Sarah M. Anderson, Joanne Rock, Carla Buchanan

COLLECTION BACCARA BAND 393

IMPRESSUM

COLLECTION BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARA
Band 393 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2017 by Sarah M. Anderson
Originaltitel: „Twins for the Billionaire“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Susann Rauhaus

© 2017 by Joanne Rock
Originaltitel: „The Magnate’s Marriage Merger“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein

© 2016 by Carla Buchanan
Originaltitel: „Return to Passion“
erschienen bei: Kimani Press, Toronto
in der Reihe: ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Silke Schuff

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733724962

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

 

Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.

SARAH M. ANDERSON

Der Boss, der mich liebte

Er hat alles, was ein Mann sich wünschen kann. Bis Sofia, seine Freundin aus Kindertagen, wieder in sein Leben tritt. Denn plötzlich will Milliardär Eric Jenner nur noch eines: sie. Nach einer leidenschaftlichen Nacht ist er überzeugt – sie ist die Richtige. Doch Sofia weist ihn ab. Sie glaubt nicht, dass er es wirklich ernst meint mit ihr …

JOANNE ROCK

Gefährlich, geheimnisvoll – und unglaublich sexy

Einmal hat er ihr das Herz gebrochen, und Lydia hat sich geschworen, dass Ian McNeill ihr nie wieder wehtun wird. Doch dann begeht sie einen Fehler, und er hat sie in der Hand: Ein Jahr lang soll sie seine Frau sein, dann behält er ihr Geheimnis für sich. Ein Jahr geht schnell vorbei, also willigt Lydia ein. Aber kann sie ihn danach wirklich wieder verlassen?

CARLA BUCHANAN

Sag nie wieder Nein zu mir

Remington war ihre erste und einzige Liebe – doch Camille musste ihn verlassen, um seine Karriere nicht zu gefährden. Jetzt ist sie zurück, und als sie ihn wiedersieht, spürt Camille sofort das alte Verlangen. Auch Remington konnte sie nie vergessen, und sie beschließen, sofort zu heiraten. Doch dann erfährt Camille, dass er etwas Furchtbares getan haben soll …

Der Boss, der mich liebte

PROLOG

„Das wär’s also?“, fragte Eric Jenner und starrte auf den Bericht des Privatdetektivs in seiner Hand. Das Baby war nicht von ihm. Irgendwie hatte er die Antwort schon vorher gewusst.

Komisch, dass es immer noch so verdammt wehtat.

„Das wär’s.“ Der Detektiv erhob sich. „Es sei denn, Sie brauchen sonst noch etwas.“

Eric hätte fast laut aufgelacht. Was brauchte er denn? Ein Happy End für diesen ganzen Schlamassel. Aber dass er das nicht bekommen würde, war klar. Heute nicht, und vielleicht nie.

Er biss die Zähne zusammen. Schlimm genug, dass seine Braut ihn am Altar stehen gelassen hatte. Sechs Monate später weidete sich die Presse noch immer an den Fotos von ihm, wie er sprachlos vor dem Geistlichen stand. Und vor sechshundert Hochzeitsgästen in der Holy-Name-Kathedrale.

Aber das hier? Er wusste, dass er das nicht für immer geheim halten konnte. Nur zwei Wochen nach der geplatzten Trauung hatte Prudence geheiratet. Offensichtlich war der andere ihre wahre Liebe. Denn wie sonst hätte man es erklären sollen, dass sie Hals über Kopf mit dem Buchhalter der Firma ihres Vaters durchgebrannt war? Der Mistkerl war der Vater ihres Sohnes und machte sie, wenn Eric dem Bericht des Privatdetektivs glauben sollte, zur glücklichsten Frau der Welt.

Eric freute sich für die beiden. Wirklich.

Er atmete langsam ein und noch langsamer aus. „Wenn mir sonst noch etwas einfällt, lasse ich es Sie wissen“, sagte er.

Nachdem der Mann gegangen war, las Eric sich noch einmal den Bericht durch. Komisch, er vermisste Prudence nicht besonders. Nachts lag er nicht wach und sehnte sich nach ihren Zärtlichkeiten. Und er bedauerte es auch nicht, dass die Eigentumswohnung, die er für sie gekauft hatte, nun wieder zum Verkauf stand.

Er war eindeutig gerade noch mal davongekommen. Bis auf ein kleines Detail.

Dieses Detail war mit rund viertausend Gramm zur Welt gekommen. Er starrte auf das Foto, das der Detektiv mitgeliefert hatte. Darauf hielt Prudence ihr Baby im Arm. Sie hatte ihm den Namen Aaron gegeben. Aarons Augen waren geschlossen, und er lächelte ein bisschen.

Etwas zog sich in Erics Brust zusammen. Nein, er vermisste Prudence wirklich nicht. Aber …

Egal, wo er hinging, überall hatten die Leute Babys. Plötzlich konnte er ihnen nicht mehr aus dem Weg gehen. Selbst sein ältester Freund Marcus Warren hatte vor Kurzem einen kleinen Jungen adoptiert. Nachdem er seine Assistentin geheiratet hatte, ausgerechnet.

Eric und Marcus hatten immer miteinander konkurriert. Wer machte die erste Million (Eric), die erste Milliarde (Marcus)? Wer hatte das teuerste Auto (das wechselte dauernd) oder die größte Jacht (da hatte Eric immer die Nase vorn)?

Diese Wettkämpfe waren keineswegs vorbei. Aber die Regeln hatten sich geändert, und für dieses neue Spiel war Eric nicht bereit. Er war nicht bereit dazu, danebenzustehen, wenn sein bester Freund sich gurrend über seinen Sohn beugte, während seine Frau die beiden voller Liebe betrachtete.

Eigentlich hätte es ihn anwidern müssen.

Denn ihre Freundschaft beruhte darauf, den anderen auszustechen. Aber eine liebende Frau und ein entzückendes Baby?

Und jetzt diese Nachricht von Prudence – das gab Eric den Rest.

Eins war klar: In diesem Fall hatte er haushoch verloren.

Zum Teufel noch mal!

Schließlich war er Eric Jenner. Er besaß ein Viertel der Wolkenkratzer in Chicago und ein paar der teuersten Immobilien auf der ganzen Welt. Er gehörte offiziell zum exklusiven Club der Milliardäre. Er war, so hatte man ihm wenigstens gesagt, attraktiv und gut im Bett. Es gab nichts, was er nicht hätte kaufen können.

Was er jetzt brauchte, war Ablenkung, und zwar am besten die Art, wie er sie in den Armen einer neuen Frau finden konnte. Bestimmt würde das seine Gedanken an eine glückliche Familie vertreiben. Schließlich hatte er nichts verloren. Er war sogar froh, dass Prudence weg war, denn diese Ehe wäre bestimmt ein Desaster geworden. Nein, er hatte Glück gehabt. Er war nicht gebunden, sondern konnte tun, was er wollte. Und er wollte alles.

