Die Frau mit den Karfunkelsteinen

 

1.

Tante Sophie hatte die Klammerschürze vorgebunden und nahm Wäsche von der Leine. Das Herz lachte ihr im Leibe, während sie unter den hochgespannten Seilen hinschlüpfte – frischgefallener Schnee, ja, was war der gegen das Weiß der bleichenden Tafeltücher und Leinenbezüge? – Seit urvordenklichen Zeiten war stets das schönste Bleichwetter, sobald die Leinenschätze des ehrenwerten Hauses »Lamprecht und Sohn« an die Luft gebracht wurden – »selbstverständlich!« Es sei das so gut ein Vorrecht wie das berühmte Kaiserwetter, meinte Tante Sophie immer mit listigem Augenzwinkern, denn es war jemand im Hause, der solche »Blasphemien« absolut nicht hören mochte ...

Nun zog heute wieder die köstliche Sommerluft dörrend durch die feuchten Lakenreihen, und die Julisonne schien ihre ganze Kraft in dem mächtigen Viereck des Hofes zu konzentrieren. Über die Dächer schossen Schwalbenscharen, wie stahlglänzende Pfeile, in den Hof herein; ihre Nester hingen an den steinernen Fenstersimsen in der Bel-Etage des östlichen Seitenflügels, und es war niemand da, der den kleinen Blauröcken wehrte, wenn sie auf den Simsen rasteten und in ihrem aufdringlichen Gezwitscher kein Ende fanden. Ja, es wehrte ihnen weder ein Menschenblick, noch eine fortscheuchende Handbewegung; denn nie klang eines der Fenster droben in diesem Seitenbau, höchstens dass einmal im Jahre auf Stunden gelüftet wurde; dann fielen die großblumigen Gardinen wieder zusammen und ließen es geduldig geschehen, dass ihnen die Sonne den letzten Farbenrest aus der morschen Seidenfaser sog.

Das Haupthaus, dessen Fassade auf den vornehmsten Platz der Stadt hinausging, hatte der Zimmer und Säle genug, und der Bewohner waren nicht viele, da brauchte man die obere Zimmerflucht des östlichen Seitenflügels nicht. Die Leute sagten aber anderes. So hell und sonnig auch das angebaute Hinterhaus in die Lüfte stieg, und so friedlich es erschien mit seinen hohen, stillen Fenstern, es war doch der unheimliche Schauplatz eines Kampfes, eines fortgesetzten, gespenstigen Kampfes bis in alle Ewigkeit. So sagten die Leute draußen in Gassen und Straßen, und die darinnen widersprachen nicht. Warum auch? Hatte es doch seit Anno 1795, wo die schöne Frau Dorothea Lamprecht in dem Seitenflügel ihr Wochenbett abgehalten und da verstorben war, fast keinen dienstbaren Geist der Familie gegeben, der nicht wenigstens einmal die lange Schleppe eines weißen Nachtgewandes durch den Korridor hätte schleifen sehen, oder gar gezwungen gewesen war, sich halbtot vor Schrecken platt an die Wand des Ganges zu drücken, um die lange, hagere »Selige« im grauen Spinnwebenkleide an sich vorüberzulassen. Drum schliefe auch niemand droben in dem Hause, sagten die Leute.

An dem »Unwesen« sollte ein Eidbruch schuld sein.

Justus Lamprecht, der Urgroßvater des derzeitigen Familienoberhauptes, hatte seinem sterbenden Eheweibe, der Frau Judith, feierlich zuschwören müssen, dass er ihr keine Nachfolgerin geben wolle – es sei um ihrer zwei Knaben willen, sollte sie gesagt haben; im Grunde aber war es glühende Eifersucht gewesen, die keiner anderen den Platz an der Seite ihres zurückbleibenden Ehemannes gegönnt. – Herr Justus hatte aber ein leidenschaftliches Herz gehabt, und seine schöne Mündel, die in seinem Hause gewohnt, nicht minder. Sie hatte gemeint, und wenn sie in die Hölle mit ihm müsse, sie lasse doch nicht von ihm und heirate ihn der neidischen Seligen zum Trotz und Tort. Und sie hatten auch zusammen gelebt, wie zwei Turteltauben, bis sich die schöne, junge Frau Dorothea eines Tages in den Seitenflügel zurückgezogen, um sich in der mit fürstlicher Pracht ausgestatteten Wochenstube ein neugeborenes Töchterchen in den Arm legen zu lassen. Herr Justus Lamprecht hatte gesagt, nun sei er auf dem Gipfel des Glückes ...

Es war aber gerade strenger Winter gewesen, und just in der Weihnachtsnacht, wo draußen alles zu Stein und Bein gefroren, war mit dem Glockenschlag Zwölf langsam und feierlich die Türe der Wochenstube nach dem Gange hinaus zurückgefallen, und die Selige war auf einer grauen Wolke, wie in Spinnweben gewickelt, hereingekommen. Und die Wolke, der Spinnwebenrock, und der hässliche Kopf mit der Spitzen-Dormeuse, alles war unter den seidenen Betthimmel gekrochen und hatte sich auf der Wöchnerin so fest zusammengekauert, als solle dem blühenden jungen Weibe das Herzblut ausgesogen werden. – Der Wartfrau waren Hand und Fuß gelähmt gewesen, und sie hatte sozusagen in einer Eisgrube gesessen, so mörderisch kalt war es von dem Spukwesen ausgegangen; die Sinne waren ihr vergangen, und erst lange danach, als das Neugeborene geschrien, war sie wieder zu sich gekommen.

Ja, das war nun eine schöne Bescherung gewesen! Die Türe nach dem eisigkalten Gang hatte noch sperrangelweit offen gestanden, und von der bösen Frau Judith war auch nicht ein Rockzipfelchen mehr zu sehen gewesen, im Bette aber hatte Frau Dorothea aufrecht gesessen und unter heftigem Schütteln und Schaudern mit den Zähnen geklappert und ganz wirr nach dem Kind in der Wiege gesehen, und nachher war sie in Raserei verfallen, und nach fünf Tagen hatte sie, ihr totes Kindlein im Arm, im Sarge gelegen. – Die Ärzte hatten gesagt, Mutter und Kind seien infolge heftiger Erkältung gestorben; die pflichtvergessene Wärterin habe die Türe schlecht verschlossen, sei eingeschlafen und habe verrückt geträumt – einfältiges Gewäsch! – Wenn das alles so mit natürlichen Dingen zugegangen war, weshalb geschah es denn nachher, dass die schöne Verführerin oft schon im Abendzwielicht aus der ehemaligen Wochenstube gehuscht kam, und die graue Furie hinter ihr hersauste, um ihr von hinten die langen, dürren Arme würgend um den Hals zu schlingen? – – –

Die Firma »Lamprecht und Sohn« hatte zu Ende des vorigen Jahrhunderts noch mit Leinen gehandelt, und die öfter wiederholte Bezeichnung »Thüringer Fugger« sollte gar nicht übel auf ihr Ansehen gepasst haben. – Dazumal hatte ihr großer Häuserkomplex am Markte einem Bienenstock geglichen, so lebendig war der Menschenverkehr gewesen. – Bis unter die Dächer hinauf sollten die Leinenballen aufgestapelt gewesen sein, und allwöchentlich waren mächtige Frachtwagen schwerbeladen in die weite Welt hinausgefahren. Tante Sophie wusste das alles ganz genau. Sie selbst hatte freilich jene Zeiten nicht gesehen; aber in ihrem hellen Kopfe waren Familientraditionen, alte Geschäfts- und Tagebuchnotizen und die verschiedenen, oft kuriosen Nachlassverfügungen so pünktlich registriert, wie sie kaum der Archivar einer Regentenfamilie in den Annalen sammelt.

