskutieren zu wollen, wurde es nur noch schlimmer. Aber sie hatte es nun einmal so von ihren Eltern gelernt: Die Mutter war eine erfahrene Deutschlehrerin. Der Vater arbeitete bei der Industrie- und Handelskammer.

Jedenfalls wollte Maike jetzt alles und jeden töten lassen, das oder der irgendwie mit Max B. zu tun hatte. Sie wollte ihn jagen lassen wie einen Hund, überschätzte dabei allerdings Gott sei Dank den Radius ihrer Möglichkeiten. Trotzdem nahm Max die Sache ernst. Er war kein Hellseher und konnte nicht wissen, wozu diese 15-Jährige in ihrem Wahn noch fähig war, getrieben von Eifersucht, Neid und verletzten Gefühlen gegenüber dem ersten jungen Mann, mit dem sie geschlafen hatte - aus Liebe, wie sie glaubte.

Mia B. erklärte ihrem zweitgeborenen Sohn, dass Max in Zukunft unbedingt besser aufpassen sollte bei der Auswahl seiner Freundinnen, sonst könne es ihm eines Tages wirklich an den Kragen gehen. Und er solle bitte kein Mädchen entjungfern, wenn er nicht die Absicht habe, sie in seinem Leben zu behalten. Er mache sich keine Vorstellungen, welchen Scherbenhaufen er bei Maike dadurch hinterlassen habe: Jede Menge verletzte Gefühle und noch mehr Scham, sich dem falschen Mann hingegeben zu haben. Das Mädchen litt darunter, weil sie sich dafür nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor anderen rechtfertigen soll. Von dem jungen Mann verlangte das keiner. Unsere Gesellschaft misst da immer noch mit zweierlei Maß.

Max hörte seiner Mutter aufmerksam zu und fragte nach, wenn er etwas nicht verstanden hatte. Es fiel ihm sichtlich schwer, sich in Maike hineinzuversetzen. Sie fühlte und dachte ganz anders als er. Zudem war er zu den Rachegefühlen, die dieses Mädchen offenbar empfinden konnte, gar nicht fähig.

»Wie ist das eigentlich mit meinem Vater? Ist er der Mann, den die Frauen lieben oder laufen sie vor ihm weg?«, wollte er wissen.

»Sein Feind ist der Alkohol und sein Untergang das Kokain. In dem Zustand merkt er nicht mehr, wie weh er anderen tut und was er tut. Wenn er dann zusätzlich noch Psycho-Pillen schluckt ist es um seinen Verstand geschehen. Eine nichts ahnende Frau, die ihm in diesem Zustand über den Weg läuft, hat nichts zu lachen. Er ist dann gewalttätig und beißt wie ein Raubtier. Jede Frau, die bei 3 nicht auf dem Baum ist, wird von ihm genommen. Zumindest versucht er es. Früher hatte er Kampfgewicht, Muskeln und war verdammt schnell. Der Mann war gefährlich…«, sagte die Mutter.

Max lachte. »Davon kann heute aber nicht mehr die Rede sein. Er sieht aus wie ein fettes Walross, das jeden Moment platzen kann. Von Kampfgewicht keine Spur. Von Muskeln ebenfalls nicht. Der Typ hat sich kaputt gesoffen. Seine Leber ist hin, andere Organe auch.«.

»Na, dann kannst du ihm ja ein paar von deinen Organen spenden«, sagte Mia. »Vielleicht ist er dann nett zu dir?«.

»Woher weißt du das denn schon wieder? Du warst doch gar nicht dabei als er mich danach gefragt hat.«, erwiderte Max. »Ich habe ihm gesagt, dass ich meine schönen jungen Organe selbst brauche - nicht bereit bin, einem alten Säufer wie ihm meine Organe zu geben«.

»Und wie hat er reagiert?«, fragte Mia.

»Er hat mich geschlagen und dann versucht, mich tot zu prügeln. Doch ich war schneller als er und bin abgehauen.«.