Er brauchte nur die Hand auszustrecken, und die Welt stand ihm zur Verfügung. Alles, was er tun musste, war, mit dem Finger zu schnippen.

Abrupt klappte er den Bericht zu und verstaute ihn in der untersten Schublade seines Schreibtischs.

Na gut.

Fast alles.

Es sah ganz so aus, als gäbe es Dinge, die man mit Geld nicht kaufen konnte.

1. KAPITEL

Zehn Monate später …

Mit einem leisen Klingeln öffnete sich die Lifttür. Sofia Bingham wartete, bis die anderen ausgestiegen waren. Unglaublich, wie nervös sie war. Tat sie das hier wirklich? Bewarb sie sich tatsächlich um den Job der Büroleiterin bei Jenner Properties?

Ihr Atem stockte, als sie das Foyer von Eric Jenners Immobilienimperium betrat. Sie hatte Räumlichkeiten erwartet wie die von Erics Vater, der ebenfalls mit Immobilien gehandelt hatte. Jenner und Partner hatten ihre Büros im Erdgeschoss eines vierstöckigen Gebäudes gehabt, wo John und Elise Jenner ein exklusives Maklerbüro an der Gold Coast von Chicago betrieben hatten. Ihre Kunden waren reich oder sogar superreich gewesen.

Dort war Sofias Vater Emilio zunächst Hausmeister gewesen, dann hatte er angefangen, Häuser für die Jenners zu verkaufen, bis er schließlich sein eigenes Maklerbüro aufgemacht hatte. Sofias Mutter Rosa war die Haushälterin der Jenners gewesen, und Elise Jenner hatte eine Schwäche für Sofia gehabt und sie mit Kleidung und Spielzeug überschüttet.

In ihrer Kindheit hatte Sofia die Jenners für die reichsten Leute auf der ganzen Welt gehalten.

Aber nichts hatte sie auf das hier vorbereitet.

Jenner Properties nahm den ganzen vierzigsten Stock eines Wolkenkratzers am South Wacker Drive ein. Von hier aus konnte sie den Lake Michigan sehen, wo das Sonnenlicht auf der Wasseroberfläche glitzerte.

Sofia lächelte. Es war Jahre her, dass sie Eric Jenner zuletzt gesehen hatte, aber es überraschte sie nicht, dass er diesen außerordentlichen Blick auf den See hatte. Er hatte das Wasser immer geliebt. Schon damals hatte er ihr im familieneigenen Pool das Schwimmen beigebracht und ihr gezeigt, wie man segelte. Mit seinen Spielzeugbooten hatten sie sogar kleine Rennen veranstaltet.

Hinter ihr entließen beide Aufzüge erneut zahlreiche Menschen in den Flur. Jenner und Partner hatte nur aus John und Elise Jenner und zwei anderen Maklern bestanden. Aber zu Jenner Properties gehörte offensichtlich eine Armee ernst aussehender Leute, die allesamt teure Anzüge und Schuhe trugen. Sie blickte auf ihre Kombination aus Rock und Jackett, die das Beste war, was sie besaß. Und die einzigen Kleidungsstücke, auf denen keine Flecken von Babynahrung prangten. Die Kombination sah auch ganz hübsch aus: ein schwarz-weiß gepunkteter Rock mit einem weißen Jackett über einer schwarzen Bluse. Aber ihr Outfit reichte bei Weitem nicht an die Kleidung der Leute heran, die an ihr vorbeigingen.

Sofia trat zur Seite und blickte auf den See hinaus. Wie das Vorstellungsgespräch wohl ablaufen würde? Sie hatte sich als Büroleiterin beworben, als Maklerin konnte sie einfach nicht mehr arbeiten. Sie brauchte regelmäßige Arbeitszeiten und ein gesichertes Einkommen. Es wäre leicht gewesen, zu behaupten, dass sie den Job für ihre Zwillinge Adelina und Eduardo brauchte. Aber die Wahrheit war, dass sie ihn für sich selbst brauchte.

Ja, in diesem Job würde sie genug verdienen, um ein Kindermädchen bezahlen zu können, das ihre Mutter unterstützen würde. Vorher waren Sofia und ihr Mann David Makler gewesen. Aber ohne ihn konnte sie das nicht mehr machen.

Natürlich hätte sie sich auch bei einer anderen Firma bewerben können, doch niemand bezahlte mehr als Jenner Properties. Allerdings war das nicht der einzige Grund, warum sie gekommen war.

Würde Eric sich noch an sie erinnern?

Eigentlich gab es dafür keinen Grund. Mit sechzehn Jahren war er nach New York gegangen. Seither hatten sich ihre Wege nicht mehr gekreuzt. Und Sofia war auch kein dreizehnjähriger Teenager mit schiefen Zähnen mehr.

Sie hatte sich verändert. Aber sie hatte ihn nie vergessen. Keine Frau vergaß ihren ersten Kuss. Und obwohl es Teil eines Spiels gewesen war, zählte es trotzdem.

Nervös beobachtete sie Erics Angestellte dabei, wie sie an ihre Arbeitsplätze gingen. Ja, sie brauchte diesen Job. Und sie würde ihn bekommen, weil sie gut darin war, nicht weil sie eine alte Bekannte von Eric war, die er bestimmt längst vergessen hatte.

Entschlossen trat sie an den Empfangstresen.

„Hallo“, sagte sie mit mehr Selbstbewusstsein, als sie wirklich verspürte. „Mein Name ist Sofia Bingham, ich habe um neun Uhr einen Termin mit Mr. Jenner.“

Die Dame am Empfang war jung, blond und sah umwerfend aus. Sie betrachtete Sofia, ohne die Stirn zu runzeln, was schon mal ein gutes Zeichen war. „Sie sind hier wegen der Stelle als Büroleiterin?“ Selbst ihre Stimme klang cool.

„Das ist richtig.“ Selbstbewusst. So war sie. Sie konnte ein Vorstellungsgespräch führen. Sie konnte auch ein Büro leiten. Obwohl dieses hier eine Nummer größer war, als sie gedacht hatte.

„Einen Moment, bitte.“ Die junge Frau wandte sich ihrem Computer zu.

Sofias Magen zog sich zusammen. Über sieben Jahre hatte sie als Maklerin gearbeitet, davor hatte sie im Büro ihrer Eltern ausgeholfen. Aber traute sie sich wirklich zu, ein Büro wie dieses zu leiten?

Sie wusste, dass es hier längst nicht mehr nur darum ging, Häuser zu kaufen und zu verkaufen. Eric Jenner kaufte Land und errichtete selbst Gebäude, zum Beispiel diesen Wolkenkratzer hier. Er engagierte Makler und Architekten, Innenarchitekten und Anwälte. Er baute exklusive Bürogebäude und Luxusapartments. Und das machte er so gut, dass er inzwischen Milliardär war.