So war denn auch die alljährliche Julibleiche eine Zeit der Reminiszenzen. Da kamen uralte Wäschestücke auf die Leine, nicht der Benutzung wegen – bewahre! – nur damit sie nicht vergilbten und in neue Brüche gelegt werden konnten. Und die eingewebten Jäger und Amazonen, die mythologischen und biblischen Figuren in dem Damastzeug mochten sich dann freilich jedes Mal verwundern, wie still und anders es in dem Hofe geworden, dass von Flachspreisen und Webelöhnen kein Wort mehr fiel, kein hochgetürmter Frachtwagen durch die Thorwölbung des Packhauses rasselte, und das Schlagen der Webstühle in fast lautloser Stille erloschen war. – Es ging ja wohl öfter ein Flüstern und Rauschen durch den Hof, aber das kam vom Zugwind, der durch das Gesträuch und Gezweig fuhr – du lieber Gott, wie sich doch die Welt änderte! – Grünes Blattwerk auf dem ehemaligen Geschäftstummelplatz, der dazumal nicht die ärmlichsten Grasspitzen zwischen seinem festen Bachkieselgefüge hatte aufkommen lassen! Je nun, hatte sich doch das alte Steinpflaster im Laufe der Zeiten selbst nicht behaupten können! Eine dichte Rasendecke lag jetzt auf dem. etwas abschüssigen Terrain, schöne Rosenbäume schüttelten ihre buntfarbigen Blütenblätter über das weiche Gras her; es rauschte junges strotzendes Lindenlaub vor dem westlichen Seitenflügel, der sogenannten Weberei, und das alte Packhaus, welches nach Norden hin den Hof abschloss, war von oben bis unten völlig umschnürt von dem grünen Schuppenpanzer des Pfeifenstrauches.

Der Leinenhandel war längst vertauscht worden mit einer Porzellanfabrik, die sich außerhalb der Stadt, auf dem nahegelegenen Dorfe Dambach befand.

Der gegenwärtige Chef des Hauses »Lamprecht und Sohn« war Witwer. Er hatte zwei Kinder, und Tante Sophie, die Letzte einer Seitenlinie der Familie, führte ihm die Wirtschaft, mit fleißigen Händen, in Zucht und Ehren und weiser Sparsamkeit. Und die lustige Tante mit der großen Nase und den gescheiten braunen Augen hielt es für den klügsten Einfall ihres ganzen Lebens, eine alte Jungfer geworden zu sein, dieweil auf diese Weise doch noch für ein Weilchen eine echte Lamprechtsphysiognomie aus der Hausfrauenstube auf den Markt hinausgucke. – Das klang nun freilich ebenso unangenehm nervenberührend für das Ohr der Frau Amtsrätin, wie die stehende Bemerkung über das Kaiserwetter; aber die Frau Amtsrätin war eine sehr feine Dame, die zu Hofe ging, und Tante Sophie steckte stets die unschuldigste Miene auf, und so kam es nie zu einem Streit zwischen beiden.

»Amtsrats«, die Schwiegereltern des Herrn Lamprecht, wohnten im zweiten Stock des Haupthauses. Der alte Herr hatte sein schönes Rittergut verpachtet und sich zur Ruhe gesetzt; aber er hielt es in der Stadt nicht lange aus. Er ließ Frau und Sohn – seinen einzigen – oft allein und war weit mehr draußen in Dambach, in der Landluft, wo ihm der Wald und das Hasenrevier greifbar nahe lagen, und er in dem geräumigen, zu der Fabrik gehörigen Pavillon seines Schwiegersohnes hausen konnte, so oft und so lange er Lust hatte. –

Es schlug vier auf dem nahen Rathaustürmchen; und mit der Nachmittags-Kaffeestunde nahte das Bleichwerk seinem Ende. – Die Wäsche hatte sich allmählich in den riesigen Korbwannen weiß und hoch wie Schneehügel aufgetürmt, und Tante Sophie nahm zu allerletzt die Klammern behutsam von den kostbaren Wäschealtertümern. Aber da gab es ihr plötzlich einen förmlichen Stich durch das Herz.

»Eine schöne Bescherung!« rief sie ganz erschrocken und betreten der helfenden alten Magd zu. »Da guck' her, Bärbe! Das Tafeltuch mit der Hochzeit zu Kana ist aus dem Leim gegangen – es hat einen mächtigen Riss!«

»Ist auch alt genug – der reine Zunder! – Alles hat seine Zeit, Fräulein Sophie!«

»Was du doch gescheit bist, alte, kluge Bärbe! Das Sätzchen kann ich auch auswendig. – O je, der Schaden geht dem Speisemeister geradeswegs durch die ganze Physiognomie – da werde ich meine liebe Not mit dem Stopfen haben.« – Sie hielt das dünngewordene, morsche Gewebe prüfend gegen das Licht.

»Ein altes Erbstück ist's freilich! Die Frau Judith hat das Gedeck noch mit eingebracht.«

Bärbe räusperte sich laut und schielte verstohlen nach den Fenstern des östlichen Seitenflügels empor. »Solche Leute, die keine Ruhe in der Erde haben, die muss man nicht so laut beim Namen nennen, Fräulein Sophie!« rügte sie mit gedämpfter Stimme und entschieden missbilligendem Kopfschütteln. »Justement in der Zeit nicht, wo es wieder umgehen tut – der Kutscher hat es erst gestern Abend wieder weiß um die Gangecke laufen sehen –«

»Weiß? Na, dann ist's ja doch der Spinnwebenrock nicht gewesen ... Also der nette dicke Kutscher spielt sich auf das Sonntagskind in Eurer Gesindestube? Das sollte nur der Herr wissen! Ihr Hasenfüße wollt wohl sein Haus wieder einmal in aller Leute Mäuler bringen?« – Sie zuckte die Achseln und schlug das Tafeltuch zusammen. »Mir, für meine Person, mir wäre das übrigens ganz egal. Es hört sich eigentlich gar nicht schlecht an, wenn die Leute sagen: ›die weiße Frau in Lamprechts Hause!‹ – Alt und angesehen genug sind die Lamprechts ja! Den Luxus können wir uns schon erlauben, so gut wie die im Schlosse.«

Diese letzten Worte waren offenbar nicht an die Adresse der Magd gerichtet – Tante Sophiens braune Augen zwinkerten lustig nach der Lindengruppe vor der Weberei. Dort funkelten ein paar Brillengläser auf dem feinen Nasenrücken der Frau Amtsrätin. Die alte Dame hatte ihren Papagei ein wenig ins Grüne heruntergetragen und hielt Wache bei ihm von wegen der Hauskatzen. Sie stickte, und neben ihr, am weißgestrichenen Gartentische, saß ihr Enkel, der kleine Reinhold Lamprecht, und schrieb auf seiner Schiefertafel.