»Tut mir leid. Es ist sicher schwer, mit einem derart aus der Spur gelaufenen Vater irgendwie zurechtkommen zu sollen - als Sohn. Eigentlich verdient er den Ehrentitel VATER gar nicht. Nennen wir ihn lieber einen biologischen ERZEUGER. Das passt wohl besser zu dem, was er ist«.

In den folgenden zwei Wochen beruhigte sich der Krieg in den sozialen Netzwerken wieder etwas, was jedoch nicht bedeutete, dass Frieden zwischen Max und Maike herrschte. Im Gegenteil. Es lag eine eigenartige Spannung in der Luft, fast wie Elektrizität. Man konnte es förmlich fühlen, wenn einer von den beiden im Netz etwas schrieb. Wann würde das endlich vorbei sein?

Max ging aus seiner Sicht lieber auf Nummer sicher. Er rechnete damit, dass Maike nochmals versuchen würde, ihn mit ihrer Gruppe zuhause zu überfallen. Also schlief er jetzt, wann immer er es möglich machen konnte, ausgerechnet bei den alten Kumpeln, mit denen er auf Wunsch der Mutter keine Kontakte mehr pflegen sollte, wenn ihm seine Zukunftsperspektiven wichtig sind. Die Folgen zeigten sich sofort. Sein Benehmen war nur noch Glückssache. Und Glück hatte er dabei keines. Zu einem Oberstufenschüler passte das, was er von solchen Besuchen und Übernachtungen mitbrachte, nicht. Seine Noten rutschten in den Keller. Prompt schrie er nach Nachhilfestunden. Hier sollte dann wieder die Mutter ran - mit Geld für einen Nachhilfelehrer oder mit eigenem Know-how.

Ein Vergnügen war es beim besten Willen nicht, Max B. in seinen schwachen Fächern unterrichten zu müssen. Dabei konnte man Krämpfe kriegen. Er war genauso arrogant wie sein Vater. Er zeigte dieselben Lern- und Konzentrationsstörungen, konnte sich mit 18 Jahren nur ganze 10 Minuten in eine Aufgabenstellung vertiefen. Dann lenkte er sich selbst ab und begann dummes Zeug zu machen. Auch für die Lehre in der Schule kein Vergnügen. Mia B. biss sich jedes Mal auf die Unterlippe, wenn sie mit dieser plötzlichen Mutation eines Volltrottels etwas nacharbeiten musste. Spaß machte das wirklich keinen - auch ihr nicht.

Hinterher machte sie sich dann Vorwürfe, obwohl sie gar nichts dafür konnte. Quälte sie ihren Sohn völlig umsonst? War er gar nicht zu normalem Lernen fähig? Vielleicht lag es wirklich daran, dass der alkoholkranke Franz E. genetisch geschädigtes Erbgut an seine Kinder weiter gegeben hatte - und das wissentlich, ohne die Mütter vorher irgendwie zu informieren oder zu warnen?

Wenn Kinder ernste Schwierigkeiten mit dem Lernen in der Schule haben, dann leiden in erster Linie die Kinder selbst darunter. So genannte Lernstörungen können vielfältiger Art sein und genauso vielfältige unterschiedliche Ursachen haben. In jüngster Zeit werden bei Schulkindern immer häufiger Teilleistungsstörungen wie die Lese-Rechtschreibschwäche oder auch die Rechenschwäche diagnostiziert. Die Dyskalkulie, also die Rechenschwäche, an der Max B. plötzlich sehr auffällig litt, zeigte sich in erheblichen Defiziten einfachster mathematischer Fähigkeiten. Auch diese Lernstörung wird durch eine so genannte Diskrepanz-Diagnose festgestellt. Die davon betroffenen Schüler dürfen nur im Rechnen ein Defizit haben.