Sofia hatte sein Leben nicht genau verfolgt, aber selbst sie hatte mitbekommen, dass er von seiner Braut am Altar stehen gelassen worden war.

Was zum Teufel machte sie hier? Das hier war doch mehrere Nummern zu groß für sie. Hatte sie nicht sogar zu ihren Eltern zurückziehen müssen, weil sie sich keine eigene Wohnung leisten konnte? Das hier war nicht ihre Welt.

Ihre Brust zog sich zusammen, plötzlich fiel es ihr schwer zu atmen.

Oh nein.

Nein, sie durfte jetzt auf keinen Fall eine Panikattacke bekommen. Nicht noch eine, nicht jetzt. Sie trat einen Schritt vom Empfangstresen zurück. Das Bedürfnis zu fliehen wurde übermächtig. Sie beschwor das Bild ihrer Mutter herauf, wie sie heute Morgen die Zwillinge im Arm gehalten, ihr für das Bewerbungsgespräch Glück gewünscht und ihr zum Abschied gewinkt hatte. Ihre Zwillinge – sie brauchten mehr, als Sofia ihnen im Moment geben konnte. Sie brauchten Stabilität und Sicherheit. Sie brauchten eine Mutter, die nicht jeden Monat verzweifelt versuchte, über die Runden zu kommen. Und auch für sich selbst brauchte sie unbedingt einen festen Job.

Noch etwas hielt sie davon ab zu flüchten. Es war der Klang ihres Namens. „Mrs. Bingham?“

Sie sah hoch, und die Luft entwich aus ihren Lungen. Da ist er! Zwar hatte sie Fotos von ihm in der Zeitung gesehen, aber es gab etwas Unerwartetes in seiner Erscheinung, was sie bis ins Mark erschütterte.

Sein Lächeln hatte sich nicht verändert. Aber sonst? Eric Jenner war fast eins neunzig groß und bewegte sich mit einer Geschmeidigkeit, die Kraft und Selbstvertrauen ausstrahlte. Er wirkte atemberaubend attraktiv – etwas, was sie nie mit ihm in Zusammenhang gebracht hatte. Sein Haar war von einem hellen Kupferton zu einem tiefen Rot gewechselt, und er war ziemlich braun gebrannt. Fast hätte Sofia gegrinst. Gebräunte Rothaarige waren wirklich selten.

Und noch eins war klar: Er war nicht mehr der Junge, an den sie sich erinnerte. Seine Schultern wirkten breiter und seine Beine kräftiger, als er auf sie zukam. Und diese Augen … Als sie ihn anblickte, blieb er plötzlich stehen und hob die Brauen. Offensichtlich hatte er sie erkannt, obwohl er vielleicht nicht wusste, woher er sie kannte. Plötzlich ließ der Druck in ihrer Brust nach, und sie konnte wieder atmen – sie wusste, dass alles gut gehen würde.

Sie hoffte es jedenfalls.

Dann fiel bei ihm der Groschen. „Sofia?“, fragte er ungläubig und schüttelte den Kopf. „Bitte entschuldigen Sie, aber Sie sehen aus wie jemand, den ich kenne.“

Jetzt erst wurde Sofia bewusst, dass sie mitten im Empfangsbereich standen, und obwohl sie niemand anstarrte, blieb ihr Gespräch doch nicht unbemerkt. Sie verstärkte den Griff um ihre Handtasche. „Es ist schön, Sie wiederzusehen, Mr. Jenner“, sagte sie.

Sein Gesicht erhellte sich. „Was machst du denn hier? Und wann hast du geheiratet?“ Er machte eine Pause und sah sie erneut an.

Hitze durchströmte sie, und sie merkte, wie sich ihre Wangen färbten. Na, super. Jetzt wurde sie auch noch rot.

Und es wurde noch schlimmer, als er sagte: „Wow! Du bist ja wirklich ziemlich groß geworden.“

Sie holte tief Luft. „Um es direkt zu sagen, ich bin Ihr Neun-Uhr-Termin.“ Er blinzelte. „Die Bewerbung für den Job der Büroleiterin“, setzte sie nach.

„Oh … ja, richtig.“ Er sah sich um, als würde auch ihm gerade erst klar, wie dieses Gespräch auf seine Angestellten wirken mochte. „Dieses Büro braucht unbedingt eine neue Leiterin. Komm mit!“ Er bedeutete ihr, ihm zu folgen.

Ihr Herz klopfte heftig vor Aufregung. Was wusste sie schon von ihm? Als Junge hatte er zu den Privilegierten und Reichen gehört, war aber trotzdem nett zu ihr gewesen. Er hatte ihr das Schwimmen und Rollschuhlaufen beigebracht, und hin und wieder hatten sie sogar mit den Porzellanpuppen seiner Mutter gespielt.

Was natürlich nicht bedeutete, dass er immer noch derselbe war. Stumm folgte sie ihm den Gang entlang.

„Ich hatte ja keine Ahnung, dass du verheiratet bist“, sagte er auf dem Weg. „Erzähl mir etwas über deinen Mann! Wer ist der Glückliche, der Sofia Cortés an Land ziehen konnte?“

Das Flirten hat er anscheinend nicht verlernt, dachte Sofia, während sie sich staunend in seinem riesigen Büro umsah. Eine große Ledercouch und ein massiver Schreibtisch aus Mahagoni dominierten den Raum. Eine Glasfront zog sich über die eine Wand und gab den Blick auf den Lake Michigan frei. Allein die Aussicht war Millionen wert.

Er schloss die Tür hinter ihr, und plötzlich waren sie sich ganz nah. Sie spürte die Wärme seines Körpers und errötete noch mehr. Das war ihr seit Monaten nicht passiert. Seit Jahren.

„Was für ein toller Blick“, sagte sie in dem Versuch, das Thema zu wechseln. Sie wollte jetzt nicht über David sprechen.

Eric sah genauso aus, wie sie sich einen Milliardär vorstellte. Bestimmt war sein blauer Anzug maßgeschneidert, dasselbe galt wahrscheinlich für sein hellrosa Hemd mit der passenden Seidenkrawatte. Es hätte sie nicht gewundert, wenn sein Outfit so viel gekostet hätte wie eine der Raten, die sie für ihr Auto zahlte.

Erstaunt stellte sie fest, dass sie in seiner Gegenwart etwas spürte, was sie schon verloren geglaubt hatte … Begehren. Sofia hatte ganz vergessen, wie sich das anfühlte. Und sie hatte geglaubt, ihre derartigen Bedürfnisse zusammen mit ihrem Mann begraben zu haben.

„Du … du hast es anscheinend weit gebracht“, bemerkte sie zögerlich und zwang sich, daran zu denken, warum sie hier war.