»Ich will nicht hoffen, dass Sie das ernstlich meinen, liebste Sophie!« sagte die Frau Amtsrätin; eine leichte Röte war in ihr Gesicht getreten, und die Augen blickten scharf über die Brille. »Mit solchen geheiligten Vorrechten spaßt man übrigens nicht; das ist unziemlich – Strengere als ich würden sagen ›demokratisch‹!«

»Ach ja, das sähe denen schon ähnlich!« lachte Tante Sophie. »Das sind solche, die auch am liebsten wieder mit Feuer und Schwert in der Welt hantieren möchten! Aber muss denn der Mensch gleich ein Demokrat sein, wenn er nicht wie ein Wurm am Boden kriecht? Bei denjenigen, die da wiederkommen, um die lebendigen Kreaturen ins Bockshorn zu jagen, ist doch kein Unterschied mehr, und die weiße Schlossfrau ebenso gut erst aus einem Moderhäufchen steigen, wie dem Urgroßvater Justus sein schönes Dorchen auch!«

Die alte Dame rümpfte die feine, kleine Nase und schwieg indigniert. Sie legte ihren Stickrahmen weg und trat zu Bärbe. »Wie ist denn das – der Kutscher will gestern Abend auch in dem Gange etwas gesehen haben?« fragte sie gespannt.

«Jawohl, Frau Amtsrätin, und der Schreck liegt ihm heute noch in allen Gliedern. Er hat oben in den guten Stuben bis zur Dämmerstunde die Fußböden gewichst, und nachher beim, ›runtergehen‹ ist's ihm gewesen, als wenn in dem Gange hinten eine Türe sachte zugemacht würde – Frau Amtsrätin, in dem Gange, wo im ganzen Leben kein Türschlüssel umgedreht wird! Na, kurz und gut – es ist ihm freilich eiskalt über den Rücken gelaufen, und die Beine sind ihm bleischwer geworden; aber er hat sich doch ein Herz gefasst, ist ein Paar Schrittchen auf die Seite geschlichen und hat um die Ecke geschielt. Und da ist's vor seinen Augen in den langen Gang hingehuscht, ganz schlank und schmächtig und schlohweiß von oben bis unten –«

»Vergiss nur ja die schwarzledernen Handschuhe nicht, Bärbe!« warf Tante Sophie ein.

»Bewahr' mich Gott, Fräulein Sophie, nicht einen schwarzen Faden hat das Unding an sich gehabt! Und wie's um die andere Gangecke saust, da fliegt alles auseinander wie Schleierzeug und ist verschwunden gewesen, der Kutscher sagt, wie Rauch im Winde. Den bringen um die Dämmerstunde nicht zehn Pferde wieder bis an den Gang hin!«

»Wird auch gar nicht verlangt von der Heldenseele – der gehört in den Altweiberspittel mit seinem Spinnstubengewäsch!« sagte Tante Sophie halb amüsiert, halb ärgerlich, und griff nach einer Serviette, um sie von der Leine zu nehmen; aber in demselben Augenblick fuhr auch ihr Kopf herum. »Potztausend, was kommt denn da für ein Fuhrwerk angerasselt! Ja Gretel, bist du denn närrisch?«

Durch den hochgewölbten Torweg des Haupthauses kam ein hübscher Kinderlandauer mit einem Gespann von zwei Ziegenböcken in den Hof hereingebraust. Die Lenkerin, ein Mädchen von ungefähr neun Jahren, stand aufrecht und hielt die Zügel stramm in den Händen. Der runde, breitrandige Strohhut war ihr nach dem Nacken zurückgesunken und schwebte, von den Bindebändern am Halse festgehalten, wie eine gelbe Heiligenscheibe hinter dem dunklen Gelock, das wild im scharfen Zugwind aufflog.

Das Gefährt rollte bis zu den Linden, unter denen der kleine Reinhold saß; da erst wurde mit einem kräftigen Ruck Halt gemacht, zum Schrecken des Papageien, der laut aufkreischte, während der Knabe von der Bank glitt.

»Aber, Grete, du sollst ja nicht mit meinen Böcken fahren! Ich will's nicht haben!« zankte Reinhold weinerlich, und sein blasses, schmales Gesichtchen rötete der Zorn. »Es sind meine Böcke! Der Papa hat sie mir geschenkt!«

»Ich tu's nicht wieder, ganz gewiss nicht, Holdchen?« versicherte die Schwester, vom Wagen springend. »Geh, sei nicht böse! – Hast mich noch lieb?« – Der Kleine kletterte wieder auf seine Bank und ließ es nur widerwillig geschehen, dass sie ihn mit stürmischer Zärtlichkeit umfasste. – »Siehst du, Hans und Benjamin wollen ja doch auch ihren Spaß haben! Die armen Kerle sind so lange im Dambacher Stalle eingesperrt gewesen.«

»Und du bist wirklich allein von Dambach hereingefahren?« fragte die Frau Amtsrätin, Entrüstung und nachträglichen Schrecken in ihrer zarten Stimme.

»Natürlich, Großmama! Der dicke Kutscher kann doch nicht hinter mir im Kinderwagen sitzen? – Der Papa ist nach Hause geritten, und ich sollte mit der Faktorin wieder im großen Wagen hereinfahren; aber die Trödelei dauerte mir zu lange.«

»Solch ein Unsinn! Und der Großpapa?«

»Der stand im Hoftor und hielt sich die Seiten vor Lachen, wie ich vorbeisauste.«

»Ja, du und der Großpapa! Ihr seid mir« – die alte Dame verschluckte weislich den Rest ihrer scharfen Bemerkung und zeigte mit dem Finger empört auf Brust und Leib der Enkelin. »Und wie siehst du aus? So bist du durch die Stadt gefahren?«

Die kleine Margarete riss an der Schleife am Halse, um sich von dem Hute zu befreien und streifte mit einem gleichgültigen Blick das gestickte Vorderblatt ihres weißen Kleides. »Heidelbeerflecken!« sagte sie kaltblütig. Es geschieht euch schon recht, warum zieht ihr mir immer weiße Kleider an! Bärbe sagt's ja immer, Packleinwand wäre am besten für mich –«

Tante Sophie lachte, und eine männliche Stimme fiel ein. Fast mit der kleinen Equipage zugleich war ein junger Mensch in den Hof gekommen, ein auffallend hübscher, neunzehnjähriger Jüngling, der Sohn der Frau Amtsrätin und ihr einziges Kind; denn sie war die zweite Frau ihres Mannes und nur die Stiefmutter der verstorbenen Frau Lamprecht gewesen. Der junge Mann hatte einen Stoß Bücher unter dem Arm und kam vom Gymnasium her.

Die Kleine streifte ihn mit einem finstern Blick. »Du brauchst gar nicht zu lachen, Herbert!« murrte sie geärgert, während sie die Zügel der Böcke wieder aufnahm, um das Gespann nach dem Stalle zu bringen.