Die Ursachenforschung der Rechenschwäche steckt bislang noch ziemlich in den Kinderschuhen. Bei den Betroffenen scheinen die Basisfertigkeiten für ein mathematisches Verständnis gar nicht vorzuliegen. Verschiedene Studien weisen zudem auf eine zu geringe Kapazität des Arbeitsgedächtnisses hin. Es wäre schön, wenn man den Arbeitsspeicher einfach aufrüsten könnte - fast wie beim Computer. Doch leider geht das beim Menschen noch nicht. Also müsste die Lösung der Problematik hier anders aussehen. Und Ablenkung sollte vermieden werden. Auch die Rechenschwäche kann positiv beeinflusst werden, wenn sie frühzeitig erkannt wird.

Was die Lehrer in der Schule dazu empfahlen, konnte die Mutter von Max B. nicht bezahlen. Außerdem gab es keine Garantie, dass solche speziellen Sonder-Nachhilfestunden von psychologischen Experten wirklich das bringen konnten, was sie sollten: Einen Rückgang der Rechenschwäche und bessere Noten.

Der clevere Schüler löste das Problem relativ einfach: Er ließ sich vom Arzt krankschreiben, wenn eine Klassenarbeit in Mathematik anstand, schwänzte mit Erlaubnis die Schule. Gleichzeitig ließ er sich von seinem Mathematiklehrer eine Bescheinigung ausstellen, die besagte, dass er ohne Spezialnachhilfe keine Chance hätte, seine Lernschwäche in den Griff zu bekommen. Damit ging er zum Jobcenter und beantragte die komplette Kostenübernahme der teuren Nachhilfestunden. Sicher. Beim Ausfüllen des Antrags hatte ihm die Mama geholfen. Und obwohl alle Unterlagen vorlagen, ließen die etwas sadistisch veranlagten Mitarbeiter den Oberstufenschüler dann erst einmal monatelang zappeln. Genauer gesagt so lange bis das erste Halbjahr schon herum war und seine Mathematiknote unwiderruflich im Eimer. Auch der Lehrer von Max fand kein Verständnis für eine solche unfaire Arbeitsweise.

Es war dann wieder die Mutter des jungen Mannes, der auffiel, dass er immer wieder in alte Unarten verfiel, wenn er von seinen Besuchen bei alten Freunden zurückkam. Er redete dann nur noch von der bösen inkompetenten bayerischen Lehrerin, welche ihn in einer Bonner Schule unterrichtet habe. Und plötzlich war er nicht mehr der smarte Oberstufenschüler, dem dank Mutters Hilfe wieder alle Wege in die Zukunft offen standen, und der gerne lernte. Im Gegenteil. Plötzlich war er wieder der kleine Versager, der sich vor Angst in die Hose machte, wenn er nur den Namen der Lehrerin hörte, welche ihn damals in Mathematik, Religion und Hauswirtschaftslehre derart malträtierte, dass er bis heute Albträume davon hatte. Damals lachte ihn die ganze alte Klasse jeden Tag aus…

Und wem hatte er das zu verdanken? Wieder seinem Vater: Der hatte ihn am 03.02.2006 aus seiner Grundschule verschleppen lassen - zunächst in eine Bonner Einrichtung mitten zwischen Behinderte, weil dort sicher niemand nach dem gesunden Jungen suchen würde. Kurz darauf ließ er den Jungen von einem Richter in schwarzer Robe einschüchtern und ihn dann zu seinem Haus in die Niederlande bringen. Anstatt den Jungen beschulen zu lassen fuhr er mit ihm per Wohnmobil durch die Lande. Kein Wunder, dass Max B. dadurch künstlich erzeugte Lernstörungen hatte.