Eine Weile blieb er stumm, dann erwiderte er ruhig: „Hast du daran gezweifelt?“

Eric grinste, was seiner Bemerkung die Arroganz nahm und an den Jungen erinnerte, den Sofia gekannt hatte. „Ich habe sehr hart für all das hier gearbeitet. Aber um der Wahrheit gerecht zu werden, hatte ich dank meiner Eltern wahrscheinlich eine bessere Ausgangsposition als die meisten anderen Menschen.“

Dieses Stichwort nahm sie gern auf. „Wie geht es ihnen? Unsere Eltern schicken sich immer noch Weihnachtskarten.“

Eric seufzte und wirkte mit einem Mal sehr viel jünger. „Es geht ihnen gut. Sie sind nur enttäuscht, weil ich immer noch nicht verheiratet bin und keine Kinder habe. Aber sonst ist alles okay. Und bei deinen?“

„Meinen Eltern geht es auch gut. Ich nehme an, du weißt, dass mein Vater angefangen hat, als Makler zu arbeiten. Er hat ein Büro in Wicker Park. Meine Mutter kümmert sich um meine Kinder.“

Abrupt wandte er sich von ihr ab. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Es war, als wäre er bei ihren Worten zusammengezuckt.

Er ging auf seinen Schreibtisch zu, doch statt sich hinzusetzen, starrte er hinaus auf den See. Obwohl es noch früh am Morgen war, konnte Sofia ein paar Boote auf dem Wasser erkennen. Als Eric sich halb zu ihr umwandte, zeichnete sich seine Silhouette gegen das Sonnenlicht ab.

„Ich hatte keine Ahnung, dass du geheiratet hast. Meinen herzlichen Glückwunsch!“

Er wollte freundlich sein, doch seine Stimme klang merkwürdig flach, fast ungerührt.

„Oh, ich bin nicht verheiratet. Ich meine, ich war es. Aber mein Mann … er ist gestorben.“ Obwohl es jetzt schon eine Weile her war, brach ihre Stimme immer, wenn sie darüber reden musste. „Vor siebzehn Monaten.“ Nicht, dass sie die Tage – oder die Stunden – seit dem schlimmsten Tag ihres Lebens gezählt hätte.

Sie holte tief Luft und hob das Kinn. „Ich weiß nicht, ob du schon einmal von ihm gehört hast. David Bingham? Wir haben zusammen in einem Maklerbüro in Evanston gearbeitet.“

Jetzt drehte er sich vollends um und machte einen Schritt auf sie zu. Einen Moment lang glaubte sie, dass er sie in seine Arme nehmen wollte – dagegen hätte sie sich nicht gewehrt. Doch dann hielt er inne. „Sofia“, sagte er mit sanfter Stimme. „Das tut mir wirklich leid. Ich hatte ja keine Ahnung. Wie geht es dir jetzt damit?“

In seinen Augen las sie: Das war kein Small Talk, sondern eine ehrliche Frage von einem ihrer ältesten Freunde. Mein Gott, wie sehr hatte sie Eric vermisst!

Es war verführerisch, einfach zu lügen und so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Aber das brachte sie nicht übers Herz. Auf diese Frage gab es nun einmal keine leichte Antwort.

„Deshalb bin ich hier. Meine Zwillinge sind …“

„Zwillinge?“, unterbrach er sie und sah sie erstaunt an. „Wie alt sind sie denn?“

„Fünfzehn Monate.“

Er pfiff leise und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Schon wieder errötete sie unter seinem prüfenden Blick. „Ich kann mir vorstellen, wie schwierig das für dich gewesen sein muss. Es tut mir so leid, dass du diesen schweren Verlust erlitten hast.“

Sie nickte stumm. „Ich … ja, danke. Es war wirklich ziemlich hart. Und deshalb bin ich jetzt auch hier. David und ich haben zusammen Häuser verkauft, und seit seinem Tod habe ich … also, ich kann nicht … Ich brauche einfach einen Job mit regelmäßigen Arbeitszeiten, der mir ein geregeltes Einkommen beschert, damit ich für meine Kinder sorgen kann.“ So, sie hatte es gesagt, und es hatte nur ein bisschen wehgetan.

„Wie heißen die beiden?“

„Adelina und Eduardo. Ich nenne sie Addy und Eddy, was meine Mutter hasst.“ Sie holte ihr Smartphone aus der Tasche und rief das jüngste Foto der Zwillinge auf. Mit nassen Haaren saßen die beiden in der Badewanne und grinsten in die Kamera. „Sie passt im Moment auf die beiden auf, aber das ist kein Dauerzustand. Ich würde gern ein Kindermädchen engagieren.“ Und die Rechnungen bezahlen, die sich langsam auf ihrem Küchentisch häuften.

Die Liste von Problemen, die sie mit Geld lösen konnte, war lang. Selbst unter den günstigsten Umständen war der Beruf des Maklers mit langen Arbeitszeiten und einem unregelmäßigen Einkommen verbunden. Aber wenn eine Maklerin kein Haus verkaufen konnte, ohne dabei schluchzend im Wagen zu sitzen, wurde schnell klar, worauf sich das Einkommen belief. Nämlich auf null.

Eric nahm ihr das Smartphone aus der Hand und studierte die Gesichter der beiden Kleinen aufmerksam.

„Sie ähneln dir“, sagte er dann. „Wunderschön.“

Bei diesem ehrlich gemeinten Kompliment errötete Sofia noch mehr. „Danke. Nur ihretwegen mache ich überhaupt weiter.“

Hätte sie nicht ihre süßen kleinen Babys gehabt, für die sie verantwortlich war, hätte sie vielleicht längst aufgegeben. Die Depressionen und die Panikattacken lauerten immer im Hintergrund, aber Addy und Eddy waren für sie viel mehr als nur ihre Kinder. Sie waren auch Davids Kinder und damit alles, was ihr von ihm geblieben war. Sie durfte ihn nicht im Stich lassen. Und sich selbst auch nicht.

Und so hatte sie einfach weitergemacht, erst eine Minute lang, dann eine Stunde lang, einen Tag lang … Und nach und nach war es leichter geworden.

Wortlos betrachtete Eric die Babys einen Moment lang, bis er Sofia einen Platz auf dem Ledersessel vor seinem Schreibtisch zuwies. „Und du willst dich wirklich für den Posten der Büroleiterin bewerben? Dir ist aber klar, dass wir kein typisches Maklerbüro sind, oder?“

Sie hob das Kinn. „Mr. Jenner …“

„Eric. Wir kennen uns schon viel zu lange für solche Förmlichkeiten, findest du nicht auch?“ Die Art, wie er das sagte, klang nach einer ziemlichen Herausforderung. „Außerdem weiß ich gar nicht, ob ich an dich als Mrs. Bingham denken könnte. Für mich wirst du immer Sofia Cortés sein.“

Das konnte sie gut verstehen, denn auch für sie war er immer noch der nette Junge, den sie einmal gekannt hatte. Andererseits konnte sie es sich nicht leisten, diesen Milliardär hinter seinem prächtigen Schreibtisch romantisch zu verklären.