»So? Werde mir's merken, meine kleine Dame! Aber darf man fragen, wie es mit den Schularbeiten steht? Draußen beim Heidelbeeressen hat das gnädige Fräulein schwerlich seine französische Lektion repetiert, und ich möchte wissen, wie viel Kleckse das Schönschreibebuch heute Abend zu verzeichnen haben wird, wenn die Aufgabe per Dampf erledigt werden muss –«

»Keine! Ich werde schon aufpassen und mir Mühe geben – gerade dir zum Trotz, Herbert!« »Wie oft soll ich dir wiederholen, unartiges Kind, dass du nicht ›Herbert‹, sondern ›Onkel‹ zu sagen hast!« zürnte die Frau Amtsrätin.

»Ach, Großmama, das geht ja nicht, und wenn er zehnmal Papas Schwager ist!« entgegnete die Kleine unwirsch und mit allen Zeichen der Ungeduld die dunkle Lockenwucht aus dem Gesicht schüttelnd. »Wirkliche Onkels müssen alt sein! Ich weiß aber noch ganz gut, wie Herbert mit Ziegenböcken gefahren ist und mit Bällen und Steinen die Fenster eingeworfen hat. Und vom Doktor war ihm das Obst verboten, und er hat doch immer ganze Hände voll Pflaumen heimlich aus der Tasche gegessen – ja wohl, das weiß ich noch sehr gut! – Und jetzt ist er ja auch weiter nichts, als ein Schulfuchs, der noch mit den Büchern unter dem Arme geht. – Brr, Hans! Wollt ihr warten!« schalt sie auf das ungeduldige Gespann und fasste die Zügel fester.

Bei der sehr laut gesprochenen, rückhaltslosen Kritik aus kindlichem Munde war der junge Mann dunkelrot geworden. Er lächelte gezwungen. »Du Naseweis, dir fehlt die Rute!« presste er zwischen den Zähnen hervor, während sein scheuverlegener Blick das gegenüberliegende Packhaus streifte.

Die ein wenig schief hängende äußere Holzgalerie, die im oberen Stock vor den Schiebefenstern dieses alten Hauses hinlief, war auch laubenartig von dem Blattgeflecht des Pfeifenstrauches übersponnen; nur da und dort ließ es Raum für Luft und Licht, indem es einen Rundbogen wölbte. Und in einer solchen grünen Nische blinkte es wie mattes Gold, und manchmal hob sich eine zarte, weiße Hand hinter der Brüstung, um wie träumerisch über das lockere Goldhaar hinzustreichen, oder sich hinein zu vergraben ... In diesem Augenblick aber blieb drüben alles still und unbeweglich.

Die Frau Amtsrätin war die einzige, die das verstohlene Hinüberblicken des Sohnes bemerkt hatte. Sie sagte kein Wort, aber ihre Stirn zog sich finster zusammen, während sie dem Packhaus geflissentlich den Rücken wandte.

»Liebste Sophie, mein Sohn hat recht – Gretchen wird von Tag zu Tag unmanierlicher!« sagte sie hörbar gereizt zu Tante Sophie, wobei sie den Ständer mit ihrem Papagei ergriff, um ihn wieder hinaufzutragen. »Ich tue mein möglichstes, so oft das Kind oben bei mir ist, aber was hilft das alles, wenn hier unten über ihre Ungezogenheiten gelacht wird? – Unsere selige Fanny war in Gretchens Alter schon völlig Dame; sie hatte von klein auf Takt und Chic in bewunderungswürdiger Weise. Was würde sie sagen, wenn sie ihr Kind so wild und ungezügelt aufwachsen sähe, wenn sie hörte, wie das Mädchen so entsetzlich ›geradeheraus‹ und unverblümt zu sprechen gewohnt ist! – Ich verzweifle an irgendeinem Resultat diesem Kopf gegenüber!«

»Hartes Holz, Frau Amtsrätin! Daran lässt sich freilich schwer schnitzeln,« entgegnete Tante Sophie mit einem humorvollen Lächeln. »Über wirkliche Ungezogenheiten lache ich nie – da seien Sie ganz ruhig! Aber damit macht mir unsere Gretel das Leben auch gar nicht sauer ... Mit den Knixen und Reverenzen mag's freilich schwer halten – das glaub' ich Ihnen gerne; und darin kann ich auch nicht helfen, denn ich bin keine von den sogenannten Weltpolitischen. Ich sehe nur immer darauf, dass dem Wildfang seine schöne Wahrheitsliebe verbleibt, dass das Kind nicht heucheln und schmeicheln und schöne Dinge sagen lernt, an die es selbst nicht glaubt.«

Währendem brachte die kleine Margarete, die bei dem Wort »Rute« empört aufgefahren war, als fühle sie bereits den Schlag, mit Bärbes Hilfe das Gefährt unter Dach und Fach, und Reinhold zeigte dem jugendlichen Onkel seine Schreibübungen auf der Schiefertafel.

Der Knabe war von ausnehmend zarter Gestalt, ein dürftig zusammengeschmiegtes Figürchen mit matten, langsamen Bewegungen.

»In der Gretel steckt ein Überschuss von Kraft, der will sich austoben!« fuhr Tante Sophie fort. »Wollte Gott, unser stilles, blasses Jüngelchen da« – sie zeigte verstohlen nach dem Kleinen, und ihr Blick verdunkelte sich – »hätte ein Teil davon!«

»Über sogenannte Kraftmenschen habe ich meine eigene Ansicht, Liebste!« entgegnete die Frau Amtsrätin achselzuckend. »Mir geht die distinguierte Ruhe über alles! – Da sind wir übrigens wieder einmal bei dem alten Thema von Reinholds Schwächlichkeit – wenn Sie wüssten, wie Sie mich mit dieser ewigen Gespensterseherei irritieren! Mein Gott, Lamprechts einzige Hoffnung, sein Kleinod! – Nein, Gott sei Dank, unser Junge ist innerlich ganz gesund! Der Doktor beteuert es, und ich zweifle nicht, dass Reinhold später einmal seinem Papa an Kraft und Gewandtheit nichts nachgeben wird!«

Diese Behauptung erschien sehr gewagt, wenn man das kümmerliche Menschenpflänzchen am Gartentische mit dem Mann verglich, der in diesem Augenblick in den Hof ritt.

Herr Lamprecht kam von einer andern Seite, als sein Töchterlein, durch die Straße hinter seinem Besitztum, welche einst die mit Leinen befrachteten Wagen frequentiert hatten. Er kam in der letzten Zeit meist diesen Weg. –

Sowie die Reitererscheinung aus dem Dunkel des tiefen Packhaus-Thorweges auftauchte, hatte sie etwas überaus Imposantes. Herr Lamprecht war ein auffallend schöner Mann, tannenschlank und dunkelbärtig, voll Feuer und Würde zugleich in Haltung und Bewegungen.

»Papa, da bin ich! Volle zehn Minuten früher als du! Ja, die Böcke laufen anders als dein Luzifer, die laufen ganz famos!« triumphierte Margarete, die bei dem Getrappel der Pferdehufen auf dem hallenden Torwegpflaster aus der Stalltüre gesprungen kam.

Das Geräusch des aufgestoßenen Thorflügels drunten brachte auch Bewegung in das grüne Versteck der Holzgalerie, das gerade über der Einfahrt lag – der blonde Kopf fuhr empor. – Vielleicht wurden das Grün der überhängenden Blätter und die altersdunkle Hauswand dahinter zur besonderen Folie und ließen die Maiblumenfrische des jungen Gesichts doppelt blendend hervortreten; auf jeden Fall aber war das Mädchen im hellen Sommerkleide eine Gestalt, die sofort aller Blicke auf sich ziehen musste.