Zusätzlich gab es bei jeder Gelegenheit neue Prügel vom Vater. Gelebt wurde zwischen Alkoholflaschen, Müll und Müllsäcken. Vor 14:00 Uhr stand der Vater nicht auf. Dann brüllte er nach Kaffee und Alkohol. Brachte der Junge ihm nicht schnell genug, was er haben wollte, schlug der Vater wieder zu - brutal, hart und hemmungslos. Max B. sollte seinen alten Herrn, der durch das Trinken nicht mehr selbstständig seinen Haushalt führen konnte, bis zum Tod versorgen und auf Schulbildung und Berufsausbildung gänzlich verzichten. So hatte der Vater sich das vorgestellt. Gefragt hatte er seinen Sohn nie nach dessen eigenen Wünschen. Dazu war dieser Mann viel zu selbstverliebt. Nach seiner Ansicht musste die gesamte Menschheit froh und dankbar sein, wenn sie etwas für ihn tun durfte. An der Stelle gingen die Vorstellungen von Vater und Sohn weit auseinander. Max setzte nun alles daran, seine Mutter zu finden und unbedingt Kontakt zu ihr aufzunehmen, damit sie ihn vom brutalen Vater wegholte.

Es gelang ihm. Trotzdem kostete es die Mutter dann noch einige Gerichtsverfahren und hohe Anwaltskosten bis sie ihren Sohn wieder bei sich hatte. Sie wurde erniedrigt, entrechtet, bedroht, beschimpft, beleidigt, weil sie sich nicht erpressen ließ. Der Vater von Max und dessen Kooperationspartner wollten ein lukratives Geschäft aus der ganzen Sache machen. Währenddessen mussten die Mutter und die Lehrer dem Jungen alles beibringen, was er durch seinen dummen versoffenen Vater verpasst hatte - in der Schule und im Leben. Und das war gar nicht so einfach.

Als Faustformel könnte man sagen: Solange wie es gedauert hat, den hoch intelligenten Jungen, der einige von Mutters Fähigkeiten geerbt hat, kaputt zu machen, so lange wird es auch dauern, ihn zu reparieren…

3. Kapitel

Kunst und Kunst

»Mama, was hältst du eigentlich von der Art von Kunst, die mein Vater macht?«, fragte Max B. seine Mutter. »Nichts«, antwortete Mia B. kurz und knapp. Mehr sagte sie nicht dazu. Es konnte sich nach ihrer Ansicht nur wieder eine jener überflüssigen Diskussionen daraus entwickeln, von denen sie schon hunderte mit ihrem Sohn geführt hatte. Und dazu hatte sie an diesem Abend keine Lust. Sie war einfach zu müde: Morgens um 6:00 Uhr aufgestanden, zwei Stunden mit dem Hund durch die Felder, eingekauft, die Oma versorgt, den Haushalt gemacht und Geld verdient beziehungsweise gearbeitet… und so ging das dann weiter bis 21:00 Uhr. Jetzt wollte sie nur ein bisschen Ruhe und Frieden haben – und endlich Feierabend!

Doch ihr Sohn Max sah das mal wieder völlig anders. Er redete gerne mit seiner Mutter. Sie war ein wandelndes Lexikon und manchmal schneller als ein Computer. Sie wusste so verdammt viel. Er war richtig schockiert, wenn sie ab und zu schon sagen musste: »Tut mir leid. Das weiß ich nicht. Davon habe ich keine Ahnung«. Jedenfalls wollte der 18-Jährige ihr heute unbedingt ein Gespräch aufdrücken. Immerhin war die Mutter immer noch sein liebster Ansprechpartner - insbesondere, wenn es um kniffelige Fragen oder Probleme ging, die man als ganz junger Hüpfer noch nicht so lösen konnte wie man wollte. »Wie sah eigentlich der Weg meines Vaters durch die Kunstszene aus? Weißt du das?«, fragte Max.

»Ich kann dir nur das sagen, was er erzählt und veröffentlicht hat: Er soll 1957 in Bochum geboren sein, von 1983 bis 1989 an der Fachhochschule in Aachen Malerei studiert haben, danach von 1989 bis 1992 Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Trier. Danach will er sich 1995 in Togo aufgehalten haben, 1997 in Venezuela, 1998 in Bangkok, 1999 in Paris, 2000 in Bangkok. Danach reißt es ab. Es gab keine neuen Bilder und keine neuen Daten mehr. Franz E. lebt und arbeitet in den Niederlanden, heißt es in seiner letzten Vita.«.