„Das war ich einmal“, erwiderte sie daher. „Aber das bin ich nicht mehr. Wir sind erwachsen geworden, du und ich. Wir sind nicht mehr die beiden Kinder, die miteinander im Pool gespielt haben. Ich brauche diesen Job!“

Ihre Blicke trafen sich, und in seinen Augen sah sie etwas, worüber sie gar nicht zu lange nachdenken wollte.

„Dann gehört er dir.“

2. KAPITEL

Das war ein Fehler. Eric wusste es, noch bevor er die Worte ausgesprochen hatte. Aber jetzt war es zu spät.

Er hatte gerade einer Frau, deren Qualifikation er überhaupt nicht kannte, den Posten seiner Büroleiterin angeboten.

Und das war noch nicht einmal alles. Denn schließlich war sie keine zufällige Bekannte. Sie war Sofia Cortés, mit der er praktisch aufgewachsen war.

Aber sie war nicht mehr das kleine Mädchen von früher. Die Frau vor ihm war … auf jeden Fall war sie erwachsen. Wie sie so vor ihm stand, reichte sie ihm bis ans Kinn. Das schwarze Haar hatte sie zum Knoten gebunden, und Eric verspürte plötzlich den unbändigen Wunsch, seine Hände in ihr Haar zu stecken. Am liebsten würde er den schlanken Nacken, der unter dem Haar sichtbar wurde, berühren.

Doch diesen Gedanken verdrängte er schnell wieder. Warum hatte seine Mutter ihm nicht gesagt, dass Sofia geheiratet hatte? Dass sie Zwillinge hatte und ihr Mann vor Kurzem gestorben war? Bestimmt wusste sie davon.

„Bist du … bist du dir da sicher?“, fragte Sofia verblüfft.

Eric ging es genau wie ihr. Normalerweise nahm er sich viel Zeit, um Kandidaten für einen Job zu überprüfen. Selbst wenn er vorher schon wusste, dass er sie engagieren wollte, wie zum Beispiel Heather für den Empfang. Und er hatte sie ganz gewiss nicht wegen ihres Aussehens genommen, obwohl sie natürlich das perfekte Aushängeschild für die Firma war. Der Grund, sie einzustellen, waren ihre Qualifikation, ihre Intelligenz und ihre rasche Auffassungsgabe gewesen. Außerdem wusste er, dass sie ihm gegenüber immer loyal sein würde, und das war mit Geld nicht zu bezahlen.

Das war etwas, was er von seinem Vater gelernt hatte. Engagiere die besten Talente, bezahle sie gut, und sie werden immer für dich kämpfen. War dies nicht auch der Grund, aus dem Sofia hier war? Weil die Familie Jenner die Familie Cortés immer unterstützt hatte?

„Natürlich“, erwiderte er daher mit einer Selbstsicherheit, die er innerlich nicht wirklich spürte. „Traust du dir den Job denn zu?“

Sofia errötete noch tiefer, was ihm ausnehmend gut gefiel. Nein, sie sah nicht wie eine Witwe mit zwei Kindern aus. Sie war … heiß. Und sehr verlockend.

Natürlich würde er sich nicht auf sie einlassen. Denn eine seiner eisernen Regeln besagte, dass er nichts mit dem Personal anfing. Okay, gegen ein bisschen flirten war nichts zu sagen. Aber er würde nie eine Angestellte in eine peinliche Situation bringen, in der sie nicht Nein sagen konnte, weil er der Boss war.

Eigentlich eine Schande, dass er Sofia engagieren wollte. Denn dann wäre sie ab sofort für ihn tabu. Doch vielleicht war es für sie auch besser so. Sie hatte schon genug Probleme, ohne dass er ihr wie ein Schatten folgen würde.

Sofia räusperte sich. „Also, ich kann dir versichern, dass ich ziemlich schnell bin. Außerdem habe ich eine Menge Erfahrung in der Branche gesammelt, denn seit ich meinen Abschluss am College gemacht habe, habe ich Häuser verkauft. Ich …“ Sie senkte den Blick.

Was hatte sie noch einmal gesagt? Ihr Mann war vor siebzehn Monaten gestorben. Und ihre supersüßen Zwillinge waren erst fünfzehn Monate alt. Beim Gedanken an die beiden stand sein Entschluss fest.

„Du hast den Job. Natürlich wirst du dich erst einarbeiten müssen, aber ich bin sicher, du schaffst das.“

Im Grunde war es ganz einfach. Entweder sie packte es oder nicht. Aber die Chance musste er ihr wenigstens geben. Ansonsten würde sich vielleicht noch eine andere Position für sie finden, in der sie ihre Talente zeigen konnte. Etwas mit geregelten Arbeitszeiten und einem regelmäßigen Gehaltsscheck. Das würde ihr dabei helfen, ihre Kinder großzuziehen.

Nein, kein Zweifel, er musste sie engagieren. Es war das einzig Richtige.

Ihre Augen weiteten sich und nahmen einen warmen Glanz an. „Das … das ist ja wunderbar.“

„Das Anfangsgehalt bei uns beträgt hundertzwanzigtausend Dollar im Jahr“, sagte Eric geschäftsmäßig. „Dazu kommen noch Boni für gute Leistungen. Reicht dir das?“

Sofia riss den Mund auf und sah ihn an, als ob sie ihn noch nie zuvor gesehen hätte. Ja, er konnte es sich leisten, seine Leute gut zu bezahlen, weil er dafür auch Höchstleistung bekam. Aber von ihrem Gesichtsausdruck zu schließen hätte er nicht sagen können, ob er sie beleidigt hatte oder ob sie überwältigt war.

„Das kann doch nicht dein Ernst sein“, stieß sie schließlich hervor.

Eric hob die Augenbrauen. Ein paar tausend Dollar mehr oder weniger waren für ihn nur Peanuts. „Wie wär’s mit hundertfünfundvierzigtausend?“

Jetzt wurde sie blass. „Bist du verrückt? Du kannst doch jetzt nicht noch höher gehen! Hundertzwanzigtausend Dollar sind genug. Mehr als genug.“

Er grinste sie an. „Dein Verhandlungsgeschick lässt sich noch verbessern. Du hättest einfach sagen können: Hundertfünfzig, und es ist ein Deal. Hast du wirklich Häuser verkauft?“ Als sie noch blasser wurde, erkannte er, dass ihr nicht zum Scherzen zumute war. Tatsächlich sah sie so aus, als würde sie im nächsten Moment ohnmächtig werden. „Hey, alles okay?“, fragte er besorgt und ging schnell zur Bar. Mit einer kleinen Flasche Mineralwasser kehrte er zu ihr zurück und reichte sie ihr. Sie atmete schwer.