Sie bog sich, voller Neugierde, wie es schien, aus dem Blätterrundbogen; dabei fielen zwei dicke Flechten vornüber und hingen jenseits des Geländers lang herab, so dass der Zugwind die blauen Bandschleifen an ihren Enden hin und her wehen machte.

Und auf der Geländerbrüstung mochten Blumen liegen; bei der hastigen Bewegung, mit welcher das Mädchen den Arm aufstützte, flogen ein paar schöne Rosen herab und fielen vor den Hufen des Pferdes auf das Pflaster nieder. – Das Tier scheute; aber der Reiter klopfte ihm beruhigend den Hals und ritt in den Hof herein. Mit einem seltsam starren Blick, der weder rechts noch links zu sehen schien, zog er beim Näherkommen den Hut; er war achtlos über die Blumen hingeritten und hatte nicht einmal emporgeblickt nach dem offenen Gange, von woher die duftenden Störenfriede gekommen – Herr Lamprecht war ein stolzer Mann, und die Frau Amtsrätin begriff vollkommen, dass er den Bewohnern des Hinterhauses wenig Beachtung schenke.

Seine kleine Tochter dagegen schien anders zu denken. Sie lief bis zum Packhaus und hob die Blumen auf. »Sie binden wohl einen Kranz, Fräulein Lenz?« rief sie nach dem Gange hinauf. »Ein paar Rosen sind heruntergefallen – soll ich sie Ihnen zuwerfen, oder hinaufbringen? Ja?«

Keine Antwort erfolgte. Das junge Mädchen war verschwunden; es mochte sich, erschrocken über das zurückscheuende Tier, in das Innere des Hauses geflüchtet haben.

Herr Lamprecht stieg indessen vom Pferde. Er war nahe genug, um zu hören, wie seine Schwiegermutter mit missbilligendem Erstaunen zu Tante Sophie sagte: »Wie kommt denn Gretchen zu der Intimität mit den Leuten da drüben?«

»Intim? – Davon weiß ich nichts. Ich glaube nicht, dass das Kind je die Treppe im Packhause hinaufgestiegen ist. Nichts als das gute Herz ist's, Frau Amtsrätin! Die Gretel ist eben hilfreich gegen jedermann; das ist die richtige Höflichkeit und mir tausendmal lieber als solche, die außen voller Komplimente sind und innerlich recht grob denken in Bezug auf andere Menschen ... Es mag aber auch bei dem Kinde die Freude an der Schönheit sein – ich mach's ja nicht besser! Mir lacht immer das Herz im Leibe, wenn ich das schöne Mädchen dort auf dem Gange hantieren sehe.«

»Geschmacksache!« warf die Amtsrätin leicht hin, aber ihre Stirn furchte sich in Missmut, und ein finsterer Seitenblick streifte den Sohn, der sich tief über Reinholds Schiefertafel bückte. »Das blonde Genre hat nie Reiz für mich gehabt,« setzte sie mit ihrer stets sanften, gedämpften Stimme hinzu. »Übrigens habe ich ja gewiss an Gretchens Zuvorkommenheit nichts auszusetzen; es überrascht und freut mich vielmehr, dass sie auch höflich sein kann. Ich gehöre auch nicht zu ›solchen‹, die innerlich grob in Bezug auf andere Menschen denken, Liebste – keineswegs; dazu bin ich zu mild und zu christlich! Aber ich stehe auch fest auf meinen gut konservativen Anschauungen, nach welchen gewisse Grenzen absolut aufrecht erhalten werden müssen... Das junge Mädchen – mag es auch als Erzieherin in England gewesen sein und einen höheren Bildungsgrad erlangt haben – allen Respekt vor diesem Streben! – aber ich sage trotz alledem: dieses Mädchen ist und bleibt hier doch nur die Tochter eines Mannes, der für die Fabrik arbeitet, und das muss für uns alle maßgebend sein – hab' ich nicht recht, Balduin?« wandte sie sich an ihren Schwiegersohn, der etwas Ungehöriges an dem Sattelzeug seines Pferdes zu prüfen schien.

Er hob kaum die Stirn, aber ein verstohlener Blitz zuckte seitwärts aus seinen dunkelglühenden Augen, so jäh und grell, als wolle er die zarte sanfte Frau zu Staub und Asche verbrennen. – Sie musste einen kurzen Moment auf die Bestätigung ihres Ausspruchs warten, dann aber kam sie prompt und gleichmütig von den Lippen des schönen Mannes: »Sie haben ja stets recht, Mama! Wer würde sich wohl unterstehen, anderer Meinung zu sein?«

Er drückte sich den Hut tiefer in die Augen und führte das Pferd nach dem Stall in der Weberei.


2.

Unter den Linden ging es inzwischen ziemlich laut her. Margarete hatte die aufgelesenen Rosen auf den Gartentisch gelegt – nur so lange, bis Fräulein Lenz wieder auf den Gang herauskomme, sagte sie und kniete auf der Bank neben dem kleinen Bruder nieder.

»Da sieh her, Grete!« sagte Herbert und zeigte auf die Schiefertafel. Er sah noch sehr rot aus, und seine Stimme klang so sonderbar zitterig und unterdrückt – wahrscheinlich noch vom Ärger, dachte das kleine Mädchen. – »Sieh her,« wiederholte er, »und schäme dich! Reinhold ist fast zwei Jahre jünger als du, und wie schön und korrekt ist seine Schrift gegen deine Buchstaben, die so hässlich groß und steif sind, als wären sie mit einem Stück Holz, und nicht mit der Feder geschrieben!«

»Aber deutlich sind sie,« entgegnete die Kleine ungerührt – »so schön deutlich, sagte Bärbe, dass sie die Brille gar nicht erst aufzusetzen braucht wie beim Gesangbuchlesen – warum soll ich mich denn da plagen mit den dummen Schnörkelchen?«

»Nun ja, das konnte ich wissen – du bist ein unverbesserlich faules kleines Mädchen!« sagte der junge Mann, wobei er wie zerstreut eine der Rosen ergriff und ihren Duft einatmete – er schien dies aber nur mit den Lippen zu tun.

»Ja, faul bin ich manchmal in der Schule, das ist wahr!« gab die Kleine ehrlich zu; »aber nicht in der Weltgeschichte – nur im Rechnen und –«

»Und in den Schularbeiten zu Hause, wie dein Direktor klagt –«

»Ach, was weiß denn der? Solch ein alter Mann, der fürchterlich schnupft und immer nur in der Schule und in seiner engen, schrecklichen Gasse steckt – keine Sonne scheint hinein, und seine Stube ist voll Tabaksqualm wie ein Schlot –, der weiß viel, wie einem zu Mute ist, wenn man im Dambacher Garten im Grase liegt und – halt, daraus wird nichts! Die wird nicht wegstibitzt!« unterbrach sie sich, warf ihren geschmeidigen Körper blitzschnell über die Tischplatte hin und haschte nach der Rose, die Herbert, vermutlich abermals infolge seiner Zerstreutheit, eben in der Brusttasche verschwinden ließ.