»Und was bedeutet das?«, fragte Max.

»Na, dass seine Kunst wohl im Jahr 2000 ihr Ende gefunden hat. Was sonst? Außerdem hatte der Anwalt, der deine Unterhaltsklage bis vor den höchsten niederländischen Gerichtshof brachte, auf Anraten der Richter die vorgelegten Urkunden und Daten deines Vaters prüfen lassen. Wir hatten darüber hinaus einen Detektiv eingeschaltet«.

»Spanne mich nicht auf die Folter, Sag schon: Was kam dabei heraus?«, wollte Max wissen.

»Die Aachener Hochschule und die alte Universität Trier hatten niemals einen Studenten namens Franz E. in den angegebenen Fachbereichen - insbesondere keinen, der dort seinen Abschluss gemacht oder promoviert hatte. Sein Heidelberger Hauptgalerist belastete deinen Vater schwer. Er nannte ihn einen Identitäts-, Kunst- und Urkundenfälscher, den er jederzeit auffliegen lassen könne, wenn er wolle. Im Laufe der Zeit hat uns dein Vater damals nacheinander drei völlig verschiedene Lebensläufe von sich zukommen lassen. Falsch waren sie alle… In einem behauptete er sogar, ein Schüler von Wassily Kandinsky zu sein…«.

»Mama, das war doch sicher teuer, das Zeug prüfen zu lassen?«.

»Das stimmt. Es war verdammt teuer, musste aber sein«.

Max lachte verächtlich und kratzte sich am Hinterkopf. »Demnach will mein Vater im Nachhinein also gar nicht hier in Europa gewesen sein als er mich gemacht hat?«, sagte Max.

»Richtig. In deinem Zeugungsjahr will er angeblich in Venezuela gewesen sein. Dann ist mir wohl sein Geist begegnet. Und der war alles andere als heilig…«,

»Und wie steht es mit seiner Kunst?«, fragte der Schüler.

»Schlecht«, antwortete Mia. »Durch seine jahrelange Sauferei leidet Franz E. an Delirium tremens. Seine Hände zittern. Er kann keinen Pinsel halten - geschweige denn malen. Ich sah ihn niemals selbst malen in den vergangenen 18 beziehungsweise 19 Jahren«.

»Was ist das für eine Erkrankung?«, fragte Max.

Die Mutter erklärte ihm in Kurzform, dass man unter Delirium in der Medizin einen Zustand geistiger Verwirrung versteht. Er zeigt sich vor allem durch Störungen des Bewusstseins und des Denkvermögens. Parallel dazu treten oft auch körperliche Krankheitszeichen auf. Eine Sonderform ist hierbei das Delirium tremens. Es tritt bei vielen Betroffenen in Folge eines Alkoholentzugs auf. Zitternde Hände sind dabei keine Seltenheit. Es trifft Alkoholiker, deren Körper nach Alkohol verlangt. Unbehandelt verläuft es manchmal sogar tödlich.

Max hörte ihr aufmerksam zu, bevor er schließlich von Mia wissen wollte, ob das, was sein Vater fabriziert habe, denn unter KUNST von Menschen oder KUNST von Affen falle?

»Weder - noch«, meinte die Mutter. »Für seine Fälschungen sollte er ins Gefängnis. Keine Frage. Und bei seinem Geschmiere in Öl auf Leinwand wird es sich vermutlich um Therapiebilder handeln, die er während seiner diversen Entgiftungen in den Kliniken bei den Psychiatern gemalt hat. Solche Bilder sind eigentlich nicht für den Verkauf bestimmt. Man sieht es schon am Preis. Diese Therapiebilder sollen den Patienten nur helfen, mit den wirren Bildern in ihrem kaputt gesoffenen Kopf besser umgehen zu können. Diese KUNST gehört nicht zwischen die fantastischen Werke echter Kunstmaler. Für diese wäre es eine Beleidigung, mit unverbesserlichen Säufern wie deinem Vater verglichen zu werden«.