„Sofia? Alles okay? Atme ganz tief durch.“

Schweigend ließ sie zu, dass er ihr die Flasche in die Hand drückte. Sie ließ auch zu, dass er ihr über die Schultern strich.

Ihre Reaktion überraschte Eric. Was war nur los mit ihr? Normalerweise, wenn er Leuten Geld anbot, konnten sie nicht schnell genug Ja sagen.

Aber diese Frau hier hatte Nein sagen wollen.

Da er nicht wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte, fuhr er fort, ihr über den Rücken zu streichen. Er spürte die Wärme ihres Körpers unter ihrem Jackett.

Noch immer rang sie um Luft. Hatte sie vielleicht eine Panikattacke? Er streckte die Hand aus und umfasste ihr Handgelenk, aber ihr Puls schlug zu seiner Erleichterung ziemlich normal.

„Kannst du dich noch an unsere Bootsrennen erinnern?“, fragte er, um sie auf andere Gedanken zu bringen.

„Ja“, erwiderte sie mit leiser Stimme. „Manchmal hast du mich gewinnen lassen.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, das stimmt nicht. Du hast mich geschlagen.“

Jetzt lächelte sie auch. „Das ist sehr nett von dir.“

Als sie sich halb zu ihm umwandte, wurde Eric plötzlich bewusst, wie nah sie beieinander standen. Wenn er sie küssen wollte, bräuchte er sich nur vorzubeugen.

Erinnerungen überfluteten ihn. Ja, er hatte sie schon einmal geküsst – damals, als sie beide noch Kinder gewesen waren. Er hatte mit Marcus gewettet, dass er sie küssen würde. Das hatte er dann auch getan, und Sofia hatte ihn gewähren lassen.

Doch er wusste, wenn er sie jetzt küssen würde, würde es nicht dabei bleiben. Er würde ihre Lippen in Besitz nehmen und …

Automatisch trat er einen Schritt zurück. Was war nur mit ihm los? Er durfte nicht auf diese Weise an Sofia Cortés denken. Schließlich hatte er sie gerade engagiert.

„Mir war gar nicht klar, wie teuer diese Boote waren“, sagte sie.

„Ach“, erwiderte er wegwerfend, „das war doch gar nicht der Punkt. Gib’s zu, wir hatten eine Menge Spaß!“

Sie nickte, während sie ihn aufmerksam ansah. „Wie alt waren wir damals eigentlich? Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie entsetzt meine Mom war, als sie uns dabei erwischt hat.“

„Also, ich war zehn. Alt genug, um es besser zu wissen. Aber es ging ja auch nur um ein paar hundert Dollar. Keine große Sache!“

Sofia verdrehte die Augen. „Vielleicht für dich. Aber meine Mutter hatte eine Riesenangst, dass wir irgendetwas zurückzahlen mussten.“ Jetzt klang sie wieder ein bisschen mehr wie die Sofia, die er von damals kannte. „Und das hätten wir uns nie im Leben leisten können.“

„Deshalb habe ich damals ja auch die Schuld auf mich genommen.“ Mit dem Rücken lehnte er sich gegen die Wand und verschränkte die Arme vor der Brust. In diesem Moment wäre er gern mit ihr auf dem See gewesen und nicht in seinem Büro. Dort, mit der Sonne im Gesicht und dem Wind in seinen Haaren, hätte er bestimmt wieder klar denken können. Hier jedoch fühlte er sich ausgesprochen durcheinander.

Sofia sah ihn erneut an. Sie schien … nun, sie war nicht mehr das Mädchen von damals, das stand fest. Aber vielleicht jemand, mit dem er befreundet sein konnte.

„Du warst schon immer …“, begann sie und brach dann unvermittelt ab.

„Was denn?“

„Nett. Einer der nettesten Leute, die ich je gekannt habe.“ Sie senkte erneut den Blick. „Und das bist du immer noch. Dieser Job …“ Sie schluckte.

Nett? Das hier war nicht nett von ihm, es war total berechnend. Er kaufte die Loyalität seiner Angestellten, und das war in ihrem Fall nicht anders. Und falls das nicht funktionierte, dann würde er ihr so schnell die Klamotten vom Leib reißen, dass sie gar nicht so schnell gucken konnte.

Er lachte über seine Gedanken, doch es klang ein bisschen bitter. „Oh nein, das bin ich nicht. Ich bin skrupellos. Ein erstklassiger, kaltblütiger Mistkerl. Liest du denn keine Zeitungen?“

Eric sah Sofia einen Moment lang herausfordernd an. Dann drehte er sich wieder zum Fenster und blickte stumm auf den See hinaus.

Sie schluckte, denn natürlich hatte sie die Zeitungen gelesen und wusste, dass man ihn am Altar versetzt hatte. Er galt als skrupelloser Geschäftsmann und als einer der fünf begehrtesten Junggesellen Chicagos. Aber nichts davon war er wirklich.

Oder doch?

Auch wenn sie sich lange nicht gesehen hatte, spürte sie instinktiv, dass sie noch immer dieselben Menschen waren wie damals. Er war kein kaltblütiger Mistkerl, egal, was die Leute sagen mochten.

Denn ein kaltblütiger Mistkerl hätte ihr bei einer Panikattacke nicht so liebevoll die Schultern massiert. Er hätte ihr auch kein Wasser gebracht. Er hätte sie ausgelacht und aus dem Büro geworfen.

Vor allem hätte er sie nicht so angeschaut, als wollte er sie küssen. Und dass er das wollte, daran bestand kein Zweifel.

Plötzlich musste Sofia daran denken, wie lange es her war, dass sie zuletzt geküsst worden war. Oh ja, David und sie waren ein leidenschaftliches Liebespaar gewesen, bevor sie schwanger geworden war. Aber danach hatte ihr Körper sich verändert und mit ihm ihr Liebesleben. Ihre Intimität war intensiver geworden und auch reicher – aber das war ein bisschen auf Kosten der Hitze gegangen.

Sie fächelte sich Luft zu. Hier drinnen war es unnatürlich warm.

„Bist du sicher, dass du möchtest, dass ich für dich arbeite? Gute Büroleiterinnen bekommen für gewöhnlich keine Panikattacken.“

„Natürlich bekommen sie die“, sagte er, ohne sich umzuwenden. „Sie wählen nur den Ort dafür besser aus. Ich persönlich kriege meine Panikattacken am liebsten hinter verschlossenen Türen. Niemand will schließlich neben dem Kaffeeautomaten ohnmächtig werden.“ Er wandte sich um und grinste.