Aber der sonst so beherrschte junge Mann war in diesem Augenblick kaum wieder zu erkennen. Ganz blass, die Augen voll Grimm, erfing er die kleine Hand, noch bevor sie ihn berührte, und schleuderte sie von sich wie ein bösartiges Insekt. Die Kleine stieß einen Schmerzenslaut aus, und auch Reinhold sprang erschrocken von der Bank.

»Holla – was geht denn da vor?« fragte Herr Lamprecht, welcher dem herbeigeeilten Hausknecht sein Pferd überlassen hatte, und eben an den Tisch trat.

»Er darf nicht! Das ist so gut wie gestohlen!« stieß die kleine Margarete noch unter der Einwirkung des Schreckens hervor. »Die Rosen gehören Fräulein Lenz –«

»Nun, und –?«

»Herbert hat eine weiße genommen und in die Tasche gesteckt – gerade die allerschönste!«

»Kinderei!« zürnte die Frau Amtsrätin. »Was für abgeschmackte Späße, Herbert!«

Herr Lamprecht sah erhitzt aus, als habe ihm der Ritt das ganze Blut nach dem Kopfe getrieben. Er trat dem jungen Mann schweigend näher und wiegte die Reitpeitsche in seiner Hand; und allmählich umschlich ein überlegenes, verletzendes, spöttisches Lächeln seinen Mund; er kniff die Augen zusammen und fixierte sein jugendliches Gegenüber von Kopf bis zu Füßen, und es war, als sprängen Funken aus den Lidspalten in das Gesicht des jungen Menschen, der heftig errötete.

»Lasse ihn doch, Kleine!« sagte Herr Lamprecht endlich mit einem lässigen Achselzucken zu seinem Töchterchen. »Herbert braucht das gestohlene Gut für die Schule – er wird morgen in der botanischen Stunde seinem Professor eine rosa alba vorzeigen müssen.«

»Balduin! –« die Stimme erstickte dem jungen Manne, als würge eine Hand an seiner Kehle.

»Was befiehlst du, mein Junge?« wandte sich Herr Lamprecht mit ironischer Beflissenheit um. »Habe ich nicht recht, wenn ich behaupte, der bravste Schüler, der ehrgeizigste Streber, der je die Schulbank gedrückt hat, werde vor seinem Abiturienten-Examen schlechterdings keinen anderen Gedanken haben, als die Schule und abermals die Schule? – Geh, büffele nicht so übermäßig! Du bist in der letzten Zeit ganz hohläugig geworden, und dein pausbackiges Jungengesicht verliert die Farbe; unser zukünftiger Minister aber braucht – du weißt, wie jeder Minister heutzutage – Nerven von Stahl und ein ganz gehöriges Quantum Eisen in seinem Blut.«

Er lachte spöttisch auf, schlug den jungen Mann auf die Schulter und ging.

»Auf ein Wort, Balduin!« rief ihm die Frau Amtsrätin nach und nahm zum so und so vielten Mal den immer wieder hingestellten Ständer mit ihrem geliebten Papagei auf.

Herr Lamprecht blieb pflichtschuldigst stehen, obgleich er so ungeduldig aussah, als brenne ihm der Boden unter den Sohlen. Er nahm auch seiner Schwiegermutter den Vogel ab, um ihn zu tragen, und schoss Herbert wie toll an ihnen vorüber in das Haus, und die steinerne Treppe hallte wider unter den wilden Sätzen, mit welchen er aufwärts stürmte ...

»Nun hat Herbert doch recht behalten!« murrte Margarete und schlug zornig mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich glaub's nicht! Der Papa hat nur Spaß gemacht – Herbert wird wohl dem Professor eine Rose mitbringen müssen! – Dummes Zeug!« Sie raffte die übrigen Blumen zusammen, wand ihr seidenes Haarband um die Stiele und lief nach dem Packhaus, um den kleinen Strauß über das Holzgeländer zu werfen. Er blieb auf dem Sims liegen, niemand griff danach, nicht ein Schein des hellen Musselinkleides wurde sichtbar, noch weniger aber dankte die sanfte süße Mädchenstimme, »die man so gern hörte«, vom Gange herab. – Missmutig kehrte das kleine Mädchen unter den Lindenschatten zurück.

Es war recht still geworden im Hofe. Tante Sophie und Bärbe hatten die letzten Wäschestücke von der Leine genommen und die hochgetürmten Korbwannen ins Haus getragen, der Hausknecht war, nachdem er die Stalltüre geschlossen, ausgegangen, um Besorgungen zu machen, und der kleine, stille Junge saß wieder auf der Bank und malte mit beneidenswerter Geduld seine gerühmten Buchstaben auf die Schiefertafel.

Margarete setzte sich neben ihn und faltete die kleinen, hageren, sonnverbrannten Hände im Schoße; sie ließ die ewig unruhigen Füße baumeln und verfolgte mit ihren lebendigen, klugen Augen den Flug der Schwalben, wie sie über die Dächer herkamen und im scharfen Bogen die blauen Lüfte durchschnitten, um unter den weit hervorspringenden Fenstersimsen des gegenüberliegenden Seitenflügels zu verschwinden.

Inzwischen kam Bärbe mit dem Wischtuch; sie fuhr mit demselben über den Gartentisch, legte eine Kaffeeserviette auf und stellte das klirrende Tassenbrett hin; dann fing sie an, die Waschleine aufzurollen. Von Zeit zu Zeit warf sie einen ärgerlichen Blick nach dem Kinde, das so ungeniert und angelegentlich seine Augen über die obere Fensterreihe des spukhaften Hauses hin wandern ließ; für die alte Köchin war das eine naseweise Herausforderung, die ihr einen gelinden Schauder über die Haut jagte.

»Bärbe, Bärbe, schnell, drehe dich um! es ist jemand drin!« rief die Kleine plötzlich und zeigte mit dem ausgestreckten Finger direkt nach einem der Fenster in Frau Dorotheens ehemaliger Wochenstube, wobei sie von der Bank sprang.

Unwillkürlich, als werde sie von einer fremden Macht herumgerissen, wandte Bärbe den Kopf nach der bezeichneten Stelle und ließ vor Schrecken den mächtig angeschwollenen Waschleinenknäuel aus den Händen fallen. »Weiß Gott, der Vorhang wackelt!« murmelte sie.