»Mama, was genau ist eigentlich Kunst?«, fragte Max weiter.

»Kunst liegt grundsätzlich genau wie Geschmack immer im Auge des Betrachters. Im weitesten Sinne ist es jede Tätigkeit, die auf Wissen, Training, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition aufbaut. Eben ein Kulturprodukt, das weltweite Freiheit genießt, kein Blatt vor den Mund nehmen muss, wenn es etwas anprangert. Niemand wird in der Welt der Kunst geschont, nichts verschwiegen. Kunst ist eine Ausdrucksform für Gefühle und Gedanken, welche den Künstler bewegen. Kunst ist nicht das, was Kritiker für wertvoll halten, sondern das, worin der Künstler ein Stück von sich selbst gelegt hat. Kunst ist auch der Ausdruck des Bedürfnisses, sich anderen mitzuteilen.«.

»Und was will uns der Künstler damit sagen?«, fragte der Junge.

»Du fragst nach der Bedeutung der Bilder deines Vaters?«.

»Ja.«.

»Das solltest du vielleicht besser seine Psychiater fragen - nicht mich. Ich wurde nicht dafür ausgebildet, die Therapiebilder von schizophrenen Alkoholikern interpretieren zu können. Das ist ein völlig anderes Berufsbild. Ich kann das nicht«.

»Woher weißt du dann, dass er schizophren ist?«, grinste Max.

»Durch die Tablettenpackungen, die in seinem Haus herumlagen. Sie waren alle mit Aufklebern für den Patienten Franz. E. beschriftet und vom Hausarzt deines Vaters speziell für ihn verordnet worden. All diese Präparate waren verschreibungspflichtig. Da dein Vater neben diesen auch noch andere Pillen schluckte und gleichzeitig Unmengen an Alkohol konsumierte wurde er so brutal wie wir ihn beide kennen gelernt haben. In diesem Stadium war ihm schon nicht mehr zu helfen. Er muss zu der Zeit schon mindestens 20 bis 25 Jahre exzessiven Alkoholmissbrauch betrieben haben. Der Mann hat sich sein Gehirn kaputt gesoffen, sagen die Ärzte. Daran lässt sich nichts schön reden. Er tobte seinen Schaffensdrang übrigens nicht nur unter einem einzigen Pseudonym aus, berichtete der Detektiv«.

»Und wenn er nicht gestorben ist… «, scherzte Max.

»Dann beglückt er uns zeitlebens mit seinen Fälschungen, weil er nicht anders kann«, ergänzte Mia. »Durch seine KUNST spricht die Vergangenheit zu uns und wir können uns wehren, indem wir ein Stück Gegenwart in die Zukunft tragen. Über Kunst in Bild, Ton oder Wort lässt sich darstellen, was nicht direkt gesagt werden darf. Kunst flieht aus jedem Kerker, den Menschen bauen, um andere darin einzusperren. Kunst überwindet Grenzen, Raum und Zeit. Wenn jemand etwas außergewöhnlich gut beherrscht, dann kann er zum Künstler werden. Oft sterben Künstler trotzdem in bitterster Armut. Ihre Werke werden meist erst nach ihrem Tod wertvoll… Oscar Wild war der Meinung, dass Kunst das einzig Ernsthafte auf der Welt sei, während der Künstler der ist, der nie ernsthaft ist… Kunst ist eben nur das, was man selbst als Kunstwerk betrachtet. Für den einen ist es eine Blumenvase mit Sommerblumen, während der andere lieber zwei halbleere Weinflaschen malt - wie beispielsweise dein Vater es tat. Was Kunst ist kann also nicht völlig eindeutig beantwortet werden. Jeder, der sich mit Kunst und der Kunstszene beschäftigt, muss es für sich selbst beantworten«.

»Wie war das damals als du meinem Vater begegnet bist?«.