„Eric, ich …“

„Passiert das eigentlich oft?“, unterbrach er sie.

„Es … es ist schon besser geworden.“ Wie viel konnte sie ihm erzählen, ohne zu riskieren, dass er sie für unfähig für den Job hielt? „Sie tauchten zum ersten Mal auf, nachdem David zusammengebrochen war. Aber ich hatte schon seit Wochen keine mehr. Ich glaube, ich war einfach nur überwältigt von der Höhe des Gehalts, das du erwähnt hast. Das ist …“

„Großzügig?“

„Verrückt.“ Allerdings war es auch das erste Mal, dass eine Attacke durch etwas Positives ausgelöst worden war. „Eric, so viel Geld kann ich einfach nicht annehmen. Der Job war für siebzigtausend annonciert. Du kannst mein Gehalt nicht einfach verdoppeln, nur weil wir einmal Freunde waren.“

Er schnaubte nur. „Also, zum einen sind wir immer noch Freunde und zum anderen kann ich das sehr wohl. Wer sollte mich aufhalten?“

Hundertzwanzigtausend waren etwas mehr als David und sie zusammen in einem Jahr verdient hatten. Was sie alles damit machen könnte … Aber sie wollte auf gar keinen Fall, dass er es ihr nur aus Mitleid anbot. „Das reguläre Gehalt für eine solche Position beträgt zwischen fünfzig- und sechzigtausend Dollar.“

„Nun ja, aber das hier ist auch mehr als nur ein regulärer Job, so viel kann ich dir versprechen. Klar, die meiste Zeit über wirst du normale Arbeitszeiten haben. Aber vielleicht wird es hin und wieder auch vorkommen, dass du zu bestimmten Baustellen fahren musst. Hier geht es nicht nur darum, neues Papier für den Kopierer zu bestellen. Keine Ahnung, ob dir das bewusst ist, aber für meine Firma arbeiten allein vierzig Anwälte, diverse Agenten, Steuerberater, Lobbyisten …“

„Lobbyisten?“ Zum ersten Mal bekam Sofia es mit der Angst zu tun. Vielleicht übernahm sie sich ja doch mit dieser Position?

Er nickte. „Ja klar, wir brauchen schließlich Leute in den Stadtverwaltungen, die ein Wort bei der Gesetzgebung mitzureden haben. Ich denke da vor allem an ein bestimmtes Projekt in St. Louis, das wir dort geplant haben. Wenn wir unsere Karten richtig spielen, bekommen wir Steuererleichterungen sowohl von der Stadt als auch vom Bundesstaat.“ Er schmunzelte, als ob er in der Lotterie gewonnen hätte.

„Natürlich“, erwiderte Sofia schwach, denn sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen können. Inzwischen hatte sie das sichere Gefühl, dass das Ganze eine Nummer zu groß für sie war.

„Außerdem“, fuhr er fort und klang dabei noch kühler, „was sind schon fünfzigtausend mehr oder weniger für einen Typen wie mich?“

Wahrscheinlich nichts, wenn man Milliardär ist, dachte sie. Doch hier ging es ja auch ums Prinzip. „Aber …“

„Übrigens“, fuhr er fort, als ob sie gar nichts gesagt hätte, „inzwischen habe ich ein noch schöneres Boot. Du solltest mal mitkommen, ich segle am liebsten nachmittags.“

Erneut hatte er sich von ihr abgewandt, aber seinem Ton nach zu schließen war klar, dass das Gespräch über ihr Gehalt zu Ende war.

„Ein Segelboot?“, fragte sie.

„Eine Jacht, um genau zu sein. Und wir werden sie nicht mit einem Felsbrocken versenken. Du brauchst dir also keine Sorgen zu machen. Du könntest … Wenn du magst, könntest du auch die Kinder mitbringen. Bestimmt würde es ihnen viel Spaß machen.“

Was zum Teufel geschah hier? Eric gab ihr einen Job und wollte ihr viel zu viel Geld dafür bezahlen. Und jetzt lud er sie auch noch auf seine Jacht ein? Sie und die Zwillinge? „Eric …“

„Ach, ist auch nicht so wichtig. Wahrscheinlich lässt dir dein Mistkerl von Chef sowieso nicht genügend Freizeit dafür.“ Endlich drehte er sich zu ihr um. Aber als sie sein Gesicht sah, war sie schockiert über seine harten Züge. „Komm mit. Wir wollen doch mal sehen, worauf du dich hier eingelassen hast, okay?“

Wahrscheinlich auf mehr, als ich managen kann, dachte sie, als sie ihm aus seinem Büro folgte und ihn auf die Tour durch Jenner Properties begleitete.

Drei Stunden später war Sofia klar, dass sie der Sache nicht gewachsen war. Sie war sich auch ziemlich sicher, dass Eric es ebenfalls wusste. Aber es schien ihm nichts auszumachen. Immer wieder sah er sie von der Seite an und fragte: „In Ordnung?“, als wollte er unbedingt, dass es so war.

Er setzte viel Vertrauen in sie, und sie war gewillt, ihn nicht im Stich zu lassen. Genauso wenig wie ihre Mom und ihre Kinder. Doch vor allen Dingen ging es hier um sie selbst. Dies war die erste Veränderung, die sie selbst initiiert hatte, seit ihr Leben vor eineinhalb Jahren auf den Kopf gestellt worden war. Dieser Job war der erste Schritt, um ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen.

Selbst wenn das bedeutete, dass sie erst einmal improvisieren musste.

„Das hier sind Meryl und Steve Norton“, sagte Eric in diesem Moment und klopfte an die letzte Bürotür. „Meryl ist meine Verhandlungsführerin für das Projekt in St. Louis und Steve der Projektleiter. In diesem Fall hilft es natürlich, dass sie verheiratet sind.“ Und dann, mit erhobener Stimme: „Ihr Lieben, das ist Sofia. Sie ist unsere neue Büroleiterin.“

„Hallo“, sagte Sofia und lächelte. Nachdem Eric sie sechs oder sieben Leuten vorgestellt hatte, hatte er aufgehört, ihren Nachnamen zu nennen.

„Herzlich willkommen“, sagte ein großer, jovial wirkender Mann mit schütterem Haar und erhob sich von seinem Schreibtisch. Sein Lächeln war freundlich, und seine Augen waren warm. „Im Irrenhaus“, setzte er noch hinzu und gab ihr die Hand. „Ich bin Steve. Ich kümmere mich um die Bauunternehmer.“

So groß Steve war, so zierlich war seine Frau. Auch sie trat hinter ihrem Schreibtisch hervor, und ihr Mann legte ihr den Arm um die Schulter. Zu Sofia gewandt erklärte sie: „Hören Sie gar nicht auf ihn. So schlimm ist es hier gar nicht, wenn Sie mit Verrückten umgehen können. Ich bin Meryl, ich bin zuständig für Politiker.“

In diesem Moment klingelte Erics Smartphone. Nach einem kurzen Blick auf das Display sagte er: „Oh, da muss ich rangehen. Sofia, wenn du hier fertig bist, lass dir von Heather zeigen, wo alles ist. Wenn ich danach noch hier bin, schau noch mal kurz bei mir rein. Wenn nicht, sprich bitte mit Tonya. Sie macht deinen Vertrag fertig.“ Damit war er verschwunden.