»Unsinn. Bärbe! Wenn er bloß wackelte, so wäre das weiter gar nichts; das könnte auch vom Zugwind sein!« sagte Margarete überlegen. »Nein, er war dort in der Mitte« – sie zeigte abermals nach dem Fenster – »dort war er auseinander und es hat jemand herausgesehen; und das ist doch närrisch – es wohnt kein Mensch drin –«

Um tausend Gotteswillen, Kind, wer wird denn immer mit dem Finger hinzeigen!« raunte Bärbe und griff nach der kleinen Hand, um sie niederzubiegen. Sie war dicht vor die Kinder getreten, als wolle sie die Kleinen mit ihrer breiten massiven Figur decken, und kehrte dem bezeichneten Fenster den Rücken – um keinen Preis hätte sie noch einmal die Augen zurückgewendet. »Siehst du, Gretchen, das hast du nun von deinem ewigen Hingucken! Ich wollte dir's vorhin schon sagen, aber du bist ja immer gleich obenhinaus, und da war ich still ... Für so 'was, wie die Fenster da oben, muss der Mensch gar keine Augen haben.«

»Abergläubische alte Bärbe – das sollte nur Tante Sophie hören!« schalt das kleine Mädchen ärgerlich und suchte die vierschrötige Alte aus dem Wege zu schieben. »Erst recht muss man Hinsehen! Ich will wissen, wer das gewesen ist! Es ging vorhin zu schnell – husch, war's wieder weg! – Ich glaube aber, es war Großmamas Stubenmädchen, die hat so eine weiße Stirn –«

»Die?« – Jetzt war es an der gescholtenen Köchin, eine überlegene Miene anzunehmen. »Erstlich, wie käme die in die Stube? Doch nicht durchs Schlüsselloch?« Und zum zweiten täte sie's auch gar nicht – nicht um die Welt, Gretchen! Das naseweise Ding hat's gerade so gemacht wie du – die dachte auch, ihr könnt's nicht fehlen, und da hat sie vorgestern Abend in der Dämmerstunde ebenso ihren Schreck weggehabt, wie gestern der Kutscher... Geh du lieber 'nauf in die gute Stube mit den roten Tapeten, wo die alten Bilder hängen – die mit den Karfunkelsteinen in ihren kohlpechschwarzen Haaren, die ist's! Die hat wieder einmal keine Ruh' in der Erde und huscht im Hause 'rum und erschreckt die Menschen.«

»Bärbe, du sollst uns Kindern nicht solchen Unsinn vorschwatzen, hat die Tante gesagt!« rief Margarete bitterböse und stampfte mit dem Fuße auf. »Siehst du denn nicht, wie Holdchen sich ängstigt?«... Beruhigend wie ein Großmütterchen legte sie die Arme um den Hals des Knaben, der mit angsterfüllten, weit aufgerissenen Augen zuhörte. »Komm her, du armes Kerlchen, fürchte dich nicht, und lass dir doch nichts weismachen von der dummen Bärbe! Es gibt gar keine Gespenster – gar keine! Das ist alles dummes Zeug!«

In diesem Augenblick trat Tante Sophie aus dem Hause. Sie brachte den Kaffee und stellte einen großen, zuckerbestreuten Napfkuchen auf den Tisch. »Kind, Gretel, du siehst ja aus wie ein streitlustiges Kickelhähnchen! Was hat's denn wieder einmal gegeben?« fragte sie, während Bärbe sich schleunigst aus dem Staube machte und ihrem abwärts gerollten Leinenknäuel nachlief.

»Es war jemand dort in der Stube,« antwortete die Kleine kurz und knapp und zeigte nach dem Fenster.

Tante Sophie, die eben den Kuchen anschnitt, hielt inne. Sie drehte den Kopf um und streifte mit einem flüchtigen Blick die Fensterreihe. »Da oben?« fragte sie mit halbem Lachen. »Du träumst am hellen Tage, Kind!«

»Nein, Tante, es war ein wirklicher Mensch! Gerade dort, wo der Vorhang so rot ist, da ging er auseinander. Ich sah ja die Finger, ganz weiße Finger, die ihn schoben, und auf einen Husch sah ich auch eine Stirn mit hellen Haaren –«

»Die Sonne, Gretel, weiter nichts!« versetzte Tante Sophie gleichmütig und hantierte taktmäßig mit ihrem Messer weiter an dem Kuchen. »Die spielt und spiegelt in allen Farben auf den alten verwetterten Scheiben, und das täuscht. Hätt' ich den Schlüssel, da müsstest du auf der Stelle mit mir hinauf in die Stube, um dich zu überzeugen, dass kein Mensch drin ist, und dann wollten wir sehen, wer recht behielte, du Gänschen! Den Schlüssel hat aber der Papa, und die Großmama ist eben bei ihm, und da will ich nicht stören.«

»Bärbe sagt, die Frau, die im roten Salon hängt, hätte herausgesehen – die läuft im Hause herum, Tante, und will alle Menschen erschrecken,« klagte Reinhold in weinerlich ängstlichem Ton.

»Ach so!« sagte Tante Sophie. Sie legte das Messer hin und sah über die Schulter nach der alten Köchin, die aus Leibeskräften an ihrem riesigen Knäuel wickelte. »Bist ja ein lieber Schatz, Bärbe – die richtige Jammerbase und Totenunke!... Was hat dir denn das arme Weibchen im roten Salon dass du sie zum Popanz für die Urenkelchen machst?«

»Ach, mit dem Popanz hat's keine Not, Fräulein Sophie!« entgegnete Bärbe trotzig und ohne von ihrer Beschäftigung wegzusehen. »Gretchen glaubt's so wie so nicht... Das ist ja eben das Unglück heutzutage! Die Kinder kommen schon so superklug zur Welt, dass sie an gar nichts mehr glauben wollen, was sie nicht mit Händen greifen können.« – Sie wickelte mit so grimmigem Eifer weiter, als gelte es, all den kleinen Ungläubigen die Hälse zuzuschnüren. – »Glaubt der Mensch aber nicht mehr an die Geister- und Hexengeschichten, da kommt auch unser Herrgott zu kurz, ja – und das ist eben die Gottlosigkeit heutzutage, und darauf leb' und sterb' ich!«

»Das magst du halten, wie du willst; aber unsere Kinder lässt du mir künftig aus dem Spiel, ein für allemal!« gebot Tante Sophie streng. Sie schenkte den Kindern Kaffee ein und legte ihnen Kuchen vor; dann ging sie, um ein Rosenbäumchen von der Waschleine zu befreien, die sich durch Bärbes Ungestüm in seinen Ästen verwickelt hatte.

»Die Sonne war's aber nicht – das steht bombenfest! – Ich will's schon herauskriegen, wer immer durch den Gang huscht und in die Stube schleicht!« murmelte die kleine Skeptikerin am Kaffeetisch vor sich hin und brockte sich die Obertasse voll Kuchen.


3.

Auf ein Wort, Balduin!« hatte die Frau Amtsrätin gebeten, und seit Herr Lamprecht die Ehre hatte, ihr Schwiegersohn zu sein, waren ihre Bitten stets wie Befehle seinerseits respektiert worden. So auch heute. Er hatte zwar eine tiefe Falte des Missmutes auf der Stirn, und am liebsten hätte er wohl dem verzogenen Papagei, der fortgesetzt kreischend gegen seinen missliebigen Träger protestierte, den bunten Hals umgedreht; allein davon wurde der Frau Amtsrätin nicht das geringste bemerklich, um so weniger, als, sehr zur rechten Zeit, das aus der oberen Etage kommende Stubenmädchen das Tier in Empfang nahm und hinauftrug.