»Er wollte mir seine Bilder zeigen. Es war sehr merkwürdig und unheimlich in seinem niederländischen Haus. Alles war ziemlich eng und dunkel. Im Erdgeschoss war alles mit Unmengen von Bildern vollgestellt - mit Ausnahme der Küche und des Esszimmers. Weiter hinten hatte er eine Sauna. Direkt davor befand sich, abgetrennt von Plastikstreifen wie in einer Metzgerei, sein so genanntes Atelier. Von kreativem künstlerischem Schaffensdrang war hier aber nichts zu sehen. Hier arbeitete definitiv niemand - erst recht nicht dein Vater. Er sperrte hier einen Hund aus dem Tierheim ein, mit dem er fast nie Gassi ging. Das arme Tier kotete und pinkelte überall ins Haus. Was sollte der hilflose Hund auch sonst tun?«,

»Was waren das für Bilder? Abstrakte?«, wollte Max wissen.

»Nein. Es waren großformatige alte Bilder in teuren alten Rahmen. Ich kann nicht sagen, ob die Bilder echt oder gefälscht waren. Es waren viele Portraits von Adligen darunter, wie man anhand der Kleidung der Herrschaften leicht erkennen konnte. Am nächsten Tag suchte ich deinen Vater nochmals auf. Vor seiner Tür stand ein LKW mit Heidelberger Kennzeichen. Dein Vater ließ gerade all die alten Bilder aus seinem Haus abtransportieren - unverpackt - nicht gegen Transportschäden gesichert. Ich kam zu früh und somit zufällig dazu, bevor der LKW vollständig beladen war. Der Fahrer und dein Vater hatten es sehr eilig. Ich sprach deinen Vater darauf an, warum er all die alten Bilder wegschaffen ließ. Er drohte mir sofort Schläge an, wenn ich weiter neugierige Fragen stellen würde…«.

»Warum bist du nicht sofort zur Polizei gegangen?«, fragte Max.

»Bin ich doch… «, antwortete Mia.

»Und was haben die gemacht?«.

»Nichts.«.

Max schüttelte verständnislos den Kopf. Hätte die niederländische Polizei damals ihre verdammte Arbeit gemacht, wäre ihm und seiner nichts ahnenden Mutter viel Schlimmes erspart geblieben. Dass mit seinem Vater so einiges nicht stimmte, was sicher nichts mit Kunst zu tun hatte, war dem 18-Jährigen längst klar. Wie sollte er sich gegenüber diesem problematischen Vater verhalten, bei dem nichts normal war? Sollte er ihn etwa decken, weil er sein biologischer Sohn und Blutsverwandter war? Oder sollte er lieber der Polizei mal kräftig auf die Füße treten?

Es war schwierig, die richtige Entscheidung zu treffen. Max fühlte sich damit überfordert. Doch so konnte es nicht mehr weiter gehen. Der Künstler Franz E. bildete sich ein, eine Beziehung mir Mia B. zu haben - über 18 Jahre lang. Dabei wollte die Mutter von Max gar nichts mit diesem ungehobelten Klotz zu tun haben. Was er Mia antat, machte er zeitgleich mit anderen Frauen, mit denen er auch Kinder gezeugt hatte - gegen deren freien Willen. Wenn sie nicht so wollten wie er wollte, mischte er ihnen einfach etwas in die Getränke, was sie umhaute. Hinterher sollten sie sich an nichts erinnern können.

Den kleinen verschleppten Max B. ließ er beim Erstellen von Urkundenfälschungen zusehen. Sogar wenn er telefonisch Aufträge erteilte, um Mia B. Schaden zufügen zu lassen, ließ er den Jungen zuhören. Er verkaufte ihm das als lustigen Spaß. Der kleine Junge merkte trotzdem, dass sein Vater sehr böse Dinge tat, die ein Vater normalerweise nicht tun sollte. Und weil der Vater auch dabei grundsätzlich unter einem seiner Pseudonyme agierte, glaubte er sich sicher vor jeder Art von Bestrafung - insgesamt 18 Jahre lang…