Den Rundgang hatte Sofia bisher gut überstanden, weil Eric an ihrer Seite gewesen war. Er schien ein gutes Verhältnis zu seinen Angestellten zu haben und behandelte sie offenbar wie ebenbürtige Menschen. Egal, ob sie introvertiert oder extrovertiert waren.

Steve Norton schien eindeutig zur letzten Kategorie zu gehören.

„Es geht das Gerücht um, dass Sie und der Big Boss sich von früher kennen“, sagte er, und seine Augen glitzerten dabei schelmisch.

„Liebling“, sagte Meryl warnend und stieß ihm mit dem Ellenbogen in die Seite. „Misch dich bitte nicht ein.“ Und dann, zu Sofia gewandt: „Hat Mr. Jenner Ihnen erklärt, dass Sie wahrscheinlich auch reisen müssen?“

Sofia nickte. „Ja, er hat es erwähnt. Und was dieses Gerücht angeht … Es stimmt, wir kennen uns von früher, als wir noch Kinder waren. Sein Vater hat meinen Vater in das Maklerwesen eingeführt.“ Unter normalen Umständen hätte sie das nicht erwähnt. Aber sie wollte auf keinen Fall, dass in der Firma über sie und ihn getuschelt wurde. Daher fügte sie noch hinzu: „Unsere Eltern schicken sich noch immer jedes Jahr Weihnachtskarten.“

Amüsiert sah Steve sie an. Meryl sagte zu ihrem Mann: „So, jetzt weißt du’s. Ach, übrigens, Sofia, wir wollen nächsten Monat nach St. Louis fliegen. Es gehört zu Ihren Aufgaben als Büroleiterin, die Reise zu organisieren. Bis jetzt haben Heather und ich das gemacht, aber jetzt würde ich Ihnen gern die Details überlassen. Dann bekommen Sie auch mit, wie Mr. Jenners Arbeitsweise ist. Sie kommen doch aus der Maklerbranche, oder?“

Sie nickte. „Ja, ich arbeite schon seit Jahren in dieser Branche. Allerdings muss ich zugeben, dass das hier ein anderes Level hat.“ Aber gut, einen Businesstrip mit Eric würde sie schon organisieren können. Das dürfte kein Problem sein.

„Dann ist der Trip nach St. Louis ein guter Einstieg“, erklärte Meryl entschlossen. Sie klang wirklich wie jemand, der gut verhandeln konnte. „Bei dieser Gelegenheit können Sie sehen, was Mr. Jenner alles unternimmt, um sich auch kleinere Märkte zu erschließen, und wie Sie ihn dabei unterstützen können. Das Business zu kennen, ist der Schlüssel für das Funktionieren dieses Büros.“

Sofia sah Steve an. Für einen Projektleiter war er ziemlich schweigsam. Ihr kam der Verdacht, dass er ihr gern eine persönliche Frage gestellt hätte, aber seine Frau fuhr einfach fort. „Ich maile Ihnen gleich den Reiseplan zu. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen. Ach ja, noch etwas: Steve brauchen Sie nicht zu managen. Das ist mein Job!“ Sie zwinkerte Sofia zu.

Ihr Mann protestierte laut, aber ihr war klar, dass das nur Show war. Sie verabschiedete sich von den beiden, und nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, hörte sie sie laut lachen.

Einen Moment lang blieb sie im Flur stehen, um sich zu sammeln. Eigentlich hatte sie erwartet, dass ihr Bewerbungsgespräch etwa eine Stunde dauern würde. Aber jetzt war sie schon seit über vier Stunden hier. Bestimmt machte sich ihre Mutter bereits Sorgen. Kritisch würde die Situation allerdings erst dann, wenn die Zwillinge aufwachten.

Erics Büro war rechts von Steves und Meryls, aber seine Tür war geschlossen. Links von Sofia befand sich ein Fenster. Es bot zwar keinen Blick auf den Lake Michigan, aber auch die Skyline von Chicago war atemberaubend.

Sie zog ihr Handy aus der Tasche, um zu sehen, ob sie Nachrichten hatte. Ihre Mutter hatte ihr ein Foto von Addy und Eddy geschickt, die gerade dabei waren, ihr Mittagessen zu vertilgen. Sofias Herz zog sich zusammen, während sie das Bild betrachtete. Als sich herausgestellt hatte, dass sie Zwillinge erwartete, hatte sie sich entschieden, mit der Arbeit zu pausieren. Sie hatte es genossen, sich um ihre Kinder zu kümmern. Aber ehrlicherweise musste sie zugeben, dass es auch einmal ganz nett war, eine Unterhaltung zu führen ohne Geschrei im Hintergrund.

Sie schickte ihrer Mutter eine SMS und ließ sie wissen, wann sie voraussichtlich zu Hause sein würde. Dann sah sie sich noch einmal in den Büroräumen um. Alles war makellos und auf Hochglanz poliert, bis hin zu der kleinen Teeküche.

Dieser Job war ein Meilenstein für sie. Er würde ihr die Möglichkeit geben zu beweisen, dass ihr Leben noch aus mehr bestand, als Witwe und Mutter von Zwillingen zu sein.

Und Eric Jenner war derjenige, der ihr diese Möglichkeit bot.

Sie ging auf die Rezeption zu, hinter der die schicke Heather saß, und räusperte sich.

„Äh, Mr. Jenner hat mir gesagt, ich sollte Sie …“

„Einen Moment, bitte“, schnitt Heather ihr das Wort ab, ohne von ihrem Computer hochzusehen. Sofia schluckte. Dann beendete Heather die Arbeit, an der sie gesessen hatte, und kam hinter dem Tresen hervor. Sie hatte langes blondes Haar, das ihr auf die Schulter fiel, und wirkte so jung und modern, dass Sofia sich dagegen alt und schwerfällig vorkam.

Die junge Frau wies Sofia den Weg zu einem kleinen Abstellraum direkt neben der Treppe. „Hier sind alle Vorräte“, erklärte sie, nachdem die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war. Einen kurzen Moment musterte sie Sofia von Kopf bis Fuß, dann sagte sie unerwartet: „Keine Ahnung, ob Ihnen das schon jemand gesagt hat. Aber wir freuen uns wirklich sehr, dass Sie da sind!“

Überrascht zog Sofia die Augenbrauen hoch. „Im Ernst?“