So ging das zarte, schmächtige Frauchen ahnungslos und graziös neben dem Schwiegersohn her; die Spitzenbarben ihres Häubchens wehten in der Zugluft des Treppenhauses, und die kurze, dunkelseidene Schleppe raschelte vornehm über die Stufen. – Sie waren ziemlich ausgetreten, diese breiten, mächtigen Sandsteinstufen. Weit über zwei Jahrhunderte hindurch war alles, was das Haus an Lust und Leid gesehen, da hinauf und hinab geglitten. Hochzeiten und Tauffeierlichkeiten, Tanz- und Tafelfreuden, wie der letzte Prunkzug der Hingeschiedenen – das alles, was den verschiedenen Generationen Kopf und Herz bewegt und erfüllt, es war verbraust und verschmerzt, und nur die Fußspur war verblieben. – Und jetzt stieg die zierliche alte Dame mit ihren kleinen Goldkäferschuhen auch Stufe um Stufe hinauf, um droben eine Herzensbeklemmung loszuwerden – Unmut und Besorgnis sprachen deutlich genug aus ihren Zügen.

Herrn Lamprechts Privatwohnung bildete, hart an der Treppe gelegen, den Schluss der langen Zimmerreihe in der mittleren Etage. Hinter diesen Räumen, nach dem Hofe zu, lag der Korridor oder Flursaal, wie er im Hause genannt wurde, in seiner Länge und gewaltigen Breite so recht der Raumverschwendung der alten Zeiten entsprechend. Er endete erst hinter dem letzten Zimmer, dem sogenannten roten Salon; dort bog er um die Ecke des angebauten östlichen Seitenflügels und verengte sich zu dem dämmernden Gang hinter Frau Dorotheens Sterbezimmer, in welchen nur an dem entgegengesetzten äußersten Winkel, da, wo ein paar kleine Stufen seitwärts in das Packhaus hinunterführten, das karge Tageslicht durch ein hochgelegenes Fensterchen hereinfiel.

In dem Flursaal standen altertümliche Kredenzen von wundervoller Schnitzarbeit, und an der Rückwand, zwischen den herausführenden dunkelgebeizten Flügeltüren der Zimmer, reihten sich Stühle hin, über deren Sitze und Polsterlehnen sich noch derselbe gepresste gelbe Samt spannte, den einer der alten Kaufherren einst aus den Niederlanden mitgebracht ... Hier war manches Menuett aufgeführt, mancher Festschmaus abgehalten worden, und es ließen sich auch heute noch die hässliche Frau Judith in der Spitzendormeuse und das verführerische junge Weib mit den Karfunkelsteinen im Haar als Herrinnen in die altfränkische Ausstattung unschwer hineindenken. – Aber mochte auch vieles von dem Prachtgerät der Urväter seinen Platz hier und in den Zimmern und Sälen drinnen behauptet haben, vor der Wohnung des Hausherrn machte die Pietät Halt, und der moderne Luxus übernahm die Herrschaft.

Es war mehr das Boudoir einer Dame, als ein Herrenzimmer, in welches Herr Lamprecht seine Schwiegermutter eintreten ließ. Rosenholz und Seide, Aquarellbilder und ein sanftes Rosalicht, das von den Vorhängen und Polsterbezügen ausging – dies zarte Gemisch bildete zusammen eines jener süßen Nestchen, in welchem man sich eine schöne junge Frau behaglich zusammengeschmiegt denkt – und hier hatte in der Tat Herrn Lamprechts verstorbene Frau gewohnt.

Die Frau Amtsrätin ging auf einen der kleinen Lehnstühle zu, die, halb in die Spitzen und Seidenfalten der Vorhänge vergraben, die tiefen Fensterwinkel füllten. Ihr kam in diesem Raum nur selten noch der Gedanke an die Tochter, die einst hier gewaltet; sie war es gewohnt, ihren Schwiegersohn an dem kleinen Schreibtisch sitzen und all das zierliche Gerät benutzen zu sehen. Ein Mann von starken Leidenschaften, hatte er sich nach dem Tode der jungen Frau in seinem ersten Schmerz hier eingeschlossen, und seitdem war das Zimmerchen sein Tuskulum verblieben.

»Ach, wie reizend!« rief die alte Dame und blieb wie angefesselt vor dem Schreibtisch stehen, neben welchem sie sich eben niedersetzen wollte. Sie war auch reizend, die Malerei in Wasserfarben da auf dem Medaillon einer Briefmappe – ein durchsichtiges Gitter von zartem Farnkraut, und dahinter wie eingefangen ein Stückchen des geheimnisvollen Sprießens, Lebens und Webens nahe dem Waldboden. »Eine originelle Idee, und wie sauber ausgeführt!« setzte die Frau Amtsrätin hinzu und nahm die Lorgnette zu Hilfe. »Hier das Blumengeistchen, wie es sich begehrlich aus seinem Glockenblumenhäuschen nach der Erdbeere hinüberreckt – wirklich ganz allerliebst! ... Eine Arbeit von schöner Damenhand, Balduin?,– Hab' ich recht?«

»Möglich!« meinte er achselzuckend mit einem flüchtigen Seitenblick nach der Mappe, während er sich bemühte, ein schiefhängendes Bild an der Wand gerade zu rücken. »Die Industrie rekrutiert ja heutzutage eine ganze Armee helfender Kräfte auch aus der Frauenwelt –«

»Also nicht speziell für dich ausgedacht?«

»Für mich?!« – Der kleine Nagel, der das Bild seitwärts in gerader Linie festhalten sollte, war herausgefallen – der große, stattliche Mann bog sich tief nieder, um den Flüchtling auf dem Teppich zu suchen, und als er sich wieder aufrichtete, da hatte ihm das Bücken das ganze Blut nach dem Kopfe getrieben ... »Liebe Mama, sollten Sie wirklich von dem allermächtigsten Faktor in unserem modernen Leben, dem Egoismus, nichts wissen, und könnten Sie in der irgendetwas ganz umsonst, ohne die geringste Hoffnung auf Erfolg tue?«

Er sagte das noch abgewendet, wobei er den Nagel wieder in die Wand zu drücken suchte. Nun erst wandte er der alten Dame sein Gesicht voll zu – um seinen Mund zuckte es bitter und spöttisch. »Nehmen wir doch einmal alle die schönen Damenhände unserer Kreise durch, und sagen Sie mir, welche von ihnen wohl im Stande sein würde, eine solch künstlerische, die größte Geduld erfordernde Aufgabe auszuführen für einen Mann, der – nicht mehr zu haben ist!«

Er trat auf das andere Fenster zu, während sich die alte Dame in ihrem kleinen, weichen Lehnstuhl zusammenschmiegte. »Nun ja, darin magst du wohl recht haben!« sagte sie lächelnd und in dem gleichmütigen Tone, wie man längst Feststehendes, Unanfechtbares und sattsam Bekanntes zugibt. »Es ist allerdings stadtkundig, dass unsere arme, teure Fanny dein Gelöbnis der Treue für Zeit und Ewigkeit mit in das Grab genommen hat. Erst vorgestern Abend wieder war bei Hofe die Rede davon. Die Herzogin sprach von der Zeit, wo meine arme Tochter noch gelebt und eine vielbeneidete Frau gewesen sei, und der Herzog meinte, man solle doch ja die sogenannte gute alte Zeit mit ihrem Biedersinn im Gegensatz zu der heutigen nicht immer herausstreichen; der hochangesehene, wegen seiner Strenge fast gefürchtete alte Justus Lamprecht zum Beispiel habe in seiner Jugendzeit einen Treuschwur in eklatantester Weise gebrochen, während ihn sein Urenkel durch edle Festigkeit beschäme.«